VwGH 91/16/0012

VwGH91/16/001214.5.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde des EK in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 16. November 1990, Zl. GA 11 - 923/90, betreffend Schenkungssteuer, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §938;
BAO §166;
BAO §167 Abs2;
ErbStG §3 Abs1 Z1;
ErbStG §3 Abs1 Z2;
ABGB §938;
BAO §166;
BAO §167 Abs2;
ErbStG §3 Abs1 Z1;
ErbStG §3 Abs1 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit der im Spruch dieses Erkenntnisses näher bezeichneten Berufungsentscheidung wies die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (in der Folge: belangte Behörde) die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien (in der Folge: FA) vom 1. August 1989, mit dem gegenüber dem Beschwerdeführer für eine vom FA angenommene (in der Folge noch näher darzustellende) freigebige Zuwendung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 ErbStG Schenkungssteuer festgesetzt worden war, als unbegründet ab. Dies im wesentlichen mit folgender Begründung:

Anläßlich einer Betriebsprüfung durch das Finanzamt für den

II. und XX. Bezirk im Jahre 1986 bei der EK... (der

Beschwerdeführer) & Co. KG (in der Folge: KG) für die

Jahre 1983 und 1984 sei festgestellt worden, daß eine Forderung

der GK... (in der Folge: Ehegattin des Beschwerdeführers bzw.

Ehegattin) an die KG auf das Verrechnungskonto des

Beschwerdeführers "transferiert" worden sei, sodaß die KG

diesen Betrag (S 1,640.000,--) nunmehr dem Beschwerdeführer

schulde.

Die Forderung der Ehegattin sei in den Jahren 1974 bis 1977 durch Hingabe "von privaten Geldmitteln" entstanden, die auf dem Konto Depotgelder verbucht worden seien. Der Habensaldo dieses Kontos in der angeführten Höhe sei mit Stichtag 31. Dezember 1983 auf das Verrechnungskonto des Beschwerdeführers übertragen worden.

In seiner (gegen den angeführten erstinstanzlichen Bescheid rechtzeitig eingebrachten) Berufung bringe der Beschwerdeführer vor, von einer Schenkung bzw. freigebigen Zuwendung könne nicht ausgegangen werden, da die Ehegattin "auf anderen Konten" der KG erhebliche Beträge schulde. Bei der Erstellung der Bilanz zum 31. Dezember 1987 sei diese Buchung auf dem Verrechnungskonto des Beschwerdeführers storniert worden.

Zu dieser Berufung führte die belangte Behörde unter Anführung der Bestimmungen der §§ 3 Abs. 1 Z. 1 und 2 ErbStG und 21 BAO sowie mit Hinweisen auf das (in der Slg. Nr. 328/F veröffentlichte) Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Februar 1951, Zl. 774/49, und Kapp, Kommentar zum Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz10, Köln 1989, Rz 41 zu § 7, in bezug auf den vorliegenden Fall aus, der Beschwerdeführer könne durch das Argument, seine vormalige steuerliche Vertretung habe die Forderungen und Verbindlichkeiten der Ehegattin bzw. deren Unternehmen nicht saldiert, um die Bilanzsumme zu vergrößern, nichts gewinnen. Insbesondere sei dazu zu sagen, daß "diese Aufnahme in die Bilanz" durch den vom Beschwerdeführer selbst ausgesuchten steuerlichen Vertreter erfolgt sei. Damit könne wohl mit "gutem" Recht unterstellt werden, daß diese Vorgangsweise mit Wissen und Willen des Beschwerdeführers erfolgt sei. Eine unrichtige Bilanz habe er weder akzeptieren noch genehmigen dürfen.

Wie das Ermittlungsverfahren weiter ergeben habe, habe ein stichhaltiger Nachweis durch Belege vom Beschwerdeführer nicht erbracht werden können. Nach der vom Beschwerdeführer und Vertretern der Abgabenbehörde (erster Instanz) unterschriebenen Niederschrift vom 21. März 1990 sei zwar mit der Bilanz zum 31. Dezember 1987 die "Rückführung" des mit Bilanz zum 31. Dezember 1983 "gegen Kapital Beschwerdeführer" ausgebuchten Betrages in der Höhe von S 1,640.000,-- durchgeführt worden, um bestehende Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sowie aus sonstigen Verrechnungen im Gesamtbetrag von S 1,288.045,62 per 31. Dezember 1983 aufzurechnen. Dieser behauptete Sachverhalt des Zusammenhanges zwischen Verbindlichkeiten und Forderungen habe jedoch nicht nachgewiesen werden können. Auch existierten keine Urkunden, die über das Bestehen eines Darlehensverhältnisses Auskunft geben könnten.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und/oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Der Bundesminister für Finanzen legte die (erstinstanzlichen) Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor. In dieser wird die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde, die mit der ihr samt einer Ausfertigung der Beschwerde zugestellten Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Februar 1991 (Einleitung des Vorverfahrens gemäß § 35 Abs. 3 VwGG) ausdrücklich auch auf die Bestimmung des § 38 Abs. 2 VwGG hingewiesen wurde, wonach der Verwaltungsgerichtshof im Falle des Unterbleibens einer fristgerechten Aktenvorlage berechtigt ist, allein auf Grund der Beschwerdebehauptungen zu erkennen, legte lediglich die erstinstanzlichen Akten, und zwar offensichtlich nur teilweise, vor. Diese Unterlassungen wirken sich im vorliegenden Fall jedoch nicht wesentlich im Sinne des § 38 Abs. 2 VwGG (zum Wesen dieser Gesetzesstelle siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. März 1989, Zl. 88/16/0156, ÖStZB 23/24/1989, S. 494, mit weiterem Hinweis) aus, weil das in der Beschwerde erwähnte Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner (vermutlich bei den Verwaltungsakten der belangten Behörde befindlichen) Anfragebeantwortung vom 17. Oktober 1990 (ohne näheren Hinweis) von der belangten Behörde in die Begründung der angefochtenen Berufungsentscheidung aufgenommen wurde und das Schreiben des die KG sowie den Beschwerdeführer und dessen Ehegattin vertretenden Wirtschaftstreuhänders vom 23. April 1987 an das FA den Inhalt einer nicht bei den vorgelegten Verwaltungsakten befindlichen Schreibens an das FA vom 2. Oktober 1986, das am 7. Oktober 1986 dort eingelangt sei, ohnedies wiedergibt.

In der Beschwerde wird im wesentlichen das Vorbringen des Beschwerdeführers im Abgabenverfahren wiederholt und u.a. auch auf das oben erwähnte Schreiben vom 23. April 1987 verwiesen. Damit hatte der genannte Wirtschaftstreuhänder dem FA zu dessen Vorhalt vom 12. März 1987, die Ehegattin habe gegen die KG eine Forderung von S 1,640.000,-- gehabt und per 31. Dezember 1982 (richtig wohl: 1983) darauf verzichtet, im wesentlichen folgendes mitgeteilt:

Im Betriebsprüfungsbericht vom 24. Oktober 1986 werde unter TZ 5 festgehalten, die in den Jahren 1974 bis 1977 von der Ehegattin vorgenommenen Einlagen seien gewinneutral gegen Kapital ausgebucht worden. Diese Feststellung sei richtig. Unrichtig sei aber die Feststellung, dieser Wegfall der Schuld stelle eine Schenkung der Ehegattin dar. Wie dem FA mit am 7. Oktober 1986 bei ihm eingelangtem Schreiben vom 2. Oktober 1986 mitgeteilt worden sei, handle es sich bei der Umbuchung um eine im Sinne des (z.B. in der ÖStZB 5/1972, S. 60, veröffentlichten, für den vorliegenden Fall eher weniger passenden) Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1971, Zl. 1038/69, vorgenommene Bilanzberichtigung. Die Schuld der KG gegenüber der Ehegattin sei durch Umbuchung auf das Kapitalkonto des Beschwerdeführers aus der Bilanz entfernt worden, um das ohnedies schlechte Bilanzbild etwas zu verbessern. Wie in dem Schreiben vom 2. Oktober 1986 angeführt worden sei, handle es sich bei den hingegebenen Depotgeldern gegebenenfalls um private Geldmittel aus dem gemeinsamen Haushalt der Ehegatten, sodaß die Ausbuchung in der Bilanz der KG nur bewirke, daß die Verrechnung über diese Gelder in die Privatsphäre der Ehegatten zurückverwiesen werde. Da bei Hingabe der Gelder kein schriftlicher Vertrag errichtet worden sei, sei es heute nicht mehr aufklärbar, ob die Gelder tatsächlich nur von der Ehegattin oder aus dem gemeinsamen Haushalt der Ehegatten stammten.

Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 2 ErbStG unterliegen nun der Steuer nach diesem Bundesgesetz Schenkungen unter Lebenden.

Nach § 3 Abs. 1 ErbStG gilt als Schenkung im Sinne dieses Gesetzes

  1. 1. jede Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechtes;
  2. 2. jede andere freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.

    Der Wille zu bereichern muß bei freigebigen Zuwendungen beim Zuwendenden vorhanden sein. Dieser Wille muß allerdings kein unbedingter sein, es genügt vielmehr, daß der Zuwendende eine Bereicherung des Empfängers der Zuwendung bejaht bzw. in Kauf nimmt, falls sich eine solche Bereicherung im Zuge der Abwicklung des Geschäftes ergibt (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Juli 1990, Zlen 89/16/0088, 0089, ÖStZB 23/24/1991, S. 562, mit weiterem Hinweis).

    Die belangte Behörde, die diese Rechtslage zwar im wesentlichen bei der Begründung der angefochtenen Berufungsentscheidung richtig wiedergab, subsumierte aber SCHON die erwähnte UMBUCHUNG per 31. Dezember 1983 ALS SOLCHE zu Unrecht unter den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Z. 2 ErbStG; dies geschah nämlich im wesentlichen ohne nähere Feststellungen, so daß in der Beschwerde zutreffend gerügt wird, daß "weder der angeblich Bedachte noch der angeblich Zuwendende" überhaupt befragt worden sei, ob er hievon Kenntnis gehabt habe oder ob dies auf seinen Auftrag erfolgt sei oder ob zumindest ein entsprechender zugrunde liegender Wille zur Zuwendung und Inkaufnahme der Bereicherung bestanden habe.

    Auch unter Nichtberücksichtigung der nach Auffassung der belangten Behörde von der Akteneinsicht ausgenommenen Teile der nur im oben angeführten Umfang vorgelegten Verwaltungsakten fällt auf, daß die Ehegattin als Einzelkaufmann aus dem Erzeugungsbetrieb der KG stammende Stoffreste verkaufe und es pro Jahr nur eine Rechnung über den betreffenden Wareneinkauf gebe.

    Lediglich zur Vermeidung von Mißverständnissen wird bemerkt, daß die WAHL DER BEZEICHNUNG Privatkonto, Verrechnungskonto usw. ohne rechtliche Bedeutung ist (siehe z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. April 1992, Zlen 90/16/0214 - 0216, mit weiterem Hinweis).

    Abgesehen davon, daß einerseits im Wirtschaftssleben davon ausgegangen werden kann, im Verhältnis zweier unabhängiger Vertragspartner werde keine Leistungsverpflichtung ohne entsprechende Gegenleistung eingegangen, weshalb im geschäftlichen Verkehr ein Bereicherungswille nicht zu vermuten sei (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Februar 1990, Zl. 89/16/0180, ÖStZB 9/1991, S. 154), und andererseits Unentgeltlichkeit dann nicht vorliegt, wenn eine Leistung aus einer moralischen, sittlichen oder Anstandspflicht zugesagt wird, weil in diesen Fällen die Schenkungsabsicht fehle (siehe z.B. das die Beistandspflicht nach § 90 ABGB betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Oktober 1989, Zl. 88/16/0228, ÖStZB 15/16/1990, S. 243) haben auch die Organwalter der Abgabenbehörden eine sachliche Grenzlinie zwischen Vermutbarkeit und Beweisbarkeit zu ziehen (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. März 1992, Zlen 90/16/0236, 0238).

    Aus den angeführten Gründen ist die angefochtene Berufungsentscheidung wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

    Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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