VwGH 85/11/0249

VwGH85/11/024914.5.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Dorner, Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Berger, über die Beschwerde des GR in W, vertreten durch Dr. Kurt L. Breit, Rechtsanwalt in Wien I, Dominikanerbastei 22, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 17. Juni 1985, Zl. MA 70 - VIII/R 43/84, betreffend Befristung einer Lenkerberechtigung, zu Recht, erkannt:

Normen

KFG 1967 §65 Abs2;
KFG 1967 §65 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 5. September 1984 wurde von der Bundespolizeidirektion Wien (Verkehrsamt) dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung für die Gruppen A und B befristet "auf zwei Jahre, das ist bis 19. 7. 1986" erteilt. Die schriftliche Ausfertigung datiert vom 7. September 1984. In der Begründung führte die Behörde aus, der Beschwerdeführer sei laut amtsärztlichem Gutachten der Prüfstelle der Bundespolizeidirektion Wien vom 19. Juli 1984 in Verbindung mit dem "Gutachten" der Psychiatrischen Universitätsklinik Wien (vom 11. Juli 1984) nur bedingt geeignet, weshalb eine Nachuntersuchung in zwei Jahren erforderlich sei. Die Befristung sei am 5. September 1984 in den Führerschein eingetragen worden.

Auf Grund der Berufung gegen diesen Bescheid veranlasste der Landeshauptmann von Wien eine neuerliche Untersuchung des Beschwerdeführers. Nach Vorliegen des Befundes der Psychiatrischen Universitätsklinik des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Wien vom 15. Februar 1985 und der Äußerung des Amtsarztes vom 26. Februar 1985 gab der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 17. Juni 1985 der Berufung keine Folge. In der Begründung dieses Bescheides wird nach Wiedergabe der §§ 65 Abs. 2, 69 Abs. 1 lit. b und 71 Abs. 1 KFG 1967 im wesentlichen ausgeführt, der Amtsarzt der Erstbehörde habe bei der Untersuchung am 19. Juli 1984 festgestellt, dass der Beschwerdeführer wegen der Gefahr der Exacerbation des "M. Bleuler" zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen A und B "bedingt geeignet" sei und somit auch die Notwendigkeit einer Nachuntersuchung nach zwei Jahren notwendig erscheine. Bei der neuerlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 14. Jänner 1985 im Zuge des Berufungsverfahrens sei von der Psychiatrischen Universitätsklinik folgendes "Gutachten" (mit Datum 15. Februar 1985) erstellt worden:

"Zusammenfassung:

Bei der heutigen Untersuchung finden sich keine wesentlichen Änderungen im Vergleich zum Vorbefund. Es besteht weiterhin ein geringgradiges Defizienzsyndrom. In der psychologischen Testuntersuchung finden sich im Vergleich zum Vorbefund vom 3.7.1984 eine Reduktion der Formenschärfe und der Realitätskontrolle. Ansonsten finden sich keine Hinweise auf Denkstörungen oder psychotische Radikale. Leistungsmäßig erfüllt der Untersuchte weiterhin sämtliche Kriterien für die gewünschten Führerschein-Gruppen. Aus der Sicht unseres Faches würden wir im Hinblick auf die psychiatrische Vorgeschichte eine Ausfolgung der Lenkerberechtigung mit einer Befristung für etwa 3 Jahre empfehlen."

Vom Standpunkt des amtsärztlichen Sachverständigen der Magistratsabteilung 15 - Amtsärztliche Untersuchungsstelle - werde unter Zugrundelegung der Vorgeschichte, des polizeiamtsärztlichen Gutachtens vom 19. Juli 1984, der psychiatrischen Befunde der Psychiatrischen Universitätsklinik vom 11. Juli 1984 und vom 15. Februar 1985 eine Befristung der dem Beschwerdeführer erteilten Lenkerberechtigung der Gruppen A und B empfohlen.

Wenn auch nach dem Befund der Psychiatrischen Universitätsklinik vom 15. Februar 1985 sämtliche Kriterien für die beantragten Führerscheingruppen erfüllt seien, so erscheine doch auf Grund des Testverfahrens nach Rorschach - Reduktion der Realitätskontrolle, eine eher labile Affektivität der fehlenden intellektuellen Kontrollmechanismen, sowie Reduktion der Formschärfe - binnen der festgesetzten Frist eine Nachuntersuchung erforderlich, um weiteren Defizienzerscheinungen entsprechen zu können, zumal sich auf Grund des erwähnten Befundes im Vergleich zum Vorbefund dieses Krankenhauses vom 3. (richtig: 11.) Juli 1984 eine Reduktion der Formschärfe und Realitätskontrolle ergeben habe. Unter Berücksichtigung der erstellten Gutachten und der vorzitierten Gesetzesstellen sei die Befristung "der Gültigkeit des ausgestellten Führerscheines" auf die Dauer von zwei Jahren gerechtfertigt und daher auch der erstinstanzliche Bescheid zu bestätigen gewesen.

In seiner gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde begehrt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Beschwerdeschriftsatz vom 10. September 1985 lässt sich in dem Vorwurf zusammenfassen, es fehle dem angefochtenen Bescheid eine ausreichende Begründung für die Befristung seiner Lenkerberechtigung. Der als "Dringlichkeitsantrag" bezeichnete Schriftsatz vom 8. Jänner 1986 enthält diesbezüglich kein neues Vorbringen. Vielmehr legt der Beschwerdeführer darin - ausgehend von der Behauptung, der Schwerpunkt des Befundes der Psychiatrischen Universitätsklinik Wien vom 15. Februar 1985 liege eindeutig in dem Hinweis auf seine "psychiatrische Vorgeschichte" und nicht im Ergebnis des Befundes -

eben diese Vorgeschichte aus seiner Sicht dar.

Gemäß § 65 Abs. 2 KFG 1967 ist die Lenkerberechtigung, soweit dies unter anderem auf Grund des ärztlichen Gutachtens (§ 69 Abs. 1 lit. b) nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit nötig ist, unter den entsprechenden Befristungen, Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit zu erteilen. § 69 Abs. 1 leg. cit, bestimmt: Das ärztliche Gutachten hat zu lauten: "geeignet", "bedingt geeignet", "beschränkt geeignet" oder "nicht geeignet". Ist der zu Begutachtende nach dem ärztlichen Befund (b) zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Gruppen nur unter der Voraussetzung geeignet, dass er Körperersatzstücke oder Behelfe (Brillen, Sitzpolster udgl.) oder dass er nur Fahrzeuge mit bestimmten Merkmalen verwendet, so hat das Gutachten "bedingt geeignet" für die entsprechenden Gruppen zu lauten und Befristungen, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit anzuführen, unter denen eine Lenkerberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit erteilt werden kann; das gleiche gilt auch für Personen, deren Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen Nachuntersuchungen erforderlich sind. Gemäß § 30 Abs. 1 KDV 1967 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der 16. Novelle zur KDV 1967, BGBl. Nr. 101/1985, gilt als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Gruppe geistig und körperlich geeignet, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften unter anderem ausreichend frei von psychischen Krankheiten und geistigen Behinderungen ist (Z. 1).

§ 31 Abs. 2 KDV 1967 in der genannten Fassung bestimmt: Personen, die sich als Pflegling in stationärer Behandlung einer psychiatrischen Krankenanstalt befunden haben, sind nur dann zum Lenken von Kraftfahrzeugen geistig geeignet, wenn durch einen fachärztlichen Befund bestätigt wird, dass bei ihnen keine Zeichen von im Abs. 1 angeführten Krankheiten, Behinderungen oder Störungen vorliegen. Der Befund hat auch auszusprechen, ob und in welchem Zeitraum eine Nachuntersuchung erforderlich ist; die Eignung kann nur für diesen Zeitraum angenommen werden.

Nach der Aktenlage befand sich der Beschwerdeführer in den Jahren 1974/1975 wegen Morbus Bleuler als Pflegling im Psychiatrischen Krankenhaus der Stadt Wien, Baumgartner Höhe. Im Hinblick darauf durfte die Behörde gemäß dem letzten Satz des § 31 Abs. 2 KDV 1967 - nach dem fachärztlichen Befund vom 15. Februar 1985 - die geistige Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen nur für den darin empfohlenen Zeitraum von drei Jahren annehmen. Dass die empfohlene Befristung mit der Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen zusammenhängt und nicht etwa andere Gründe hat, liegt im Beschwerdefall auf der Hand. Insoweit liegt entgegen der Meinung des Beschwerdeführers ein Begründungsmangel nicht vor. Unberechtigt ist auch der Vorwurf, die Befristung der Lenkerberechtigung entbehre überhaupt einer Begründung. Denn im angefochtenen Bescheid kommt klar zum Ausdruck, dass die Notwendigkeit einer Nachuntersuchung im Hinblick auf das im Befund vom 15. Februar 1985 erwähnte Defizienzsyndrom und die - im Vergleich zum Vorbefund vom 3. (richtig: 11.) Juli 1984 - reduzierte Formschärfe und Realitätskontrolle angenommen wurde. In beiden Befunden wird die vorgeschlagene Befristung weiters mit dem Hinweis auf die "psychiatrische Vorgeschichte" begründet. Daher ist die Notwendigkeit einer Befristung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers ausreichend begründet. Dies gilt allerdings nicht für die konkrete Bemessung der Befristung. Denn der Beschwerdeführer rügt zu Recht, dass die belangte Behörde - ohne dies zu begründen - eine Befristung auf zwei Jahre ausgesprochen hat, obwohl das zugrundeliegende "Gutachten" eine solche von drei Jähren empfohlen hatte. Im übrigen hat auch der amtsärztliche Sachverständige der belangten Behörde (Stellungnahme vom 26. Februar 1985) wohl erklärt, "eine Befristung der Lenkerberechtigung" erscheine ihm "notwendig"; er hat aber nicht etwa eine kürzere Frist für eine Nachuntersuchung vorgeschlagen. Der belangten Behörde ist zwar zuzugestehen, dass sie, wie sie in ihrer Gegenschrift zum Ausdruck bringt, an sich berechtigt ist, eine kürzere als die im fachärztlichen Befund empfohlene Frist auszusprechen. Macht sie aber von dieser Befugnis Gebrauch, so hat sie gemäß den §§ 58 Abs. 2, 60, 67 AVG 1950 ihre Entscheidung ausreichend zu begründen. Eben dies hat die belangte Behörde - entgegen ihrer Behauptung in der Gegenschrift - in Bezug auf die konkrete Bemessung der Befristung nicht getan. Darüber hinaus hat sie auch nicht begründet, warum sie die zweijährige Befristung ab dem Datum des Gutachtens des amtsärztlichen Sachverständigen der Erstbehörde (vom 19. Juli 1984) und nicht ab der neuerlichen Begutachtung im Zuge des Berufungsverfahrens berechnet hat, obgleich dadurch ein neuer Sachverhalt gegeben war, von dem die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 auszugehen hatte. Der aufgezeigte Begründungsmangel ist wesentlich, weil die belangte Behörde bei seiner Vermeidung zu einem anders lautenden Bescheid hätte kommen können. Somit war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Bei diesem Ergebnis konnte von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 14. Mai 1986

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