VwGH 86/11/0153

VwGH86/11/015324.4.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Dorner, Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Samonig, über die Beschwerde des GR in W, vertreten durch Dr. Peter Kisler, Rechtsanwalt in Wien I, Börsegasse 12, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 9. Juli 1986, Zl. MA 70-11/1035/86, betreffend Befristung einer Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
KDV 1967 §31 Abs2 idF 1985/101;
KFG 1967 §65 Abs2;
KFG 1967 §67 Abs2;
VwGG §63 Abs1;
AVG §59 Abs1;
KDV 1967 §31 Abs2 idF 1985/101;
KFG 1967 §65 Abs2;
KFG 1967 §67 Abs2;
VwGG §63 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm die Erteilung einer (unbefristeten) Lenkerberechtigung für die Zeit nach dem 14. Jänner 1988 versagt worden ist, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Am 5. September 1984 erteilte die Bundespolizeidirektion Wien dem Beschwerdeführer eine Lenkerberechtigung für die Gruppen A und B "befristet auf zwei Jahre, das ist bis 19.7.1986". Die schriftliche Ausfertigung datiert vom 7. September 1984. Diese Entscheidung wurde mit dem Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 17. Juni 1985 bestätigt. Der Berufungsbescheid wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Mai 1986, Zl. 85/11/0249, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im fortgesetzten Verfahren gab der Landeshauptmann von Wien mit dem Berufungsbescheid (Ersatzbescheid) vom 9. Juli 1986 der Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 7. September 1984 teilweise Folge, indem er diesen dahingehend änderte, dass die Frist drei Jahre betrage und am 14. Jänner 1988 ende. Die Begründung dieses Bescheides ist, was die Befristung als solche anlangt, von unwesentlichen Modifikationen abgesehen wörtlich gleich lautend mit der des aufgehobenen Bescheides vom 17. Juni 1985. Zur Befristung der Lenkerberechtigung mit 14. Jänner 1988 wurde ausgeführt, sie sei "unter Berücksichtigung des amtsärztlichen Gutachtens vom 26. Februar 1985 bzw. des Gutachtens der Psychiatrischen Universitätsklinik vom 15. Februar 1985" auf eine Dauer von drei Jahren vorzunehmen gewesen; die Frist sei vom 14. Jänner 1985, dem Tag der diesem Gutachten zugrundeliegenden Untersuchung des Beschwerdeführers, zu berechnen gewesen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde und die Gegenschrift der belangten Behörde erwogen:

Die mit dem angefochtenen Bescheid in teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides getroffene Entscheidung ist ihrem Inhalt nach dahin zu verstehen, dass dem Beschwerdeführer eine Lenkerberechtigung für die Gruppen A und B bis (einschließlich) 14. Jänner 1988 erteilt, hingegen sein Begehren auf Erteilung einer (unbefristeten) Lenkerberechtigung für die erwähnten Gruppen für die Zeit nach dem 14. Jänner 1988 abgelehnt wird. Die vorliegende Beschwerde richtet sich ausschließlich gegen den zweiten (negativen) Teil der Entscheidung.

Das Beschwerdevorbringen lässt sich dahin zusammenfassen, dass die von der belangten Behörde der bekämpften Entscheidung zugrundegelegten Gutachten nicht ausreichend begründet seien und nach Auffassung des Beschwerdeführers keineswegs den Schluss auf die Notwendigkeit einer Befristung seiner Lenkerberechtigung gestatteten. Mangelhaft begründet sei insbesondere die Empfehlung des fachärztlichen Sachverständigen, die Lenkerberechtigung mit etwa drei Jahren zu befristen. Die belangte Behörde hätte daher "um Ergänzung des fachärztlichen Befundes einkommen müssen, insbesondere um stichhaltige medizinische Begründung für die Aufrechterhaltung der Befristung entgegen dem positiven Befund". Außerdem habe die belangte Behörde die Pflicht zur Gewährung des Parteiengehörs verletzt, weil sie dem Beschwerdeführer nicht die Möglichkeit gegeben habe den Gutachten entsprechend entgegenzutreten.

Diese Verfahrensrügen führen die Beschwerde aus folgenden Erwägungen zum Erfolg:

Der angefochtene Bescheid ist zwar in Anwendung des § 63 Abs. 1 VwGG ergangen. Nach dieser Bestimmung sind die Verwaltungsbehörden dann, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben hat, verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 18. Dezember 1985, Zl. 85/13/0072 (diesbezüglich wird an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert), ausgesprochen hat, besteht die Bindungswirkung an ein aufhebendes Erkenntnis im Fall einer neuerlichen Beschwerde in derselben Rechtssache auch für den Gerichtshof selbst, unabhängig davon, ob das Erkenntnis als rechtsrichtig anzusehen ist oder nicht. Der Verwaltungsgerichtshof kann, wenn eine Bindung an eine bestimmte Rechtsanschauung durch ein aufhebendes Erkenntnis bereits eingetreten ist, unter der Voraussetzung, dass sich seit Erlassung des mit dem vorausgegangenen Erkenntnis aufgehobenen Bescheides die Sach- und Rechtslage nicht geändert hat, in dem betreffenden Fall selbst durch einen verstärkten Senat von seiner Rechtsanschauung nicht abgehen (vgl. das Erkenntnis vom 12. Dezember 1985, Zl. 85/16/0099, mit weiteren Judikaturhinweisen). Im Beschwerdefall hat sich aber die Sachlage seither geändert; damit ist eine Bindung des Verwaltungsgerichtshofes und auch der belangten Behörde im besagten Sinne nicht eingetreten:

Der mit dem Vorerkenntnis vom 14. Mai 1986 aufgehobene Bescheid hat sich auf den fachärztlichen "Befund" der Psychiatrischen Universitätsklinik Wien vom 15. Februar 1985 und auf die darauf gestützte Empfehlung eines amtsärztlichen Sachverständigen der belangten Behörde vom 26. Februar 1985 gegründet. Auf diese Grundlagen hat die belangte Behörde auch den am 23. Juli 1986 (durch Zustellung an den Beschwerdeführer) erlassenen angefochtenen Bescheid gestützt. Sie hat dabei übersehen, dass gemäß § 67 Abs. 2 zweiter Satz KFG 1967 das ärztliche Gutachten im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein darf. Diese Bestimmung gilt auch dann, wenn - wie im Beschwerdefall - die Beurteilung der geistigen Eignung einer Person zum Lenken von Kraftfahrzeugen unter Bedachtnahme auf § 31 Abs. 2 KVD 1967 idFd 16. Novelle zur KDV 1967, BGBl. Nr. 101/1985, zu erfolgen hat. Im fortgesetzten Verfahren hat sich die Sachlage insofern geändert, als mit Ablauf der besagten Jahresfrist die Eignung des fachärztlichen Befundes vom 15. Februar 1985 als taugliche Grundlage für die Erteilung (oder Versagung) einer Lenkerberechtigung weggefallen ist. Die belangte Behörde hätte entsprechend der dargestellten Rechtslage neuerlich einen fachärztlichen Befund iSd § 31 Abs. 2 KDV 1967 einholen müssen. Dies ist jedoch unterblieben. Nach dem Gesagten bedarf der Sachverhalt einer Ergänzung. Der angefochtene Bescheid war, ohne dass noch auf das Beschwerdevorbringen einzugehen war, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im bekämpften Umfang aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil dem Beschwerdeführer nur ein Anspruch auf Ersatz von Schriftsatzaufwand in Höhe von S 9.270,-- zusteht.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte im Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG Abstand genommen werden.

Wien, am 24. April 1987

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