Normen
AVG §45 Abs3
AVG §8
BauO OÖ 1976 §46 Abs1
BauRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1986050115.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei im Zusammenhalt mit dem von ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid und dem Inhalt des zur hg. Zl. 86/05/0020 protokollierten Säumnisbeschwerdeverfahrens ergibt sich nachstehend relevanter Sachverhalt:
Die beschwerdeführende Partei ist Bestandnehmerin eines Geschäftslokales in einem im Gebiet der mitbeteiligten Stadtgemeinde gelegenen Haus. Der beschwerdeführenden Partei wurde seinerzeit mit Zustimmung aller Grundeigentümer für ein Bauvorhaben in diesem Objekt eine rechtskräftige Baubewilligung erteilt.
Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde bewilligte nunmehr mit Bescheid vom 22. November 1984 dem Erstmitbeteiligten, einem der Miteigentümer des vorgenannten Objektes, die Umwidmung des Hausflures im vorgenannten Objekt zu einem Verkaufslokal und wies gleichzeitig die Einwendungen der beschwerdeführenden Partei, welche diese bereits in der mündlichen Verhandlung erhoben hatte, mangels Parteistellung der beschwerdeführenden Partei als Mieterin des vorgenannten Objektes zurück. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung der beschwerdeführenden Partei wurde vom Gemeinderat der vorgenannten Stadtgemeinde mit dem (im Rahmen des hg. Zl. 86/05/0020 protokollierten Säumnisbeschwerdeverfahrens ergangenen) Bescheid vom 26. März 1986 mangels Parteistellung der beschwerdeführenden Partei als unzulässig zurückgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wurde unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 22. September 1967, Zl. 952/67, ausgeführt, dem Mieter komme im Baubewilligungsverfahren keine Parteistellung zu und könne der Mieter eine solche Parteistellung auch nicht aus dem Umstand ableiten, daß er seinerzeit auf Grund einer rechtskräftigen Baubewilligung mit Zustimmung des Vermieters und Grundeigentümers die gemieteten Räumlichkeiten umgebaut habe, weil hiedurch die vom Gesetz über das Baurecht (Baurechtsgesetz) verlangten Formerfordernisse über die Einräumung eines Baurechtes nicht erfüllt seien.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen rechtzeitig erhobenen Vorstellung der beschwerdeführenden Partei keine Folge und wies den Eventualantrag der Beschwerdeführerin, auch den Bescheid des Bürgermeisters vom 22. November 1984 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, als unzulässig zurück. Begründend führte die belangte Behörde zur behaupteten Parteistellung der beschwerdeführenden Partei nach einer Wiedergabe des § 46 Abs. 1 der Oberösterreichischen Bauordnung aus, die Gemeindeaufsichtsbehörde könne die Auffassung der beschwerdeführenden Partei, daß der Begriff des Baurechtes nicht im Sinne des Baurechtsgesetzes aus dem Jahre 1912 verstanden werden könne und auch aus einer rechtskräftigen Baubewilligung ein „Baurecht“ erwachse, nicht teilen. Bereits mit Erkenntnis vom 22. September 1967, Zl. 1329/67, habe der Verwaltungsgerichtshof erkannt, daß Nachbar im Baubewilligungsverfahren stets nur der Eigentümer einer benachbarten Liegenschaft sein könne, niemals aber der Bestandnehmer, weil die vom Bestandnehmer zu erhebenden Ansprüche nicht aus dem öffentlichen Nachbarrecht, sondern aus dem rein privatrechtlichen Nachbarrecht erflössen. Diese Judikatur zeige, daß Nachbarrechte schon nach den früheren Bauordnungen stets an das Eigentum gebunden gewesen seien. Die seit dem 1. Jänner 1977 in Geltung stehende Oberösterreichische Bauordnung erweitere diesen Nachbarbegriff dahingehend, daß sie auch Personen, denen ein Baurecht zustehe, Parteistellung als Nachbar einräume. Aus der Systematik der Bauordnung könne dies jedoch nur so interpretiert werden, daß der Begriff „Baurecht“ ausschließlich im Sinne des Baurechtsgesetzes 1912 zu verstehen sei. Nach § 1 leg. cit. sei das Baurecht das dingliche, veräußerliche und vererbliche Recht, auf oder unter der Bodenfläche eines fremden Grundstückes ein Bauwerk zu haben. Dem Bauberechtigten stünden am Bauwerk die Rechte eines Eigentümers und am Grundstück, soweit im Baurechtsvertrag nichts anderes bestimmt sei, die Rechte eines Nutznießers zu. Dieses Recht entstehe durch bücherliche Eintragung im C‑Blatt der belasteten Liegenschaft. Auch dieses Recht sei sohin, wie das Eigentum am Grundstück zivilrechtlicher Natur; da hiedurch das Eigentumsrecht am Bauwerk begründet werde, stelle der Landesgesetzgeber die Baurechtsinhaber hinsichtlich der Rechtsposition als Nachbar den Grundeigentümern gleich. Ihre Ansprüche könnten daher unmittelbar auf das öffentliche Recht gestützt werden. Im Gegensatz dazu könne das „aus einer rechtskräftigen Baubewilligung erfließende“ Recht zu bauen keinesfalls ein „Baurecht“ im Sinne des Baurechtsgesetzes 1912, aber auch des § 46 Abs. 1 OÖ Bauordnung darstellen. Diese Ansicht werde damit begründet, daß eine Baubewilligung nicht schlechthin ein Recht zu bauen gebe, sondern lediglich das Recht, gemäß einer erteilten Bewilligung zu bauen. Nach der früheren Terminologie, auf die hier zum historischen Verständnis verwiesen werden solle, sei die Baubewilligung auch als öffentlich‑rechtliche Zulässigerklärung bezeichnet worden. Daraus werde deutlich, daß damit lediglich die öffentlich‑rechtliche Feststellung getroffen werde, daß das „angetragene Bauvorhaben“ den Bauvorschriften entspreche. Dem Bauwerber werde daher lediglich das Recht erteilt, entsprechend der erteilten Baubewilligung unter den verfügten Auflagen und Bedingungen zu bauen; darüber hinausgehende Rechte, insbesonders der von der beschwerdeführenden Partei begehrten Art, könnten durch einen solchen Bescheid nicht zuerkannt werden, weil sie nicht vorgesehen seien. Der Begriff des „Baurechtes“ im Sinne des § 46 Abs. 1 OÖ Bauordnung könne daher nur als „Baurecht“ im Sinne des Baurechtsgesetzes 1912 verstanden werden. Daran vermöge auch der Hinweis auf die Baubewilligungsbescheide zukommende dingliche Wirkung nichts zu ändern, da diese Wirkung nach § 64 Abs. 1 OÖ Bauordnung ausdrücklich darauf beschränkt sei, daß aus Bescheiden nach der Oberösterreichischen Bauordnung ‑ ausgenommen denen nach § 68 ‑ erwachsende Rechte und Pflichten auch den Rechtsnachfolger träfen. Selbst wenn man der Ansicht der beschwerdeführenden Partei folgen würde, daß auch aus einer Baubewilligung ein Baurecht abgeleitet werden könnte, so würde im konkreten Fall diese Argumentation nicht zum Ziel führen: Ein Baurecht in diesem Sinne würde bedeuten, daß auf Grund und gemäß einer erteilten Baubewilligung ein Bauwerk ausgeführt werden dürfe. Sei aber die bewilligte Bauführung beendet, sei auch das Recht zu bauen, inhaltslos geworden, weil die Bewilligung bereits konsumiert sei. Die beschwerdeführende Partei führe in ihrem Vorstellungsschriftsatz selbst an, daß ihr Bauvorhaben konsensgemäß ausgeführt worden sei; daher liege offensichtlich eine bereits fertig ausgeführte bauliche Anlage vor, wodurch aber das Recht zu bauen konsumiert sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene, Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die beschwerdeführende Partei behauptet, in dem Verfahren, in dem einer anderen Person ‑ im konkreten Fall handelt es sich um einen der Miteigentümer der Liegenschaft ‑ eine Baubewilligung erteilt wurde, Parteistellung als „Nachbar“ zu besitzen. Sie leitet dies ausschließlich aus dem Umstand ab, daß ihr seinerzeit ‑ als Mieterin mit Zustimmung aller Grundeigentümer ‑ für dasselbe Objekt eine (andere) rechtskräftige Baubewilligung erteilt worden sei, weshalb ihr ein „Baurecht“ zustehe.
Für die Frage, wer als Nachbar in einem Baubewilligungsverfahren Parteistellung genießt, ist die jeweilige Bauordnung entscheidend.
Aus § 8 AVG 1950 allein kann nämlich, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 1. April 1960, Slg. N. F. Nr. 5258/A, vom 22. September 1967, Zl. 952/67, und vom 21. November 1985, Zl. 85/06/0161, BauSlg. Nr. 579) dargelegt hat, die Parteistellung eines Beteiligten im Verwaltungsverfahren nicht abgeleitet werden, weil diese Gesetzesstelle nur festlegt, welche rechtliche Stellung durch die Verwaltungsvorschriften den im Verfahren auftretenden Personen eingeräumt werden muß, damit diesen die Eigenschaft einer Partei oder eines Beteiligten zukommt. Für die Frage, welchen Personen Parteistellung in einem bestimmten Verfahren zusteht, sind daher ausschließlich ‑ mit der hier nicht gegebenen verfassungsgesetzlichen Ausnahme betreffend die Parteistellung der Gemeinde im Vorstellungsverfahren vor der Gemeindeaufsichtsbehörde ‑ die jeweils vom Materiengesetzgeber zu erlassenden Verwaltungsvorschriften maßgebend.
Wer „Nachbar“ nach der Oberösterreichischen Bauordnung ist, ergibt sich hier aus § 46 Abs. 1 dieses Gesetzes, der wie folgt lautet: „Nachbarn sind Eigentümer (Miteigentümer) der Grundstücke, die unmittelbar an jene Grundstücke angrenzen, auf denen das Bauvorhaben ausgeführt werden soll, und darüber hinaus jene Grundeigentümer, die durch das Bauvorhaben voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können. Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind Grundeigentümern gleichgestellt.“
Damit knüpft die Oberösterreichische Bauordnung ‑ wie auch alle anderen österreichischen Bauordnungen ‑ die Parteistellung als Nachbar zunächst ausschließlich an die Eigenschaft „Grundeigentümer“ eines in einem näher umschriebenen räumlichen Naheverhältnis stehenden ‑ also benachbarten ‑ anderen Grundstückes an. Bestandnehmer haben daher nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Baubewilligungsverfahren keine Parteistellung (vgl. dazu unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 12. Oktober 1955, Slg. N. F. Nr. 3847/A, vom 22. September 1967, Zl. 1329/67, und vom 21. Oktober 1982, Zl. 82/06/0108).
Der zweite Satz der zitierten Bestimmung stellt Personen, denen ein Baurecht zusteht, mit den Grundeigentümern gleich. Als „Baurecht“ im Sinne dieser Bestimmung ist das im § 1 des Baurechtsgesetzes 1912, RGBl. Nr. 86, genannte dingliche, veräußerliche und vererbliche Recht, auf oder unter der Bodenfläche eines fremden Grundstückes ein Bauwerk zu haben. Die Ausdehnung der Parteistellung als Nachbar auch auf die Inhaber eines Baurechtes hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 12. Oktober 1955, Slg. N. F. Nr. 3847/A, unter Berufung auf sein Erkenntnis vom 16. Jänner 1952, Slg. N. F. Nr. 2415/A, damit begründet, daß der Eigentümer durch die Bestellung des Baurechtes seine ihm aus der Bauordnung zustehenden Befugnisse auf den Inhaber des Baurechts übertragen hat.
Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt hat, wird einem Bauwerber durch eine (rechtskräftige) Baubewilligung lediglich in öffentlich-rechtlicher Hinsicht das Recht eingeräumt, ein bestimmtes Bauvorhaben zu verwirklichen. Da, wie bereits dargestellt wurde, nur das Eigentum und das aus diesem Eigentumsrecht abgeleitete Baurecht die Parteistellung als Nachbar im Baubewilligungsverfahren verschafft, erlangt ein Bauwerber durch eine rechtskräftige Baubewilligung keine vom Grundeigentum und davon abgeleiteten Baurecht losgelöste Parteistellung.
Die belangte Behörde hat daher zu Recht die Parteistellung der beschwerdeführenden Partei im gegenständlichen Bauverfahren verneint.
Da somit bereits das Beschwerdevorbringen erkennen läßt, daß die in der Beschwerde behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis konnte die Erteilung eines Auftrages zur Behebung der Beschwerde anhaftender Mängel unterbleiben (vgl. dazu unter anderem das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1984, Slg. N. F. Nr. 11616/A).
Soweit auf nicht veröffentlichte Erkenntnisse verwiesen wurde, wird an Art. 14 Abs. 4 der hg. Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.
Wien, am 15. September 1987
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