VwGH 90/19/0054

VwGH90/19/00542.7.1990

N gegen Landeshauptmann von Niederösterreich vom 23. Februar 1989, Zl. VII/1-V-1085/3/1-88, 28. Februar 1989, Zl. VII/1-V-1085/4/1-88, 3. Mai 1989, Zl. VII/1-V-1085/6/1-88 und vom 26. April 1989, Zl. VII/1-V-1085/8/1-88, betreffend Übertretungen des Arbeitsruhegesetzes

Normen

ARG 1984 §27 Abs1;
ARG 1984 §27;
ARG 1984 §3 Abs2;
ARG 1984 §3;
ARG 1984;
AVG §56;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §22 Abs1;
VStG §31;
VStG §5 Abs1;
VStG §51 Abs4;
VStG §9 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
ARG 1984 §27 Abs1;
ARG 1984 §27;
ARG 1984 §3 Abs2;
ARG 1984 §3;
ARG 1984;
AVG §56;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §22 Abs1;
VStG §31;
VStG §5 Abs1;
VStG §51 Abs4;
VStG §9 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

1. Die Beschwerden werden zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Nichtstattgebung des Ansuchens um Nachsicht der Strafe richten;

2. Im übrigen werden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 2.760,--, sohin insgesamt S 11.040,--, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden wurde der Beschwerdeführer der Verwaltungsübertretungen nach § 27 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 des Arbeitsruhegesetzes - ARG, BGBl. Nr. 144/1983, schuldig erkannt, weil er am 28. Februar 1987 (Samstag) als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der D-AG mit dem Sitz in X in insgesamt fünf Filialen insgesamt 156 namentlich angeführten Arbeitnehmern die gesetzliche Wochenendruhe insofern nicht gewährt habe, als diese bis zu bestimmten, zwischen 15.45 Uhr und 18.45 Uhr gelegenen Zeiten mit Inventurarbeiten beschäftigt worden seien. Hiefür wurde gegen ihn je Arbeitnehmer eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je ein Tag) verhängt. Dem gleichzeitig mit den Berufungen gegen die erstinstanzlichen Straferkenntnisse eingebrachten Ansuchen um Nachsicht der Strafen wurde nicht stattgegeben.

Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluß vom 26. September 1989, B 377-380/89 und Folgezahlen, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerden ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft der Beschwerdeführer die angefochtenen Bescheide in ihrem gesamten Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsstrafverfahren vor und erstattete Gegenschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verfahren über die Beschwerden wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 19. Februar 1987, Zlen. 87/08/0176-0229, und die dort angeführte Vorjudikatur) ist eine Beschwerde des Bestraften, die sich gegen die Versagung des Gnadenrechtes gemäß § 51 Abs. 4 VStG 1950 richtet, unzulässig. Die Beschwerden waren daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen, soweit sie sich gegen die Nichtstattgebung des Ansuchens um Nachsicht der Strafe richten.

Gemäß § 3 Abs. 1 ARG hat der Arbeitnehmer in jeder Kalenderwoche Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden, in die der Sonntag zu fallen hat (Wochenendruhe). Während dieser Zeit darf der Arbeitnehmer nur beschäftigt werden, wenn dies aufgrund der §§ 2 Abs. 2, 10 bis 18 zulässig ist. Die Wochenendruhe hat gemäß § 3 Abs. 2 leg. cit. für alle Arbeitnehmer spätestens Samstag um 13 Uhr, für Arbeitnehmer, die mit unbedingt notwendigen Abschluß-, Reinigungs-, Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten beschäftigt sind, spätestens Samstag um 15 Uhr zu beginnen.

Gemäß § 10 Abs. 1 dürfen während der Wochenend- und Feiertagsruhe Arbeitnehmer nur beschäftigt werden mit:

1. der Reinigung, Instandhaltung oder Instandsetzung, soweit sich solche Arbeiten während des regelmäßigen Arbeitsablaufes nicht ohne Unterbrechung oder erhebliche Störung ausführen lassen und infolge ihres Umfanges nicht spätestens Samstag 15 Uhr abgeschlossen werden können;

.....

Gemäß § 27 Abs. 1 leg. cit. sind Arbeitgeber oder deren gesetzliche Vertreter, die den §§ 3, 4, 5 Abs. 1 und 2, §§ 6, 7, 8 und 9 Abs. 1 bis 3 und 5 und den §§ 10 bis 18 und 23 bis 25 zuwiderhandeln, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde, soweit es sich um Betriebe handelt, die der bergbehördlichen Aufsicht unterstehen, von der Berghauptmannschaft mit einer Geldstrafe von S 500,-- bis S 30.000,-- zu bestrafen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 29. Juni 1987, Slg. Nr. 12.496/A) sind Jahresinventurarbeiten sowie dazugehörige Kontrollinventuren keine "unbedingt notwendigen Abschlußarbeiten" im Sinne des § 3 Abs. 2 ARG. Derartige Arbeiten rechtfertigten kein Hinausschieben des Beginnes der Wochenendruhe. Der Beschwerdeführer bekämpft diese Rechtsauffassung mit dem Argument, daß "insbesondere im Hinblick auf die neuen Ladenschlußregelungen jedenfalls auch am Samstag bis 18 Uhr geöffnet sein kann und auch dieser Aspekt bei der nunmehrigen Interpretation berücksichtigt werden muß. Damit ist aber die eine Prämisse der Interpretation des VwGH, daß die unbedingte Erforderlichkeit im Sinne des ARG sich zum einen daraus ergeben muß, daß bestimmte Arbeiten nur in der Zeit zwischen 13.00 und 15.00 Uhr möglich sind, DA DER GESETZGEBER DAVON AUSGEHT, daß DIE ZEIT BIS 13.00 UHR dem BETRIEBLICHEN HAUPTZWECK (z.B. Kundenbetrieb) zur Verfügung stehen soll, hinfällig geworden."

Dabei übersieht der Beschwerdeführer jedoch, daß der Verwaltungsgerichtshof seine Auslegung des Begriffes der unbedingt notwendigen Abschlußarbeiten im Sinne des § 3 Abs. 2 ARG nicht auf - nicht zum Dienstnehmerschutz gehörige - Ladenschlußregelungen, sondern ausschließlich auf die Bestimmungen des ARG gestützt hat, die seither unverändert geblieben sind. Ferner wirft der Beschwerdeführer dem Verwaltungsgerichtshof vor, in dem zitierten Erkenntnis nicht näher begründet zu haben, "weshalb die im ARG vorgesehene Erforderlichkeit sich nicht auch auf andere Bestimmungen der Rechtsordnung stützen kann." Auch die diesbezüglichen Ausführungen des Beschwerdeführers sind nicht geeignet, den Verwaltungsgerichtshof zu einem Abgehen von seiner Rechtsprechung zu veranlassen, vermag doch der Beschwerdeführer selbst keine gesetzlichen Vorschriften anzuführen, die eine unbedingte Notwendigkeit der Durchführung von Jahresabschlußarbeiten an Samstagen ab 13.00 Uhr rechtfertigen könnten. Die Vermutungen des Beschwerdeführers, daß es sich bei der Nichtanführung von Abschlußarbeiten in § 10 Abs. 1 Z. 1 ARG um ein Redaktionsversehen handeln könnte, ist keineswegs zwingend. Der Verwaltungsgerichtshof kann auch nicht erkennen, daß das Fehlen der Erwähnung der Abschlußarbeiten in der genannten Bestimmung zu einem gleichheitswidrigen und der Erwerbsausübungsfreiheit widersprechenden Ergebnis führen könnte, zumal die in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung, daß es sich bei den Inventurarbeiten "zweifelsohne und jedenfalls" um Arbeiten handle, "die - wie § 10 Abs. 1 Z. 1 ARG ausführt - sich während des regelmäßigen Arbeitslaufes nicht ohne Unterbrechung oder erhebliche Störung ausführen lassen und infolge ihres Umfanges nicht bis spätestens Samstag 15 Uhr abgeschlossen werden können," nicht nur einer schlüssigen Begründung entbehrt, sondern darüberhinaus auch im Widerspruch zu der vom Beschwerdeführer in den Verwaltungsstrafverfahren vorgelegten, seinem Vorbringen nach für 1988 erlassenen "Inventurarbeitszeiteinteilung" steht, in deren Punkt 9 festgehalten ist, daß die Wochenendruhe für alle Arbeitnehmer spätestens Samstag um 13.00 Uhr zu beginnen hat.

Soweit das Vorbringen des Beschwerdeführers dahin zu verstehen ist, daß die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen die Filialleiter als gemäß § 9 Abs. 2 zweiter Satz und 4 VStG 1950 bestellte verantwortliche Beauftragte zu treffen habe, muß ihm der Erfolg versagt bleiben, weil während der Verwaltungsstrafverfahren keine aus der Zeit vor der Begehung der Verwaltungsübertretungen stammende Zustimmungsnachweise verantwortlicher Beauftragter bei der Behörde eingelangt sind (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 16. Jänner 1987, Slg. Nr. 12.375/A).

Da zum Tatbestand der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen gemäß dem § 27 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 ARG weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört und die bezogenen Verwaltungsvorschriften nichts über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden bestimmen, handelt es sich bei diesen Übertretungen um Ungehorsamsdelikte im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG 1950 (vgl. neben vielen anderen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. September 1988, Zl. 87/08/0026). Bei diesen Delikten hätte der Beschwerdeführer als zur Vertretung der als Arbeitgeber aufgetretenen Aktiengesellschaft nach außen berufenes Organ im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG 1950 gemäß § 5 Abs. 1 leg. cit. glaubhaft machen müssen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften kein Verschulden trifft. Dazu hätte es der Darlegung bedurft, daß er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. April 1990, Zl. 90/19/0078). Wenn sich der Beschwerdeführer darauf beruft, daß er die Weisung erteilt habe, daß Inventurarbeiten nur bis 13.00 Uhr durchgeführt werden dürften, und stichprobenartige Überprüfungen vorgenommen habe, so ist dieses Vorbringen zur Glaubhaftmachung eines mangelnden Verschuldens nicht geeignet. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht die bloße Erteilung von Weisungen zur Entlastung des Arbeitgebers (in den Fällen des § 9 Abs. 1 VStG 1950 des dort genannten Organes) nicht hin; es muß auch eine wirksame Kontrolle der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgen. Die bloß stichprobenartige Überprüfung der Einhaltung von Weisungen genügt den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem nicht (vgl. neben dem schon angeführten Erkenntnis vom 27. September 1988, Zl. 87/08/0026, auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1988, Zl. 87/08/0230). Andere als stichprobenartige Kontrollen hat der Beschwerdeführer jedoch in den vorliegenden Fällen nicht geltend gemacht.

Auf dem Boden dieser Rechtslage entbehrt der Vorwurf des Beschwerdeführers, daß das Ermittlungsverfahren hinsichtlich der Frage der Erteilungen und Weisungen an die Filialleiter unvollständig geblieben sei, der Relevanz. Die Rüge, daß nicht festgestellt worden sei, "ob jeder einzelne Arbeitnehmer nicht Schichtdienst gearbeitet hat", geht fehl, weil der Beschwerdeführer in den Verwaltungsverfahren kein konkretes Tatsachenvorbringen bezüglich eines Schichtdienstes erstattet hatte. Da der Beschwerdeführer nicht dargelegt hat, zu welchen anderen Ergebnissen die von ihm vermißten zeugenschaftlichen Vernehmungen der Organe der Arbeitinspektorate geführt hätten, kann auch in der Unterlassung dieser Vernehmungen kein wesentlicher Verfahrensmangel erblickt werden.

Die Schuldsprüche erweisen sich daher als frei von Rechtswidrigkeiten.

Gegen die Strafbemessung wendet der Beschwerdeführer ein, daß die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen sei, daß keine Milderungsgründe hervorgekommen seien. Sie hätte berücksichtigen müssen, daß die ihm angelasteten Taten keinerlei Schaden herbeigeführt hätten und von ihm "grundsätzlich nicht zu vertreten" seien, zumal er ohnedies stichprobenartige Überprüfungen der Einhaltung der Inventuranordnungen durchgeführt und eine neue Inventuranordnung erlassen habe. Diesem Vorbringen ist zu erwidern, daß bei Ungehorsamsdelikten, wie sie vorliegend gegeben sind, der Nichteintritt eines Schadens schon nach dem Zweck der Strafdrohung (§ 19 Abs. 2 VStG 1950) nicht als Milderungsgrund in Betracht kommen kann. Bezüglich des Verschuldens ist der Beschwerdeführer auf die obigen, die Schuldsprüche betreffenden Ausführungen zu verweisen. Die vom Beschwerdeführer als "exorbitant" empfundene (Gesamt)strafe ergibt sich daraus, daß die belangte Behörde zu Recht je eine Straftat in Ansehung jedes betroffenen Arbeitnehmers geahndet hat (vgl. das schon angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1987, Zl. 86/08/0250, = Slg. Nr. 12.496/A, im nichtveröffentlichten Teil). Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, daß die belangte Behörde bei der solcherart vorgenommenen Bemessung der ohnedies im unteren Bereich des Strafrahmens gelegenen Geldstrafen ihren Ermessensspielraum überschritten hätte.

Die Beschwerden waren daher in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 1 und 6 VwGG abzusehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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