VwGH 90/05/0060

VwGH90/05/006016.10.1990

N gegen die Bescheide der Oberösterreichischen Landesregierung

1) vom 9. Februar 1990, Zl. BauR-010354/1-1989/See/Wa, betreffend Nichtzuerkennung der Parteistellung in einem Bauverfahren, und 2) vom 26. März 1990, Zl. BauR-010354/2-1989/Ki/Pe, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Abbruchsbewilligungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1) M-AG, 2) Landeshauptstadt Linz, vertreten durch den Bürgermeister)

Normen

AVG §8;
BauO OÖ 1976 §46 Abs1;
BauO OÖ 1976 §49 Abs1;
BauO OÖ 1976 §49 Abs2;
BauO Wr §129 Abs1;
BauO Wr §134 Abs3;
BauRallg;
VwRallg;
AVG §8;
BauO OÖ 1976 §46 Abs1;
BauO OÖ 1976 §49 Abs1;
BauO OÖ 1976 §49 Abs2;
BauO Wr §129 Abs1;
BauO Wr §134 Abs3;
BauRallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem jeweiligen Beschwerdevorbringen und den den Beschwerden angeschlossenen Ausfertigungen der angefochtenen Bescheide ergibt sich folgender wesentlicher Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist Mieter eines Geschäftslokales im Hause Linz, X-Straße 8. Mit Bescheid vom 26. Juni 1989 wies der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der Parteistellung im Bauverfahren betreffend den Abbruch von Objekten, in denen sich das Geschäftslokal des Beschwerdeführers befindet, im innergemeindlichen Instanzenzug ab. Der dagegen erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers gab die Oberösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom 9. Februar 1990 mit der Feststellung keine Folge, daß der Beschwerdeführer durch den im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt worden sei. Zur Begründung führte die Gemeindeaufsichtsbehörde übereinstimmend mit den Baubehörden im wesentlichen aus, daß nach der O.ö Bauordnung dem Bestandnehmer im baubehördlichen Verfahren keine Parteistellung zukomme.

Dagegen richtet sich die vorliegende, unter der hg. Zl. 90/05/0060 protokollierte Beschwerde.

Nachdem dem Beschwerdeführer im Wege des Bezirksgerichtes Linz im Kündigungsverfahren der erstinstanzliche Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 8. Mai 1989, mit welchem der Grundeigentümerin eine Abbruchsbewilligung für die in Rede stehenden Objekte erteilt worden war, zugekommen war, erhob er dagegen Berufung. Mit Bescheid vom 20. Oktober 1989 wies der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz diese Berufung mit der Begründung als unzulässig zurück, daß die Parteistellung des Beschwerdeführers im Abbruchsbewilligungsverfahren bereits rechtskräftig verneint worden sei. Der dagegen erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers gab die Oberösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom 26. März 1990 keine Folge und stellte fest, daß der Beschwerdeführer durch den im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt worden sei. Begründend führte die Gemeindeaufsichtsbehörde im wesentlichen aus, daß nach der O.ö. Bauordnung dem Bestandnehmer im baubehördlichen Verfahren keine Parteistellung zukomme und daß der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der Parteistellung im gegenständlichen Verfahren bereits rechtskräftig abgewiesen worden sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende, unter der hg. Zl. 90/05/0093 protokollierte Beschwerde, zu welcher der Beschwerdeführer mit gesondertem Schriftsatz den unter der hg. Zl. AW 90/05/0039 protokollierten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einbrachte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat beschlossen, die beiden Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Behandlung zu verbinden, und hat hierüber erwogen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt dem Bestandnehmer im baubehördlichen Verfahren keine Parteistellung zu. Das Baurecht knüpft nämlich hinsichtlich der Parteistellung grundsätzlich an das Eigentumsrecht an, sodaß weder dinglich noch obligatorisch Berechtigte - sofern nicht ausdrücklich wie etwa in § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien und § 46 Abs. 1 der O.ö. Bauordnung z.B. zu Gunsten des Inhabers eines Baurechtes oder z.B. im § 129 Abs. 1 der Bauordnung für Wien zu Lasten des Benützers von Räumen anderes bestimmt wird - Parteistellung im Bauverfahren genießen (siehe dazu Dr. Friedrich Krzizek, System des Österreichischen Baurechtes, Wien, Österreichische Staatsdruckerei, Band II, Seite 70, Band III, Seite 125 ff; DDr. Wolfgang Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 2. Auflage, Prugg Verlag Eisenstadt, Seite 23 f; derselbe, zur Rechtsstellung des Mieters im baubehördlichen Auftragsverfahren, ÖJZ 1970 Seite 113 ff). Diese Rechtsprechung gilt sowohl für das baupolizeiliche Auftragsverfahren, zu welchen baubehördliche Räumungs- und Abtragungsaufträge zählen, (vgl. dazu u.a. die hg. Erkenntnisse vom 13. Juni 1950, Slg. N.F. Nr. 1513/A, 11. Juli 1950, Slg. N.F. Nr. 1608/A, 8. Februar 1965, Slg. N.F. Nr. 6579/A, 20. Juni 1966, Slg. N.F. Nr. 6949/A, 24. Oktober 1966, Zl. 1408/1409/66, 9. Jänner 1967, Slg. N.F. Nr. 7048/A, und 27. Mai 1986, Zl. 86/05/0061, BauSlg. Nr. 693) als auch das baubehördliche Bewilligungsverfahren allgemein (vgl. dazu u.a. die hg. Erkenntnisse vom 25. März 1963, Zl. 1866/62, 22. September 1967, Zl. 1329/67, und 15. September 1987, Zl. 86/05/0115, BauSlg. Nr. 959) und das baubehördliche Bewilligungsverfahren zum Abbruch eines Gebäudes im besonderen (vgl. dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 11. Juli 1950, Slg. N.F. Nr. 1608/A, und das hg. Erkenntnis vom 7. September 1971, Zl. 2237/70, sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Oktober 1966, Slg. 5358) sowie auch das baubehördliche Verfahren über eine (Aufhebung der) Benützungsbewilligung (vgl. dazu u.a. die bereits zitierten hg. Erkenntnisse vom 13. Juni 1950, Slg. N.F. Nr. 1513/A, 8. Februar 1965, Slg. N.F. Nr. 6579/A, und 24. Oktober 1966, Zl. 1408/1409/66).

Gemäß § 47 Abs. 1 zweiter Satz der O.ö. Bauordnung sind zur Bauverhandlung jedenfalls die Parteien (insbesondere der Bauwerber, der Grundeigentümer, die Miteigentümer, die Nachbarn und, sofern es sich nicht um bauliche Anlagen handelt, die keine regelmäßige Verbindung mit öffentlichen Straßen erhalten, die zuständige Straßenverwaltung), der Planverfasser und der Bauführer, wenn er bereits bestimmt ist, zu laden. Nach § 46 Abs. 1 leg. cit. sind Nachbarn die Eigentümer (Miteigentümer) der Grundstücke, die unmittelbar an jene Grundstücke angrenzen, auf denen das Bauvorhaben ausgeführt werden soll, und darüber hinaus jene Grundeigentümer, die durch das Bauvorhaben voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können. Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind Grundeigentümern gleichgestellt.

Diese auch von der belangten Behörde zur Stützung ihrer Rechtsansicht, dem Bestandnehmer komme keine Parteistellung im baubehördlichen Verfahren zu, herangezogenen Bestimmungen nennen den Bestandnehmer nicht. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann auch aus der demonstrativen Aufzählung der als Partei in Betracht zu ziehenden Personen schon angesichts der obigen Ausführungen, daß das Baurecht grundsätzlich an das Eigentumsrecht anknüpft, nicht geschlossen werden, der Bestandnehmer käme als Partei des baubehördlichen Verfahrens in Betracht. Dazu bedürfte es der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung, daß dem Bestandnehmer ein bestimmtes subjektiv-öffentliches Recht im Bauverfahren zusteht. Eine solche Bestimmung vermochte der Beschwerdeführer nicht zu nennen. Nach der O.ö. Bauordnung kann der Bestandnehmer somit an einem baubehördlichen Verfahren nicht als Partei, sondern lediglich als Beteiligter teilnehmen.

Entgegen der Annahme des Beschwerdeführers vermag der Bestandnehmer auch keine Parteistellung aus § 8 AVG 1950 ableiten. Aus dieser Bestimmung allein kann nämlich, wie die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes in ständiger Rechtsprechung (vgl. dazu u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. April 1960, Slg. N.F. Nr. 5258/A, 8. Februar 1965, Slg. N.F. Nr. 6579/A,

22. September 1967, Zl. 952/67, 26. Februar 1985, Zl. 85/05/0011, BauSlg. Nr. 393, 21. November 1985, Zl. 85/06/0161, BauSlg. Nr. 579, und 18. September 1990, Zl. 90/05/0073, sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Oktober 1966, Slg. 5358) dargelegt haben, die Parteistellung des Beteiligten im Verwaltungsverfahren nicht abgeleitet werden, weil diese Gesetzesstelle nur festlegt, welche rechtliche Stellung durch die Verwaltungsvorschriften den im Verfahren auftretenden Personen eingeräumt werden muß, damit diesen die Eigenschaft einer Partei oder eines Beteiligten zukommt. Für die Frage, welchen Personen Parteistellung in einem bestimmten Verfahren zusteht, sind daher ausschließlich - mit der hier nicht gegebenen verfassungsgesetzlichen Ausnahme betreffend die Parteistellung der Gemeinde im Vorstellungsverfahren vor der Gemeindeaufsichtsbehörde - die jeweils vom Materiengesetzgeber zu erlassenden Verwaltungsvorschriften maßgebend.

Der Materiengesetzgeber hat jedoch - wie bereits dargelegt - dem Bestandnehmer in der O.ö. Bauordnung kein von der Baubehörde wahrzunehmendes subjektiv-öffentliches Recht eingeräumt, sodaß dem Bestandnehmer im baubehördlichen Verfahren keine Parteistellung zusteht (vgl. dazu das ebenfalls zur O.ö. Bauordnung ergangene, bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 15. September 1987, Zl. 86/05/0115, BauSlg. Nr. 959, und die dort weiter zitierte Judikatur).

Aus einer baubehördlichen Abbruchsbewilligung erwächst somit lediglich dem Bauwerber das Recht, das verfahrensgegenständliche Gebäude abzubrechen. Damit wird nur die Rechtssphäre des Bauwerbers unmittelbar gestaltet. In das zivilrechtlich begründete Bestandrecht greift eine solche einem Bestandgeber erteilte baubehördliche Abbruchsbewilligung unmittelbar schon deshalb nicht ein, weil Inhalt dieser Bewilligung ausschließlich ist, daß der Abbruch des Gebäudes in öffentlich-rechtlicher Hinsicht zulässig ist. Überdies steht es in der Entscheidungsfreiheit des aus der baubehördlichen Bewilligung Berechtigten, ob er von dieser Berechtigung Gebrauch macht oder nicht (vgl. dazu u.a. die bereits zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juli 1950, Slg. N.F. Nr. 1608/A, und 8. Februar 1965, Slg. N.F. Nr. 6579/A, und des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Oktober 1966, Slg. 5358).

Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Vorschrift des § 19 Abs. 2 Z. 4a des Mietengesetzes und das zu dieser Bestimmung in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 235/1937 ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Februar 1952, Zl. 1370/2352/50, geht - abgesehen davon, daß diese Bestimmung nicht mehr dem Rechtsbestand angehört, - fehl (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1986, Zl. 86/05/0061, BauSlg. Nr. 693), weil den Baubehörden die Vollziehung mietrechtlicher Regelungen überhaupt nicht zukommt.

Da der Inhalt der Beschwerden bereits erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Angesichts der Entscheidung in der Sache selbst war eine gesonderte Entscheidung über den mit der Beschwerde Zl. 90/05/0093 verbundenen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entbehrlich.

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