VfGH G118/2012

VfGHG118/20122.10.2013

Aufhebung einer Bestimmung des Eisenbahngesetzes 1957 über die Vermutung der Richtigkeit von Privatgutachten wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip und mangels Erforderlichkeit der vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung abweichenden Regelung

Normen

B-VG Art11 Abs2
B-VG Art18 Abs1
EisenbahnG 1957 §31a Abs1, §31e
AVG §8, §44a, §44b, §45 Abs2, §52 Abs2
B-VG Art11 Abs2
B-VG Art18 Abs1
EisenbahnG 1957 §31a Abs1, §31e
AVG §8, §44a, §44b, §45 Abs2, §52 Abs2

 

Spruch:

I. Der letzte Satz des §31a Abs1 des Bundesgesetzes über Eisenbahnen, Schienenfahrzeuge auf Eisenbahnen und den Verkehr auf Eisenbahnen (Eisenbahngesetz 1957 – EisbG), BGBl Nr 60/1957 idF BGBl I Nr 125/2006, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

III. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl B1479/2010 eine auf Art144 B‑VG gestützte Beschwerde anhängig, der zusammengefasst folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1.1. Mit dem angefochtenen (erst- und gleichzeitig letztinstanzlichen) Bescheid vom 19. August 2010 gab die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie einem Antrag der ÖBB Infrastruktur AG statt und erteilte dieser eine eisenbahnrechtliche Baugenehmigung gemäß den §§31 ff. des Eisenbahn­gesetzes 1957 (EisbG). Dieser Antrag bezog sich auf Änderungen und Ergänzungen des – mit Bescheid vom 4. Juni 2007 – eisenbahnrechtlich ge­nehmigten Projektes Lainzer Tunnel, 3. Abschnitt – Ver­bindungstunnel, insbesondere auf Elemente der Streckenausrüstung, des Oberbaus einschließlich eines Masse-Feder-Systems, der Sicherungstechnik, der Elektrotechnik und der Oberleitung.

1.2. Gegen diesen Bescheid richtete sich die auf Art144 Abs1 B‑VG gestützte Beschwerde von insgesamt neun Beschwerdeführern, die darin eine Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staats­bürger vor dem Gesetz und auf ein faires Verfahren sowie eine Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich des §31a EisbG, behaupteten.

2. Bei Behandlung der Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des letzten Satzes des §31a Abs1 EisbG idF BGBl I 125/2006 entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 12. Oktober 2012 beschlossen, diese Gesetzesbestimmung von Amts wegen auf ihre Ver­fassungsmäßigkeit zu prüfen.

3. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

"Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass – wie auch die belangte Behörde einräumt – zumindest die Beschwerden der erst- bis fünft- sowie der siebt- und achtbeschwerdeführenden Parteien (die rechtzeitig Ein­wendungen im Verwaltungsverfahren erhoben haben) zulässig sein dürften und dass nicht nur die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides, sondern auch der Verfassungsgerichtshof selbst bei der Kontrolle dieses Bescheides gemäß Art144 B‑VG die im Spruch genannte Vorschrift anzu­wenden hat. Das hiemit eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren dürfte daher zulässig sein.

2. Wenn in einem Verwaltungsverfahren die Beantwortung entscheidungs­relevanter Tatfragen besonderes Fachwissen erfordert, über welches die Verwaltungsorgane nicht verfügen, ist grundsätzlich ein Sachverständiger beizu­ziehen (vgl. §52 AVG). Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass die in einem Verfahren nach §31a Abs1 EisbG zur Erlangung einer eisenbahn­rechtlichen Baugenehmigung nach dieser Gesetzesbestimmung zu klärenden Fragen,

'ob das Bauvorhaben dem Stand der Technik unter Berücksichtigung der Sicher­heit und Ordnung des Betriebes der Eisenbahn, des Betriebes von Schienenfahr­zeugen auf der Eisenbahn und des Verkehrs auf der Eisenbahn einschließlich der Anforderungen des Arbeitnehmerschutzes entspricht',

solche Fragen sind, zu deren Beantwortung besonderes Fachwissen erforderlich ist, über das die Behörde nicht verfügt.

3. Vor diesem Hintergrund scheint nun §31a EisbG den Bewilligungswerber zur Vorlage entsprechender Sachverständigengutachten zu allen entscheidungs­relevanten Fragen zu verpflichten. Die Sachverständigen sind also in dieser gesetzlichen Konstruktion Beauftragte der antragstellenden Partei und ihre Gehilfen bei der Darlegung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes vor der Behörde.

4. Der letzte Satz des §31a Abs1 EisbG scheint nun die zur Entscheidung über diesen Antrag zuständige Behörde von einer inhaltlichen Überprüfung dieser Gutachten bis zum Beweis von deren Unrichtigkeit zu entbinden, worauf auch die Erläuterungen der Regierungsvorlage zweifelsfrei hindeuten. Dies scheint vielmehr geradezu das erklärte Ziel des Gesetzgebers gewesen zu sein.

4.1. Der Sache nach dürfte damit die Tatsachenfeststellung in den ent­scheidungswesentlichen Punkten von der Behörde auf die antragstellende Partei und die von ihr beauftragten Sachverständigen verlagert worden sein. Die in Prüfung gezogene Wendung scheint es jedenfalls für die Behörde nur zuzulassen, offenkundige Mängel eines Sachverständigengutachtens aufzugreifen: Dies sind einerseits formale Fehler wie zB das Fehlen eines nachvollziehbaren Befundes bzw. der gutachtlichen Schlussfolgerungen, und andererseits inhaltliche Un­schlüssigkeiten wie Verstöße gegen die Denkgesetze oder gegen das allgemeine menschliche Erfahrungsgut. Ein formal zutreffend aufgebautes und nicht offen­bar unschlüssiges Gutachten dürfte hingegen aufgrund der Richtigkeits­ver­mutung des Gesetzes ohne weitere Richtigkeitskontrolle dem weiteren Ver­fahren zugrunde zu legen zu sein. Die belangte Behörde behauptet zwar in ihrer Äußerung, dass die Behörde nicht der Verpflichtung enthoben sei, zu prüfen, 'ob das Bauvorhaben allen Genehmigungskriterien des §31f EisbG entspricht', räumt aber gleichzeitig ein, dass die Behörde aufgrund der im hiemit in Prüfung ge­zogenen Satz getroffenen Regelung 'nur eine formelle Prüfung vorzunehmen' habe. In diesem Sinne wird die Bestimmung auch von der insoweit einhelligen Literatur verstanden (Liebmann/Netzer, Eisenbahngesetz 19572, 2008, §31a Rz 2 f.; Kuntner/Waglechner, Eisenbahnrecht3, 2009, §31a Rz 11; Catharin/Gürtlich, Eisenbahngesetz2, 2010, §31a Rz 7 ff.).

4.2. Der Verfassungsgerichtshof hält es vorderhand als mit dem Gleichheitssatz, mit dem Rechtsstaatsprinzip und mit Art11 Abs2 B‑VG für unvereinbar, der für die Erteilung einer eisenbahnrechtlichen Bewilligung zuständigen Behörde die Aufgabe der eigenständigen Tatsachenfeststellung zu entziehen, wie das der Verfassungsgerichtshof für die Bindung einer Behörde an die Beantwortung von Rechtsfragen durch von der Partei beizuziehende Sachverständige schon ausge­sprochen hat (vgl. VfSlg 16.049/2000 hinsichtlich §70a der Wr. BauO). Denn einerseits scheint die Tatsachengrundlage, anhand derer das Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen für eine Bewilligung zu prüfen ist, für die Ent­scheidung von zumindest ebensolcher Bedeutung zu sein wie die Lösung der Rechtsfrage selbst und andererseits scheint es sich – wie zB §31a Abs1 iVm der Bewilligungsvorausetzung des §31f Z1 EisbG zeigt – bei den in den vorzu­legenden Gutachten zu beantwortenden Fragen um gemischte Sach- und Rechtsfragen zu handeln.

5. Diese Bedenken lassen sich nach vorläufiger Auffassung des Verfassungs­gerichtshofes nicht durch die Umschreibung des Kreises der zugelassenen Sach­verständigen in §31a Abs2 EisbG zerstreuen, da zur Begutachtung nicht nur bestimmte zertifizierte, öffentliche und daher vom Projektwerber unab­hängige Stellen berufen werden dürfen. Dem Projektwerber steht es anscheinend viel­mehr frei, einen Gutachter seiner Wahl ohne Mitwirkung der Behörde aus dem Kreis der Ziviltechniker im Rahmen ihrer Befugnisse, der Technischen Büros, Ingenieurbüros im Rahmen ihrer Fachgebiete und aller natürlichen Personen, die für die Erstattung von Gutachten der erforderlichen Art im Allgemeinen beeidet sind, zu bestellen.

6. Ebenso wenig dürfte es an den Bedenken etwas ändern, dass die Vermutung der Richtigkeit der Gutachten widerlegbar ist. Da die Behörde anscheinend auf­grund der Richtigkeitsvermutung ein schlüssiges und formal vollständiges Gut­achten ihrer Beurteilung zugrunde zu legen hat, dürfte es ausschließlich anderen, widerstreitenden Parteien obliegen, die Richtigkeit der vorgelegten Gutachten mit Hilfe von selbst beauftragten Gutachtern einer Überprüfung zu unterziehen und gegebenenfalls auf diese Weise die gesetzliche Vermutung zu widerlegen.

6.1. Damit dürften aber auch in dieser Hinsicht Aufgaben der Vollziehung, die von Verfassung wegen von einer Behörde (allenfalls einer hoheitlich beauf­tragten, beliehenen Rechtsperson) wahrzunehmen sind, auf eine private Partei verlagert werden. Ferner dürfte angesichts des durchschnittlich zu erwartenden Umfangs der Projekte, die derartigen Verfahren unterzogen zu werden pflegen, den widerstreitenden Parteien wegen des Erfordernisses der Mitwirkung des Projektwerbers und des Zeit- und Kostenaufwandes, der für unter Umständen mehrere Sachverständigengutachten entstehen würde, auch die Durchsetzung ihrer Rechte unverhältnismäßig erschwert werden.

6.2. Dagegen dürfte auch nicht sprechen, dass Parteien auch in anderen Ver­fahren einem Sachverständigengutachten stets nur auf gleicher fachlicher Höhe mit Erfolg entgegenzutreten vermögen, da den in diesen Verfahren von der Behörde einzuholenden Gutachten grundsätzlich die Unparteilichkeit des Sach­verständigen als eines Gehilfen der Behörde zugrunde liegt, die in vielen Fällen die Einholung eines Kontrollgutachtens durch eine Partei entbehrlich machen wird.

7. Auch die in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage ins Treffen geführte Begründung vermag die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes vorläufig nicht zu zerstreuen:

7.1. Ein Eisenbahnbetrieb weist seiner Natur nach eine erhebliche Betriebsgefahr auf, hinsichtlich derer Vorkehrungen dafür geboten sind, dass sie sich nicht ver­wirklicht. Diesem Zweck dürfte u.a. das Bewilligungsverfahren nach dem EisbG dienen. Die Absicht, das Verfahren zu beschleunigen, darf daher nach vorläufiger Auffassung des Verfassungsgerichtshofes nicht dazu führen, dass die gebotenen Gefahrenvorkehrungen in tatsächlicher Hinsicht keiner behördlichen Über­prüfung mehr unterliegen.

7.2. Dazu scheint aber die in Prüfung gezogene Norm zu führen, zumal sie im Kern für das eisenbahnrechtliche Genehmigungsverfahren den Grundsatz der Verpflichtung der Behörde zur Beiziehung von Sachverständigen in Abweichung von §52 AVG und den Grundsatz der freien Beweiswürdigung in Bezug auf Sach­verständigengutachten in Abweichung von §45 Abs2 AVG durch eine nur von einer Partei, die im Verfahren Einwendungen erhoben hat, widerlegbare Richtig­keitsvermutung ersetzt.

7.3. Vorderhand ist dem Verfassungsgerichtshof nicht erkennbar, dass diese Abweichungen zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind. Insoweit scheint es auch an den Voraussetzungen des Art11 Abs2 B‑VG zu mangeln.

8. Ob die Prozessvoraussetzungen vorliegen und die Bedenken zutreffen, wird im hiemit eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren zu klären sein."

4. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie den im Prüfungs­beschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entgegentritt.

4.1. Zu den Prozessvoraussetzungen räumt die Bundesregierung ein, dass der letzte Satz des §31a Abs1 EisbG präjudiziell ist und die Prozessvoraussetzungen vorliegen.

4.2. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken führt die Bundesregierung Folgendes aus:

"Eingangs wird auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verwiesen, wo­nach sich der Gerichtshof in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungs­mäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufge­worfenen Fragen zu beschränken hat. Der Verfassungsgerichtshof beurteilt ausschließlich, ob die angefochtenen Be­stimmungen aus den in der Begründung des Antrags dargelegten Er­wägungen verfassungswidrig sind (zB jüngst VfSlg 19.281/2010 mit weiteren Nachweisen). Die Bundesregierung beschränkt sich daher im Folgenden auf die Erörterung der vom Verfassungs­gerichtshof vorgetragenen Bedenken.

1. Zur Rechtslage

In einem Verwaltungsverfahren ist grundsätzlich ein Sachverständiger beizu­ziehen, wenn die Beantwortung entscheidungsrelevanter Tatfragen besonderes Fachwissen – über welches die Verwaltungsorgane nicht verfügen – erfordert. Daneben kommt gemäß §46 des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes 1991 (AVG) als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sach­verhaltes geeignet und nach der Lage des einzelnen Falls zweckdienlich ist. Damit wird der Grundsatz der Unbeschränktheit und Gleichwertigkeit aller Beweis­mittel festge­legt. Im Verwaltungsverfahren ist es somit zulässig, zur Beant­wortung entscheidungsrelevanter Tatsachen, die besonderes Fachwissen voraus­setzt, auch andere Beweismittel heranzuziehen, als Gutachten von Amts­sachverständigen oder nicht-amtlichen Sachverständigen, die die Ver­waltungs­behörde selbst beigezogen bzw. herangezogen hat; dies ist Regelungs­inhalt des §31a Abs1 EisbG.

Wesentliches Ziel des §31a Abs1 EisbG, BGBI. 60/1957 idF BGBI. I Nr 125/2006 besteht in der Verkürzung der Dauer von Verwaltungsverfahren (vgl. etwa Liebmann/Netzer, Eisenbahngesetz 19572, §31a Rn. 2). So heißt es in den Erläuterungen zu dieser Vorschrift […]:

'Zur Vermeidung einer langen Verfahrensdauer für die Erledigung von Bau­genehmigungs­anträgen und Anträgen um Erteilung einer Genehmigung nach §36 EisbG werden die für den Bau und Betrieb von Eisenbahnen, Eisenbahn­anlagen, eisenbahnsicherungstechnischen Ein­richtungen und Schienen­fahr­zeugen erforderlichen Genehmigungen und die zugehörigen Ver­waltungsver­fahrensregelungen zur Reformierung vorgeschlagen. ( ... ) Eine Ver­kürzung der Dauer von Verwaltungsverfahren zum Bau soll dadurch bewirkt werden, dass der Beweis des Vorliegens von Genehmigungsvoraussetzungen einschließlich der Anforderungen des Arbeitnehmer­schutzes durch vom Antrag­steller bei­zu­bringende Gutachten, bei bestimmten, typischerweise größeren Vorhaben durch ein einziges zu erbringendes Gutachten erbracht werden soll.' (RV1412 BlgNR 22. GP, 3).

Dieses Ziel erschließt sich auch durch den Vergleich mit der Vorgängerregelung. Vor Inkraft­treten des §31a Abs1 EisbG hat nämlich die Verwaltungspraxis der Eisenbahnbehörden ge­zeigt, dass zur Erteilung der eisenbahnrechtlichen Bau­genehmigung beantragte Vorhaben oft mehrmals von den Antragstellern modifiziert werden mussten, um dem Erfordernis, dem Stand der technischen Entwicklung des Eisenbahnwesens zu entsprechen, gerecht zu werden. So oblag es vielfach der Behörde die Bauentwürfe einer Vorprüfung zu unterziehen, um festzustellen, ob diese zur Ausführung geeignet waren: Diese Vorprüfung wurde zu einer Art Vorverfahren. Erst im Ermittlungsverfahren erfolgte eine Beweisauf­nahme, zu der die Behörde Amtssachver­ständige oder nichtamtliche Sachver­ständige heranzog, die Gutachten zum Bauentwurf er­statteten (vgl. Catharin/Gürtlich, Eisenbahngesetz2, 2010, §31a Rn. 1). Dieses Procedere führte einerseits zu einer langen Verfahrensdauer, andererseits zu vermeidbaren Inan­spruchnahmen der – aus budgetären Gründen – immer knapper werdenden juristischen und technischen Personal­ressourcen der Eisenbahnbehörden.

Die Lösung dieser Schwierigkeiten bestand sohin in der Einführung des §31a Abs1 EisbG. Demnach sollen eisenbahnrechtliche Bauvorhaben bereits vor Einbringung eines Antrages nach Möglichkeit so geplant werden, dass sie im Falle ihrer Realisierung den eisenbahnrechtlichen Vorschriften – in concreto 'dem Stand der Technik unter Berücksichtigung der Sicherheit und Ordnung des Betriebes der Eisenbahn, des Betriebes von Schienenfahrzeugen auf der Eisenbahn und des Verkehrs auf der Eisenbahn einschließlich der Anforderungen des Arbeitnehmer­schutzes' (vgl. §31a Abs1 EisbG) – entsprechen. Durch §31a Abs1 EisbG entfällt die frühere Vorprüfung des Bauentwurfes und darüber hinaus wird die gutachterliche Prüfung des Bau­entwurfes – in das Stadium vor der Einreichung des Antrages – vorverlagert (vgl. Catharin/Gürtlich, Eisenbahn­gesetz2, 2010, §31a Rn. 4).

2. Zu den Bedenken im Hinblick auf den Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip

Der Verfassungsgerichtshof hegt die Bedenken, dass durch §31a Abs1 letzter Satz EisbG – darin heißt es, dass für die dem (eisenbahnrechtlichen) Bauantrag beizulegenden Gutachten 'die widerlegbare Vermutung der inhaltlichen Richtig­keit' gilt – der für die Erteilung einer eisenbahnrecht­lichen Bewilligung zu­ständigen Behörde die Aufgabe der eigenständigen Tatsachen­feststellung entzogen wird:

'Der Sache nach dürfte ( ... ) die Tatsachenfeststellung in den entscheidungs­wesentlichen Punkten von der Behörde auf die [antragstellende] Partei und die von ihr beauftragten Sachver­ständigen verlagert worden sein' (vgl Rn. 16 des Beschlusses vom 12. Oktober 2012, GZB 1479/10).

Die Bestimmung wäre sohin mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar. Zur Untermauerung dieser Ansicht wird auf das Erkenntnis VfSlg 16.049/2000 zu §70a der Bauordnung für Wien idF LGBl 1997/40 verwiesen: Demzufolge er­fordere das Rechtsstaatsprinzip, dass nicht ein Sachver­ständiger – in concreto handelte es sich um einen Ziviltechniker – die Entscheidung, ob eine Bauführung wegen Übereinstimmung mit den zwingenden Bestimmungen des Baurechts zu gestatten ist, durch seine Bestätigung vorwegnimmt, sondern dass die (Bau‑)Behörde diese Ent­scheidung trifft. Die Behörde müsse daher in der Lage sein, die Bestätigung des Sachver­ständigen in jeder Hinsicht zu überprüfen und gegebenenfalls die Errichtung des Bauvorhabens zu untersagen (vgl. VfSlg 16.049/2000).

Nach Auffassung der Bundesregierung erscheinen diese Bedenken im Hinblick auf §31 a Abs1 letzter Satz EisbG unbegründet: Auf folgende Aspekte sei näher eingegangen.

2.1. Lehrmeinungen zu §31a EisbG

Zunächst wird darauf hingewiesen, dass sich aus der einhelligen Literatur zu §31a EisbG keine Einschränkung auf eine bloß formelle Prüfung der Gutachten ableiten lässt. So heißt es etwa in Liebmann/Netzer, Eisenbahngesetz 19572, §31a Rn. 2:

'[Gutachten] sind ( ... ) nach ihrem inneren Wahrheitsgehalt zu würdigen. Be­stehen im Einreich­operat offenkundige Widersprüche und Unvollständigkeiten, wird die Behörde einen Verbesserungs­auftrag erteilen.'

Ferner wird im Kommentar von Kuntner/Waglechner zum Eisenbahnrecht fest­gehalten:

'Sofern die Vollständigkeit, Schlüssigkeit oder Nachvollziehbarkeit eines Gut­achtens nicht erfüllt ist, trifft die Vermutung der Richtigkeit nicht mehr zu und ist das Gutachten zur entsprechenden Verbesserung zurückzustellen. ( ... ) Die Schlüssigkeit des Gutachtens ist dann gegeben, wenn die Grundlagen der Schlussfolgerungen des Gutachters überprüfbar sind. Die Nachvollziehbar­keit des Gutachtens ist dann gegeben, wenn das Vorgehen des Gutachters bei den Schluss­folgerungen überprüfbar ist.' (vgl. KuntnerlWaglechner, Eisenbahnrecht3, 2009, §31a Rn. 11 und 12).

Schließlich stellen Catharin/Gürtlich klar:

'Die Amtssachverständigen sind nicht ( ... ) als Oberbegutachter für die mit dem Antrag einge­reichten Gutachten zu verstehen sondern im Verlauf des Verfahrens nur wenn nötig heranzu­ziehen. Die Behörde legt daher die vorgelegten und gegebenenfalls ergänzten Gutachten und ihre Ergebnisse dem weiteren Er­mittlungsverfahren zugrunde. Auch wenn für sie von Gesetzes wegen die Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit spricht, ist das eine im Einzelfall widerleg­bare Vermutung, und die Gutachten unterliegen den allgemeinen Regeln des AVG über die Beweise und ihre Würdigung.' (vgl. Catharin/Gürtlich, Eisenbahn­gesetz2, 2010, §31a Rn. 8).

Der Behörde ist demzufolge die Aufgabe der eigenständigen Tatsachenfest­stellung offenbar nicht entzogen und eine damit einhergehende Verletzung des Rechtstaatsprinzips ist somit nicht erkennbar.

2.2. Einfluss des Unionsrechts

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass §31a Abs1 letzter Satz EisbG mit den Regelungen im 8. Teil (Interoperabilität) des EisbG, die vom Unionsrecht geprägt sind, korreliert. Diese Regelungen im EisbG sehen auch (vereinfacht ausgedrückt) eine widerlegbare Vermutung der Richtigkeit von EG-Konformitäts- bzw. EG-Gebrauchstauglichkeitserklärungen (vgl. §98 Abs5 EisbG) und eine widerleg­bare Vermutung der Richtigkeit von EG-Prüferklärungen (vgl. §103 Abs4 EisbG) vor. EG-Prüferklärungen sind Beweismittel im Sinne des §46 AVG, die dem Betriebsbe­willigungsverfahren (vgl. §105 Abs1 EisbG) für realisierte, den Interoperabilitäts­regelungen unterliegenden Vorhaben zugrunde gelegt werden (EG-Konformitäts- bzw. EG-Gebrauchstauglichkeitserklärungen werden hingegen der EG-Prüfung zugrunde gelegt).

Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass die der Ausstellung einer EG-Prüferklärung (nun mehr wohl 'EU-Prüferklärung') zugrundeliegende EG-Prüfung von benannten Stellen durchge­führt wird; benannte Stellen mit Sitz in Österreich müssen akkreditierte Konformitätsbewertungs­steIlen sein. Der mit der Erstellung der Gutachten gemäß §31 a EisbG zu beauftragende Kreis der Sachverständigen enthält insbesondere akkreditierte Stellen (nach der aktuellen Unionsrechtslage nunmehr 'akkreditierte Konformitätsbewertungsstellen') oder benannte Stellen, um eine konsistente und durchgehende technische Begleitung eines Vor­habens von der Planung bis zum Abschluss der EU-Prüfung zu ermöglichen und somit die innerstaat­liche Vorgangsweise im Verwaltungsverfahren an das gemeinschafts­rechtliche Konzept der ausgelagerten Prüfung ('New Approach') anzupassen.

2.3. Verfassungskonforme Auslegung

Nach Auffassung der Bundesregierung hat die Eisenbahnbehörde im gegen­ständlichen Fall im Gegensatz zur Ausgangslage in VfSlg 16.094/2000 sehr wohl die Möglichkeit (bei berechtigten Zweifeln) die ihr vorgelegten Sachver­ständigengutachten in jede Richtung hin zu überprüfen und bei Zweifeln an der Konformität des Bauvorhabens mit zwingenden eisenbahnrechtlichen Be­stimmungen die Errichtung des Bauvorhabens zu untersagen. Dies ergibt sich bereits aus dem Gesetzestext selbst worin es heißt, dass es für das Gutachten eine 'widerlegbare Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit' gibt […]. Ergo folgt hieraus, dass nicht jedes Sachverständigengutachten 'tel quel' (von der Behörde) übernommen werden soll. Die Gutachten stellen vielmehr ein Beweismittel im Sinne des §46 AVG dar, die grundsätzlich der behördlichen Beweiswürdigung unterliegen. Aufgrund der Widerlegbarkeit des Gutachtens ist ein Widerspruch zum Rechtsstaatsprinzip nicht ersichtlich.

§31a Abs1 letzter Satz EisbG ist folglich – im Lichte des Rechtsstaatsprinzips – so auszulegen, dass die Behörde bei der Würdigung der erhobenen Sachverhalts­elemente an keine festen Beweis­regeln gebunden ist. Daher sind auch die Sachverständigengutachten nach ihrer Schlüssig­keit und ihrem inneren Wahr­heitsgehalt zu bewerten. Die vorgenommene Beweis­würdigung hat zudem schlüssig und widerspruchsfrei zu sein. Dabei müssen die behördlichen Er­wägungen den [Denkgesetzen] der Logik und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen (vgl. Hengstschläger, Verwaltungsverfahrensrecht4, 2009, Rn. 371.

Eine Folgewirkung der Einführung des §31a Abs1 EisbG besteht darin, dass die Eisenbahn­behörde ab dem Zeitpunkt der Einbringung eines Antrages um Er­teilung der eisenbahnrecht­lichen Baugenehmigung für ein Vorhaben nunmehr über fachtechnische Gutachten verfügt, die Beweis dafür liefern, dass das Vor­haben den eisenbahngesetzlichen Voraussetzungen ent­spricht. Die Regelung über die widerlegbare Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit der beige­legten Gutachten bezweckt, dass die Eisenbahnbehörde in der Verwaltungspraxis der­artige Gut­achten nicht ausschließlich als notwendiges Antragserfordernis, sondern als Beweismittel im Sinne des §46 AVG betrachtet und sich somit nicht gezwungen sehen soll, im Verwaltungsver­fahren wie vor der Einführung des §31a EisbG Amtssachverständige beizuziehen bzw. nicht-amtliche Sach­ver­ständige heranzuziehen, um die Frage zu klären, ob ein zur eisenbahnrecht­lichen Bau­genehmigung eingebrachtes Vorhaben den eisenbahnrechtlichen Ge­nehmigungsvoraus­setzungen entspricht (vgl. auch §31f Z1 EisbG, wonach für das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen der Zeitpunkt der Einbringung des verfahrenseinleitenden Antrages maßgeblich ist). §31a Abs1 EisbG steht der Beiziehung von Amtssachverständigen bzw. der Heranziehung nicht-amt­licher Sachverständiger nicht entgegen und zwar auch dann nicht, wenn dem oder den dem Antrag beigegebenen Gutachten keine formalen Fehler und keine inhaltlichen Verstöße anhaften. Der Eisenbahnbehörde ist daher die Aufgabe einer eigen­ständigen Tatsachenfeststellung nicht entzogen.

Abgesehen von der Möglichkeit §31a Abs1 letzter Satz EisbG verfassungs­konform (im Lichte des Rechtsstaatsprinzips) so auszulegen, dass er – insbesondere bei berechtigten [Zweifeln] – grundsätz­lich eine freie Beweis­würdigung des bzw. der Gutachten indiziert, erscheint es fraglich, ob ein Entfall der Bestimmung an der Vorgehensweise der Behörde etwas ändern würde. Selbst ohne die explizite Regelung der (widerlegbaren) Vermutung der inhalt­lichen Richtigkeit der dem Bauantrag beizulegenden Gutachten dürfte die Eisen­bahnbehörde ein Gutachten ihrer Ent­scheidung nur dann zu Grunde legen, wenn sie prima facie keinen Grund hat, an der inhaltlichen Richtigkeit des Gut­achtens zu zweifeln. Dabei sei darauf hingewiesen, dass die Gutachten von ausge­wiesenen Fachexperten erstellt werden, die wie alle anderen Sachver­ständigen – Amtssachver­ständige oder nicht-amtliche Sachverständige – zur Objektivität und Unparteilich­keit verpflichtet sind (vgl. Attlmayr, Das Recht des Sachverständigen im Verwaltungsverfahren, 1997, 94). Darüber hinaus unter­liegen Sachver­ständige grundsätzlich der Pflicht, Befund und Gutachten wahrheitsgemäß anzufertigen: Diese Wahrheitspflicht ergibt sich aus §50 AVG im Zusammenhalt mit der strafgesetzlichen Sanktion des §289 Strafgesetzbuch (StGB) (vgl. Attlmayr, Das Recht des Sachverständigen im Verwaltungsverfahren, 1997, 139). Auf mögliche disziplinarrechtliche Konsequenzen einer Falschbe­urkundung, so wie sie etwa aus §17 Abs1 Z2 Ziviltechnikergesetz 1993 (ZTG) resultieren, sei ergänzend verwiesen.

Vor diesem Hintergrund würde sich auch bei Entfall des §31a Abs1 letzter Satz EisbG eine Bei­ziehung eines Amtssachverständigen oder die Heranziehung eines nicht-amtlichen Sachver­ständigen durch die Eisenbahnbehörde (mit dem Zweck, einen Beweis für das gleiche Beweis­thema zu liefern) im Regelfall erübrigen.

2.4. Objektivität der Gutachter

Auch die Bedenken, wonach in Anlehnung an das Erkenntnis VfSlg 17.736/2005 infolge des Auftrags­verhältnisses zwischen dem Gutachter und dem Auftrag­geber die Objektivität eines Privatgutachters nicht gegeben sei, erscheinen un­begründet (vgl. Rn. 5 des Beschlusses vom 12. Oktober 2012, GZB1479/10). Festzuhalten ist zunächst, dass Gutachten von Sachver­ständigen – unabhängig davon, ob es sich dabei um Amtssachverständige, nicht-amtliche Sachver­ständige oder Privatsachverständige handelt – grundsätzlich gleichwertig sind, ins­besondere wenn sie formal zutreffend aufgebaut und (inhaltlich) schlüssig sind. Es ist somit unerheb­lich, ob es sich bei den Sachverständigen um bestimmte zertifizierte, öffentliche und daher vom Antragsteller unabhängige Stellen handelt oder um vom Antragsteller sonst be­auftragte Ziviltechniker, Technische Büros-Ingenieurbüros bzw. sonstige natürliche Personen, die für die Erstattung von Gutachten der erforderlichen Art beeidet wurden. Wie bereits er­wähnt, obliegt es vielmehr der Eisenbahnbehörde im Rahmen der Beweiswürdigung festzu­stellen, inwieweit sie das, dem Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung, beigelegte Gutachten dem weiteren Verfahren zugrunde legt. Im Zuge dieser Beweiswürdigung steht es der Eisenbahn­behörde frei, nicht jenem Gutachten, für welches die widerlegbare Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit gilt, sondern einem anderen [den] Vorzug zu geben.

Neben dem Grund­satz der freien Beweis­würdigung durch die Behörde sprechen noch eine Reihe weiterer Gründe dagegen, die [einem] Antrag beigelegten Gutachten infolge des Auftragsver­hältnisses zwischen Gutachter und Auftraggeber unter den (generellen) Verdacht der fehlenden Objektivität – Stich­wort 'Gefälligkeitsgutachten' – zu stellen:

1. Es wird auf die zuvor erwähnte Wahrheitspflicht der Sachverständigen hinge­wiesen (vgl. ins­besondere §50 AVG iVm §289 StGB).

2. Der Bauwerber (Antragsteller) ist in seiner grundsätzlich freien Auswahl an Sachverständigen insofern eingegrenzt, als er sie aus dem gesetzlich gemäß §31a Abs2 vorgegebenen Kreis auszu­wählen hat. Die Eingrenzung bedeutet eine Eingrenzung auf die Qualifikation der dort genannten Personen bzw. Stellen (vgl. Catharin/Gürtlich, Eisenbahngesetz2, 2010, §31a Rn. 10) und garantiert damit ein Mindestmaß an Qualität. Diese Form der Qualitätssicherung ver­mindert die Gefahr der Erstellung von 'Gefälligkeitsgutachten'.

3. Man müsste bei Bejahen des Verdachts einer fehlenden Objektivität der bei­gelegten Gut­achten dies konsequenterweise auch im Fall der Heranziehung eines nicht-amtlichen Sachver­ständigen gemäß §52 Abs3 AVG annehmen: Denn ähnlich wie im Ausgangsfall werden auch nach §52 Abs3 AVG die Kosten für den Sachverständigen – zumindest bis zu einem be­stimmten Betrag – vom Antragsteller übernommen. Nach Auffassung der Bundesregierung ginge solch eine Sichtweise allerdings zu weit.

4. Bei jedem Verdacht des Bestehens eines Gefälligkeitsgutachtens (bzw. inhalt­licher Unrichtig­keiten) können Einwendungen erhoben werden. Die Ein­wendungen müssen nicht in Form eines Gegengutachtens vorgetragen werden, ein 'sonstiges fundiertes Vorbringen' genügt (vgl. etwa VwGH, 14. Dezember 1995, ZI. 95/07/0118; VwGH, 6. November 2003, ZI. 2002/07/0129).

5. Eine verpflichtende Beiziehung eines Amtssachverständigen als Alternative zum Auftragsver­hältnis zwischen Gutachter und Auftraggeber erscheint auch nicht als 'Musterlösung'. Die enge Verflechtung des Amtssachverständigen mit der verfahrensführenden Behörde lässt nämlich vereinzelt auch Zweifel an dessen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit entstehen (vgl. etwa Funk, Die Aufgaben des Sachverständigen im Rahmen rechtlicher Entscheidungen – Ver­fassungs­fragen der Sachverständigentätigkeit, in Aicher/Funk (Hg), Der Sachver­ständige im Wirtschafts­leben, 1990, 21; siehe auch Bußjäger/Kraft, Sachver­stand, Privatisierung und Kostentragung, ZfV 1999, 22: 'Auch im Hinblick auf das von der Judikatur des EGMR entwickelte 'Prinzip der sicht­baren Gerechtigkeit', wonach (auch) aufgrund des äußeren Anscheins keine berechtigten Zweifel an der Unparteilichkeit und Unbefangenheit von Sachver­ständigen bestehen dürfen, wird ein Spannungsverhältnis beim Institut des Amtssachverständigen be­hauptet.').

Angesichts der obigen Überlegungen erscheint nach Auffassung der Bundes­regierung eine Ein­bindung privater Sachverständiger, so wie im §31a Abs1 EisbG vorgesehen, unbedenklich. Im Übrigen bestehen vielfach ähnliche Formen des "Outsourcings" des Sachverstandes (vgl. etwa §134 des Wasserrechts­gesetzes 1959, §82b der Gewerbeordnung 1994, §8 des Führerschein­gesetzes, §80 des Mineralrohstoffgesetzes). Dies gilt umso mehr, als – wie erwähnt – die Eisenbahn­behörde bei begründeten Zweifeln jederzeit eine Nachprüfung der in Frage stehenden Gutachten veranlassen kann.

3. Zu den Bedenken hinsichtlich Art11 Abs2 B‑VG

Dem Verfassungsgerichtshof ist vorderhand nicht erkennbar, dass die in §31a Abs1 EisbG vorge­sehenen Abweichungen vom AVG zur Regelung des Gegen­standes erforderlich sind (vgl. Rn. 25 des Beschlusses vom 12. Oktober 2012, GZB1479/10) und ortet insoweit ein Spannungsver­hältnis mit Art11 Abs2 B‑VG.

Die Bundesregierung teilt diese Bedenken aus folgenden Gründen nicht:

Nach Art11 Abs2 B‑VG dürfen von den Bestimmungen des AVG abweichende Vorschriften in den einzelnen Gebieten der Verwaltung getroffen werden, wenn sie 'zur Regelung des Gegen­standes erforderlich sind'. Wie der Verfassungs­gerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausge­sprochen hat,

'darf von einer einheitlichen Verfahrensregel vom Bundesgesetzgeber für ein einzelnes Gebiet der Verwaltung nur unter der Voraussetzung eine abweichende Regelung ge­troffen werden, daß diese zur Regelung des Gegenstandes derart erforderlich ist, daß sie zur Regelung des Gegenstandes schlechthin unerläßlich ist, daß also im Regelungszusammenhang mit den materiellen Vorschriften (ein) unerläßliches Abweichen von Bestimmungen des AVG vorliegt' (vgl. VfSlg 15.369/1998,15.351/1998,16.460/2002 uva.).

Für die Erforderlichkeit der im EisbG vorgesehenen verfahrensrechtlichen Sonderregelung – in Form eines Abweichens von §52 AVG– spricht wohl die den Eisenbahnbereich kennzeichnende Interdisziplinarität und die damit einher­gehende Komplexität der Erteilung eisenbahnrechtlicher Baugenehmigungen: Neben der Berücksichtigung 'der Sicherheit und Ordnung des Betriebes der Eisenbahn, des Betriebes von Schienenfahrzeugen auf der Eisenbahn und des Verkehrs auf der Eisenbahn' sind auch Anforderungen des Arbeitnehmerschutzes zu beachten (vgl. §31a Abs1 EisbG). Des Weiteren wird in den Erläuterungen wiederholt auf das Ziel einer Verfahrensbe­schleunigung hingewiesen […]:

'Mit diesem Reformschritt soll einerseits die Behörde, namentlich die technischen Amtssachver­ständigen als auch die verfahrensführenden Beamten, entlastet werden, als auch andererseits der Vorteil im Sinne der Antragsteller erreicht werden, dass mittels solcherart aufbereiteter Einreichunterlagen die Verwaltungsverfahren deutlich rascher abgewickelt werden können' (ErläutRV 1412 BlgNR 22. GP 3; vgl. auch jene Passagen der Erläuterungen die in Teil II.1. ge­nannt werden).

Das Ziel der Verfahrensbeschleunigung, das sehr eng im Zusammenhang mit dem Erreichen einer verbesserten Verfahrensökonomie steht, kann die Erforderlich­keit einer abweichenden Regelung zusätzlich rechtfertigen. Dabei bietet die in §31a EisbG Abs1 vorgesehene Ab­weichung einen zweifachen Vorteil: Einerseits erspart sich die Behörde damit das vormals be­stehende 'Vorverfahren' (siehe dazu näher Teil II.1.), andererseits können, wenn keine Be­denken bestehen, dem Antrag beigegebene Gutachten allenfalls gleich von der Behörde über­nommen werden.

4. Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz

Hinsichtlich der aufgeworfenen Bedenken im Zusammenhang mit dem Gleich­heitssatz sei zu­nächst auf die Ausführungen in den Teilen II.2. und II.3. ver­wiesen.

Sollten sich die Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz auch darauf be­ziehen, dass ein Ablehnungsrecht gegenüber Privatgutachtern – anders als dies bei nichtamtlichen Sachver­ständigen der Fall ist – nicht vorgesehen sei (vgl. Rn. 5 des Beschlusses vom 12. Oktober 2012, GZB1479/10) so darf an dieser Stelle nochmals an die Ausführungen in Teil II.2.3. erinnert werden, wonach die (Eisen­bahn-)Behörde bei berechtigten Zweifeln im Rahmen der (freien) Beweis­würdigung Privatgutachten jederzeit überprüfen (lassen) kann. Zudem können, wie in Teil II.3. bereits erwähnt, die Beschwerdeführer relevante Ein­wendungen gegen ein (beige­legtes) Gutachten nicht nur in Form eines Gegengutachtens vortragen, sondern auch durch ein sonstiges fundiertes Vor­bringen.

5. Zusammenfassung

Zusammenfassend ist die Bundesregierung daher der Ansicht, dass §31a Abs1 EisbG BGBl 60/1957 idF BGBl I Nr 125/2006 mit dem Rechtstaatsprinzip, dem Art11 Abs2 B‑VG sowie dem Gleichheitsgrundsatz in Einklang steht."

5. Die im Anlassfallverfahren belangte Behörde erstattete ebenso eine Äußerung, in der sie den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken entgegentritt.

II. Rechtslage

1. Der für die Beurteilung der Beschwerdesache wesentliche §31a des Bundes­gesetzes über Eisenbahnen, Schienenfahrzeuge auf Eisenbahnen und den Ver­kehr auf Eisenbahnen (Eisenbahngesetz 1957 – EisbG), BGBl 60/1957, wurde mit dem Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957, das Bundes­bahn­gesetz und das Bundesgesetz zur Errichtung einer "Brenner Basistunnel Aktiengesellschaft" geändert werden, BGBl I 125/2006, neu eingeführt. Diese Be­stimmung lautet in eben dieser Fassung (der in Prüfung gezogene Satz ist hervorgehoben):

"Antrag

§31a. (1) Die Erteilung der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung ist bei der Behörde zu beantragen. Dem Antrag ist ein Bauentwurf in dreifacher Aus­fertigung und projektrelevante Fachgebiete umfassende Gutachten beizugeben; letztere zum Beweis, ob das Bauvorhaben dem Stand der Technik unter Berück­sichtigung der Sicherheit und Ordnung des Betriebes der Eisenbahn, des Betriebes von Schienenfahrzeugen auf der Eisenbahn und des Verkehrs auf der Eisenbahn einschließlich der Anforderungen des Arbeitnehmerschutzes ent­spricht. Im Falle beantragter Abweichungen vom Stand der Technik sind auch die Vorkehrungen darzustellen, die sicherstellen sollen, dass trotz Abweichung vom Stand der Technik die Sicherheit und Ordnung des Betriebes der Eisenbahn, des Betriebes von Schienenfahrzeugen auf der Eisenbahn und des Verkehrs auf der Eisenbahn einschließlich der Anforderungen an den Arbeitnehmerschutz ge­währleistet sind. Wenn das Bauvorhaben eine Hauptbahn alleine oder über eine Hauptbahn hinaus gehend auch eine vernetzte Nebenbahn betrifft, ist nur ein Gutachten beizugeben, das alle projektrelevanten Fachgebiete zu umfassen hat; werden für die Erstattung dieses Gutachtens mehr als ein Sachverständiger be­stellt, hat ein solches Gutachten eine allgemein verständliche Zusammen­fassung zu enthalten. Für das oder die Gutachten gilt die widerlegbare Ver­mutung der inhaltlichen Richtigkeit.

(2) Als Sachverständige gemäß Abs1 gelten und dürfen mit der Erstattung von Gutachten beauftragt werden, sofern sie nicht mit der Planung betraut waren oder sonstige Umstände vorliegen, die die Unbefangenheit oder Fachkunde in Zweifel ziehen:

1. Anstalten des Bundes oder eines Bundeslandes;

2. akkreditierte Stellen oder benannte Stellen im Rahmen des fachlichen Um­fanges ihrer Akkreditierung;

3. Ziviltechniker im Rahmen ihrer Befugnisse;

4. Technische Büros-Ingenieurbüros im Rahmen ihrer Fachgebiete;

5. natürliche Personen, die für die Erstattung von Gutachten der erforderlichen Art im Allgemeinen beeidet sind.

(3) Die Behörde kann nach den Erfordernissen des Einzelfalles die Beigabe einer anderen Anzahl an Bauentwurfsausfertigungen oder Ausfertigungen einzelner Bauentwurfsunterlagen festlegen."

2. Die Materialien zu dieser Vorschrift (RV1412 BlgNR 22. GP, 3) geben folgende Begründung:

"Eine Verkürzung der Dauer von Verwaltungsverfahren zum Bau soll dadurch bewirkt werden, dass der Beweis des Vorliegens von Genehmigungsvoraus­setzungen einschließlich der Anforderungen des Arbeitnehmerschutzes durch vom Antragsteller beizubringende Gutachten, bei bestimmten, typischerweise größeren Vorhaben durch ein einziges zu erbringendes Gutachten erbracht werden soll. Ist nur ein einziges Gutachten zu erstellen und ist für die Erstellung dieses Gutachtens die Bestellung von mehr als einem Sachverständigen durch den Antragsteller notwendig, so ist das Gutachten von den bestellten Sachver­ständigen gemeinsam zu erstellen und hat eine allgemein verständliche Zu­sammenfassung zu enthalten. Um zu vermeiden, dass die Behörde Gutachten durch andere Gutachter, insbesondere durch beigegebene Amtssachverständige nochmals begutachten lässt, wird vorgesehen, dass für dieses Gutachten die widerlegbare Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit gilt, was zumindest im Regelfall beschleunigend wirken sollte. Der mit der Erstattung der Gutachten zu beauftragende Kreis der Sachverständigen enthält insbesondere akkreditierte oder benannte Stellen, um eine zweckmäßige Zusammenfassung mit der Prüfung nach den Interoperabilitätsregelungen zu ermöglichen und somit die innerstaat­liche Vorgangsweise im Verfahren an das gemeinschaftsrechtliche Konzept der ausgelagerten Prüfung anzupassen. Mit diesem Reformschritt soll einerseits die Behörde, namentlich die technischen Amtssachverständigen als auch die ver­fahrensführenden Beamten, entlastet werden, als auch andererseits der Vorteil im Sinne der Antragsteller erreicht werden, dass mittels solcherart aufbereiteter Einreichunterlagen die Verwaltungsverfahren deutlich rascher abgewickelt werden können."

3. §31f EisbG lautet:

"Genehmigungsvoraussetzungen

§31 f. Die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung ist zu erteilen, wenn

1. das Bauvorhaben dem Stand der Technik zum Zeitpunkt der Einbringung des verfahrenseinleitenden Antrages bei der Behörde unter Berücksichtigung der Sicherheit und Ordnung des Betriebes der Eisenbahn, des Betriebes von Schienenfahrzeugen auf der Eisenbahn und des Verkehrs auf der Eisenbahn ent­spricht,

2. vom Bund, von den Ländern und von den Gemeinden wahrzunehmende Interessen durch das Bauvorhaben nicht verletzt werden oder im Falle des Vor­liegens einer Verletzung solcher Interessen der durch die Ausführung und In­betriebnahme des Bauvorhabens entstehende Vorteil für die Öffentlichkeit größer ist als der Nachteil, der aus der Verletzung dieser Interessen für die Öffentlichkeit durch die Ausführung und Inbetriebnahme des Bauvorhabens ent­steht und

3. eingewendete subjektiv öffentliche Rechte einer Partei nicht verletzt werden oder im Falle einer Verletzung eingewendeter subjektiv öffentlicher Rechte einer Partei dann, wenn der durch die Ausführung und Inbetriebnahme des Bauvor­habens entstehende Vorteil für die Öffentlichkeit größer ist als der Nachteil, der der Partei durch die Ausführung und Inbetriebnahme des Bauvorhabens ent­steht.

Vom Stand der Technik sind beantragte Abweichungen in Ausnahmefällen zu­lässig, wenn mit Vorkehrungen die Sicherheit und Ordnung des Betriebes der Eisenbahn, des Betriebes von Schienenfahrzeugen auf der Eisenbahn und des Verkehrs auf der Eisenbahn auf andere Weise gewährleistet werden kann."

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens

1.1. Die Bundesregierung bestreitet die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung nicht.

1.2. Das Gesetzesprüfungsverfahren hat auch im Übrigen nicht ergeben, dass die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes, das Beschwerdeverfahren, das Anlass zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens gegeben hat, sei zu­lässig, unzutreffend wäre:

1.2.1. Parteien im eisenbahnrechtlichen Verfahren sind gemäß §8 AVG iVm §31e EisbG der Bauwerber, die Eigentümer der betroffenen Liegenschaften, die an diesen dinglich Berechtigten, die Wasserberechtigten und die Bergwerks­berechtigten. Betroffene Liegenschaften sind außer den durch den Bau selbst in Anspruch genommenen Liegenschaften auch die, die in den Bauverbotsbereich oder in den Feuerbereich zu liegen kommen, sowie die, die wegen ihrer Lage im Gefährdungsbereich Veränderungen oder Beschränkungen unterworfen werden müssen. Wie sich aus den Verwaltungsakten ergibt, sind – mit Ausnahme des Siebtbeschwerdeführers – alle Beschwerdeführer dinglich Berechtigte an den betroffenen Liegenschaften. Sie genießen damit Parteistellung iSd §31e EisbG.

1.2.2. Dem angefochtenen Bescheid und den Verwaltungsakten kann weiters entnommen werden, dass es sich im Anlassfall um ein Großverfahren iSd §§44a ff. AVG gehandelt hat und die Anträge durch Edikt kundgemacht worden sind. Gemäß §44b AVG sind deshalb jene Parteien präkludiert, die nicht innerhalb der Auflagefrist bei der belangten Behörde schriftliche Einwendungen erhoben haben.

1.2.3. Wie jedoch die belangte Behörde selbst eingeräumt hat und durch die Verwaltungsakten bestätigt wird, haben zumindest die erst- bis fünft- sowie die achtbeschwerdeführende Partei im Verwaltungsverfahren rechtzeitig Ein­wendungen erhoben. Deren Beschwerden sind daher jedenfalls zulässig. Damit liegen selbst dann, wenn nicht alle Beschwerdeführer Parteien des Bewilligungs­verfahrens gewesen sein sollten, zulässige Beschwerden vor.

1.3. Auch sonst sind Zweifel am Vorliegen der Prozessvoraussetzungen nicht hervorgekommen; das Gesetzesprüfungsverfahren ist daher zulässig.

2. In der Sache

2.1. Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichts­hofes konnten im Gesetzesprüfungsverfahren nicht zerstreut werden:

2.1.1. Der Verfassungsgerichtshof stimmt der Bundesregierung darin zu, dass die Beschleunigung eisenbahnrechtlicher Bewilligungsverfahren ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel des Gesetzgebers ist und dass die in Prüfung gezogene Vorschrift, auf Grund derer für die von der Projektwerberin beizubringenden Gutachten "die widerlegbare Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit [gilt]", insofern geeignet ist, diesem öffentlichen Interesse zu dienen, als sie die Behörde der Verpflichtung enthebt, ihrerseits durch Amtssachverständige (bzw. von der Behörde gemäß §52 Abs2 AVG beigezogene Sachverständige) erneut eine vollständige Begutachtung des Projekts durchführen zu lassen.

Es ist jedoch mit dem Rechtsstaatsprinzip und mit Art11 Abs2 B‑VG unvereinbar, der für die Erteilung einer eisenbahnrechtlichen Bewilligung zuständigen Behörde auf diese Weise die Ver­antwortung für eine eigen­ständige Tatsachenfeststellung zu entziehen (vgl. auch VfSlg 16.049/2000 hinsichtlich §70a der Bau­ordnung für Wien).

2.2. Die von der Bundesregierung dagegen vorgetragenen Argumente über­zeugen nicht:

2.2.1. Zunächst bestreitet die Bundesregierung die vom Verfassungsgerichtshof angenommene Wirkung der Norm unter Hinweis auf Literaturmeinungen. Diese Argumentation geht jedoch insoweit am Bedenken des Verfassungsgerichtshofes vorbei, als dem Rechtsstaatsprinzip nicht damit Genüge getan ist, dass die Behörde ein von der Projektwerberin beigebrachtes Sachverständigen­gutachten bloß auf Vollständigkeit und Schlüssigkeit (im Sinne von Widerspruchsfreiheit) zu prüfen und – gegebenenfalls – seine Ergänzung zu veranlassen hat. Vielmehr ermöglicht die in Prüfung gezogene Richtigkeitsvermutung der Sache nach, dass im Einzelfall die Ermittlungstätigkeit und die Tatsachenfeststellung in eisenbahnfachlicher Hinsicht in den für die Bewilligung des Vorhabens wesent­lichen Punkten von der Behörde in die Sphäre der Partei (bzw. des von dieser Partei be­auftragten Gutachters) verschoben und damit im Ergebnis auch aus der Verantwortlichkeit der Behörde ausge­lagert wird. Eine solche Richtigkeits­vermutung ist als Abweichung vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung iSd §45 Abs2 AVG weder mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar noch im Sinne des Art11 Abs2 B‑VG erforderlich.

2.2.2. Auch der Vergleich der Bundesregierung mit dem "Outsourcing des Sachver­standes" bei der vom Betreiber zu veranlassenden (Dokumentation der) regelmäßigen Überprüfung bereits behördlich genehmigter Anlagen und Ein­richtungen (wie zB nach §134 WRG 1959, §82b GewO ua. Bestimmungen) ver­mag schon mangels vergleichbarer Sachverhalte die Bedenken des Ver­fassungsgerichtshofes nicht zu zerstreuen.

2.2.3. Dies gilt auch für den Hinweis der Bundesregierung auf Anforderungen des Unionsrechts, geht es doch bei den von der Bundesregierung genannten Beispielen um die widerlegliche Vermutung der Richtigkeit des Inhaltes öffentlicher Urkunden, wie Gebrauchstauglichkeitserklärungen oder Prüf­erklärungen, die von entsprechend akkreditierten Stellen stammen. Auf akkreditierte Stellen ist die Erstellung der hier in Rede stehenden Gutachten aber gerade nicht beschränkt. Mit der in Prüfung gezogenen Norm wird – wie auch die Materialien zeigen – den von der Partei beauftragten Privatgutachten befugter Sachverständiger, Technischer Büros und Ziviltechniker eine Wirkung verliehen, die dazu führt, dass diese Gutachten nicht der Behörde zuzurechnen sind.

2.2.4. Auch vermögen die Hinweise der Bundesregierung auf die strafrecht­lich sanktionierte "erhöhte Wahrheitspflicht" von Sachverständigen an dem sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Erfordernis der Begutachtung durch einen von der Behörde bestellten (und ihr daher auch zuzurechnenden) Sachverständigen zur Be­urteilung der Frage, ob das geplante Vorhaben den eisenbahnfachlichen Anforderungen und allenfalls dabei zu beachtenden Regelwerken entspricht, nichts zu ändern.

IV. Ergebnis

1. Der letzte Satz des §31a Abs1 EisbG idF BGBl I 125/2006 ist daher wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip und Art11 Abs2 B‑VG als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B-VG.

3. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B‑VG und §64 Abs2 VfGG iVm §3 Z3 BGBlG.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne münd­liche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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