Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
AuslBG §1 Abs2
AuslBG §3 Abs8
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
AuslBG §1 Abs2
AuslBG §3 Abs8
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
Spruch:
I. Die Wortfolge ", sofern sie über einen Aufenthaltstitel gemäß dem Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75/1997, verfügen" in litl des §1 Abs2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975 idF BGBl. I Nr. 78/1997, und der Abs8 des §3 dieses Gesetzes idF BGBl. Nr. 895/1995 werden als verfassungswidrig aufgehoben.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
II. Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. §1 Abs2 litl des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. 218/1975 idF BGBl. I 78/1997, steht im folgenden Zusammenhang (in Prüfung gezogene bzw. angefochtene Wortfolge hervorgehoben):
"(2) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind nicht anzuwenden auf
...
l) Ausländer, die Ehegatten österreichischer Staatsbürger sind, sowie Kinder (einschließlich Adoptiv- und Stiefkinder) österreichischer Staatsbürger, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen der österreichische Staatsbürger Unterhalt gewährt, sofern sie |ber einen Aufenthaltstitel gemäß dem Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75/1997, verfügen;
m) Staatsangehörige eines EWR-Mitgliedstaates sowie Ehegatten eines Staatsangehörigen eines EWR-Mitgliedstaates, der eine selbständige oder unselbständige Beschäftigung im Bundesgebiet ausübt, sowie die Kinder dieses Staatsangehörigen, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen er Unterhalt gewährt, selbst wenn sie nicht die Staatsangehörigkeit eines EWR-Mitgliedstaates besitzen."
Der darauf bezug nehmende und in Prüfung gezogene (und auch vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg in eventu zur Aufhebung beantragte) Abs8 des §3 AuslBG idF BGBl. 895/1995 lautet:
"(8) Ausländischen Familienangehörigen eines österreichischen Staatsbürgers im Sinne des §1 Abs2 litl ist vor der erstmaligen Aufnahme einer Beschäftigung von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice, in deren Sprengel sich ihr Hauptwohnsitz befindet, eine Bestätigung auszustellen, daß die Voraussetzungen des §1 Abs2 litl vorliegen."
Die beim Verfassungsgerichtshof zu B817/00 anhängige Beschwerde wendet sich gegen einen Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Vorarlberg, in dem einem Antrag einer türkischen Staatsangehörigen auf Ausstellung einer Bestätigung über ihre Ausnahme vom Geltungsbereich des AuslBG als Tochter eines österreichischen Staatsbürgers im Sinne des §3 Abs8 AuslBG keine Folge gegeben wird. Eine solche Bestätigung ist auszustellen, wenn die Voraussetzungen des §1 Abs2 litl AuslBG vorliegen. Demnach sind vom Anwendungsbereich des Gesetzes u.a. Ausländer ausgenommen, die Kinder österreichischer Staatsbürger sind, wenn sie noch nicht 21 Jahre alt sind oder ihnen der österreichische Staatsbürger Unterhalt gewährt, sofern sie über einen Aufenthaltstitel gemäß dem Fremdengesetz 1997 verfügen. Die Bestätigung wird mit der Begründung verweigert, die Beschwerdeführerin verfüge über einen solchen Aufenthaltstitel nicht, weshalb die Voraussetzungen des §1 Abs2 litl AuslBG nicht vorlägen.
2. Bei der Beratung über diese Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des letzten Halbsatzes in §1 Abs2 litl und des Abs8 in §3 AuslBG entstanden. Er hat bei Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens (G5/01) vorläufig angenommen, daß anders als drittstaatsangehörige Kinder von Österreichern Kinder von anderen EWR-Bürgern einen Aufenthaltstitel nach dem Fremdengesetz 1997 oder nach dem Recht des Mitgliedstaates trotz gleicher aufenthaltsrechtlicher Bedingungen nach dem Fremdengesetz 1997 für beide Personengruppen vor Aufnahme einer Beschäftigung nicht nachweisen müssen. Eine solche Ungleichbehandlung schien dem Gerichtshof jedoch sachlich nicht gerechtfertigt:
"Wenn auch die Angehörigen von EWR-Bürgern im Heimatstaat ihres Verwandten regelmäßig einer dem Verfahren des österreichischen Fremdenrechts (für die Angehörigen der Österreicher) ähnlichen Prüfung unterzogen sein mögen und daher in Österreich auf ein weiteres diesbezügliches Verfahren verzichtet werden könnte, scheint die Ausnahme Drittstaatsangehöriger von EWR-Bürgern nicht auf diese Fälle beschränkt zu sein, sondern auch dann zu greifen, wenn der Nachzug von außerhalb des betreffenden Mitgliedstaates direkt nach Österreich erfolgt ist. Das ausnahmsweise Fehlen eines Aufenthaltstitels dürfte aber dort wie da in gleicher Weise aufgegriffen werden können.
Durch diese Ungleichbehandlung scheinen die aus Drittstaaten stammenden Angehörigen von Österreichern gegenüber solchen von anderen EWR-Bürgern diskriminiert und in ihrem Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander nach dem BVG BGBl. 390/1973 verletzt zu sein.
Lit. m auch auf ausländische Angehörige von Österreichern anzuwenden, erscheint nicht möglich, weil das Gesetz - anders als in der zu VfSlg. 14.863/1997 beurteilten Angelegenheit - mit der Sondervorschrift der litl ausdrücklich zwischen Angehörigen von EWR-Bürgern und Angehörigen von Österreichern unterscheidet."
3. Aus Anlaß mehrerer beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien anhängiger Berufungsverfahren stellt dieser jeweils den Antrag (G38/01, G63/01 bis G67/01, G107/01, G109/01 und G167/01), die Wortfolge ", sofern sie über einen Aufenthaltstitel gemäß dem Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75/1997, verfügen" in litl des §1 Abs2 des AuslBG idF BGBl. I 78/1997 als verfassungswidrig aufzuheben. In den diesen Anträgen zugrundeliegenden Verfahren wurde mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien der jeweilige Berufungswerber für schuldig erkannt, es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der berufungswerbenden Gesellschaften zu verantworten zu haben, daß die jeweilige Gesellschaft eine ausländische Arbeitskraft beschäftigt habe, obwohl für diese Personen weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine Anzeigebestätigung noch eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt worden sei. Der Umstand, daß die ausländischen Arbeitskräfte in einem Angehörigenverhältnis zu österreichischen Staatsbürgern stehen, konnte nicht erfolgreich eingewendet werden, da jene ausländischen Arbeitskräfte über keinen von §1 Abs2 litl AuslBG geforderten Fremdentitel verfügten. Insofern - führt der Unabhängige Verwaltungssenat Wien zur Präjudizialität aus - habe
"... schon die Erstbehörde auch die Ausnahmebestimmung des §1 Abs2 litl AuslBG als negatives Tatbestandselement mitangewendet. Auch der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat zunächst zu prüfen, ob nicht der ausländische Staatsbürger überhaupt vom Anwendungsbereich des AuslBG (gemäß §1 Abs2 litl AuslBG) ausgenommen ist, denn im Falle der Erfüllung der in der zuletzt zitierten Bestimmung normierten Tatbestandsvoraussetzungen wäre eine Beschäftigung des Ausländers durch die hier in Rede stehende GmbH auch dann rechtens gewesen, wenn dieser Ausländer über keine der im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses angeführten arbeitsmarktbehördlichen Berechtigungen verfügt hätte. In einem solchen Fall käme eine Bestrafung des Berufungswerbers wegen des Vorwurfes, gegen §3 Abs1 iVm §28 Abs1 Z1 lita AuslBG verstoßen zu haben, nicht in Betracht. Angesichts dessen ist die Bestimmung des §1 Abs2 litl AuslBG auch für die Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien präjudiziell."
Hinsichtlich der inhaltlichen Bedenken gegen die Bestimmung des §1 Abs2 litl AuslBG schließt sich der Unabhängige Verwaltungssenat Wien den Ausführungen im Einleitungsbeschluß zu G5/01 an.
4. Aus Anlaß mehrerer beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg anhängiger - den geschilderten Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien gleichartiger - Berufungsverfahren stellt dieser jeweils den Antrag (G142/01 bis G145/01), die im Einleitungsbeschluß zu G5/01 in Prüfung gezogene und vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien als verfassungswidrig erachtete Wortfolge als verfassungswidrig aufzuheben, in eventu diese Wortfolge und den Abs8 des §3, der bei der Aufhebung der vorgenannten Wortfolge inhaltsleer würde, als verfassungswidrig aufzuheben. Auch die inhaltlichen Bedenken des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg stimmen mit jenen im Einleitungsbeschluß zu G5/01 formulierten überein.
5. In den Verfahren zu G63/01 bis G65/01, G142/01, G144/01 und G145/01 erstatteten die im hg. Verfahren beteiligten Berufungswerber der Verfahren vor den Unabhängigen Verwaltungssenaten Äußerungen, in denen sie sich in Bedenken und Anträgen dem jeweiligen Unabhängigen Verwaltungssenat anschließen und Ersatz der Kosten begehren.
6. Die Bundesregierung hat in allen Verfahren von der Erstattung einer meritorischen Äußerung Abstand genommen.
II. Die Gesetzesprüfungsverfahren sind zulässig.
1. Es ist nichts hervorgekommen, was an der Zulässigkeit der Beschwerde und der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen im Anlaßverfahren, das über einen Antrag auf Ausstellung einer Bestätigung nach §3 Abs8 AuslBG über die Ausnahme vom AuslBG nach §1 Abs2 litl eingeleitet wurde, zweifeln ließe. Auch sonst sind die Prozeßvoraussetzungen gegeben.
2. Auch hinsichtlich der Anträge der beiden Unabhängigen Verwaltungssenate ist nichts hervorgekommen, was Zweifel an der Zulässigkeit der Anträge entstehen ließe: In allen Anträgen wird die Aufhebung des letzten Halbsatzes in §1 Abs2 litl AuslBG begehrt. Insbesondere diese Wortfolge der die Ausnahme vom AuslBG regelnden Bestimmung würde von den Unabhängigen Verwaltungssenaten auch in den bei ihnen anhängigen Strafverfahren gegen die solche Ausländer beschäftigenden Arbeitgeber (als "negatives Tatbestandselement") anzuwenden sein.
Ob auch für die Unabhängigen Verwaltungssenate der Abs8 des §3 AuslBG von Bedeutung ist, kann dahingestellt bleiben, weil die den Anträgen des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien offenkundig zugrundeliegende Annahme der ausschließlichen Maßgeblichkeit der in §1 Abs2 umschriebenen materiellen Erfordernisse ebenso denkmöglich ist wie die den Anträgen des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg zu unterstellende Überlegung, das Vorliegen der Bestätigung könnte angesichts der zwingend vorgeschriebenen Ausstellung vor erstmaliger Beschäftigungsaufnahme vielleicht doch erforderlich, §3 Abs8 also mit anzuwenden sein. Eine Aufhebung des Abs8 des §3 kommt freilich nur im amtswegig und den auf Antrag des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg eingeleiteten Verfahren in Betracht.
III. Die geäußerten Bedenken erweisen sich auch als begründet.
Der vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofes, der sich die Unabhängigen Verwaltungssenate Wien und des Landes Vorarlberg in ihren Anträgen angeschlossen haben, daß die unterschiedliche Behandlung der drittstaatsangehörigen Kinder (oder der in litl und m ebenfalls genannten drittstaatsangehörigen Ehegatten) von Österreichern einerseits und von anderen EWR-Bürgern andererseits betreffs der Ausnahme vom Geltungsbereich des AuslBG einer sachlichen Rechtfertigung entbehrt, ist im Verfahren niemand entgegengetreten.
Sie erweist sich als zutreffend: Drittstaatsangehörige von EWR-Bürgern müssen trotz gleicher aufenthaltsrechtlicher Bedingungen, wie sie für Drittstaatsangehörige von Österreichern gelten (§49 Abs1 FremdenG 1997), vor Aufnahme einer Beschäftigung keinen Aufenthaltstitel nachweisen. Auch eine Bestätigung der Art, wie sie §3 Abs8 AuslBG vor der erstmaligen Aufnahme der Beschäftigung von Angehörigen der Österreicher zwingend vorschreibt (arg. "ist vor der erstmaligen Aufnahme einer Beschäftigung ... auszustellen"), ist für sie nicht vorgesehen. Die Ausnahme Drittstaatsangehöriger von EWR-Bürgern ist auch nicht etwa nur auf Fälle beschränkt, in denen solche Angehörige im Heimatstaat ihres Verwandten einer dem Verfahren des österreichischen Fremdenrechts (für die Angehörigen der Österreicher) ähnlichen Prüfung unterzogen wurden (sodaß in Österreich auf ein weiteres diesbezügliches Verfahren verzichtet werden könnte); jene Ausnahme greift vielmehr auch dann, wenn der Nachzug von außerhalb des betreffenden Mitgliedstaates direkt nach Österreich erfolgt ist.
Durch diese Ungleichbehandlung sind die aus Drittstaaten stammenden Angehörigen von Österreichern gegenüber solchen von anderen EWR-Bürgern diskriminiert und in ihrem Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander nach dem BVG BGBl. 390/1973 verletzt.
Die in Prüfung stehenden Bestimmungen sind daher als verfassungswidrig aufzuheben.
Zur Vermeidung von Mißverständnissen scheint der Hinweis zweckmäßig, daß der Gesetzgeber frei ist, Bestätigungen der in Rede stehenden Art auf Antrag im Interesse der Drittstaatsangehörigen von Österreichern und anderen EWR-Bürgern ausstellen zu lassen und/oder das (ausnahmsweise) Fehlen der Aufenthaltsberechtigung zu einem negativen Tatbestandsmerkmal der materiellen Ausnahmebestimmung zu machen.
IV. Kosten waren - soweit sie für abgegebene Äußerungen verzeichnet wurden - nicht zuzusprechen, weil es im Falle eines - wie hier - aufgrund von Gerichtsanträgen eingeleiteten Normprüfungsverfahrens Aufgabe der antragstellenden Gerichte ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für ihr Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (vgl. VfSlg. 14.631/1996 uva.).
V. Eine mündliche Verhandlung war entbehrlich (§19 Abs4 Satz 1 VerfGG).
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