VwGH 93/09/0039

VwGH93/09/003922.4.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der Gebrüder X-GmbH in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 30. Dezember 1992, Zl. IIc/6702 B, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs6 idF 1991/684;
AuslBG §4b idF 1990/450;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs6 idF 1991/684;
AuslBG §4b idF 1990/450;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte am 10. März 1992 beim Arbeitsamt Lebensmittel den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den "jugoslawischen" Staatsangehörigen S.M. als "Börekmacher" (Börek oder Burek: aus einer Art von Kichererbsen hergestellte Teigblätter).

Diesen Antrag wies das Arbeitsamt mit seinem Bescheid vom 3. April 1992 gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG ab. Dieser Bescheid enthielt keine Begründung.

Im Verfahren über die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung teilte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde am 2. Juli 1992 über Anfrage mit, daß sie an der Zuweisung von Ersatzkräften anstelle des S.M. interessiert sei. Aktenkundig ist, daß die Beschwerdeführerin in der Folge fünf zugewiesene Ersatzkräfte ablehnte, und zwar G und K, weil ihnen die Qualifikation als Bäcker gefehlt habe, Ö, F sowie T ohne schriftliche Bekanntgabe von Gründen. Auf der Rückmeldung betreffend die Vorsprache des zuletzt Genannten merkte die Beschwerdeführerin an, daß keine weiteren Vorstellungen erwünscht seien. Das Arbeitsamt nahm hierauf mit insgesamt sechs zugewiesenen Ersatzkräften Niederschriften über die Gründe ihrer Nichtaufnahme durch die Beschwerdeführerin auf. Die Namen und Aussagen dieser Ersatzkräfte lauteten im einzelnen wie folgt:

G: "Ich war am 16.7.92 bei Fa. X vorstellen, ich wurde nicht

eingestellt, da in der ganzen Firma nur Türken beschäftigt sind und die Firma einen türkischen Bäcker zur Herstellung von Fladenbrot benötigt. Die Firma ist nicht bereit, mich anzustellen."

Z: "Ich rief vorige Woche bei Fa. X an und wollte einen Vorstelltermin vereinbaren. Mir wurde gesagt, daß die Stelle als Teigwarenarbeiterin schon besetzt sei."

K: "Ich war am 22.7.92 bei der Fa. X. Dort wurde mir nur

gesagt, daß die Fa. mich nicht brauche, da sie nur Bäcker suche. Ich konnte also bei der Firma nicht zu arbeiten beginnen."

Ö: "Ich war am 22.7.92 bei der Fa. X. Der Chef hat zu mir

gesagt, daß die Fa. keine Arbeitskräfte benötigt."

F: "Ich war gestern bei der Fa. X. Dort wurde mir gesagt, daß

die Fa. keine Arbeitskräfte benötigt."

T: "Ich war am 22.7.92 mehrmals bei Fa. X, bis ich endlich den Chef erreichte; dieser sagte, daß keine Arbeitskräfte gebraucht werden. Später sagte er, daß er gelernte Bäcker braucht, die händisch Brot machen können."

Nach Vorhalt dieser Aussagen (mit Ausnahme jener des G) wendete die Beschwerdeführerin am 29. September 1992 ein, es sei ihr kein einziger Arbeitnehmer vermittelt worden, der wie S.M. die Zubereitung von Burek-Blättern verstehe. Den fünf der Beschwerdeführerin bekanntgegebenen Aussagen werde entschieden widersprochen, die Beschwerdeführerin sei immer an einem qualifizierten Arbeitnehmer interessiert gewesen, die genannten fünf Personen seien jedoch nach ihren eigenen Angaben zur gewünschten Tätigkeit nicht befähigt gewesen. Die Beschwerdeführerin beantrage daher die neuerliche Befragung dieser Personen und bekunde ihr aufrechtes Interesse an qualifzierten Ersatzkräften. In Österreich ausgebildete Teigwarenarbeiter seien zur Herstellung von Burek-Blättern nicht befähigt.

Die belangte Behörde holte hierauf noch eine sachverständige Auskunft über die Herstellung von Burek-Blättern ein, die dahin ging, daß ein "gelernter Bäcker" nach entsprechender Unterweisung Burek-Blätter ohne weiteres herstellen könne. Diese Auskunft wurde allerdings nicht mehr dem Parteiengehör unterzogen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30. Dezember 1992, welcher der Beschwerdeführerin am 5. Jänner 1993 zugestellt wurde, gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 4 Abs. 6, § 4 Abs. 1 und § 13a AuslBG idF gemäß BGBl. Nr. 684/1991, keine Folge. Nach Wiedergabe der einschlägigen Bestimmungen des AuslBG und nach Feststellung, daß die für 1992 mit Verordnung festgesetzte Landeshöchstzahl für Wien seit Beginn des Jahres 1992 weit überschritten sei, führte die belangte Behörde (ausschließlich zu § 4 Abs. 1 AuslBG) begründend aus, eine Überprüfung auf dem Arbeitsmarkt habe ergeben, daß derzeit für die konkret beantragte Beschäftigung geeignete Ersatzarbeitskräfte zur Verfügung stünden, die zur Vermittlung vorgemerkt seien und gleichzeitig - anders als S.M. - dem gemäß § 4b AuslBG begünstigten Personenkreis angehörten. Es sei daher der Beschwerdeführerin die Möglichkeit einer Ersatzkraftstellung angeboten worden. In der Folge sei der Beschwerdeführerin eine Reihe von Teigwarenarbeitern zugewiesen worden, von denen die Beschwerdeführerin jedoch keinen aufgenommen habe. Insgesamt sechs dieser Ersatzarbeitskräfte hätten niederschriftlich angegeben, daß sie mit dem Hinweis, daß der Arbeitsplatz bereits besetzt sei oder daß man einen Brotbäcker benötige, abgewiesen worden seien. Auf den fünf von der Beschwerdeführerin retournierten Vermittlungskarten finde sich in zwei Fällen der Hinweis, daß ein Bäcker gesucht werde, auf den anderen werde durch Datum und Firmenstempel nur die Vorsprache des betreffenden Bewerbers bestätigt. Ein Hinweis darauf, daß die vermittelten Arbeitskräfte zur Herstellung von Burek-Blättern nicht befähigt gewesen seien, fehle. Aus den Angaben der zugewiesenen Bewerber einerseits und aus der mangelnden Mitwirkung der Beschwerdeführerin an der Durchführung des Ersatzkraft-Vermittlungsverfahrens andererseits habe sich der Eindruck ergeben, daß seitens der Beschwerdeführerin keine ernsthafte Bereitschaft bestanden habe, eine andere Arbeitskraft als S.M. in den Betrieb aufzunehmen. Das Vermittlungsverfahren sei über Wunsch der Beschwerdeführerin abgebrochen worden. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin seien daher gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG nicht geeignet, die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für S.M. zu begründen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall stützt die belangte Behörde ihre ablehnende Entscheidung auf § 4 Abs. 1, § 4 Abs. 6 und § 13a AuslBG idF der Novelle BGBl. Nr. 684/1991.

Nach § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde.

Nach § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Beschäftigungsbewilligung, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

Hinsichtlich der Prüfung der Arbeitsmarktlage im Sinne des § 4 Abs. 1 ist im § 4b AuslBG festgelegt, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nur zuläßt, wenn für den zu besetzenden Arbeitsplatz keine Personen, die bestimmt genannten begünstigten Gruppen (Inländer, Flüchlinge, Ausländer mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung etc.) in der mit der Aufzählung vorgegebenen Reihenfolge angehören, vermittelt werden können.

§ 4 Abs. 6 AuslBG (Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:

"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

  1. 1. bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder
  2. 2. die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere
    1. a) als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder
    2. b) in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder
    3. c) als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder
    4. d) im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder
  1. 3. öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder
  2. 4. die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."

    Im Beschwerdefall erübrigen sich weitere Erwägungen zur Berechtigung der Ablehnung des Antrags der Beschwerdeführerin im erschwerten Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG, weil die belangte Behörde darauf in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht weiter eingegangen ist.

    Es kommt daher entscheidend nur darauf an, ob die belangte Behörde mit Recht davon ausgehen konnte, daß der Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung aus § 4 Abs. 1 AuslBG abzuleitende Umstände entgegenstehen.

    Nach dieser Gesetzesstelle ist die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung an zwei Voraussetzungen geknüpft, nämlich

    1. daran, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und

    2. wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

    Bei Fehlen auch nur eines dieser beiden Tatbestandselemente ist den Arbeitsämtern die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung verwehrt.

    Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. unter Hinweis auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, beispielsweise das Erkenntnis vom 2. Juli 1987, Zl. 87/09/0051) darf bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird aber immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben.

    Diese Beweisführung erübrigt sich dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein abgelehnt wird (vgl. in diesem Sinne das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1987, Zl. 87/09/0012, sowie vom 25. November 1987, Zl. 87/09/0164).

    Im Beschwerdefall wurde die Stellung von Ersatzkräften nicht von vornherein abgelehnt, doch glaubte die belangte Behörde aus dem Verhalten der Beschwerdeführerin im Zuge der versuchten Ersatzkraftstellung ausreichende Indizien für die letztlich für ihre ablehnende Entscheidung maßgebende Annahme ableiten zu können, auf Seiten der Beschwerdeführerin habe keine "ernsthafte Bereitschaft" bestanden, eine andere Arbeitskraft als S.M. aufzunehmen. Diese Schlußfolgerung ist jedoch deshalb nicht gerechtfertigt, weil im Verfahren entgegen dem darauf abzielenden Antrag der Beschwerdeführerin nicht abschließend geprüft und festgestellt worden ist, aus welchen Gründen es nicht zur Aufnahme einer der an sie verwiesenen Ersatzkräfte gekommen ist, und weil die Beschwerdeführerin vor Abschluß des Ermittlungsverfahrens in ihren "Einwendungen" vom 29. September 1992 ausdrücklich ihr Interesse an der Zuweisung geeigneter Ersatzkräfte erneuert und darum ersucht hat, "neuerlich ein Vermittlungsverfahren einzuleiten". Diesem Ersuchen ist die belangte Behörde jedoch nicht nachgekommen. Es steht daher noch nicht fest, ob für die gewünschte Beschäftigung nicht doch ein inländischer Arbeitssuchender oder ein diesem gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten Bedingungen auszuüben. Um diese Frage abschließend zu klären, bedarf es entgegen der Rechtsauffassung der belangten Behörde weiterer Ermittlungen, in deren Rahmen der Beschwerdeführerin auch Gelegenheit zu geben sein wird, zu der von der belangten Behörde eingeholten Auskunft über die für einen Bäcker von Burek-Blättern notwendigen Voraussetzungen Stellung zu nehmen. Erst eine Feststellung dieser Voraussetzungen wird nämlich die Beurteilung der allfälligen Berechtigung oder Nichtberechtigung einer Ablehnung gestellter Ersatzkräfte durch die Beschwerdeführerin ermöglichen.

    Da die belangte Behörde somit infolge einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung der bisher vorliegenden Verfahrensergebnisse von der Vornahme weiterer Ermittlungen abgesehen hat, erweist sich der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG als inhaltlich rechtswidrig.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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