VwGH 93/15/0163

VwGH93/15/016323.2.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde der G Gesellschaft m.b.H. in L, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 25. März 1993, Zl. 116-GA3BK-DTr/92, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für 1990, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §188 Abs1 litb;
EStG §23 Z2;
EStG §27 Abs1 Z2;
HGB §178;
BAO §188 Abs1 litb;
EStG §23 Z2;
EStG §27 Abs1 Z2;
HGB §178;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von S 11.330,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

An der Beschwerdeführerin sind seit dem Jahr 1990 8 physische Personen als stille Gesellschafter beteiligt, wobei die (jeweils gleichlautenden) Gesellschaftsverträge auszugsweise folgenden Wortlaut haben:

"§ II Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter

Der stille Gesellschafter ist am Gewinn und Verlust des Unternehmens des Geschäftsherrn rückwirkend ab Beginn des Geschäftsjahres, in dem sein Eintritt als atypisch stiller Gesellschafter erfolgt, gemäß den Gestimmungen des § VI beteiligt.

Der stille Gesellschafter ist schuldrechtlich auch am Vermögen einschließlich der stillen Reserven und des Firmenwertes des Geschäftsherrn beteiligt (atypisch stille Gesellschaft). Bei Ausscheiden aus dem Gesellschaftsverhältnis stehen ihm die Ansprüche aus § XIII zu.

Der eintretende Gesellschafter nimmt nicht an außerordentlichen Erträgen aus der Einbringlichmachung von bereits zum Zeitpunkt des Eingehens der stillen Gesellschaft wertberichtigter Forderungen teil. Dasselbe gilt für in Anspruch genommene Investitionsprämien und Investitionsfreibeträge, welche in den Geschäftsjahren vor dem Beitritt des stillen Gesellschafters gebildet wurden.

§ VI Beteiligung am Gewinn und Verlust

Die Einlagen aller stillen Gesellschafter stellen gemeinsam mit dem Stammkapital des Geschäftsherrn vorbehaltlich des § III jeweils am Ende eines jeden Geschäftsjahres die Kapitalbasis für die "BETEILIGUNG AM VERLUST" dar. Die Beteiligung der stillen Gesellschafter an VERLUSTEN ergibt sich aus dem Verhältnis ihrer Einlagen zur genannten Kapitalbasis. § VII Geschäftsführung und Vertretung des Geschäftsherrn

Zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft ist allein der Geschäftsherr berechtigt und verpflichtet. DER STILLE GESELLSCHAFTER IST AN DER GESCHÄFTSFÜHRUNG NICHT BETEILIGT. Er wirkt insbesondere auch nicht mit an der Beschlußfassung über Änderungen des Geschäftsgegenstandes des Geschäftsherrn und sonstige wesentliche Fragen, auch nicht an der Bestellung der Organe des Geschäftsherrn. Der stille Gesellschafter besitzt auch kein Widerspruchsrecht.

§ IX Dauer der Gesellschaft und Kündigung

Die stille Gesellschaft beginnt mit der Annahme der Beteiligungserklärung durch den Geschäftsherrn und bleibt auf UNBESTIMMTE Zeit bestehen.

Das Gesellschaftsverhältnis kann VON JEDEM VERTRAGSPARTNER unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten jeweils zum 31.12. eines Jahres aufgekündigt werden, ERSTMALIG JEDOCH ZUM 31.12.1997.

§ XIII Ansprüche des stillen Gesellschafters bei Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses

Scheidet der stille Gesellschafter DURCH KÜNDIGUNG ODER AUS SONSTIGEN GRÜNDEN (z.B. KONKURS des Geschäftsherrn) AUS DER

STILLEN GESELLSCHAFT AUS, SO HAT ER ANSPRUCH AUF SEIN

AUSEINANDERSETZUNGSGUTHABEN gemäß dem jeweiligen Fachgutachten der Kammer der Wirtschaftstreuhänder.

Basis für die Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens stellt jene Bilanz dar, welche dem Stichtag des Ausscheidens vorangeht. Das so ermittelte Abfindungsgutachten ist grundsätzlich bis längstens 30.6. des Kalenderjahres auszubezahlen, das dem Stichtag des Ausscheidens folgt. Das Auseinandersetzungsguthaben beträgt NACH ABLAUF DER MINDESTBINDUNGSDAUER VON 7 JAHREN (VGL. § IV) MINDESTENS 90 %, HÖCHSTENS JEDOCH 150 % DER EINLAGE."

Mit Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt vom 9. Jänner 1992 erfolgte u.a. gemäß § 188 BAO eine einheitliche und gesonderte Feststellung der im Kalenderjahr 1990 erzielten Einkünfte.

Zufolge der gegen diesen Bescheid (aus jetzt nicht beschwerderelevanten Gründen) erhobenen Berufung hob das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung vom 12. Juni 1992 diesen Bescheid mit der Begründung wieder auf, die stillen Beteiligungen seien nicht als unechte anzuerkennen, weshalb eine einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften nicht durchzuführen gewesen wäre. Daraufhin stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab und hob den erstinstanzlichen Bescheid ebenfalls ersatzlos auf.

Sie begründete dies im Kern wie folgt:

Die unbeschränkte Beteiligung der stillen Gesellschafter an den stillen Reserven und am Firmenwert bis 31. Dezember 1997 betreffe nur "eine kleine Gruppe" außergewöhnlicher und nicht alltäglicher Gründe für die Beendigung der stillen Gesellschaftsverhältnisse. Bezogen auf die Zeit nach dem 31. Dezember 1997 könne aber mit Rücksicht auf die von den Verträgen festgelegte Bandbreite der Höhe des Auseinandersetzungsguthabens nicht davon gesprochen werden, daß die stillen Gesellschafter das für die Annahme einer Mitunternehmerschaft essentielle Unternehmerrisiko übernommen hätten. Das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft sei daher zu verneinen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf einheitliche und gesonderte Feststellung ihrer Einkünfte gemäß § 188 Abs. 1 BAO verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 188 Abs. 1 lit. b BAO werden die Einkünfte (der Gewinn oder der Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten) aus Gewerbebetrieb einheitlich und gesondert festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind.

Eine tatbestandsmäßige Beteiligung an den Einkünften wird nur dann angenommen, wenn sie in einer sogenannten Mitunternehmerschaft besteht (vgl. z.B. Stoll, BAO-Handbuch, 438 Abs. 3 und die dort referierte Judikatur sowie Quantschnigg - Schuch, Einkommensteuer-Handbuch Rz 19 zu § 23 EStG). Gemäß § 23 Z 2 EStG 1988 sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb u.a. Gewinnanteile der Gesellschafter von Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind (wie inbesondere offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften).

Entscheidend für den vorliegenden Fall ist somit die Frage, ob die an der Beschwerdeführerin beteiligten stillen Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind. Voraussetzung dafür ist, daß mit ihrer Position Unternehmerwagnis verbunden wäre. Dieses drückt sich in der Unternehmerinitiative und/oder im Unternehmerrisiko aus (Quantschnigg-Schuch aaO und die dort zitierte Judikatur und Literatur). Unternehmerinitiative entfaltet, wer auf das betriebliche Geschehen Einfluß nehmen kann, wozu auch das einem Gesellschafter zustehende Stimmrecht genügt (Quantschnigg-Schuch aaO sowie das hg. Erkenntnis vom 2. April 1982, 82/13/0079, 0080 ÖStZB 1983, 62). Eine solche Einflußnahme ist für den Beschwerdefall auf Grund der Vertragsgestaltung in Punkt VII zu verneinen.

Das Unternehmerrisiko besteht in der Teilnahme am Wagnis des Unternehmens und kommt u.a. in der Beteiligung am Gewinn und Verlust und an den stillen Reserven einschließlich des Firmenwertes zum Ausdruck (Quantschnigg-Schuch aaO sowie das oben zitierte Erkenntnis Zl. 82/13/0079, 0080).

Hinsichtlich der Beteiligung im Rahmen einer stillen Gesellschaft (§§ 178 ff - früher 335 ff - HGB) vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur die Auffassung, daß sogenannten atypische (unechte) stille Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom 9. Februar 1982, Zl. 81/14/0060 sowie die bei Quantschnigg-Schuch aaO Rz 26 referierte Judikatur). Ob eine unechte stille Gesellschaft vorliegt, ist im Einzelfall nach dem Gesamtbild der Verhältnisse, insbesondere aus den vertraglichen Vereinbarungen für den Fall der Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses zu beurteilen (vgl. das

hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1986, Zl. 86/13/0092 HS 16.152 = ÖStZB 1987, 277 = ÖJZ 1987, 632). Von einer atypischen stillen Beteiligung spricht man u.a. dann, wenn der stille Gesellschafter an den stillen Reserven und am Firmenwert teilnimmt (vgl. insbesondere das oben zitierte hg. Erkenntnis Zl. 81/14/0060; weiters das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. Oktober 1984, Zl. 82/15/0111 Slg. N.F. 5906/F = HS 14.160 sowie Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht2 1549;

derselbe in Schlegelberger, HGB5 Rz 67 und 68 zu § 335 HGB;

Straube in Straube, KommzHGB Rz 22 und 24 zu § 335 HGB-Art. 7 Nr. 22 EVHGB), wobei einer Anerkennung als Mitunternehmerschaft selbst der Umstand nicht entgegensteht, daß für den Fall des freiwilligen Ausscheidens eines stillen Gesellschafters zufolge einer von ihm selbst vorgenommenen Kündigung des Gesellschaftsvertrages (und der dadurch bewirkten Auflösung der stillen Gesellschaft) eine Beteiligung am "good will" vertraglich ausgeschlossen ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 29. April 1981, Zl. 3123/79 HS 12.183 = ÖJZ 1982, 136;

Hofstätter-Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar III A Rz 23, S 57 Abs. 2 zu § 23 EStG 1988; Stoll, Publikums-Abschreibungs-Gesellschaften 59 FN 26 und die dort zitierte Judikatur; Lechner, Die Gewinnpoolung, 250 mwN in FN 8 und 9; Quantschnigg-Schuch aaO Rz 26 Abs. 2 insbesondere unter Berufung auf das oben schon zitierte hg. Erkenntnis Zl. 81/14/0060). Betreffend die sonstigen Fälle der Auflösung der Gesellschaft, insbesondere gegen den Willen des stillen Gesellschafters, wird aber eine Teilnahme des stillen Gesellschafters an stillen Reserven und damit auch am Firmenwert für die Annahme einer Mitunternehmerschaft als unerläßlich angesehen (Hofstätter-Reichel aaO e contrario; Stoll aaO und Lechner aaO).

Betrachtet man den vorliegenden Fall vor dem Hintergrund dieser Rechtslage, so ist zu beachten, daß die stillen Gesellschafter der Beschwerdeführerin zunächst in der Zeit von 1990 bis Ende 1997 - also während des nicht unwesentlichen Zeitraumes von immerhin acht Jahren - für den Fall einer Auflösung des Gesellschaftsverhältnisses anders als durch ordentliche Kündigung ohne vertragliche Schranken am Vermögen einschließlich der stillen Reserven und des Firmenwertes der Beschwerdeführerin beteiligt sind. Dieser Umstand darf - anders als es die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid gesehen hat - keineswegs vernachlässigt werden, weil es während der Zeit bis Ende 1997 (angesichts der gegebenen Wirtschaftslage und der Unvorhersehbarkeit künftiger Entwicklungen) auch abgesehen vom vertraglich ausgeschlossenen Aufkündigungsrecht durchaus realistischerweise auf Grund der sonstigen gesetzlich vorgesehenen Auflösungsgründe, zB im Wege der zwingend gegebenen Möglichkeit einer sogenannten vorzeitigen Auflösung aus wichtigen Gründen (gem. § 184 Abs. 1 Satz 2, früher § 339 Abs. 1 Satz 2 HGB; auch außerordentliche Kündigung genannt; vgl. Straube aaO Rz 14 ff zu § 339 HGB Art. 7 Nr. 25 EVHGB) oder kraft Eröffnung des Konkurses über das Vermögen sei es des Geschäftsherrn, sei es des stillen Gesellschafters (§ 185 Abs. 2 HGB, früher Art. 7 Nr. 25 Abs. 2 EVHGB; vgl. Straube aaO Rz 8 zu § 339 HGB Art. 7 Nr. 25 EVHGB) zu einer Auflösung der stillen Gesellschaften kommen kann.

Dazu kommt, daß in den Verträgen für die Zeit nach dem 31. Dezember 1997 für die Errechnung des Auseinandersetzungsguthabens zwar eine limitierte Beteiligung der stillen Gesellschafter am Vermögen (einschließlich der stillen Reserven und des Firmenwertes) vorgesehen ist, jedoch in einer Bandbreite von wenigstens 90 % und maximal 150 % der Einlage. Damit kann nicht mehr von einer bloßen "Pauschalabfindung" für den Firmenwert bzw. von einem "Globalbetrag" gesprochen werden, was nach der Ansicht von Quantschnigg-Schuch (aaO Rz 26) und Stoll (aaO 59, 60 FN 26), die sich dabei auf die Rechtsprechung des BFH (BStBl 1981, 424 bzw. 1982 II 59) berufen, der Anerkennung einer Mitunternehmerschaft entgegenstünde. Die nach den Gesellschaftsverträgen maßgeblichen Beteiligungsbandbreiten in einer Größe zwischen 90 und 150 % der Einlage schließen es unter den sonstigen Umständen des Beschwerdefalles nicht aus, von einer Teilnahme der stillen Gesellschafter am wirtschaftlichen Erfolg bzw. Mißerfolg des Unternehmens der Beschwerdeführerin zu sprechen, sodaß die stillen Gesellschafter sehr wohl Unternehmerrisiko und damit Unternehmerwagnis übernommen haben. Da diese Teilnahme der stillen Gesellschafter nach der Regelung des Punktes XIII der Verträge bezogen auf die Zeit nach dem 31. Dezember 1997 für alle Fälle der Auflösung der stillen Gesellschaftsverhältnisse, insbesondere also auch für Fälle der Auflösung gegen den Willen der betroffenen stillen Gesellschafter, gilt, kommt den stillen Gesellschaftern schon allein bei Betrachtung der vertraglichen Regelung für die Zeit nach 1997 und daher umso mehr bei ganzheitlicher Betrachtung unter Einbeziehung der oben erwähnten, bereits in der Zeit bis Ende 1997 möglichen Fälle der Realisierung der Auseinandersetzungsguthaben jedenfalls eine Position zu, die eine Anerkennung der stillen Gesellschafter der Beschwerdeführerin als Mitunternehmer gebietet.

Indem die belangte Behörde diese Anerkennung versagte, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung führen muß.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 104/1991; die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft die angesprochene Umsatzsteuer, deren Zuerkennung wegen des gesetzlich vorgesehenen Pauschalcharakters des Aufwandersatzes nicht in Frage kommt (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 697 Abs. 3 und 7 referierte hg. Judikatur).

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