VwGH 86/13/0092

VwGH86/13/009222.10.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsin als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissär Dr. Papierer, über die Beschwerde des EJ in W, vertreten durch Dkfm. DDr. Wilfried Dorazil, Rechtsanwalt in Wien V, Reinprechtsdorferstraße 57/2, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 24. April 1986, Zl. 6/3- 3110/86, betreffend Einkommensteuer 1983, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §23 Z2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1986:1986130092.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Einziger Streitpunkt des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist die Frage, ob der Beschwerdeführer im Streitjahr an der Firma A Handelsgesellschaft m.b.H. (in der Folge kurz: Ges.m.b.H.) als echter oder unechter stiller Gesellschafter beteiligt war.

Die belangte Behörde hat diese Beteiligung in dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid als Mitunternehmerschaft im Sinne einer unechten stillen Gesellschaft beurteilt und deshalb die vom Beschwerdeführer begehrte Anerkennung des Verlustes aus dieser Beteiligung als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht vorgenommen. Dabei ging die belangte Behörde von folgenden, zwischen dem Beschwerdeführer und der Ges.m.b.H. abgeschlossenen schriftlichen Vereinbarungen aus:

1.) "Stiller Gesellschaftsvertrag" vom 23. Oktober 1978:

Gemäß § 2 dieses Vertrages beteiligte sich der Beschwerdeführer an der Ges.m.b.H. mit einer Einlage von S 600.000,--; dazu wurde in § 3 zur "Beteiligung am Gewinn, Vermögen und Verlust" folgendes vereinbart:

"(1) Der stille Gesellschafter ist nicht nur am Gewinn und Verlust, sondern in schuldrechtlicher Form auch am Betriebsvermögen und am Firmenwert ... der Ges.m.b.H. ... beteiligt. Im Innenverhältnis nimmt er hinsichtlich der Kontrollrechte die Stellung eines Kommanditisten ein.

(2) Der Anteil des stillen Gesellschafters am Betriebsvermögen, Gewinn und Verlust ... der Ges.m.b.H. ... beträgt 2/3 (zwei Drittel) und entspricht somit dem Verhältnis des Stammkapitales der Gesellschaft von S 300.000,-- zur Einlage des stillen Gesellschafters von S 600.000,--."

Gemäß § 6 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages wird "das Auseinandersetzungsguthaben des stillen Gesellschafters

... auf Grund der zum Ausscheidungsstichtag zu errichtenden Auseinandersetzungsbilanz ermittelt, wobei die Bestimmung des § 3 dieses Vertrages voll zu berücksichtigen ist."

2.) "Abänderung des stillen Gesellschaftsvertrages" vom 16. März 1982:

Gemäß Art. II dieser Vereinbarung verpflichtete sich der Beschwerdeführer zur Erhöhung seiner stillen Beteiligung um S 400.000,-- auf S 1 Million; ungeachtet dieser Erhöhung sollte gemäß Art. III der in § 3 des Gesellschaftsvertrages vereinbarte Anteil weiterhin 2/3 betragen, da die Ges.m.b.H. gleichzeitig eine Erhöhung ihres Stammkapitales auf S 500.000,-- vornahm. Der Art. IV "Schlußbestimmungen schließlich hatte folgenden Wortlaut:

"Im übrigen bleiben die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages vom 23. 10. 1978 unverändert und haben auch sinngemäß auf diese ergänzende Vereinbarung Anwendung zu finden."

3.) Über Anregung des Steuerberaters des Beschwerdeführers kam es dann am 29. März 1982 zu einer "Ergänzung zum stillen Gesellschaftsvertrag vom 23. 10. 1978 und seiner Zusatzvereinbarung vom 16. 3. 1982" folgenden Inhaltes:

"§ 1

Herr EJ hat sich am Handelsgewerbe der ... Ges.m.b.H. gemäß

stillem Gesellschaftsvertrag vom 23. 10. 1978 mit einer Vermögenseinlage von S 600.000,-- beteiligt. Mit dieser ursprünglichen Einlage von S 600.000,-- war auch eine Beteiligung am Firmenwert vorgesehen und weiters geregelt, daß Herr EJ im Innenverhältnis die Stellung eines Kommanditisten zuzukommen hat.

§ 2

Mit Änderungsvereinbarung vom 16. 3. 1982 hat sich Herr EJ verpflichtet, eine weitere Einlage von S 400.000,-- zu leisten, wobei in Abänderung des stillen Gesellschaftsvertrages vom 23. 10. 1978 in dieser Zusatzvereinbarung nicht mehr die Beteiligung am Firmenwert mit der Rechtswirksamkeit im Innenverhältnis gleich einem Kommanditisten bedungen wurde. Herr EJ ist hinsichtlich dieser weiteren Einlage nur mehr in schuldrechtlicher Form am Vermögen sowie am Gewinn und Verlust der Gesellschaft beteiligt.

§ 3

Zur Klarstellung dieser vertraglichen Vereinbarungen halten daher die Vertragsteile ergänzend fest, daß es sich bei dieser Einlage von S 400.000,-- und den allenfalls auch zukünftig weiter zu leistenden Einlagen Herrn EJ mangels dinglicher Rechte am Gesellschaftsvermögen und mangels Beteiligung am Firmenwert (Goodwill) nicht um eine sogenannte atypische stille Beteiligung, sondern um eine echte stille Beteiligung bzw. Beteiligungen handelt. Eine Änderung hiezu bedürfte ausdrücklich einer schriftlichen Vereinbarung.

§ 4

Im übrigen bleiben die Bestimmungen der eingangs genannten

Vereinbarungen aufrecht."

4.) "Abänderung des stillen Gesellschaftsvertrages vom 23. 10. 1978 in der Fassung vom 16. 3. 1982" vom 7. September 1983:

In Art. I dieser Vereinbarung wurden die Rechtsverhältnisse der Vertragspartner - ohne Bezugnahme auf die zuletzt wiedergegebene Zusatzvereinbarung vom 29. März 1982 - wiedergegeben und festgehalten, daß die Ges.m.b.H. in der Zwischenzeit ihr Stammkapital auf nunmehr S 1,700.000,-- erhöht habe. Gemäß Art. II ("Willenseinigung") erhöhte der Beschwerdeführer seine stille Beteiligung an der Ges.m.b.H. mit Wirksamkeit ab 1. September 1983 auf S 1,500.000,--; hiezu wurde im letzten Absatz dieses Art. II festgehalten:

"Im Sinne des § 3 Abs. 2 des Stillen Gesellschaftsvertrages vom 23. 10. 1978 ist Herr Kommerzialrat EJ auch nunmehr im Verhältnis der stillen Einlage zum Stammkapital der Gesellschaft am Betriebsvermögen, Gewinn und Verlust des Handelsgewerbes der

... Gesm.b.H. ... beteiligt, also mit 15/32

(fünfzehn/zweiunddreißigstel)-Anteilen."

Der Art. III "Schlußbestimmungen" dieser Vereinbarung schließlich lautete:

"Im übrigen bleiben die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages vom 23. 10. 1978 in der Fassung der Abänderung vom 16. 3. 1982 unverändert."

Die Frage, ob der vorliegende gesellschaftliche Zusammenschluß als echte oder unechte stille Gesellschaft anzusehen sei, könne - wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausführt - nur an Hand der vertraglichen Vereinbarungen für den Fall der Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses beurteilt werden. Diese fänden sich ausschließlich im § 6 des Vertrages vom 23. Oktober 1978, in welchem auf den § 3 dieses Vertrages verwiesen werde. Diese Bestimmungen seien durch die nachfolgenden Vereinbarungen vom 16. März 1982 und vom 7. September 1983 nicht berührt worden. Diese geschlossene Vertragskette lasse keinen Zweifel darüber, daß mit diesen Verträgen eine atypische (unechte) stille Gesellschaft errichtet und fortgeführt werden solle. Im Falle der Auseinandersetzung würden diese Verträge zivilrechtlich voll zur Geltung kommen.

Hingegen sei die Vertragsergänzung vom 29. März 1982 in sich widersprüchlich. Diese Vereinbarung komme außerdem weder ausreichend nach außen zum Ausdruck (sie sei ohne Wissen des rechtlichen Vertreters abgefaßt und deshalb auch nicht in der wieder von diesem verfaßten Folgeergänzung vom 7. September 1983 enthalten), noch finde sie einen Niederschlag in den Büchern der Ges.m.b.H. (in der Bilanz zum 31. Dezember 1983 fänden sich Hinweise auf die "atypische Beteiligung" und deren Verlustkonto). Bei dieser Sachlage könne nicht von einer ernstgemeinten Vertragsabänderung gesprochen werden, es sollte vielmehr lediglich eine andere Besteuerung der wirtschaftlich und rechtlich bestehenden atypischen stillen Gesellschaft herbeigeführt werden.

Nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise liege das Gewicht der Beurteilung eines abgabenrechtlich bedeutsamen Vorganges nicht in seinem äußeren Erscheinungsbild, entscheidend sei vielmehr der wirtschaftliche Sinn und Gehalt eines Geschehens oder einer Vereinbarung. Die Abänderung der Gesellschaftsform einer atypischen stillen Gesellschaft in eine echte stille Gesellschaft hätte daher wesentlicher vertraglicher Bestimmungen hinsichtlich der Beendigung der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen (stille Reserven und Firmenwert) bedurft. Es sei daher im Beschwerdefall vom Bestehen einer unechten stillen Gesellschaft auszugehen, weshalb die vom Beschwerdeführer begehrte Anerkennung des Verlustes aus Kapitalvermögen nicht vorgenommen werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 27 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 sind Einkünfte aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter grundsätzlich Einkünfte aus Kapitalvermögen. Ein Fall, in welchem die Gewinnanteile des stillen Gesellschafters den betrieblichen Einkünften zuzurechnen sind, ist aber nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann gegeben, wenn eine sogenannte unechte stille Gesellschaft vorliegt. Ein solches besonderes, durch seine Vertragsgestaltung im Innenverhältnis gekennzeichnetes Gesellschaftsverhältnis ist dann anzunehmen, wenn der stille Gesellschafter nicht nur am laufenden Gewinn des Inhabers des Handelsgewerbes teil hat, sondern darüber hinaus auch an den stillen Rücklagen und am Firmenwert des Unternehmens beteiligt ist. Die Entscheidung, ob ein solcher Fall der Mitunternehmerschaft vorliegt und diese für die Annahme einer "unechten" stillen Gesellschaft erforderlichen Voraussetzungen im Einzelfall gegeben sind, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse, insbesondere aus den vertraglichen Vereinbarungen für den Fall der Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses zu beurteilen (vgl. dazu Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1986, Zl. 84/14/0057 und vom 11. Februar 1970, Zl. 819/69, und die dort jeweils angeführte Vorjudikatur).

Im Beschwerdefall geht der Verwaltungsgerichtshof in Übereinstimmung mit der Auffassung sowohl des Beschwerdeführers als auch der belangten Behörde davon aus, daß der "Stille Gesellschaftsvertrag" vom 23. Oktober 1978 die Begründung einer "unechten" stillen Gesellschaft zwischen dem Beschwerdeführer und Ges.m.b.H. beinhaltet hat. Während aber die belangte Behörde weiters festgestellt hat, daß die beiden Partner dieses Vertrages in der Folge nie ernsthaft von dieser Vertragsgestaltung abgewichen sind, bringt der Beschwerdeführer wie bereits im Verwaltungsverfahren unter Hinweis auf die oben wörtlich wiedergegebene Vereinbarung vom 29. März 1982 vor, er sei seit dieser Vereinbarung nicht mehr "weiterhin" als unechter stiller Gesellschafter anzusehen.

Der Beschwerdeführer vermag allerdings das Vorliegen der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid in wirtschaftlicher Betrachtungsweise aufgezeigten Indizien dafür nicht zu entkräften, daß es sich bei der Vereinbarung vom 29. März 1982 um keine ernstgemeinte Vertragsabänderung gehandelt habe, sondern diese Vereinbarung lediglich dem Ziel gedient habe, eine andere Besteuerung der wirtschaftlich und rechtlich bestehen gebliebenen unechten stillen Gesellschaft herbeizuführen. Anders - nämlich im Sinne der Beschwerdeausführungen - wäre der Fall nur dann zu behandeln, wenn es, sei es auch ausschließlich aus steuerlichen Erwägungen, tatsächlich zu einer zweifelsfrei feststellbaren Änderung der Gesellschaftsform in eine "echte" stille Gesellschaft gekommen wäre.

Die belangte Behörde hat ihre Auffassung damit begründet, daß die Vereinbarung vom 29. März 1982 widersprüchlich sei und weder in den Büchern der Ges.m.b.H. noch in der späteren "Abänderung des stillen Gesellschaftsvertrages vom 23. 10. 1978 in der Fassung vom 16. 3. 1982" vom 7. September 1983 einen Niederschlag gefunden habe. Alle diese Überlegungen sind zutreffend. Während nämlich die aus Anlaß der Aufstockung der stillen Beteiligung des Beschwerdeführers von S 600.000,-- auf S 1 Million vereinbarte Abänderung des stillen Gesellschaftsvertrages vom 16. März 1982 ausdrücklich festhielt, daß dadurch die Bestimmungen des ursprünglichen Gesellschaftsvertrages unverändert zu bleiben hätten, wurde davon abweichend in der Vereinbarung vom 29. März 1982 festgehalten, mit der Änderungsvereinbarung vom 16. März 1982 sei hinsichtlich der Rechtsstellung des stillen Gesellschafters eine Änderung herbeigeführt worden. Aus dem Verhalten der Vertragspartner nach dem 29. März 1982 wiederum kann nur - wie dies die belangte Behörde zutreffend getan hat - geschlossen werden, daß es in Wahrheit Absicht der Vertragspartner war, die die rechtliche und wirtschaftliche Stellung des Beschwerdeführers als eines "unechten" stillen Gesellschafters gemäß dem Vertrag vom 23. Oktober 1978 aufrecht zu erhalten. Dies ergibt sich sowohl aus der in der Bilanz der Ges.m.b.H. für das Jahr 1983 verwendeten Bezeichnung "Verlust-verr. Kto. atypischer stiller Ges." als auch insbesondere aus der späteren Vertragsänderung vom 7. September 1983, in welcher neuerlich die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages vom 23. Oktober 1978 sowohl hinsichtlich der Art der Beteiligung des Beschwerdeführers als auch hinsichtlich dessen Auseinandersetzungsansprüchen als unverändert bestätigt wurden, ohne daß die angebliche Änderung dieser Rechtsverhältnisse gemäß der Vereinbarung vom 29. März 1982 einen Niederschlag gefunden hätte.

Wenn die belangte Behörde aus diesen Umständen den Schluß gezogen hat, die Vereinbarung vom 29. März 1982 gebe den wahren Willen der Vertragspartner nicht wieder, sie hätte vielmehr davon abweichend ausschließlich der Geltendmachung steuerlicher Vorteile dienen sollen, ist darin keine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers zu erblicken. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 sowie 59 Abs. 3 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 22. Oktober 1986

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