VwGH 93/09/0104

VwGH93/09/010417.6.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerden der

K Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Landesarbeitsamtes Wien

1.) vom 12. Februar 1993, Zl. IIc/6702 B / 854864 (betreffend S, hg. Zl. 93/09/0104),

Fortsetzung des BETREFF

2.) vom 26. Februar 1993, Zl. IIc/6702 B / 844970 (betreffend Se, hg. Zl. 93/09/0105),

3.) vom 26. Februar 1993, Zl. IIc/6702 B / 854865 (betreffend F, hg. Zl. 93/09/0106),

4.) vom 26. Februar 1993, Zl. IIc/6702 B / 854873 (betreffend D, hg. Zl. 93/09/0107) und

5.) vom 12. Februar 1993, Zl. IIc/6702 B / 844973 (betreffend T, hg. Zl. 93/09/0108),

betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §4 Abs6 idF 1991/684;
AuslBG LandeshöchstzahlenV 1992;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
AuslBG §4 Abs6 idF 1991/684;
AuslBG LandeshöchstzahlenV 1992;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;

 

Spruch:

Die fünf angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin pro Beschwerde Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,--, somit insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 57.700,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Verwaltungsgerichtshof hat die vorliegenden fünf Beschwerdefälle wegen ihrer völlig gleichartigen Lagerung zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Die Beschwerdeführerin stellte am 16. bzw. am 23. September 1992 beim Arbeitsamt Bau-Holz Anträge auf Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für die slowakischen Staatsbürger S, Se, F, D und T als (Gerüster-)Anlernlinge.

Diese Anträge wies das Arbeitsamt mit seinen Bescheiden vom 1. Oktober 1992 (Se und T), bzw. vom 6. Oktober 1992 (S, F und D) gemäß § 4 Abs. 6 iVm § 4 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) ab. Begründend führte das Arbeitsamt aus, auf Grund der Ergebnisse "des Ermittlungsverfahrens" sei davon auszugehen, daß auf dem relevanten Teilarbeitsmarkt der Bauhelfer Arbeitssuchende vorgemerkt seien und für eine Vermittlung in Betracht kämen; es spreche daher die Lage auf dem Arbeitsmarkt gegen die Erteilung der Beschäftigungsbewilligungen. Außerdem habe der Vermittlungsausschuß die Erteilung dieser Bewilligungen nicht befürwortet, und es habe "das Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.

In ihren dagegen erhobenen, in sämtlichen Fällen völlig gleichlautenden Berufungen machte die Beschwerdeführerin geltend, sie habe ständig einen Vermittlungsauftrag beim Arbeitsamt vorgemerkt. Die ihr vermittelten Personen seien jedoch nicht bereit, ein Dienstverhältnis einzugehen, und würden offenbar lieber weiterhin Arbeitslosengeld beziehen. Das AuslBG müsse dahin ausgelegt werden, daß zu vermittelnde Personen, die nicht wirklich bereit seien, einer Beschäftigung nachzugehen, gegenüber arbeitsbereiten Ausländern nachrangig seien. Die von der Beschwerdeführerin gewünschten Ausländer seien bereit und willens, ab sofort ihre Tätigkeit aufzunehmen.

Die belangte Behörde gab den Berufungen mit den fünf nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 12. bzw. 26. Februar 1993 gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 4 Abs. 1 und 6 sowie § 13a AuslBG idF gemäß BGBl. Nr. 684/1991 keine Folge.

Dazu führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der einschlägigen Gesetzesstellen aus, für das Kalenderjahr 1992 sei die mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 28. November 1991, BGBl. Nr. 598/1991, festgesetzte Landeshöchstzahl für Wien seit Beginn des Jahres 1992 weit überschritten. Es seien daher die Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligungen nach § 4 Abs. 1 und Abs. 6 AuslBG zu prüfen. Werde ein Ausländer mit geringerem Integrationsgrad als gemäß § 4b AuslBG beantragt, sei zu prüfen, ob vorrangige Arbeitskräfte in der dort normierten Reihenfolge zur Verfügung stünden. Die beantragten Ausländer gehörten nicht dem bevorzugten Personenkreis gemäß § 4b AuslBG an. Derzeit sei eine Ersatzstellung durch inländische und ausländische Kräfte, die Arbeitslosengeld beziehen oder bei denen sonstige Gründe im Sinne des § 4b AuslBG vorliegen und die beim Arbeitsamt in Vermittlungsvormerkung stehen und die die für die beantragten Ausländer vorgesehene Tätigkeit ausüben könnten, möglich. Es seien der Beschwerdeführerin daher beim Arbeitsamt in Vermittlungsvormerkung stehende Arbeitskräfte angeboten worden, doch habe die Beschwerdeführerin darauf nicht reagiert. Auch habe die Beschwerdeführerin nur einen Vermittlungsauftrag für Gerüster, nicht jedoch für Anlernlinge erteilt. Durch ihr Desinteresse an der angebotenen Ersatzstellung habe sich die Beschwerdeführerin die Möglichkeit genommen, sich von der Eignung der zur Verfügung stehenden Ersatzkräfte zu überzeugen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß die offenen Stellen mit begünstigt zu vermittelnden Arbeitskräften hätten besetzt werden können. Mit Rücksicht auf die Überschreitung der Landeshöchstzahl seien in jedem der Fälle zusätzlich die (erschwerten) Voraussetzungen für eine Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG zu prüfen. Es seien jedoch weder "im Ermittlungsverfahren" Gründe festgestellt, noch von der Beschwerdeführerin in ihren Berufungen vorgebracht worden, durch die ein Tatbestand des § 4 Abs. 6 AuslBG erfüllt werde.

Gegen diese fünf Bescheide richten sich die vorliegenden, wörtlich übereinstimmenden Beschwerden. Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und erachtet sich in ihrem Recht auf Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligungen verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten der Verwaltungsverfahren vorgelegt und zu jeder der Beschwerden eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerden als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat die angefochtenen Bescheide auf § 4 Abs. 1 und Abs. 6 AuslBG in der in den Beschwerdefällen anzuwendenden, seit 1. Jänner 1992 in Kraft stehenden Fassung gemäß der Novelle BGBl. Nr. 684/1991 gestützt. Schon die Berechtigung auch nur eines dieser Versagungsgründe würde die Abweisung der Beschwerden rechtfertigen.

Nach § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber in der Regel einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder wenn der Ausländer einen Befreiungsschein besitzt. Die Beschäftigungsbewilligung ist nach § 4 Abs. 1 AuslBG im allgemeinen zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

Nach der Anordnung des § 4b AuslBG läßt die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes iSd § 4 Abs. 1 die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nur zu, wenn für den zu besetzenden Arbeitsplatz keine der dort taxativ aufgezählten und vorrangig zu behandelnden Arbeitskräfte (Inländer, Flüchtlinge, Ausländer mit Anspruch auf Leistung aus der Arbeitslosenversicherung etc.) vermittelt werden können. Diese Bestimmung bezweckt einen Vorrang von Inländern und ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmern bei der Arbeitsvermittlung. Diesem Zweck würde es widersprechen, wenn entgegen der allgemeinen Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes eine Beschäftigungsbewilligung zu erteilen wäre, weil z.B. der einzelne ausländische Arbeitnehmer einen zu seiner Einstellung bereiten Arbeitgeber gefunden hat. Mit Hilfe dieser Bestimmung soll in rechtsstaatlichen Grenzen aus arbeitsmarktpolitischen Gründen die Möglichkeit für einen lenkenden Einfluß auf die Beschäftigung von Ausländern im Bundesgebiet gewährleistet sein (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1992, Zl. 92/09/0179).

§ 4 Abs. 6 AuslBG (Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:

"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

  1. 1. bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder
  2. 2. die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere
    1. a) als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder
    2. b) in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder
    3. c) als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder
    4. d) im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder
  1. 3. öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder
  2. 4. die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."

    Die belangte Behörde hat die Anwendung des erschwerten Verfahrens nach § 4 Abs. 6 AuslBG in allen fünf Fällen auf die Feststellung gestützt, die für das Kalenderjahr 1992 festgesetzte Landeshöchstzahl sei weit überschritten. Da aber eine Rechtsmittelbehörde im allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Mai 1977, Zl. 898/75 = Slg. 9315/A), war die belangte Behörde nicht berechtigt, ihre erst im Jahre 1993 erlassenen Entscheidungen auf die mit Ablauf des 31. Dezember 1992 außer Kraft getretene Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 28. November 1991, BGBl. Nr. 598/1991 (Landeshöchstzahlenverordnung 1992), zu stützen. Anders als in vorangegangenen, die gleiche Beschwerdeführerin betreffenden Fällen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. April 1993, Zlen. 92/09/0393, 0394, 93/09/0006, 0007, 93/09/0010 bis 0013) entsprach daher die auf § 4 Abs. 6 AuslBG gestützte Abweisung der Anträge der Beschwerdeführerin in den vorliegenden Beschwerdefällen nicht dem Gesetz.

    Es war daher in den vorliegenden Fällen auch auf das von der Beschwerdeführerin § 4 Abs. 1 AuslBG, insbesondere zur Frage der Ersatzkraftstellung, erstattete Vorbringen einzugehen.

    Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1993, Zl. 93/09/0039) darf bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird aber immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben.

    Diese Beweisführung erübrigt sich dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein abgelehnt wird (vgl. in diesem Sinne das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1987, Zl. 87/09/0012, sowie vom 25. November 1987, Zl. 87/09/0164).

    Eine solche Ablehnung kann der Beschwerdeführerin auf Grund ihres aus den vorgelegten Akten ersichtlichen Verhaltens im Verwaltungsverfahren nicht unterstellt werden. Eine entsprechende negative Stellungnahme der Beschwerdeführerin liegt nicht vor. Die bloße Feststellung, die Beschwerdeführerin habe sich durch ihr "Desinteresse" an der angebotenen Ersatzkraftstellung die Möglichkeit genommen, sich von der Eignung der zur Verfügung stehenden Ersatzkräfte zu überzeugen, die im übrigen nicht auf nachvollziehbaren Ermittlungsergebnissen beruht, vermag eine Ablehnung jedweder Ersatzkraftstellung im Sinne der obigen Ausführungen nicht zu begründen. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde, die aus einer angeblich fehlenden Reaktion auf das Angebot einer Ersatzkraftstellung bereits auf deren Ablehnung geschlossen hat, bedarf es nämlich zusätzlich zum Antrag auf Beschäftigungsbewilligung keines Auftrages an die Behörde, allenfalls vorhandene Ersatzkräfte zu stellen. Es geht daher auch der Hinweis der belangten Behörde, der "Vermittlungsauftrag" der Beschwerdeführerin habe nur "Gerüster", nicht aber "Anlernlinge" betroffen, schon deshalb ins Leere, weil es eines solchen Vermittlungsauftrages überhaupt nicht bedurfte. Das Ziel der Arbeitsvermittlung ist vielmehr (solange keine ausdrückliche Ablehnung vorliegt) von Amts wegen durch das Arbeitsamt anzustreben (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1993, Zl. 92/09/0397, und die dort angeführte Vorjudikatur). Es war daher ungeachtet einer allenfalls fehlenden Reaktion der Beschwerdeführerin die Behörde verhalten, der Beschwerdeführerin jene ihrer Meinung nach als bevorzugt zu behandelnden Arbeitssuchenden, die fähig und bereit seien, die von der Beschwerdeführerin zu besetzenden Arbeitsplätze zu den angebotenen Bedingungen auszufüllen, namhaft zu machen. Es fehlt aber in sämtlichen Beschwerdefällen an Feststellungen darüber, ob und inwieweit dies geschehen ist und aus welchen Gründen allenfalls eine Beschäftigung der Ersatzkräfte durch die Beschwerdeführerin nicht zustande gekommen ist. Erst auf Grund solcher Feststellungen kann aber rechtlich einwandfrei beurteilt werden, ob die Beschwerdeführerin tatsächlich kein Interesse an einer solchen Vermittlung hat.

    Der demnach sämtlichen angefochtenen Bescheiden anhaftende Feststellungsmangel stellt sich somit als eine Folge einer unrichtigen Rechtsansicht der belangten Behörde dar, weshalb die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben waren.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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