Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei beantragte mit Schreiben vom 24. März 1993 die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für eine namentlich genannte türkische Staatsangehörige als Bedienerin.
Mit Bescheid vom 2. April 1993 lehnte das Arbeitsamt Persönliche Dienste-Gastgewerbe gemäß § 4 Abs. 6 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) diesen Antrag mit der Begründung ab, der Vermittlungsausschuß habe die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet. Darüber hinaus habe das "Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der in § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorlägen.
In ihrer Berufung brachte die beschwerdeführende Partei im wesentlichen vor, es sei davon auszugehen, daß die Behörde erster Instanz das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 und 3 AuslBG bejaht habe, habe sie doch die Abweisung ausschließlich auf § 4 Abs. 6 leg. cit. gestützt. Es sei daher davon auszugehen, daß auf dem relevanten Teilarbeitsmarkt der Bediener/innen keine Arbeitssuchenden vorgemerkt seien, die für eine Vermittlung in Betracht kämen. Die beantragte Ausländerin sei als Flüchtling bzw. Asylwerberin gemeldet und falle daher unter § 4b AuslBG. Auf Grund der Tatsache, daß sie sich seit zwei Jahren ständig in Österreich aufhalte und die gesamte Familie hier lebe, sei ein weiterer Anknüpfungspunkt in Österreich gegeben. Darüber hinaus habe sie auf Grund ihrer Beschäftigung in Österreich eine Anwartschaft auf Arbeitslosengeld erworben, da sie unter 25 Jahre alt sei. Die beantragte Ausländerin werde auch als dringender Ersatz für eine ausgeschiedene Kraft benötigt, sodaß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG vorlägen. Weil für das Bundesland Wien trotz Überschreiten der Landeshöchstzahl eine Überziehungsreserve bestehe, die noch nicht ausgeschöpft sei, und die mangelnde Zustimmung des Vermittlungsausschusses durch die Zustimmung des Verwaltungsausschusses ersetzbar sei, werde beantragt, daß die belangte Behörde die Beschäftigungsbewilligung erteile.
In ihrem Vorhalt vom 3. Mai 1993 (den die belangte Behörde ungeachtet des Umstandes, daß nach der Aktenlage die beschwerdeführende Partei bereits im erstinstanzlichen Verfahren durch den nunmehrigen Beschwerdevertreter vertreten wurde, an die beschwerdeführende Partei selbst richtete) teilte die belangte Behörde mit, sie könne aus dem Stand an arbeitslos vorgemerkten Personen Arbeitskräfte anbieten, die für die beantragte Tätigkeit zur Verfügung stünden. Die beschwerdeführende Partei wurde aufgefordert, von den formularmäßig vorgegebenen Antwortmöglichkeiten ("Ich wünsche keine anderen Kräfte anstelle des(r) beantragten Ausländers/Ausländerin bzw. ich ersuche um Zuweisung von Arbeitskräften, die ich ANSTELLE des(r) beantragten Ausländer/Ausländerin beschäftigen möchte und lege den ausgefüllten Vermittlungsauftrag bei") die zutreffende anzukreuzen und die nicht zutreffende zu streichen.
Nach der Aktenlage ist die beschwerdeführende Partei dieser Aufforderung nicht nachgekommen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 5. Juli 1993 gab die belangte Behörde dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 und 6 sowie § 13a AuslBG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991 keine Folge. Nach der Wiedergabe der §§ 3 Abs. 1 und 2 sowie 4 Abs. 1 und 4b AuslBG wies die belangte Behörde darauf hin, die von der beschwerdeführenden Partei beantragte Arbeitskraft gehöre nicht dem Personenkreis nach § 4b AuslBG an. Derzeit sei jedoch eine Ersatzkraftstellung durch in- und ausländische Kräfte möglich, die Arbeitslosengeld bezögen und beim Arbeitsamt in Vermittlungsvormerkung stünden und somit nach der Gesetzeslage der beantragten Arbeitskraft im Rang vorgingen. Es seien der beschwerdeführenden Partei daher anstelle des beantragten Ausländers beim Arbeitsamt in Vermittlungsvormerkung stehende Arbeitskräfte angeboten worden. Die beschwerdeführende Partei habe jedoch darauf nicht reagiert. Damit habe sie ihr Desinteresse an der Deckung eines konkreten Arbeitskräftebedarfes bekundet. Durch ihr Desinteresse an der angebotenen Ersatzkraftstellung habe sie sich die Möglichkeit genommen, sich von der Eignung der zur Verfügung stehenden Ersatzkräfte zu überzeugen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß die offene Stelle mit einer begünstigt zu vermittelnden Arbeitskraft hätte besetzt werden können, weshalb die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung nach § 4 Abs. 1 AuslBG nicht für vertretbar erachtet werde. Außerdem seien die mit Verordnung für 1992 und 1993 jeweils festgesetzten Landeshöchstzahlen für das Bundesland Wien laut der offiziellen Statistik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales seit Beginn der betreffenden Kalenderjahre weit überschritten, weshalb der Antrag der beschwerdeführenden Partei im erschwerten Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG zu prüfen sei. Weder im Ermittlungsverfahren noch in der Berufung hätte die beschwerdeführende Partei Gründe vorgebracht, durch die ein Tatbestand des § 4 Abs. 6 AuslBG zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung erfüllt werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich in ihrem Recht verletzt, einen ausländischen Arbeitnehmer in ihrem Betrieb legal beschäftigen zu dürfen.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde geht in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, daß der Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung sowohl aus § 4 Abs. 1 AuslBG abzuleitende Umstände als auch § 4 Abs. 6 leg. cit. entgegenstehen.
Nach § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung an zwei Voraussetzungen geknüpft, nämlich
1. daran, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und
2. wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
Bei Fehlen auch nur eines dieser beiden Tatbestandselemente ist den Arbeitsämtern die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung verwehrt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1993, Zl. 93/09/0039) darf bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird aber immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben.
Diese Beweisführung erübrigt sich dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein abgelehnt wird (vgl. in diesem Sinne das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1987, Zl. 87/09/0012, sowie vom 25. November 1987, Zl. 87/09/0164, u.v.a.).
Im Beschwerdefall wurde von der Beschwerdeführerin die Stellung von Ersatzkräften nicht von vornherein abgelehnt, doch glaubte die belangte Behörde daraus, daß die beschwerdeführende Partei im Zuge des Berufungsverfahrens das Schreiben vom 3. Mai 1993 unbeantwortet gelassen hat, schlüssig ableiten zu können, bei ihr habe ein "Desinteresse" bestanden, eine andere als die beantragte Arbeitskraft aufzunehmen. Ohne eine ausdrückliche Erklärung der Antragstellerin, nur den beantragten Ausländer und keinesfalls eine Ersatzkraft zu wünschen, fehlt es einer derartigen (verfahrensentscheidenden) Annahme jedoch an einer zureichenden Grundlage. Es bedurfte auch nicht etwa zusätzlich zum Antrag auf Beschäftigungsbewilligung eines "Vermittlungsauftrages" an das Arbeitsamt, weil das Ziel der Arbeitsvermittlung von Amts wegen durch das Arbeitsamt anzustreben ist und es daher zusätzlich zum Antrag auf Beschäftigungsbewilligung keines Auftrages an die Behörde bedarf, allenfalls vorhandene Ersatzkräfte zu stellen (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, vgl. dazu z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 1993, Zl. 92/09/0312, vom 22. April 1993, Zl. 92/09/0397, vom 17. Juni 1993, Zlen. 93/09/0104-0108, sowie vom 21. Oktober 1993, Zl. 93/09/0355 und die jeweils angeführte Vorjudikatur). Abgesehen davon wäre die belangte Behörde auf Grund der nach der Aktenlage bereits im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren bestandenen und der Behörde mitgeteilten Bevollmächtigung des Beschwerdevertreters gehalten gewesen, ihren Vorhalt vom 3. Mai 1993 an den Beschwerdevertreter der beschwerdeführenden Partei zu richten. Auf Grund der rechtlich unzutreffenden Beurteilung dieses Sachverhaltes durch die belangte Behörde steht im Beschwerdefall noch nicht fest, ob für die gewünschte Beschäftigung ein inländischer Arbeitssuchender oder ein diesem gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten Bedingungen auszuüben. Erst entsprechende Ermittlungen werden die Beurteilung der allfälligen Berechtigung oder Nichtberechtigung einer Ablehnung gestellter Ersatzkräfte durch die beschwerdeführende Partei ermöglichen.
Die belangte Behörde konnte sich im Beschwerdefall jedoch auch nicht auf den zweiten von ihr herangezogenen Versagungstatbestand nach § 4 Abs. 6 AuslBG stützen. Wenn sie in diesem Zusammenhang die Aussage trifft, es seien weder im Ermittlungsverfahren im Sinne dieser Bestimmung Gründe festgestellt noch solche in der Berufung vorgebracht worden, so ist dem entgegenzuhalten, daß die zweite Behauptung aktenwidrig ist, weil die beschwerdeführende Partei in ihrer Berufung ausdrücklich geltend gemacht hat, die beantragte Ausländerin werde als dringender Ersatz für eine ausgeschiedene Kraft im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG benötigt. Dazu hat die belangte Behörde im Berufungsverfahren keine Ermittlungen durchgeführt. Ihre Äußerung in der Gegenschrift, es handle sich dabei um eine Schutzbehauptung, vermag die fehlenden Ermittlungen und die mangelhafte Begründung des angefochtenen Bescheides nicht zu sanieren.
Der mit mehrfachen Mängeln behaftete angefochtene Bescheid war aus dem erstgenannten Grund wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für die nach dem Gesetz nicht erforderliche Vorlage der Zweit- und Drittausfertigung des angefochtenen Bescheides.
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