VwGH 91/19/0136

VwGH91/19/013630.9.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des Julian W in L, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 2. April 1991, Zl. Ge-49.029/6-1991/Bi/T, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

ARG 1984 §27;
ARG 1984 §3;
AZG §12 Abs1;
AZG §20 Abs1;
AZG §9;
VStG §19;
VStG §5 Abs1;
VStG §5 Abs2;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
ARG 1984 §27;
ARG 1984 §3;
AZG §12 Abs1;
AZG §20 Abs1;
AZG §9;
VStG §19;
VStG §5 Abs1;
VStG §5 Abs2;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Punktes 4 des Spruches (betreffend den Dienstnehmer Helmut G) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land richtete mit Datum 7. November 1990 an den Beschwerdeführer ein Straferkenntnis, dessen Spruch wie folgt lautet:

"Sie haben als Komplementär und somit gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1950 Verantwortlicher der "R KG.", mit Sitz in L, zu vertreten, daß in der Zweigniederlassung der "R KG." in G,

1.) Herr Josef L

a) am 12.4.1988 von 8.00 bis 12.30 Uhr und von 13.00 bis 24.00 Uhr und somit mit einer Tagesarbeitszeit von 15,5 Stunden sowie

b) in der Woche vom 25.4.1988 bis zum 30.4.1988 mit einer Wochenarbeitszeit von mehr als 50 Stunden, nämlich 70 Stunden beschäftigt wurde und ihm

c) am 13.4.1988 nach Beendigung der Tagesarbeitszeit vom 12.4.1988 eine ununterbrochene Ruhezeit von weniger als 11 Stunden, nämlich von 0.00 bis 8.00 Uhr, und somit lediglich 8 Stunden gewährt wurde;

2.) Herr Erwin S

a) am 28.4.1988 mit einer Tagesarbeitszeit von 13,5 Stunden beschäftigt wurde und ihm

b) nach Beendigung der Tagesarbeitszeit am 28.4.1988 eine ununterbrochene Ruhezeit von nur 10 Stunden gewährt wurde;

3.) Herr Johann K

a) am 27.4.1988 mit einer Tagesarbeitszeit von 16,5 Stunden beschäftigt wurde und ihm

b) nach Beendigung der Tagesarbeitszeit vom 27.4.1988 am 28.4.1988 eine ununterbrochene Ruhezeit von nur 7 Stunden gewährt wurde;

4.) Herr Helmut G

am 25.3.1988 mit einer Tagesarbeitszeit von 13 Stunden beschäftigt wurde;

5.) Herr Josef M

am 6.4.1988 mit einer Tagesarbeitszeit von 11 Stunden beschäftigt wurde;

6.) Herr Manfred A

a) am 6.4.1988 mit einer Tagesarbeitszeit von 15 Stunden beschäftigt wurde und ihm

b) nach Beendigung seiner Tagesarbeitszeit vom 6.4.1988 eine ununterbrochene Ruhezeit von nur 10 Stunden gewährt wurde;

7.) Herr Ing. Heribert H

a) am 27.4.1988 mit einer Tagesarbeitszeit von 14,5 Stunden beschäftigt wurde und ihm

b) nach Beendigung seiner Tagesarbeitszeit vom 27.4.1988 eine ununterbrochene Ruhezeit von nur 9 Stunden gewährt wurde.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 28 Abs. 1 des Arbeitszeitgesetzes (AZG), BGBl. Nr. 461/1969 in der derzeit geltenden Fassung, in Verbindung mit:

zu 1.) a), 1.) b), 2.) a), 3.) a), 4.), 5.), 6.) a) und 7.) a):

§ 9 des Arbeitszeitgesetzes (AZG)

zu 1.) c), 2.) b), 3.) b), 6.) b) und 7.) b):

§ 12 Abs. 1 des Arbeitszeitgesetzes

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie gemäß

§ 28 Abs. 1 AZG folgende Strafen verhängt:

Geldstrafe von S im Nichteinbringungsfalle

Ersatzfreiheitsstrafe von:

zu 1.) a) 2.000,-- 48 Stunden

b) 2.000,-- 48 Stunden

c) 1.500,-- 36 Stunden

zu 2.) a) 1.500,-- 36 Stunden

b) 1.000,-- 24 Stunden

zu 3.) a) 2.000,-- 48 Stunden

b) 2.000,-- 48 Stunden

zu 4.) 1.500,-- 36 Stunden

zu 5.) 1.000,-- 24 Stunden

zu 6.) a) 2.000,-- 48 Stunden

b) 1.000,-- 24 Stunden

zu 7.) a) 2.000,-- 48 Stunden

b) 1.000,-- 24 Stunden

ingsges. 20.500,-- 20 Tage, 12 Stunden

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) 10 % der Strafe, das sind S 2.050,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen, der zu zahlende Gesamtbetrag beträgt daher S 22.550,--.

Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 67 VStG 1950)."

Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wurde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zu Recht macht der Beschwerdeführer in Hinsicht auf Punkt 4. des Schuldspruches geltend, daß zum Zeitpunkt der Zustellung (Erlassung) des angefochtenen Bescheides am 3. April 1991 die im § 31 Abs. 3 erster Satz VStG normierte Frist von drei Jahren für den Eintritt der Strafbarkeitsverjährung bereits abgelaufen war. Dies belastet den angefochtenen Bescheid insoweit mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes; in diesem Umfang war er daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Im übrigen erweist sich die Beschwerde jedoch als nicht berechtigt:

Was zunächst den Hinweis des Beschwerdeführers anlangt, die in Rede stehende Kommanditgesellschaft sei bereits in die R-Ges.m.b.H "umgewandelt" gewesen, so ist ihm entgegenzuhalten, daß eine "Umwandlung" einer Kommanditgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft nicht möglich ist (vgl. Kastner-Doralt-Nowotny, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts, 5. Auflage, S. 157). Sollte der Beschwerdeführer entsprechend der Aktenlage gemeint haben, der Betrieb dieser Kommanditgesellschaft sei in die erwähnte Ges.m.b.H. eingebracht worden, so ist für ihn nichts gewonnen, weil diese Ges.m.b.H. entsprechend den vom Verwaltungsgerichtshof eingeholten Auszug aus dem Firmenbuch des Landesgerichtes Linz erst am 13. Juni 1988 (sohin nach Ende der Tatzeiten) rechtlich existent wurde (vgl. § 2 Ges.m.b.H.-Gesetz).

Auf den Einwand des Beschwerdeführers, Franz H. sei zum verantwortlichen Beauftragten iSd § 9 (Abs. 2 und 4) VStG bestellt gewesen, war nicht näher einzugehen, weil es sich hiebei um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung handelt. Am Rande sei vermerkt, daß die Aufstellung einer solchen Behauptung und deren Beweis im Verwaltungsverfahren allein Sache des Beschwerdeführers gewesen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. November 1990, Zl. 90/18/0167).

Ob "auch" der zweite Komplementär für die Einhaltung des AZG verantwortlich war, ist für die Bestrafung des Beschwerdeführers unerheblich; die in diesem Zusammenhang gerügte Verletzung des Parteiengehörs kann daher nicht wesentlich sein.

Zu Unrecht wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde im Ergebnis die Nichtbeachtung des mit der Überschrift "Außergewöhnliche Fälle" versehenen § 20 AZG vor. Diese Vorschrift lautet:

"§ 20 (1) In äußergewöhnlichen Fällen finden die Bestimmungen der §§ 3 bis 5, 7, 8, 9, 11, 12, 14 bis 16, 18 und 19 keine Anwendung auf vorübergehende und unaufschiebbare Arbeiten, die

a) zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für die Sicherheit des Lebens oder für die Gesundheit von Menschen oder bei Notstand sofort vorgenommen werden müssen, oder

b) zur Behebung einer Betriebsstörung oder zur Verhütung des Verderbens von Gütern oder eines sonstigen unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Sachschadens erforderlich sind, wenn unvorhergesehene und nicht zu verhindernde Gründe vorliegen und andere zumutbare Maßnahmen zur Erreichung dieses Zweckes nicht getroffen werden können.

(2) Der Arbeitgeber hat die Vornahme von Arbeiten auf Grund des Abs. 1 ehestens, längstens jedoch binnen vier Tagen nach Beginn der Arbeiten dem Arbeitsinspektorat schriftlich anzuzeigen. Die Anzeige hat die Gründe der Arbeitszeitverlängerung sowie die Anzahl der zur Mehrarbeit herangezogenen Arbeitnehmer zu enthalten. Die Aufgabe der Mitteilung bei der Post gilt als Erstattung der Anzeige."

Der Verwaltungsgerichtshof vermag zwar die Ansicht der belangten Behörde, daß - weil eine Anzeige gemäß § 20 Abs. 2 AZG nicht erstattet worden sei - die Prüfung, ob außergewöhnliche Fälle im Sinne des Abs. 1 vorgelegen seien, "entfallen kann", nicht zu teilen, wenn auch das Unterbleiben einer solchen Anzeige durchaus ein Indiz für die Nichtanwendbarkeit des Abs. 1 bilden kann. Allerdings ist für den Beschwerdeführer damit nichts gewonnen, weil - worauf die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend verweist - in der Begründung des angefochtenen Bescheides ohnedies zusätzlich auf die Frage der Voraussetzungen nach § 20 Abs. 1 AZG eingegangen und darauf hingewiesen wurde, daß die Arbeiten für das in Rede stehende Unternehmen typische Arbeiten darstellten, die regelmäßig durchgeführt würden. Damit hat die belangte Behörde zu Recht die Anwendbarkeit der erwähnten Bestimmungen verneint, sind doch außergewöhnliche Fälle in diesem Sinne Ereignisse, die außerhalb des gewöhnlichen Betriebsablaufes liegen und nur nach strengsten Maßstäben zu einer vorübergehenden Durchbrechung der gesetzlichen Schutzvorschriften berechtigen können; die das Erfordernis der Mehrarbeit bedingenden Umstände dürfen weder regelmäßig noch vorhersehbar sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. September 1990, Zl. 90/19/0245).

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann von einem Verstoß des Schuldspruches zu den Punkten 2 bis 7 gegen das Konkretisierungsgebot des § 44a lit. a VStG keine Rede sein. Der Beschwerdeführer legt nicht dar und vermag der Verwaltungsgerichtshof solches auch nicht zu erkennen, daß der Beschwerdeführer durch die Art der gewählten Umschreibung der inkriminierten Zeiträume etwa der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt oder in seinen Verteidigungsrechten beschränkt worden wäre.

Da es sich bei den Verwaltungsübertretungen nach § 9 und § 12 Abs. 1 AZG um Ungehorsamsdelikte iSd § 5 Abs. 1 VStG handelt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. März 1982, Zl. 81/11/0087, und vom 19. November 1990, Zl. 90/19/0413), hatte der Beschwerdeführer glaubhaft zu machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften kein Verschulden trifft; er hätte demnach - so die ständige hg. Rechtsprechung - INITIATIV alles, was für seine Entlastung spricht, darlegen und entsprechende Beweisanträge stellen müssen, um der belangten Behörde eine Beurteilung zu ermöglichen, ob sein Vorbringen geeignet sei, im Falle seiner Richtigkeit eine Schuldlosigkeit zu erweisen. Was die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften anlangt, so hat der Arbeitgeber ein dem konkreten Betrieb entsprechendes Kontrollsystem einzurichten und darüber hinaus alle sonstigen im konkreten Betrieb möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Arbeitszeit sicherzustellen, wozu es z.B. gehört, die Arbeitsbedingungen und Entlohnungsmethoden so zu gestalten, daß sie keinen Anreiz zur Verletzung der Arbeitszeitvorschriften darstellen. Nur wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß ein Verstoß gegen Arbeitszeitvorschriften durch einen Arbeitnehmer trotz Bestehens und Funktionierens eines solchen, von ihm im einzelnen darzulegenden Systems ohne sein Wissen und ohne seinen Willen erfolgt ist, kann ihm der Verstoß in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht nicht zugerechnet werden. Das Bestehen eines derartigen wirksamen Kontrollsystems hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren nicht behauptet. Anweisungen zur Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften und die bloß stichprobenweisen Überprüfungen derselben stellen nur einen Teil eines betrieblichen Kontrollsystems dar (vgl. neben vielen das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1990, Zlen. 90/19/0054, 0055, 0083, 0086). Daß die Dienstnehmer bisher ein diesbezügliches "Wohlverhalten" an den Tag gelegt hätten, durfte den Beschwerdeführer nicht bewegen, die künftige Sicherstellung der Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften anzunehmen. Die belangte Behörde konnte daher rechtens davon ausgehen, daß dem Beschwerdeführer die Glaubhaftmachung des mangelnden Verschuldens nicht gelungen ist. Der Schuldspruch ist daher frei von Rechtsirrtum.

Soweit der Beschwerdeführer die Strafbemessung rügt, ist zu bemerken: Daß der belangten Behörde entsprechend der diesbezüglichen Begründung des angefochtenen Bescheides keine "konkreten" nachteiligen Folgen bekanntgeworden seien, stellt - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - keinen Widerspruch zu den allgemein gehaltenen Ausführungen über die Gefahren für die Gesundheit der Arbeitnehmer bei Nichteinhaltung der durch das AZG gezogenen Grenzen dar. Von einer "äußerst geringen" Schuld des Beschwerdeführers mußte die belangte Behörde anhand der Aktenlage keineswegs ausgehen. Daß aber die Überschreitungen der (gesetzlichen) Arbeitszeit - so der Beschwerdeführer weiter - von den Dienstnehmern "selbst gewünscht wurden und freiwillig erfolgt sind", stellte keinen Strafmilderungsgrund dar (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 1989, Zl. 87/08/0302).

Die Beschwerde erweist sich sohin - abgesehen vom Punkt 4. des Schuldspruches - als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG insoweit abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz war abzuweisen, weil der Anschluß einer weiteren Beilage - abgesehen vom angefochtenen Bescheid - zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich war.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte