Normen
AuslBG §12a;
AuslBG §13;
AuslBG §13a;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs2;
AuslBG §4 Abs6 idF 1991/684;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AuslBG §12a;
AuslBG §13;
AuslBG §13a;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs2;
AuslBG §4 Abs6 idF 1991/684;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte am 11. Februar 1993 beim Arbeitsamt Amstetten den Antrag auf Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den jugoslawischen Staatsangehörigen B. als Tischlerlehrling (keine speziellen Kenntnisse oder Ausbildung erforderlich). Der monatliche Bruttolohn sollte S 5.617,-- betragen.
Mit Bescheid vom 25. Februar 1993 wies das Arbeitsamt den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für B. als "Tischler" gemäß "des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975, idgF," ab. Aus der Begründung ist zu entnehmen, daß die Ablehnung gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG erfolgte, weil der Vermittlungsausschuß die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet und "das Ermittlungsverfahren" ergeben habe, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.
In seiner dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, er habe trotz laufender Vormerkungen keine inländischen Arbeitskräfte für seinen Betrieb bekommen können. Er sei daher gezwungen, für einen ausländischen Tischlerlehrling um Beschäftigungsbewilligung anzusuchen. B. wohne bei guten Bekannten, die sich auch verbürgten, daß er die Lehrzeit trotz seines Alters von 23 Jahren abschließe. Drei Tischler aus Tschechien hätten in letzter Zeit seinen Betrieb verlassen. Mit der derzeitigen Anzahl an Arbeitskräften seien die durchwegs terminisierten Aufträge (das Unternehmen sei sehr stark auf den Laborbau und den Objektbereich der öffentlichen Hand spezialisiert) nicht mehr zu bewältigen. Als Konsequenz ergebe sich eine existentielle Gefährdung seines Betriebes, wodurch auch andere Betriebe eine finanzielle Einbuße erleiden würden und es zu einem Ausfall von öffentlichen Abgaben käme. Diesbezüglich erachte er den § 4 Abs. 6 Z. 3 AuslBG als gegeben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 8. April 1993 gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 des AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975 in der geltenden Fassung, keine Folge. In der Begründung wies die belangte Behörde darauf hin, daß das Arbeitsamt den Antrag wegen der überschrittenen Landeshöchstzahl im wesentlichen mit der Begründung abgelehnt habe, daß keiner der wichtigen Gründe gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG vorliege. Ein subjektiv empfundener Arbeitskräftemangel rechtfertige noch nicht die Beschäftigung eines Ausländers. Diese werde erst vertretbar, wenn sie im Einklang mit § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 AuslBG stehe. Die für das Bundesland Niederösterreich "vereinbarte" Landeshöchstzahl sei seit Jänner 1993 überschritten. In diesem Fall dürften Beschäftigungsbewilligungen nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1, 3 und 6 AuslBG erteilt werden. Im Verfahren erster Instanz habe der Unterausschuß des Vermittlungsausschusses keine einhellige Befürwortung des Antrages gemäß § 4 Abs. 6 Z. 1 AuslBG ausgesprochen. Unter Beachtung der - in der Begründung näher dargestellten - Wirtschaftslage und der Lage des österreichischen Arbeitsmarktes komme die belangte Behörde zur Auffassung, daß der Erteilung der Beschäftigungsbewilligung das öffentliche bzw. gesamtwirtschaftliche Interesse entgegenstehe. Dafür spreche auch, daß der als Tischlerlehrling beantragte Ausländer 24 Jahre alt und verheiratet sei, wobei mit einer Bruttoentlohnung von S 5.617,-- keine Existenzsicherung des Ausländers und seiner Gattin gegeben sei. Einer der Grundsätze des AuslBG sei auch der Schutz des ausländischen Arbeitnehmers.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Beschäftigungsbewilligung, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
Für einen Lehrling ist nach § 4 Abs. 2 AuslBG die Beschäftigungsbewilligung zu erteilen, wenn die Lage auf dem Lehrstellenmarkt dies zuläßt und wichtige Gründe bezüglich der Lage und Entwicklung des übrigen Arbeitsmarktes nicht entgegenstehen.
§ 4 Abs. 6 AuslBG (Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:
"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahl (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und
- 1. bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder
- 2. die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere
- a) als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder
- b) in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder
- c) als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder
- d) im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder
- 3. öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder
- 4. die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."
Im Erkenntnis vom 4. September 1989, 89/09/0058, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß es sich bei der Bestimmung des § 4 Abs. 2 AuslBG um eine lex specialis für Lehrlinge handelt, die für diese an die Stelle der ersten Tatbestandsvoraussetzung des § 4 Abs. 1 AuslBG tritt, während die zweite Tatbestandsvoraussetzung des § 4 Abs. 1 leg. cit. ("Entgegenstehen wichtiger öffentlicher oder gesamtwirtschaftlicher Interessen") auch für Lehrlinge gilt.
Bei Fehlen auch nur eines dieser Tatbestandsmerkmale ist den Arbeitsämtern die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für einen Lehrling verwehrt.
Im Beschwerdefall war die Beschäftigungsbewilligung für einen TischlerLEHRLING zu beurteilen. Die belangte Behörde spricht in ihrer Begründung zwar ebenfalls von einer Beschäftigungsbewilligung für einen Tischlerlehrling, im Spruch des angefochtenen Bescheides wird die Abweisung allerdings expressis verbis nur auf die §§ 4 Abs. 1 und 4 Abs. 6 AuslBG gestützt. Eine Beschäftigung mit der Lage auf dem Lehrstellenmarkt ist weder dem erstinstanzlichen Bescheid noch der angefochtenen Entscheidung zu entnehmen.
Auch im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 2 AuslBG ist nach dem erwähnten Erkenntnis vom 4. September 1989, 89/09/0058, in Übernahme der Judikatur zu § 4 Abs. 1 AuslBG (dazu z.B. die hg. Erkenntnisse vom 23. April 1993, 93/09/0039 und vom 6. September 1993, 93/09/0139) die Prüfung der ersten Tatbestandsvoraussetzung VORRANGIG vor der zweiten (Entgegenstehen wichtiger öffentlicher oder gesamtwirtschaftlicher Interessen) vorzunehmen. Wenn die belangte Behörde die Lage auf dem Lehrstellenmarkt und die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt (im Sinne des § 4 Abs. 2 AuslBG) nicht geprüft, sondern die Ablehnung der Beschäftigungsbewilligung (ausschließlich) auf die zweite Tatbestandsvoraussetzung gestützt hat, liegt daher diesbezüglich inhaltliche Rechtswidrigkeit vor.
Der angefochtene Bescheid konnte auch nicht mängelfrei auf den zweiten von der belangten Behörde herangezogenen Tatbestand, den § 4 Abs. 6 AuslBG, gestützt werden. Zwar vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, daß das erschwerte Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG auch auf Beschäftigungsbewilligungen von Lehrlingen - obwohl im zweiten Halbsatz dieser Bestimmung lediglich auf die Voraussetzungen des Abs. 1 und 3 verwiesen wird - Anwendung finden kann. Auch Beschäftigungsbewilligungen für Zwecke der Lehrausbildung sind nämlich auf die Höchstzahlen (§ 12a, 13 und 13a leg. cit.) anzurechnen (vgl. Neurath-Steinbach, Ausländerbeschäftigungsgesetz, Wien 1991, Seite 150), und der Spezialtatbestand des § 4 Abs. 2 modifiziert den Grundtatbestand des § 4 Abs. 1 AuslBG ohnedies nur in einem den Besonderheiten des Lehrstellenmarktes Rechnung tragenden Teilbereich (siehe wiederum das zitierte Erkenntnis vom 4. September 1989), läßt jedoch im übrigen § 4 Abs. 1 und 3 AuslBG unberührt. Der angefochtene Bescheid läßt aber jegliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der Erfüllung der Bewilligungsvoraussetzungen im erschwerten Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG vermissen, obwohl diese im Hinblick auf das Berufungsvorbringen geboten gewesen wäre.
Insgesamt mußte der angefochtene Bescheid somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben werden.
Die Entscheidung über den Aufwandsersatz stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers
BGBl. Nr. 104/1991.
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