Normen
ASchG 1972 §31 Abs2
ASchG 1972 §31 Abs3
ASchG 1972 §31 Abs5
AZG §28 Abs1
AZG §9
AZG §9 Abs1
VStG §22 Abs1
VStG §5 Abs1
VStG §9
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1982:1981110087.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.435,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 21. Februar 1980 erstattete das Arbeitsinspektorat für den 2. Aufsichtsbezirk an den Magistrat Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 10. Bezirk, die Anzeige, bei einer am 14. Februar 1980 in der Filiale der X AG in Wien 10., R Straße, vorgenommenen Erhebung sei festgestellt worden, daß die tägliche Arbeitszeit zweier namentlich genannter Arbeitnehmerinnen an bestimmten Tagen mehr als 10 Stunden betragen habe.
Im Zuge des gegen den Beschwerdeführer als Vorstandsmitglied der X AG eingeleiteten Strafverfahrens verantwortete sich der Beschwerdeführer dahingehend, daß der gegenständliche Beanstandungsfall nach der Geschäftsverteilung des Vorstandes der X AG zwar in sein Ressort falle. Eine strafrechtliche Verantwortung seiner Person könne jedoch daraus nicht abgeleitet werden. Nach dem Organisationsschema des Unternehmens sei der jeweilige Filialleiter für die Einhaltung von Dienstnehmerschutzbestimmungen zuständig und verantwortlich. Er werde dabei vom zuständigen Filialinspektor überprüft. Dem Vorstandsmitglied des Unternehmens sei es angesichts der Größe desselben - 220 Filialen in ganz Österreich - aus offenkundigen Gründen nicht möglich, für die Einhaltung derartiger Bestimmungen persönlich zu sorgen oder auch nur die Einhaltung derartiger Bestimmungen persönlich zu überprüfen. Eben aus diesem Grunde seien die Vorstandsmitglieder nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, sich qualifizierter Personen zur Erfüllung von Obliegenheiten zu bedienen. Vom gegenständlichen Beanstandungsfall habe der Beschwerdeführer erst im Zuge dieses Verfahrens Kenntnis erlangt. Es wäre in den Bereich des Zufalls zu verlegen, hätte er davon früher Kenntnis gehabt. Es seien jedenfalls Maßnahmen gesetzt worden, welche erwarten ließen, daß die entsprechenden Bestimmungen eingehalten würden. Den nach dem Organisationsschema verantwortlichen Personen seien die Dienstnehmerschutzbestimmungen, insbesondere die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes, bekannt. Auf Grund dieses Verfahrens vorgenommene Erhebungen hätten ergeben, daß im Beanstandungszeitraum durch Krankheitsfälle ein personeller Engpaß bestanden habe. Eine kurzfristige Überschreitung der täglichen Arbeitszeit sei umgehend durch Zeitausgleich konsumiert worden. Die Filialleiter seien auf Grund des Beanstandungsfalles nachdrücklich auf die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes aufmerksam gemacht worden; im übrigen sei durch entsprechende Maßnahmen sichergestellt worden, daß derartige Beanstandungen sich in Zukunft nicht ereigneten.
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 10. Bezirk, vom 19. August 1980 wurde ausgesprochen, der Beschwerdeführer habe als satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenes Organ des Arbeitgebers, der X AG, zu verantworten, daß die tägliche Arbeitszeit an den nachfolgend angeführten Tagen in der Filiale Wien 10., R Straße, bei zwei Arbeitnehmern mehr als 10 Stunden betragen habe, und zwar:
EH:
3. 1. 1980 11 Stunden, 4. 1. 1980 11 Stunden,
11. 1. 1980 11 Stunden, 18. 1. 1980 12,5 Stunden,
25. 1. 1980 12,5 Stunden, 1 . 2. 1980 12,5 Stunden.
AH:
3. 1. 1980 11 Stunden, 4. 1. 1980 11 Stunden,
11. 1. 1980 11 Stunden, 18. 1. 1980 12,5 Stunden,
25. 1. 1980 12,5 Stunden, 1. 2. 1980 12,5 Stunden,
8. 2. 1980 12,5 Stunden.
Der Beschwerdeführer habe dadurch 13 Verwaltungsübertretungen nach § 9 des Arbeitszeitgesetzes, BGBl. Nr. 461/1969, in Verbindung mit § 9 VStG 1950 begangen; gemäß § 28 Abs. 1 des Arbeitszeitgesetzes würden gegen den Beschwerdeführer 13 Geldstrafen von je S 500,--, zusammen somit S 6.500,--, im Falle der Uneinbringlichkeit 13 Ersatzarreststrafen in der Dauer von je 3 Tagen, verhängt.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, es müsse von vornherein jedem klar sein, daß der Beschwerdeführer weder in der Lage wäre, alle verwaltungsrechtlichen Normen einzuhalten, noch die Einhaltung aller Verwaltungsvorschriften zu überwachen. Der Beschwerdeführer wäre im Einzelfall völlig überfordert, eine lückenlose Kontrolle in jeder der über 220 im ganzen Bundesgebiet verstreuten Filialen auszuüben. Eben deswegen seien nach dem Organisationsschema des Unternehmens Filialinspektoren eingesetzt, die als quasi verlängerter Arm des jeweils zuständigen Vorstandsdirektors dessen Kontrollfunktionen ausübten. Die eigene Kontrolltätigkeit des Beschwerdeführers könne nur „sporadisch und schwerpunktmäßig“ erfolgen. Der beanstandete Zeitraum erstrecke sich vom 3. Jänner bis 8. Februar 1980. Innerhalb dieses Zeitraumes habe der Beschwerdeführer die gegenständliche Filiale nicht kontrolliert, sie sei innerhalb des Zeitraumes nicht in das Kontrollschema gefallen. Dagegen kontrollierten Filialinspektoren die ihnen unterstellten Filialen „sicherlich“ ein bis zweimal pro Woche. Die Filialinspektoren seien zur Berichterstattung hinsichtlich des Ergebnisses der von ihnen laufend durchgeführten Überprüfungen der ihnen unterstellten Filialen verpflichtet.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 9. Juni 1981 wurde von der belangten Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 das angefochtene Straferkenntnis jeweils hinsichtlich der angelasteten Tatzeit 3., 4. und 11. Jänner 1980 behoben und das Verfahren in dieser Hinsicht gemäß § 45 Abs. 1 lit. b VStG 1950 eingestellt. Darüber hinaus wurde das angefochtene Straferkenntnis jeweils hinsichtlich der Tatzeit 18. und 25. Jänner sowie 1. und 8. Februar 1980 insoweit behoben und das Verfahren in dieser Hinsicht gemäß § 45 Abs. 1 lit. b VStG 1950 eingestellt, als dem Beschwerdeführer eine tägliche Arbeitszeit von mehr als 11,5 Stunden angelastet wurde.
Im übrigen wurde das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß die angelastete tägliche Arbeitszeit jeweils statt 12,5 Stunden nur 11,5 Stunden und die Zahl der verbleibenden Übertretungen 7 statt 13 betrage. Gleichzeitig wurde die Strafe für jede der verbleibenden 7 Übertretungen mit S 300,‑‑, insgesamt somit S 2.100,--, neu bemessen und ausgesprochen, daß im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafen an deren Stelle Ersatzarreststrafen von je 3 Tagen zu treten hätten.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, durch Zeugenaussagen sei festgestellt, daß in der angelasteten täglichen Arbeitszeit jeweils auch eine einstündige Mittagspause enthalten gewesen sei. Diesbezüglich sei das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren einzustellen gewesen. Im übrigen habe der Beschwerdeführer eine tägliche Arbeitszeit im festgestellten Ausmaß während des angelasteten Tatzeitraumes nicht bestritten.
In weiterer Folge ihrer Bescheidbegründung zitierte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Berufungsvorbringens sodann wörtlich die Aussagen der Zeugen EH und FF. Der als Zeuge vernommene Filialinspektor FF sagte insbesondere aus, seine Aufgabe sei es, die Filiale in jeder Hinsicht zu kontrollieren. Er müsse auch alle Mißstände in den Filialen selbst „lösen“ und erstatte keine Meldung; wenn er „es regeln“ könne, erfahre der Beschwerdeführer überhaupt nichts davon.
Weiters führte die belangte Behörde aus, wie sie den Zeugeneinvernahmen entnommen habe, habe der Beschwerdeführer in der gegenständlichen Filiale keine Kontrollen vorgenommen. Der Filialinspektor wiederum habe die Kontrollen über die eingetragenen Arbeitsstunden - im Hinblick darauf, daß sie anfangs „in Ordnung“ gewesen seien - nur mehr sporadisch vorgenommen. Hätte der Beschwerdeführer nun den Filialinspektor ausdrücklich und grundsätzlich dazu verhalten, die Eintragungen über die Aufzeichnungen der Arbeitszeit jeweils regelmäßig zu kontrollieren und zum Beweis dessen mit Sichtvermerk zu versehen, hätte er überdies seinerseits in der Filiale regelmäßig Kontrollen vorgenommen und sich persönlich davon überzeugt, ob derartige Anweisungen auch tatsächlich eingehalten wären, so hätte er nach Ansicht der belangten Behörde Überschreitungen der täglichen Arbeitszeit vorbeugen und sie auch im gegenständlichen Fall verhindern können. Vom Beschwerdeführer müsse aber auch erwartet werden, daß er die Regelung von Mißständen und den Personalwechsel nicht allein dem Filialinspektor überlasse, regelmäßig Meldungen über Krankenstände anfordere, dieselben auch tatsächlich kontrolliere etc. Der Beschwerdeführer habe somit den Nachweis, daß ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen sei, nicht erbracht. Die von der ersten Instanz verhängten Strafen seien angemessen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem Inhalt seiner Ausführungen erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, wegen der oben angeführten Übertretungen nicht bestraft zu werden. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer meint zunächst, daß die Vorschrift des § 28 des Arbeitszeitgesetzes (AZG), BGBl. Nr. 461/1969 in der geltenden Fassung, wonach Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zuwiderhandeln, zu bestrafen sind, eine von § 9 VStG 1950 abweichende Regelung darstelle. Der Sinn dieser Bestimmung sei die Entlastung des Arbeitgebers, in diesem Fall des zur Vertretung nach außen berufenen Organes, durch Übertragung bestimmter Aufgaben auf die Person eines Bevollmächtigten. Damit gehe aber die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit primär auf den Bevollmächtigten über. In analoger Anwendung des § 31 Abs. 5 des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ANSchG), BGBl. Nr. 234/1972, sei somit der Arbeitgeber neben dem Bevollmächtigten nur dann strafrechtlich verantwortlich, wenn die Übertretung mit seinem Wissen begangen worden sei oder wenn er bei der nach den Verhältnissen möglichen eigenen Beaufsichtigung des Betriebes oder bei der Auswahl oder der Beaufsichtigung des Bevollmächtigten es an der erforderlichen Sorgfalt habe fehlen lassen.
Dieser Rechtsansicht vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen.
Nach § 28 Abs. 1 AZG sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zuwiderhandeln, nach den weiteren Bestimmungen dieses Paragraphen zu bestrafen. Die Wendung „Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte“ findet sich auch in den Abs. 2 und 3 des § 31 ANSchG; eine der Vorschrift des Abs. 5 der zuletzt genannten Gesetzesstelle, wonach Arbeitgeber (nur) dann neben ihren Bevollmächtigten strafbar sind, wenn die Übertretung mit ihrem Wissen begangen wurde oder wenn sie bei der nach den Verhältnissen möglichen eigenen Beaufsichtigung des Betriebes oder bei der Auswahl oder bei der Beaufsichtigung der Bevollmächtigten es an der erforderlichen Sorgfalt haben fehlen lassen, ist dem Arbeitszeitgesetz allerdings fremd.
Zu einer analogen Anwendung des § 31 Abs. 5 ANSchG auf die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes besteht jedoch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes kein Anlaß. Eine solche analoge Anwendung setzte jedenfalls die Annahme einer Gesetzeslücke, also einer planwidrigen Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts, gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung, voraus (vgl. Koziol‑Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts5, I Seite 22). Eine solche Gesetzeslücke liegt jedoch hier nicht vor, weil sich die Voraussetzungen der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz aus der Vorschrift des § 5 VStG im Sinne der weiter unten noch darzustellenden herrschenden Rechtsprechung mit hinlänglicher Deutlichkeit ergeben. Im übrigen normiert aber § 31 Abs. 5 ANSchG insbesondere in der hier entscheidenden Frage der notwendigen Beaufsichtigung der Bevollmächtigten inhaltlich nichts anderes als es der noch darzustellenden ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hiezu entspricht.
Die Vorschrift des § 9 VStG 1950 hat darüber hinaus mit der Frage, ob der Arbeitgeber neben seinem Bevollmächtigten nach den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes strafrechtlich verantwortlich ist, nichts zu tun. Sie regelt nämlich nur jene Fälle, in denen eine Handlungs- oder Unterlassungspflicht, deren Nichterfüllung mit Verwaltungsstrafe bedroht ist, eine Gesellschaft etc. trifft; sie soll damit die strafrechtliche Verantwortung einer physischen Person für jene Fälle sicherstellen, in denen die erwähnte Handlungs- oder Unterlassungspflicht an sich eine (strafrechtlich nicht erfaßbare) juristische Person träfe (vgl. hiezu auch Walter‑Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes2, Seite 245). Es kann also keine Rede davon sein, daß § 28 Abs. 1 AZG eine vom § 9 VStG 1950 abweichende Regelung träfe; „Arbeitgeber“ im Sinne des § 28 Abs. 1 AZG ist vielmehr in den Fällen des § 9 VStG 1950 das dort genannte Organ.
Der Beschwerdeführer, der ebenso wie im Verwaltungsverfahren das Vorliegen des objektiven Tatbestandes der obangeführten Übertretungen nicht bestreitet, behauptet weiters jedoch, ihm sei angesichts der von ihm getroffenen Maßnahmen ein subjektives Verschulden nicht zur Last zu legen. Vielmehr habe er einen ihn salvierenden Entlastungsbeweis nach § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG 1950 geführt; insofern sei der Inhalt des angefochtenen Bescheides rechtswidrig.
Gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1950 finden dann, wenn eine Handlungs- oder Unterlassungspflicht, deren Nichterfüllung mit Verwaltungsstrafe bedroht ist, eine Gesellschaft, eine Genossenschaft oder einen Verein trifft, sofern die Verwaltungsvorschrift nicht anderes bestimmt, die Strafbestimmungen auf die satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenen Organe Anwendung. Diese Organe sind berechtigt und auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreise eine oder mehrere handlungsfähige Personen zu bestellen, denen für den Gesamtbetrieb oder für bestimmte räumlich, öder sachlich abgegrenzte Gebiete die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Soweit solche verantwortliche Vertreter bestellt wurden, finden die Strafbestimmungen zunächst auf sie Anwendung. Daß der Beschwerdeführer im Tatzeitpunkt ein satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenes Organ der X AG war, ist unbestritten; nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers fällt zudem der gegenständliche Beanstandungsfall in sein Ressort.
Gemäß § 5 Abs. 1 VStG 1950 genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Doch zieht schon das bloße Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder die Nichtbefolgung eines Gebotes Strafe nach sich, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört ‑ es sich somit um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt handelt -, die Verwaltungsvorschrift über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden nichts bestimmt und der Täter nicht beweist, daß ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen ist. Da zum Tatbestand des § 9 AZG in der geltenden Fassung weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört, handelt es sich bei dieser Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt. Deshalb traf den Beschwerdeführer die Beweislast dafür, daß ihm die Einhaltung der objektiv verletzten Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich war.
Bei der Annahme einer grundsätzlichen Verantwortung des Arbeitgebers für die im Zusammenhang mit dem Betrieb stehenden Verwaltungsübertretungen darf - wie dem Beschwerdeführer zuzugestehen ist - nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht übersehen werden, daß die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zuläßt, daß sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten selbst persönlich annimmt. Die rechtliche Konsequenz, die aus dieser Tatsache zu ziehen ist, besteht darin, daß dem Unternehmer zugebilligt werden muß, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Ob der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit ist, hängt im Einzelfall davon ab, ob er den Nachweis zu erbringen vermag, daß er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschrift mit gutem Grund erwarten lassen. Im Sinne dieser Judikatur reicht also die bloße Erteilung von Weisungen nicht hin; entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle der vom Verantwortlichen erteilten Weisung erfolgte (vgl. hiezu unter anderem die Erkenntnisse vom 9. Oktober 1979, Zl. 2762/78, vom 7. Oktober 1980, Zl. 2608/76, und vom 30. Juni 1981, Zl. 11/3489/80, alle mit weiteren Nachweisen). Auch der Umstand, daß das betreffende Unternehmen über eine so große Anzahl von Filialen verfügt, daß dem strafrechtlich Verantwortlichen persönlich eine ausreichende Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften nicht möglich ist, reicht nicht hin, die Schuldlosigkeit des Verantwortlichen anzunehmen. In einem solchen Fall ist es Pflicht des Unternehmers, durch ein ausreichend dichtes und zulänglich organisiertes Netz von ihrerseits wieder überwachten Aufsichtsorganen dafür zu sorgen, daß die im Unternehmen zu beachtenden Vorschriften den Betroffenen nicht nur bekannt sind, sondern auch tatsächlich im Einzelfall eingehalten werden (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 9. Oktober 1979, Zl. 2762/78, vom 28. Oktober 1980, Zl. 1320/79, und vom 16. Oktober 1981, Zl. 04/3148/80).
War also (wie im Beschwerdefall) unbestrittenermaßen ein Filialinspektor mit der Überwachung der hier gegenständlichen Vorschriften betraut, so oblag dessenungeachtet dem Beschwerdeführer seinerseits die Überwachung dieses Kontrollorgans; denn es widerspräche dem klar erkennbaren Sinn der §§ 5 und 9 VStG 1950, daß der Verantwortliche sich durch bloße Betrauung einer dritten Person mit den erforderlichen Kontrollfunktionen seiner eigenen Verantwortlichkeit entziehen könnte.
Hiezu hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung lediglich vorgebracht, die Filialinspektoren seien zur Berichterstattung über die von ihnen laufend durchgeführten Überprüfungen der Filialen verpflichtet. Eine derartige Maßnahme würde aber allenfalls nur einen Teil eines wirksamen Kontrollsystems darstellen; dies ganz abgesehen davon, daß diese Behauptung durch die zeugenschaftliche Vernehmung des vom Beschwerdeführer selbst beantragten Filialinspektors FF widerlegt ist. Dieser sagte nämlich aus, er müsse alle Mißstände in den Filialen selbst „lösen“ und erstatte keine Meldung; wenn er „es regeln“ könne, erfahre der Beschwerdeführer überhaupt nichts davon. Darüber hinausgehende Behauptungen über eine allfällige Kontrolle der Filialinspektoren hat der Beschwerdeführer jedoch im Verwaltungsverfahren nicht aufgestellt. Dem Beschwerdeführer ist sohin der Entlastungsbeweis hinsichtlich der ihn treffenden Pflicht zur ausreichenden Überwachung der Kontrollorgane nicht gelungen. Daß die von ihm selbst durchgeführten Kontrollen der einzelnen Filialen nicht geeignet waren, die gegenständlichen Mißstände hintanzuhalten, gesteht er selbst zu, wenn er ausführt, dies hätte zur Voraussetzung gehabt, daß gerade in dieser Zeitspanne eine persönliche Kontrolle durch ihn, den Beschwerdeführer, erfolgt wäre; Tatsache sei aber, daß der gegenständliche Filialbetrieb während des kritischen Zeitraumes nicht durch seine Kontrolltätigkeit erfaßt war.
Die vom Beschwerdeführer behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt daher nicht vor.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wiederholt der Beschwerdeführer im wesentlichen sein zur behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit erstattetes Vorbringen. Es genügt daher, auf obige Ausführungen zu diesem Punkt hinzuweisen.
Der angefochtene Bescheid erweist sich indessen aus einem anderen Grund als rechtswidrig.
Der zu beurteilende Sachverhalt läßt nämlich eine Reihe von gesetzwidrigen Handlungen des Beschwerdeführers erkennen, welche zufolge der Gleichartigkeit der Begehungsform und der äußeren Begleitumstände, des engen zeitlichen Zusammenhanges und des diesbezüglichen Gesamtkonzeptes des Beschwerdeführers (nämlich der Unterlassung einer wirksamen Kontrolle des Filialinspektors) zu einer Einheit zusammentreten; diese Einheit manifestiert sich in der strafrechtlichen Figur des sogenannten fortgesetzten Deliktes (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. April 1979, Zlen. 668 und 669/78, vom 27. Jänner 1981, Zlen. 11/0818, 0861, 0944, 1003/80, sowie das bereits zitierte Erkenntnis vom 24. April 1980, alle mit weiteren Nachweisen). In derartigen Fällen liegt lediglich eine strafbare Handlung vor, welcher Umstand die Anwendung des im § 22 Abs. 1 VStG 1950 normierten Kumulationsprinzips ausschließt.
Dabei ist allerdings zu beachten, daß bei der Rechtsfigur des fortgesetzten Deliktes zwar grundsätzlich die Identität des Angriffsobjektes nicht gefordert wird. Handelt es sich aber um höchstpersönliche Rechtsgüter wie Leben, Ehre oder Gesundheit, so ist nach neuerer Lehre und Rechtsprechung ein Fortsetzungszusammenhang dann zu verneinen, wenn die einzelnen Angriffe gegen verschiedene Personen gerichtet sind (vgl. hiezu Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB2, Seite 290; Rittler, Lehrbuch des Österreichischen Strafrechtes2, I, Seite 347; weiters die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 12. Juni 1980, Zl. 12 Os 76/80, und das bereits genannte hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1981, Zlen. 11/0818, 0861, 0944, 1003/80).
Nun dient, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 30. Juni 1981, Zl. 11/3489/80, zum Ausdruck gebracht hat, die Norm des § 9 Abs. 1 AZG (ebenso etwa wie auch jene des § 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1969, BGBl. Nr. 237, über die Nachtarbeit der Frauen u.ä.) dem gesundheitlichen Schutz der Dienstnehmer, zu deren Gunsten diese Vorschriften erlassen wurden, weshalb der Dienstgeber als Normadressat dieser Bestimmungen dafür zu sorgen hat, daß die gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden. Im Beschwerdefall lagen daher nur insofern mehrere (nämlich zwei) Straftaten vor, als sich die rechtswidrigen Angriffe gegen die Gesundheit zweier Dienstnehmerinnen richteten, nicht jedoch auch deshalb, weil die strafbaren Handlungen an mehreren Tagen begangen wurden. Die belangte Behörde hätte daher über den Beschwerdeführer in rechtsrichtiger Anwendung des § 22 Abs. 1 VStG 1950 nur zwei (und nicht sieben) Strafen verhängen dürfen. Da sie dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben war.
Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.
Soweit in diesem Erkenntnis auf nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen wird, sei an Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.
Wien, am 30. März 1982
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