Normen
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
Einkaufszentren-V, BGBl II 69/1998
GewO 1994 §77 Abs5 Z2
GewO 1994 §77 Abs6
GewO 1994 §77 Abs8
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
Einkaufszentren-V, BGBl II 69/1998
GewO 1994 §77 Abs5 Z2
GewO 1994 §77 Abs6
GewO 1994 §77 Abs8
Spruch:
I. 1. Die Worte "keine Gefährdung der Nahversorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern und Dienstleistungen im Einzugsbereich sowie" im §77 Abs5 Z2 sowie der Abs6 des §77 GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 63/1997 werden nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
2. §77 Abs8 GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 63/1997 wird als verfassungswidrig aufgehoben.
3. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
4. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im BGBl. I verpflichtet.
II. 1. Die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über Kenngrößen und Beurteilungsmaßstäbe für die Genehmigung von Anlagen für Betriebe des Handels sowie von ausschließlich oder überwiegend für Handelsbetriebe vorgesehenen Gesamtanlagen (Einkaufszentren-Verordnung), BGBl. II Nr. 69/1998, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
2. Die Aufhebung tritt mit 30. Juni 2000 in Kraft.
3. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im BGBl. II verpflichtet.
III. Die Anträge auf Aufhebung der Einkaufszentren-Verordnung werden zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B2000/98 eine Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrundeliegt:
Mit Bescheid vom 20. August 1998 wies die Bezirkshauptmannschaft Mödling den Antrag der M Gesellschaft m. b.H. auf Genehmigung der Abänderung der gewerbebehördlich genehmigten Betriebsanlage, wodurch 1.100 m2 Verkaufsfläche neu geschaffen werden sollten, aufgrund einer zu erwartenden Gefährdung der Nahversorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern und Dienstleistungen im Einzugsgebiet gemäß §§81 Abs1, 77 Abs5 und 6 Gewerbeordnung in Verbindung mit den Bestimmungen der Einkaufszentren-Verordnung, BGBl. II Nr. 69/1998, ab. Die Gewerbebehörde errechnete durch Multiplikation der gesamten Verkaufsfläche von 5.224 m2 mit dem durchschnittlichen Quadratmeterumsatz für die Handelsbranche "großer Elektroeinzelhandel" gemäß der Anlage 2 der Einkaufszentren-Verordnung von S 126.000.-- einen prognostizierten Umsatz von S 658.244.000.--. Sie ging vom Einzugsgebiet Verwaltungsbezirk Mödling, Gebiet der Stadtgemeinde Traiskirchen und Teilen der südlichen und östlichen Wiener Gemeindebezirke 10, 12 und 23 mit einer Bevölkerungszahl von ca. 300.000 Einwohnern aus. Aus einer Multiplikation der Einwohnerzahl des Einzugsbereiches mit den durchschnittlichen einzelhandelsrelevanten Bruttoumsätzen je Einwohner in Schilling gemäß der Anlage 3 der Einkaufszentren-Verordnung von S 2.528.-- für elektrotechnische Erzeugnisse errechnete sie das einzelhandelsrelevante Umsatzpotential mit S 1.011.200.000.-- (richtig wohl 758.400.000.--). Der prognostizierte Umsatz der Betriebsanlage betrage daher mit seiner durch die Erweiterung auf
5.224 m2 gestiegene Verkaufsfläche 8,7% (richtig wohl 86,79%) des einzelhandelsrelevanten Umsatzpotentials im Einzugsgebiet des Projektes. Die Begründung des Bescheides hielt fest, daß unter Berücksichtigung der laut Einkaufszentren-Verordnung feststehenden Berechnungsgrößen das Einzugsgebiet tatsächlich eine Einwohnerzahl von ca. 5.207.500 Personen aufweisen müßte, um die zulässige Abschöpfungsquote von 5% nicht zu überschreiten.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies der Landeshauptmann von Niederösterreich die dagegen erhobene Berufung ab. Er bejahte zunächst die Bewilligungspflicht der Anlage gemäß §74 Abs2 Z1 und 4 GewO 1994 und kam zu dem Ergebnis, daß im Genehmigungsverfahren betreffend die Änderung der Betriebsanlage §77 Abs5 bis 7 dann anzuwenden sei, wenn der zu ändernde Betriebsanlagenteil eine Gesamtverkaufsfläche von mehr als 800 m2 oder eine Bruttogeschoßfläche von mehr als 1.000 m2 aufweist. Im Hinblick auf die projektierte Verkaufsflächenerweiterung um
1.100 m2 ging der Landeshauptmann von Niederösterreich von der Anwendbarkeit des §77 Abs5 bis 7 GewO 1994 und der Einkaufszentren-Verordnung aus.
2. Aus Anlaß dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 10. Juni 1999
· gemäß Art140 Abs1 B-VG beschlossen, die Verfassungsmäßigkeit der Worte "keine Gefährdung der Nahversorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern und Dienstleistungen im Einzugsbereich sowie" im §77 Abs5 Z2 sowie der Abs6 und 8 des §77 GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 63/1997 von Amts wegen zu prüfen und
· gemäß Art139 Abs1 B-VG beschlossen, die Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über Kenngrößen und Beurteilungsmaßstäbe für die Genehmigung von Anlagen für Betriebe des Handels sowie von ausschließlich oder überwiegend für Handelsbetriebe vorgesehenen Gesamtanlagen (Einkaufszentren-Verordnung), BGBl. II Nr. 69/1998, von Amts wegen zu prüfen.
3. §77 GewO 1994 lautet (die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen sind hervorgehoben):
"§77. (1) Die Betriebsanlage ist zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des §74 Abs2 Z1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des §74 Abs2 Z2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Die nach dem ersten Satz vorzuschreibenden Auflagen haben erforderlichenfalls auch Maßnahmen für den Fall der Unterbrechung des Betriebes und der Auflassung der Anlage und Maßnahmen betreffend Störfälle (§82a) zu umfassen; die Behörde kann weiters zulassen, daß bestimmte Auflagen erst ab einem dem Zeitaufwand der hiefür erforderlichen Maßnahmen entsprechend festzulegenden Zeitpunkt nach Inbetriebnahme der Anlage oder von Teilen der Anlage eingehalten werden müssen, wenn dagegen keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im §74 Abs2 umschriebenen Interessen bestehen.
(2) Ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des §74 Abs2 Z2 zumutbar sind, ist danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.
(3) Die Behörde hat Emissionen von Luftschadstoffen jedenfalls nach dem Stand der Technik zu begrenzen. Die für die zu genehmigende Anlage in Betracht kommenden Bestimmungen einer Verordnung gemäß §10 Immissionsschutzgesetz - Luft (IG-L), BGBl. I Nr. 115, sind anzuwenden. Die Einhaltung der in den Anlagen 1 und 2 zum IG-L oder in einer Verordnung gemäß §3 Abs3 IG-L festgelegten Immissionsgrenzwerte ist anzustreben.
(4) Die Betriebsanlage ist erforderlichenfalls unter Vorschreibung bestimmter geeigneter Auflagen zu genehmigen, wenn die Abfälle (§2 Abfallwirtschaftsgesetz) nach dem Stand der Technik (§71a) vermieden oder verwertet oder, soweit dies wirtschaftlich nicht vertretbar ist, ordnungsgemäß entsorgt werden. Ausgenommen davon sind Betriebsanlagen, soweit deren Abfälle nach Art und Menge mit denen der privaten Haushalte vergleichbar sind.
(5) Für die Genehmigung von Anlagen für Betriebe des Handels sowie von ausschließlich oder überwiegend für Handelsbetriebe vorgesehenen Gesamtanlagen im Sinne des §356e Abs1 (Einkaufszentren) müssen auch folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
1. der Standort muß für eine derartige Gesamtanlage gewidmet sein;
2. Betriebsanlagen mit einer Gesamtverkaufsfläche von mehr als 800 m2 oder einer Bruttogeschoßfläche von mehr als 1 000 m2 dürfen für einen Standort nur genehmigt werden, wenn das Projekt keine Gefährdung der Nahversorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern und Dienstleistungen im Einzugsbereich sowie keine negativen Beschäftigungseffekte im Sinne des Abs7 erwarten läßt.
(6) Eine Gefährdung der Nahversorgung der Bevölkerung ist dann zu erwarten, wenn es infolge der Verwirklichung des Projekts zu erheblichen Nachteilen für die bestehenden Versorgungsstrukturen käme und dadurch der Bevölkerung die Erlangung von Konsumgütern und Dienstleistungen erschwert würde. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat in einer Verordnung hiefür die entsprechenden Kenngrößen und Beurteilungsmaßstäbe unter Zugrundelegung anerkannter branchenbezogener Erfahrungswerte nach Anhörung der Wirtschaftskammer Österreich und der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte zu erlassen.
(7) Negative Beschäftigungseffekte liegen dann vor, wenn im Einzugsgebiet des Projekts der zu erwartende Zuwachs an Gesamtarbeitsstunden geringer wäre als der zu erwartende Verlust an Gesamtarbeitsstunden in den bestehenden Betrieben.
(8) Die Absätze 5 bis 7 gelten nicht für Projekte in einem Stadt- oder Ortskerngebiet."
4. Die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über Kenngrößen und Beurteilungsmaßstäbe für die Genehmigung von Anlagen für Betriebe des Handels sowie von ausschließlich oder überwiegend für Handelsbetriebe vorgesehenen Gesamtanlagen (Einkaufszentren-Verordnung), BGBl. II Nr. 69/1998, im folgenden EKZ-VO, hat folgenden Wortlaut:
"Auf Grund des §77 Abs6 der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 30/1998, wird verordnet:
§1. (1) Diese Verordnung gilt, sofern Abs2 nicht anderes bestimmt, für Projekte von Betriebsanlagen mit einer Gesamtverkaufsfläche von mehr als 800 m2 oder einer Bruttogeschoßfläche von mehr als 1 000 m2.
(2) Nicht unter diese Verordnung fallen Projekte für Betriebsanlagen, die ausschließlich dem Verkauf der in der Anlage 1 zu dieser Verordnung genannten Waren zu dienen bestimmt sind.
§2. Erhebliche Nachteile für die bestehenden Versorgungsstrukturen im Sinne des §77 Abs6 GewO 1994 sind zu erwarten, wenn der prognostizierte Umsatz (§3 Abs1) einer unter §1 Abs1 fallenden Betriebsanlage, bzw. im Fall des §4 eines der Handelsbereiche einer solchen Betriebsanlage, 5% des einzelhandelsrelevanten Umsatzpotentials (§3 Abs2) im Einzugsgebiet des Projekts (§3 Abs4) übersteigt.
§3. (1) Der prognostizierte Umsatz im Sinne des §2 ergibt sich aus einer Multiplikation der vom Genehmigungswerber in seinem Genehmigungsantrag angeführten Verkaufsfläche mit der entsprechenden branchen- und größenspezifischen Durchschnitts-Umsatzleistung (Quadratmeterumsätze nach Handelsbranchen) nach der Anlage 2.
(2) Das einzelhandelsrelevante Umsatzpotential im Sinne des §2 ergibt sich, sofern Abs3 nicht anderes bestimmt, aus einer Multiplikation der aus der Anlage 3 ersichtlichen durchschnittlichen einzelhandelsrelevanten Bruttoumsätze je Einwohner mit der Anzahl der Einwohner im Einzugsgebiet (Abs4) des Projekts.
(3) Bei Projekten für Betriebsanlagen gemäß §1 Abs1, in denen Waren der Branchengruppen Nahrungs- und Genußmittel (ausgenommen Tabak), Textilwaren und Bekleidung und bzw. oder Schuhe verkauft werden sollen, muß bei der Berechnung gemäß Abs2 der Anzahl der Einwohner im Einzugsgebiet des Projekts jeweils die Anzahl der Gäste (§5 Abs1 des Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992) im Jahresdurchschnitt (Zahl der Gästenächtigungen im Einzugsgebiet geteilt durch 365) hinzugezählt werden.
(4) Einzugsgebiet des Projekts im Sinne dieser Verordnung ist jener örtliche Bereich, von dem aus die Betriebsanlage gemäß §1 Abs1 mit einem Personenkraftwagen bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb von zehn Minuten erreichbar ist.
§4. Betrifft ein Anlagenprojekt unterschiedliche Handelsbereiche (zB Bücher-, Uhren-, Textilhandel), so ist jeder dieser Handelsbereiche gesondert zu prüfen. Zu diesem Zweck muß der Genehmigungswerber dem Genehmigungsansuchen eine genaue Aufstellung beilegen, aus der hervorgeht, welcher Teil der Verkaufsfläche dem Verkauf welcher Waren(gruppe) dienen soll.
Anlage 1(§1 Abs2)
Waren gemäß §1 Abs2
- 1.
Campingartikel
- 2.
Kraftfahrzeuge
- 3.
Kraftfahrzeugzubehör
- 4.
Landmaschinen
Anlage 2
(§3 Abs1)
Quadratmeterumsätze nach Handelsbranchen
-------------------------------------------------
durchschnittlicher Umsatz Schilling
-----------------------------------------------------------------
Autozubehör 20 000
-----------------------------------------------------------------
-------------------------------------------------
Baumärkte Heimwerkermärkte Heimwerkergeschäfte
-----------------------------------------------------------------
Bau- und
Heimwerkerhandel 24 000 40 000 30 000
-----------------------------------------------------------------
-------------------------------------------------
größere Fach- und Diskontgeschäfte in
nichtzentraler Lage
-----------------------------------------------------------------
Buchhandel 70 000
-----------------------------------------------------------------
-------------------------------------------------
Drogeriemärkte übrige Drogerien und
Parfümerien
-----------------------------------------------------------------
Drogerie- und
Parfümeriehandel 55 000 57 000
-----------------------------------------------------------------
-------------------------------------------------
großer mittlerer kleiner
Elektroeinzel- Elektroeinzel- Elektroeinzel-
handel handel handel
-----------------------------------------------------------------
Elektroeinzelhandel 126 000 44 000 42 000
-----------------------------------------------------------------
-------------------------------------------------
Supermärkte Verbraucher- Verbraucher-
(400 bis märkte märkte
1 000 m2) bis 2 500 m2 ab 2 500 m2
-----------------------------------------------------------------
Lebensmittel 60 000 65 000 58 000
-----------------------------------------------------------------
-------------------------------------------------
klassisches Einrich- Möbelab- Möbelsorti-
Möbelfach- tungshäuser holmärkte menter und
geschäft Wohnstudios
-----------------------------------------------------------------
Möbelhandel 28 000 21 000 16 000 65 000
-----------------------------------------------------------------
-------------------------------------------------
kombinierte nichtfiliali-
filialisierte Optik-Outlets- sierte Optik-
Optiker Optikanteil Fachgeschäfte
-----------------------------------------------------------------
Optikhandel 90 000 100 000 65 000
-----------------------------------------------------------------
-------------------------------------------------
Fachhändler Diskonter
-----------------------------------------------------------------
Papier- und
Schreibwarenhandel 50 000 45 000
-----------------------------------------------------------------
-------------------------------------------------
Fachgeschäfte Schuhfachmärkte
-----------------------------------------------------------------
Schuhhandel 39 000 20 000
-----------------------------------------------------------------
-------------------------------------------------
Spielwarenhandel Spielwarenhandel
"klein" "groß"
-----------------------------------------------------------------
Spielwarenhandel 22 000 32 000
-----------------------------------------------------------------
-------------------------------------------------
großflächige mittelgroße Spezial-
Sportmärkte "all round" geschäfte
(über 2 000 m2) Fachgeschäfte für einzelne
Sportarten
-----------------------------------------------------------------
Sportartikel 54 000 44 000 45 000
-----------------------------------------------------------------
-------------------------------------------------
Beklei- Beklei-
dungs- dungs-
fach- fach-
märkte geschäfte Boutiquen Kaufhäuser
-----------------------------------------------------------------
Bekleidungshandel 41 000 47 000 49 000 45 000
-----------------------------------------------------------------
-------------------------------------------------
Durchschnitt der Filialisten
-----------------------------------------------------------------
Uhren- und
Schmuckwaren 133 000
-----------------------------------------------------------------
Anlage 3
(§3 Abs2 und 3)
Durchschnittliche einzelhandelsrelevante Bruttoumsätze je
Einwohner in Schilling
-----------------------------------------------------------------
Bruttoumsatz
Branche je Einwohner
in Schilling
-----------------------------------------------------------------
Nahrungs- und Genußmittel (ausgenommen Tabak) 18 565
-----------------------------------------------------------------
Textilwaren und Bekleidung 6 315
-----------------------------------------------------------------
Schuhe 1 621
-----------------------------------------------------------------
Leder- und Lederersatzwaren 164
-----------------------------------------------------------------
kosmetische Erzeugnisse, Wasch-, Reinigungs-,
Putzmittel und Chemikalien 2 829
-----------------------------------------------------------------
Möbel und Heimtextilien 5 687
-----------------------------------------------------------------
Metallwaren, Haushalts- und Küchengeräte, Glas-
und Keramikwaren 1 352
-----------------------------------------------------------------
Gummi- und Kunststoffwaren (einschließlich
Fußbodenbeläge) 92
-----------------------------------------------------------------
Näh-, Strick- und Büromaschinen 582
-----------------------------------------------------------------
Optische und feinmechanische Erzeugnisse 1 169
-----------------------------------------------------------------
elektrotechnische Erzeugnisse 2 528
-----------------------------------------------------------------
Papier- und Schreibwaren, Büro- und Schulbedarf 374
-----------------------------------------------------------------
Bücher, Zeitungen, Zeitschriften und Musikalien 1 368
-----------------------------------------------------------------
Uhren- und Schmuckwaren 790
-----------------------------------------------------------------
Spielwaren, Sportartikel und Musikinstrumente 1 537
-----------------------------------------------------------------
Brennstoffe 1 386
-----------------------------------------------------------------
Blumen und Pflanzen 567
-----------------------------------------------------------------
kein ausgeprägter Schwerpunkt 4 348
-----------------------------------------------------------------
übrige Waren 836
--------------------------------------------------------------"
II. 1. Im Prüfungsbeschluß ging der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus,
· daß die belangte Behörde im Anlaßbeschwerdeverfahren sowohl §77 Abs5 Z2 erster Fall und §77 Abs6 GewO 1994 (Gefährdung der Nahversorgung) als auch die aufgrund des §77 Abs6 GewO 1994 erlassene EKZ-VO angewendet hat und daß daher auch der Verfassungsgerichtshof die genannten Rechtsvorschriften bei der Entscheidung über die Beschwerde anzuwenden hätte und
· daß der Anwendungsbereich des §77 Abs5 Z2 erster Satz GewO 1994 nur im Zusammenhang mit §77 Abs8 GewO 1994 zu ermitteln ist, sodaß der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung auch §77 Abs8 GewO 1994 anzuwenden hätte.
2. Die Anlaßbeschwerde ist zulässig. Weder die Bundesregierung noch der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten sind den unter II.1. dargestellten vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofs entgegengetreten. Das Verfahren hat auch keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, daß die dargestellten Annahmen des Verfassungsgerichtshofs nicht zutreffen. Sowohl das Gesetzesprüfungsverfahren als auch das Verordnungsprüfungsverfahren sind daher zulässig.
III. 1.1. Mit dem zu V66/98
protokollierten Antrag begehrt die WBN Ges.m.b.H. unter Berufung auf Art139 B-VG, der "Verfassungsgerichtshof wolle
- die Einkaufszentren-Verordnung, BGBl. II 69/1998, zur Gänze
in eventu
- §1 Abs2 der EKZ-VO iVm Anlage 1 sowie die in Anlage 2 enthaltenen Handelsbranchen Autozubehör, Bau- und Heimwerkerhandel, Elektrohandel, Möbelhandel, Optikhandel, Schuhhandel, Spielwarenhandel, Sportartikel, Bekleidungshandel sowie Uhren- und Schmuckwaren samt den für diese normierten Quadratmeterumsätzen sowie die in Anlage 3 genannten Branchen Textilwaren und Bekleidung, Schuhe, Leder- und Lederersatzwaren, Möbel- und Heimtextilien, Metallwaren, Haushalts- und Küchengeräte, Glas- und Keramikwaren, Gummi- und Kunststoffwaren (einschließlich Fußbodenbeläge), Näh-, Strick- und Büromaschinen, Optische und feinmechanische Erzeugnisse, Uhren- und Schmuckwaren, Spielwaren, Sportartikel und Musikinstrumente, Blumen und Pflanzen sowie 'Waren ohne ausgeprägten Schwerpunkt' und 'übrige Waren' samt den für diese vorgesehenen Bruttoumsätzen je Einwohner in Schilling
und/oder
- §3 Abs4 EKZ-VO
wegen fehlender gesetzlicher Deckung sowie wegen Verletzung des aus dem Gleichheitssatz erfließenden Sachlichkeitsgebots und der Freiheit der Erwerbsbetätigung als gesetz- (verfassungs-)widrig aufheben und den Bund als Rechtsträger der verordnungserlassenden Behörde zum Kostenersatz verpflichten".
1.2. Zur Zulässigkeit des Individualantrages führt die antragstellende Gesellschaft aus:
Die antragstellende Gesellschaft beabsichtige, im Gemeindegebiet von Kittsee den "Inter-City-Park Kittsee" zu errichten und zu betreiben. Dieser Park werde Büroeinheiten, Forschungs- und Entwicklungszentren, technologieintensive Produktionsbetriebe und Großhandelsbetriebe, im besonderen ein Einkaufszentrum, umfassen. Der erste Projektsabschnitt, der eine Sogwirkung für die weiteren Ansiedlungen entfalten werde, werde in der Errichtung dieses Einkaufszentrums ("Einkaufs-City") bestehen. Zu diesem Zweck seien Grundstücke erworben worden, welche die Widmung Bauland-gemischtes Baugebiet aufweisen. Mit Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 21. Jänner 1994 sei gemäß §14d Abs3 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes die raumordnungsrechtliche Projektbewilligung zur Errichtung dieses Einkaufszentrums mit einer Gesamtnettoverkaufsfläche von
12.930 m2 erteilt worden. Dieses Einkaufszentrum werde projektgemäß - neben kleineren Verkaufseinheiten - einen Elektromarkt, einen SB-Markt für Lebensmittel und ein Textilkaufhaus umfassen. Das Projekt Inter-City-Park Kittsee stehe in einem untrennbaren Zusammenhang mit der zwischen Österreich und der Slowakei vereinbarten Schaffung eines neuen Grenzüberganges Kittsee und - damit verbunden - der neuen, zu diesem führenden Umfahrungsstraße Kittsee, an welcher der Park liegen werde. Die bisher erwachsenen Kosten für die erste Projektstufe (Einkaufszentrum) beliefen sich nach den Angaben der antragstellenden Gesellschaft auf rund 50 Mio. Schilling.
Der nächste Schritt bestünde in der Einleitung des Baubewilligungs- sowie des gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens. Die Erwirkung der Baubewilligung wäre unschwer möglich. Aufgrund einer unter Zugrundelegung der in der EKZ-VO enthaltenen Berechnungsgrößen durchgeführten Berechnung ergäben sich für die einzelnen Branchen folgende maximale Verkaufsflächen: Elektromarkt: 4,82 und 9,02 m2; SB-Markt (Lebensmittel): 144,03 m2; Textilkaufhaus:
69,31 m2.
Die Verkaufsflächen mit einem derart geringen Umfang würden keinen einzigen Handelsgewerbetreibenden zur Niederlassung im EKZ des Wirtschaftsparks Kittsee veranlassen.
Das Projekt sehe demgegenüber vor: einen Elektromarkt mit ca.
1.950 m2 Verkaufsfläche, einen SB-Markt mit 4.420 m2 Verkaufsfläche und ein Textilkaufhaus mit 1.385 m2 Verkaufsfläche sowie verschiedene weitere Handelsbetriebe.
Durch die Erlassung der EKZ-VO würde die Realisierung des lange verfolgten EKZ-Projektes im Rahmen des Wirtschaftsparks Kittsee somit chancenlos. Der in Aussicht genommene Standort des Einkaufszentrums befinde sich außerhalb eines Stadt- oder Ortskerngebietes im Sinne des §77 Abs8 GewO 1994.
Folgende Voraussetzungen eines Individualantrages müßten im Einzelfall erfüllt sein (zB VfSlg 13635/1993):
1. Es müsse ein Eingriff in eine rechtlich geschützte Position vorliegen,
2. dieser Eingriff müsse durch die Norm (hier: Verordnung) eindeutig bestimmt sein (Bestimmtheit nach Art und Umfang),
3. die antragstellende Gesellschaft dürfe nicht nur potentiell, sondern müsse aktuell betroffen sein und
4. es dürfe kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des Eingriffs zur Verfügung stehen.
Zum Eingriff in eine rechtlich geschützte Position führt der Antrag aus:
Die antragstellende Gesellschaft sei Eigentümerin der für das Projekt in Aussicht genommenen Parzelle 1742, inneliegend der Liegenschaft EZ 2285, Grundbuch 32012 Kittsee. Die Verordnung greife daher in ihr Eigentumsrecht ein. Die Genehmigung eines Einkaufszentrums werde durch diese Verordnung an weitere (Nah-)Versorgungsgründe gebunden (Bindung der Erteilung der Genehmigung an weitere, in den §§1-4 der Verordnung samt Anlagen umschriebene Genehmigungsvoraussetzungen), sodaß in die Freiheit der Erwerbsbetätigung und in das Recht zur Errichtung einer Betriebsanlage eingegriffen werde. Aber auch die Bindung des Betriebes eines Einkaufszentrums an die in §4 der Verordnung grundgelegte Aufstellung (fixe Quadratmeteraufteilung) greife in die Erwerbs(ausübungs-)freiheit und in das Eigentumsrecht ein.
Zur Bestimmtheit dieses Eingriffs nach Art und Umfang bringt der Antrag vor:
Zum Zugangskriterium der Bestimmtheit dieses Rechtseingriffs ist auszuführen, daß die EKZ-VO den Versagungsgrund der Gefährdung der Nahversorgung (§77 Abs5 Z2 iVm Abs6 GewO) in der Präzision eines Rechenexempels definiere: Die maximale Umsatzabschöpfungsquote werde mit 5% festgelegt, der Quadratmeterumsatz je Handelsbranche eindeutig normiert. Auf den jeweiligen Standort bezogen lasse sich das Einzugsgebiet simpel ermitteln, daher auch eine bestimmte Einwohnerzahl. Für einen Antragsteller, der - wie gegenständlich - ein Projekt betreiben wolle, das über der Umsatzabschöpfungsquote von 5 % liegt, ergebe sich damit die Unzulässigkeit seines Vorhabens gleich einem Rechenergebnis. Ebenso sei es ihm unmöglich, die Quadratmeteraufteilung nach §4 EKZ-VO im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren abwehren zu wollen. Die EKZ-VO bewirke also, daß ein EKZ nur im Rahmen eindeutig ermittelbarer Verkaufsflächen(größen) und im Korsett des §4 der Verordnung errichtet und betrieben werden dürfe.
Zur Aktualität des Eingriffs bringt der Antrag vor:
Die antragstellende Gesellschaft habe die dem EKZ dienenden Grundparzellen sukzessive aufgekauft. Sodann habe sie ein Projekt ausgearbeitet, welches bei der Burgenländischen Landesregierung zur Erteilung der raumordnungsrechtlichen Einkaufszentrenbewilligung vorgelegt wurde. In weiterer Folge sei diese Bewilligung erteilt worden. Sodann sei die Aufschließung des Geländes vorangetrieben worden und es seien Interessenten für die Bestandobjekte im EKZ gesucht und auch gefunden worden. Schließlich sei eine Bauplanung beauftragt und erarbeitet worden. Die antragstellende Gesellschaft befinde sich also mitten in der Projektverfolgung. Der durch die EKZ-VO bewirkte Rechtseingriff sei also aktuell.
Zur Frage der Umwegs(un)zumutbarkeit führt der Antrag aus:
Aber auch die Unzumutbarkeit der Einleitung eines Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens liege nach Auffassung der antragstellenden Gesellschaft vor. Denn es müßte der ergänzende Planungsaufwand für ein gewerberechtlich genehmigungsfähiges Projekt - dieser (§353 GewO) liege erheblich über jenem, den der Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur zur Anfechtung von Flächenwidmungsplänen als unzumutbar angesehen habe - ebenso in Kauf genommen werden wie die mit der Einleitung und Führung eines letztlich aussichtslosen gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens verbundene Verzögerung; dies alles ausschließlich deshalb, um die gegen die Verordnung obwaltenden Normbedenken an den Verfassungsgerichtshof herantragen zu können. Das in §358 Abs1 GewO vorgesehene Feststellungsverfahren komme nicht in Betracht, da in diesem nur die Frage der Genehmigungspflicht zu prüfen sei, wogegen §77 Abs5 bis 8 GewO und die EKZ-VO lediglich ergänzende Genehmigungsvoraussetzungen normieren. Ein Verfahren nach §358 Abs1 GewO sei daher nicht präjudiziell (anders die baupolizeilichen Bauplatzbewilligungsverfahren - zB VfGH, Beschluß vom 2. Dezember 1985, V64/83 -, bei denen sehr wohl Präjudizialität gegeben sei).
Entscheidend sei somit die vollkommene Aussichtslosigkeit eines entsprechenden Antrags (VfSlg 9361/1982, 9721/1983 und 11743/1988). Es stehe fest, daß das Projekt aufgrund der EKZ-VO nicht die geringste Realisierungschance habe. Dies ergebe sich unabänderlich aus der Verordnung selbst. Die Verordnung lasse der Genehmigungsbehörde auch kein Ermessen. Das präsumtive - aus der Sicht der antragstellenden Gesellschaft negative - Verfahrensergebnis stehe bereits ex ante fest.
Zusammenfassend liege also ein eindeutig bestimmter, aktueller Rechtseingriff durch die EKZ-VO vor, wobei ein zumutbarer Umweg zur Abwehr des Eingriffs nicht zur Verfügung stehe. Die antragstellende Gesellschaft vermeine daher, zur Antragstellung in Bezug auf die EKZ-VO auch ohne Durchlaufen eines Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens legitimiert zu sein.
1.3. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten erstattete eine Äußerung, in der er beantragt, den Antrag mangels Legitimation der antragstellenden Gesellschaft zurückzuweisen, in eventu die angefochtene EKZ-VO bzw. die angefochtenen Bestimmungen dieser Verordnung nicht als gesetzwidrig aufzuheben.
2.1. Mit dem zu V68/98 protokollierten Antrag begehrt die B Gesellschaft m.b.H. Industrie- und Gewerbezentrum Parndorf, die EKZ-VO in dem in Punkt 1.1. umschriebenen Umfang aufzuheben.
2.2. Zur Zulässigkeit des Individualantrages führt die antragstellende Gesellschaft aus:
Die B Ges.m.b.H betreibe auf den Grundstücken Nr. 2385/21, 2385/22, 2385/32 und 2385/38, KG Parndorf, ein Factory Outlet Center (= ein Einkaufszentrum), für welches unter anderem eine aufrechte Betriebsanlagengenehmigung bestehe. Vom Betriebsanlagenkonsens sei ein nordwestlich des beschriebenen Einkaufszentrums auf Grundparzelle 2385/15, KG Parndorf - diese befinde sich im Eigentum der antragstellenden Gesellschaft - zu liegen kommendes L-förmiges Gebäude umfaßt, worin die zweite Stufe des Factory Outlet Centers realisiert werden solle.
Zwischen diesen Gebäuden befinde sich die Parzelle 2385/36 KG Parndorf, auf welchem die Eigentümerin, F ges.m.b.H einen Textilfachmarkt betreibe. Für dieses Grundstück bestehe eine Bewilligung gemäß §14d Burgenländisches Raumplanungsgesetz als Einkaufszentrum.
Die antragstellende Gesellschaft habe die Absicht, das Einkaufszentrum Factory Outlet Center um das sogenannte "L-Gebäude" unter Einschluß der Betriebsanlage der Fashion Factory zu erweitern. Dabei solle auch die Betriebsanlage der Fashion Factory erweitert werden. Mit Vereinbarung vom 16. Dezember 1997 habe die antragstellende Gesellschaft 99% der Geschäftsanteile an der F ges.m.b.H erworben - 1% der Geschäftsanteile halte die in Luxemburg domizilierte Europa Holding der antragstellenden Gesellschaft.
Nach Einbringung des Individualantrages sei es zu einer Übernahme der Fashion Factory Modeverkaufsges.m.b.H durch die antragstellende Gesellschaft gekommen. Sie habe eine Vereinigung der beiden Grundparzellen 2385/15 und 2385/36 eingeleitet.
Das gesamte Erweiterungsprojekt solle eine Nettonutzfläche (Verkaufsfläche) von 11.617,47 m2 umfassen. Von der antragstellenden Gesellschaft werde folgendes "Mieter-Mix" erwartet:
60% = 6.970,48 m2 Textilhandel
25% = 2.904,36 m2 Schuhe und Leder
7% = 813,00 m2 Sportartikel
3% = 348,52 m2 Spielwaren
3% = 348,52 m2 Uhren, Schmuck
2% = 232,34 m2 Drogerieartikel
Zur Verwirklichung des Projekts wäre als nächster Schritt die Erwirkung einer auf §81 der GewO 1994 idgF gegründeten Betriebsanlagenänderungsgenehmigung erforderlich. Eine Berechnung unter Zugrundelegung der in der EKZ-VO enthaltenen Berechnungsgrößen habe ergeben, daß folgende maximale Verkaufsflächen zulässig seien: Textilien 258,98 m2; Schuhe, Lederwaren 136,28 m2; Sportartikel 57,63 m2; Spielwaren 115,275 m2; Uhren, Schmuck 9,8 m2; Drogerieartikel 81,89 m2.
Verkaufsflächen derart geringen Umfangs würden keinen einzigen Handelsgewerbetreibenden zur Niederlassung in der zweiten Ausbaustufe des Factory Outlet Centers Parndorf veranlassen.
Durch die Erlassung der EKZ-VO sei die Realisierung der lange verfolgten zweiten Ausbaustufe des Factory Outlet Centers in Parndorf somit chancenlos.
Der gesamte Wirtschaftspark Parndorf befinde sich außerhalb jeglicher Bebauung; die nächste Siedlung sei rund 1 km entfernt. Der Standort liege also in keinem Stadt- oder Ortskerngebiet im Sinn des §77 Abs8 GewO 1994.
Die übrigen Argumente zur Zulässigkeit des Individualantrages gleichen jenen unter Punkt 1.2. wiedergegebenen.
3.1. Mit dem zu V69/98 protokollierten Antrag begehrt die N Gesellschaft m.b.H., die EKZ-VO in dem in Punkt 1.1. umschriebenen Umfang aufzuheben.
3.2. Zur Zulässigkeit des Individualantrages führt die antragstellende Gesellschaft aus:
Die antragstellende Gesellschaft, welche zu Beginn der 90er Jahre den Gewerbepark "Tulln Nord" errichtet habe, beabsichtige, diesen in der zweiten Ausbaustufe als "Tulln Süd" zu erweitern. Die antragstellende Gesellschaft sei Eigentümerin der dafür in Aussicht genommenen Grundstücke Nr. 73 bis 78, KG Asparn. Konkret beabsichtige die antragstellende Gesellschaft, auf einem Teil der angeführten Liegenschaften einen Fachmarkt (Bau- und Heimwerkermarkt) zu errichten. Dieser Fachmarkt solle eine Verkaufsfläche von ca. 8.000 m2 umfassen. Zum Zeitpunkt der Antragstellung habe die aufsichtsbehördliche Genehmigung zur Änderung des Flächenwidmungsplanes gefehlt. Der nächste Schritt bestünde in der Einleitung des gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens. Im Auftrag der antragstellenden Gesellschaft sei unter Zugrundelegung der in der EKZ-VO enthaltenen Berechnungsgrößen eine maximal zulässige Verkaufsfläche von 63,65 m2 für den Bau- und Heimwerkermarkt errechnet worden.
Eine Verkaufsfläche derart geringen Umfangs werde keinen Betreiber eines Bau- und Heimwerkermarktes zur Niederlassung im Gewerbepark "Tulln Süd" veranlassen.
Durch die Erlassung der EKZ-VO sei die Realisierung des lange verfolgten Fachmarktprojektes im Rahmen des Gewerbeparks "Tulln Süd" somit chancenlos geworden.
Der Gewerbepark "Tulln Süd" liege nicht in einem Stadt- bzw. Ortskerngebiet.
Die übrigen Argumente zur Zulässigkeit des Individualantrages gleichen jenen unter Punkt 1.2. wiedergegebenen.
4.1. Mit dem zu V70/98 protokollierten Antrag begehrte die M S Papierfabrik Gesellschaft m.b.H., die EKZ-VO in dem in Punkt
1.1. umschriebenen Umfang aufzuheben.
4.2. Zur Zulässigkeit des Individualantrages führt die antragstellende Gesellschaft aus:
Die antragstellende Gesellschaft beabsichtige, auf der in ihrem Eigentum stehenden Grundparzelle 283/12, KG Stattersdorf, das sogenannte Fachmarkt- und Einkaufszentrum "St. Pölten Ost" zur errichten und zu betreiben. Es sollen keine Lebensmittel angeboten werden. Die Liegenschaft weise nach den Angaben der antragstellenden Gesellschaft die Widmung "Bauland-Industriegebiet" auf.
Das Fachmarktzentrum "St. Pölten Ost" solle einen Baumarkt mit einer Verkaufsfläche von 4.535 m2 und eine Gesamtanlage im Sinne des §356e Abs1 GewO 1994 umfassen. In letzterer seien Bestandsobjekte mit folgenden Verkaufsflächen für folgende Branchen vorgesehen: Textilien 2.132 m2, Drogeriehandel 635 m2, Schuhhandel 987 m2, Buchhandel 408 m2, Sportartikel 2.619 m2, Elektrowaren 2.008 m2, Spielwaren 1.048 m2, Tiernahrung 572 m2. Die Gesamtfläche betrage daher 10.409 m2. Die antragstellende Gesellschaft habe in Verfolgung dieses Projektes bereits rund 4,5 Mio an Vorlaufkosten investiert (Planungskosten, Personal).
Der nächste Schritt bestünde in der Einleitung des Baubewilligungs- und des gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens.
Unter Zugrundelegung der in der EKZ-VO enthaltenen Berechnungsgrößen ergäben sich für diese Branchen folgende maximale Verkaufsflächen: Baumarkt: 145,62 m2; Textilien:
398,15 m2; Drogeriehandel: 132,96 m2; Schuhhandel: 209,51 m2; Buchhandel: 50,51 m2; Sportartikel: 73,57 m2; Elektrowaren: 27,73 und 51,86 m2; Spielwaren: 124,16 m2; Tiernahrung: nicht errechenbar, da laut Anlage 2 nicht zuordenbar.
Verkaufsflächen derart geringen Umfangs würden keinen einzigen Handelsgewerbetreibenden zur Niederlassung im Fachmarkt- und Einkaufszentrum "St. Pölten Ost" veranlassen. Das Projekt sehe demgegenüber deutlich größere Verkaufsflächen vor (vgl. oben), die projektierten und die rechtlich möglichen Bestandsobjektgrößen differierten so stark, daß eine Redimensionierung des Projekts auf das nach der EKZ-VO rechtlich zulässige Ausmaß dessen Aufgabe bedeuten würde.
Durch die Erlassung der EKZ-VO sei die Realisierung des lange verfolgten Fachmarkt- und Einkaufszentrums "St. Pölten Ost" somit chancenlos geworden.
Der in Aussicht genommene Standort des Fachmarkt- und Einkaufszentrums "St. Pölten Ost" befinde sich außerhalb jeglicher Bebauung. Er liege somit in keinem Stadt- oder Ortskerngebiet iSd §77 Abs8 GewO 1994.
Die übrigen Argumente zur Zulässigkeit des Individualantrages gleichen jenen unter Punkt 1.2. wiedergegebenen.
5.1. Mit dem zu V71/98 protokollierten Antrag begehrt die G Gesellschaft m.b.H., die EKZ-VO in dem in Punkt 1.1. umschriebenen Umfang aufzuheben.
5.2. Zur Zulässigkeit des Individualantrages führt die antragstellende Gesellschaft aus:
Der Unternehmensgegenstand der antragstellenden Gesellschaft - eine in Regensburg ansässige deutsche Gesellschaft m.b.H. - sei unter anderem die Entwicklung und der Bau von Handels- und Gewerbezentren. Die antragstellende Gesellschaft betreibe entsprechende Einkaufszentren-, Fachmarkt-, Gewerbepark- und Freizeitprojekte in Deutschland, Tschechien und Österreich.
Die antragstellende Gesellschaft möchte sich im Wirtschaftspark Parndorf etablieren. Sie habe sich daher eine Fläche von 81.343 m2 gesichert. Bei dieser Fläche handle es sich um Grundstücke Nr. 2383/2 bis /16, 2384/1 bis /6, /13 und 2390/9 (alle KG Parndorf). Die Grundstücke Nr. 2383/2, /3, /4 und /9 stünden im Eigentum der WBN Ges.m.b.H. (in der Folge kurz WBN), hinsichtlich der Grundstücke Nr. 2384/4 und 2383/16 sei die WBN außerbücherliche Eigentümerin. Bezüglich der übrigen Grundstücke seien seitens der WBN 17 Optionsverträge abgeschlossen. Eine Verlängerung dieser Optionsverträge bis zum 30. September 1998 sei erfolgt. Die Option auf das Grundstück Nr. 2383/15 sei bereits gezogen worden. Bezüglich der Grundstücke Nr. 2384/4 und 2383/16 sei außerbücherliches Eigentum zugunsten der WBN im Tauschweg begründet worden.
Die WBN wiederum habe der antragstellenden Gesellschaft eine Kaufoption eingeräumt und diese bis 31. Dezember 1998 prolongiert. Die antragstellende Gesellschaft habe daher einen Rechtstitel, welcher ihr den Eigentumserwerb an den genannten Flächen, die sich derzeit im bücherlichen bzw. außerbücherlichen Eigentum der WBN befinden bzw. dieser auf Grund von Optionsvereinbarungen zum Erwerb offenstehen, jederzeit ermögliche.
Die antragstellende Gesellschaft beabsichtige, auf diesen insgesamt 81.343 m2 großen Flächen entlang der Bundesstraße B 50 sechs Fachmärkte zu errichten und zu betreiben. Konkret sei die Errichtung von sechs Gebäuden für nachstehende Branchen mit den jeweils angegebenen Verkaufsflächen geplant: Lebensmittelmarkt:
5000 m2, Baumarkt: 10.000 m2, Elektrofachmarkt: 4.000 m2, Spielwarenfachmarkt: 3.000 m2, Textilmarkt: 6.000 m2, Möbelmarkt:
11.500 m2. Das Konzept bestehe darin, daß diese sechs Fachmärkte jeweils eine abgeschlossene, selbständige Einheit bilden, dagegen keine gemeinsame Infrastruktur, Bewerbung, etc. erfolgen solle. Es liege daher kein Einkaufszentrum iSd §14d Abs3 Burgenländisches Raumplanungsgesetz vor. Sämtliche genannten Liegenschaften wiesen nach dem gültigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde Parndorf die Widmung "Bauland-Betriebsgebiet" auf.
Auf Grund einer unter Zugrundelegung der in der EKZ-VO enthaltenen Berechnungsgrößen durchgeführten Berechnung ergäben sich für die einzelnen Fachmärkte folgende maximale
Verkaufsflächen: Lebensmittelmarkt: 538 m2, Baumarkt: 92,95 m2,
Elektrofachmarkt: 33,1 m2, Spielwarenfachmarkt: 79,25 m2,
Textilmarkt: 258,98 m2, Möbelmarkt: 586,47 m2.
Verkaufsflächen derart geringen Umfangs würden keinen Unternehmer zum Betrieb eines Fachmarktes im Rahmen des von der antragstellenden Gesellschaft verfolgten Fachmarktprojektes veranlassen.
Durch die Erlassung der EKZ-VO sei die Realisierung des von der antragstellenden Gesellschaft betriebenen Fachmarktprojektes im Standort Parndorf somit chancenlos geworden.
Der gesamte Wirtschaftspark Parndorf befinde sich außerhalb jeglicher Bebauung, die nächste Siedlung sei rund 1 km entfernt. Der Standort liege also nicht in einem Stadt- oder Ortskerngebiet iSd. §77 Abs8 GewO 1994.
Die übrigen Argumente zur Zulässigkeit des Individualantrages gleichen jenen unter Punkt 1.2. wiedergegebenen.
6. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Anträge erwogen:
6.1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß die antragstellenden Gesellschaften behaupten, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz bzw. die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit bzw. deren Gesetzwidrigkeit - in ihren Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz bzw. die Verordnung für die antragstellenden Gesellschaften tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz bzw. die Verordnung in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaften nachteilig eingreift und diese - im Falle der Verfassungs- bzw. Gesetzwidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz bzw. die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaften unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz bzw. durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen der antragstellenden Gesellschaften nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn den antragstellenden Gesellschaften kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteter Weise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 11726/1988, 13765/1994, 13944/1994).
Die einzelnen Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Individualantrags müssen kumulativ vorliegen.
6.2. Die antragstellenden Gesellschaften behaupten hinsichtlich der Bestimmtheit des Eingriffs, daß die EKZ-VO den Versagungsgrund der Gefährdung der Nahversorgung (§77 Abs5 Z2 iVm. Abs6 GewO) in der Präzision eines Rechenexempels definiere, sich auch die Einwohnerzahl simpel ermitteln lasse sowie ebenso die Umsatzabschöpfungsquote von 5% ein Rechenergebnis darstelle. Ebenso würde die angefochtene Gesetzesbestimmung einen eindeutig bestimmten, aktuellen Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte der antragstellenden Gesellschaften darstellen.
Die Bestimmungen der EKZ-VO entfalten ihre Wirkung in Verbindung mit dem in §77 Abs5 - 8 GewO 1994 vorgesehenen gewerberechtlichen Genehmigungsverfahren. §77 Abs5 GewO verbietet die Genehmigung von Anlagen für Betriebe des Handels sowie von ausschließlich oder überwiegend für Handelsbetriebe vorgesehenen Gesamtanlagen im Sinne des §356e Abs1 (Einkaufszentren) mit einer Gesamtverkaufsfläche von mehr als 800 m2 oder einer Bruttogeschoßfläche von mehr als 1 000 m2 ua dann, wenn das Projekt eine Gefährdung der Nahversorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern und Dienstleistungen im Einzugsbereich erwarten läßt. Eine Gefährdung der Nahversorgung der Bevölkerung ist gemäß §77 Abs6 GewO dann zu erwarten, wenn es infolge der Verwirklichung des Projektes zu erheblichen Nachteilen für die bestehenden Versorgungsstrukturen käme und dadurch der Bevölkerung die Erlangung von Konsumgütern und Dienstleistungen erschwert würde. Gemäß §2 der EKZ-VO sind erhebliche Nachteile für die bestehenden Versorgungsstrukturen zu erwarten, wenn der prognostizierte Umsatz 5% des einzelhandesrelevanten Umsatzpotentials im Einzugsgebiet des Projekts übersteigt. Der prognostizierte Umsatz ergibt sich gemäß §3 Abs1 EKZ-VO aus einer Multiplikation der Verkaufsfläche mit der in der Anlage 2 zur EKZ-VO geregelten Durchschnitts-Umsatzleistung (Quadratmeterumsätze nach Handelsbranchen). Das einzelhandelsrelevante Umsatzpotential ergibt sich - abgesehen von der Sonderregelung für bestimmte Branchen, bei denen auch die Anzahl der Gäste zu berücksichtigen ist - gemäß §3 Abs2 EKZ-VO aus einer Multiplikation der aus der Anlage 3 der EKZ-VO ersichtlichen durchschnittlichen einzelshandelsrelevanten Bruttoumsätze je Einwohner mit der Anzahl der Einwohner im Einzugsgebiet des Projekts. Das Einzugsgebiet des Projekts ist gemäß §3 Abs4 EKZ-VO jener örtliche Bereich, von dem aus die Betriebsanlage mit einem Personenkraftwagen bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb von zehn Minuten erreichbar ist. Gemäß §77 Abs8 GewO gelten die Absätze 5 bis 7 nicht für Projekte in einem Stadt- oder Ortskerngebiet.
Daraus ergibt sich, daß die angefochtenen Bestimmungen kein absolutes Verbot bestimmter Betriebsanlagen statuieren, sondern die Genehmigung von Anlagen für Betriebe des Handels sowie von ausschließlich oder überwiegend für Handelsbetriebe vorgesehenen Gesamtanlagen im Sinne des §356e Abs1 GewO 1994 (Einkaufszentren) von mehreren Voraussetzungen abhängig machen. Ob diese vorliegen, muß im konkreten Genehmigungsverfahren beurteilt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß erst im Rahmen dieses Verfahrens eine Vielzahl von Konkretisierungen und Subsumtionsvorgängen stattzufinden hat.
An diesem Ergebnis vermag auch die Behauptung nichts zu ändern, die Abweisung des Antrages auf Betriebsanlagengenehmigung lasse sich rechnerisch vorherbestimmen. Denn einerseits bewirkt die Aussicht auf eine negative Erledigung des Antrages keine unmittelbare Betroffenheit (vgl. VfSlg. 8187/1977, 8485/1979, 10606/1985). Andererseits bedarf - wie die Ausführungen unter Punkt IV, 4.2. zeigen - die Beantwortung der Frage, ob die Voraussetzungen des §77 Abs8 GewO zutreffen und ob daher die EKZ-VO anwendbar ist, näherer Feststellungen und rechtlicher Beurteilungen.
Durch die angefochtenen Bestimmungen wird zwar in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaften eingegriffen, doch werden ihre Interessen erst nach Beurteilung der oben angeführten Kriterien durch den die Genehmigung verweigernden Bescheid aktuell beeinträchtigt. Daher können die angefochtenen Normen - für sich allein gesehen - die antragstellenden Gesellschaften nicht aktuell beeinträchtigen. Ein aktueller Eingriff in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaften wäre vielmehr erst dann anzunehmen, wenn über deren Anträge von der Gewerbebehörde bescheidmäßig entschieden wird. Gegen eine derartige Entscheidung steht den antragstellenden Gesellschaften die Möglichkeit offen, nach Ausschöpfung des Instanzenzuges Bedenken gegen die Normen vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts vorzubringen.
Die in den Punkten 1 bis 5 genannten Anträge auf Aufhebung der EKZ-VO waren daher als unzulässig zurückzuweisen.
Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorangegangene mündliche Verhandlung beschlossen werden.
IV. In der Sache:
1. In seinem Prüfungsbeschluß hat der Verfassungsgerichtshof folgende Bedenken formuliert:
"Gemäß §77 Abs5 Z2 erster Fall GewO 1994 ist die Errichtung oder Erweiterung einer Betriebsanlage über das in der Z2 genannte Ausmaß dann zu untersagen, wenn eine Gefährdung der Nahversorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern und Dienstleistungen im Einzugsbereich zu erwarten ist. Eine Gefährdung der Nahversorgung der Bevölkerung ist gemäß §77 Abs6 GewO 1994 dann zu erwarten, wenn es infolge der Verwirklichung des Projekts zu erheblichen Nachteilen für die bestehenden Versorgungsstrukturen käme und dadurch der Bevölkerung die Erlangung von Konsumgütern und Dienstleistungen erschwert würde.
Geht man zunächst vom Wortlaut des §77 Abs5 Z2 GewO 1994 aus, so scheint der Gesetzgeber darauf abzuzielen, die Gefährdung der Nahversorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern und Dienstleistungen im Einzugsbereich (§3 Abs4 EKZ-VO) hintanzuhalten. Auch §77 Abs8 GewO 1994 scheint das Ziel der Aufrechterhaltung der Nahversorgung zu bekräftigen, sollen doch die beschränkenden Regelungen des §77 Abs5 Z2 GewO 1994 nicht für Betriebsanlagen gelten, deren Errichtung im Stadt- oder Ortskerngebiet beabsichtigt ist. Denn gerade in den Zentren von Stadt- oder Ortsgebieten dürfte die Nahversorgung durch neu niedergelassene Unternehmen, die mitunter eine breitere Palette von Nahversorgungsgütern anbieten als bereits bestehende Unternehmen, nicht erschwert werden, zumal der zeitliche Aufwand zur Erlangung von Konsumgütern und Dienstleistungen für die dort ansässige Wohnbevölkerung nahezu ident bleibt. Der Gesetzgeber scheint folglich im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Nahversorgung keinen Anlaß zu sehen, die Entstehung von Betriebsanlagen in diesen Gebieten zu verhindern. Darüber hinaus scheint der Gesetzgeber hinsichtlich der Versorgung mit Gütern, die mittel- bis langfristig nachgefragt werden (z.B. Investitionsgüter), kein unmittelbares öffentliches Anliegen zu haben, die Nahversorgung auch mit diesen Gütern sicherzustellen.
Betrachtet man jedoch die einzelnen Determinanten des Begriffes 'Gefährdung der Nahversorgung der Bevölkerung' im §77 Abs6 leg. cit., so scheint aus ihnen ein ganz anderer Inhalt der Regelung des §77 Abs5 Z2 erster Fall GewO 1994 hervorzuleuchten: Gemäß §77 Abs6 leg. cit. ist eine Gefährdung der Nahversorgung der Bevölkerung dann zu befürchten, wenn es infolge der Verwirklichung des Projektes zu erheblichen Nachteilen für die bestehenden Versorgungsstrukturen käme und dadurch der Bevölkerung die Erlangung von Konsumgütern und Dienstleistungen erschwert würde.
Liest man §77 Abs5 Z2 GewO 1994 im Zusammenhang mit der ersten Determinante des Begriffs der Nahversorgung im §77 Abs6 leg. cit. 'erhebliche Nachteile für die bestehenden Versorgungsstrukturen', so scheint der Gewerberechtsgesetzgeber Betriebe des Handels sowie ausschließlich oder überwiegend für Handelsbetriebe vorgesehene Gesamtanlagen im Sinne des §356e Abs1 leg. cit. (Einkaufszentren) dort - und nur dort - zuzulassen, wo keine anderen Betriebe im Einzugsbereich in ihrer Existenz gefährdet werden. Der Verfassungsgerichtshof nimmt daher vorläufig an, daß mit erheblichen Nachteilen für die bestehende Versorgungsstruktur nichts anderes gemeint sein kann als der Schutz bestehender Handelsbetriebe jeglicher Art vor Konkurrenz.
Betrachtet man schließlich die zweite Determinante des Begriffs der Nahversorgung im §77 Abs6 leg. cit. 'und dadurch der Bevölkerung die Erlangung von Konsumgütern und Dienstleistungen erschwert würde', so scheint auch diese den im §77 Abs5 Z2 erster Fall GewO 1994 verwendeten Begriff der Nahversorgung der Bevölkerung in einer Weise auszudehnen, die nicht nur die Versorgung mit Waren des kurzfristigen Bedarfs, die öfter nachgefragt werden, sondern die Versorgung mit Konsumgütern und Dienstleistungen aller Art - ohne Rücksicht darauf, wie häufig sie nachgefragt werden - umfaßt.
Der Verfassungsgerichtshof geht daher zunächst davon aus, daß §77 Abs5 Z2 erster Fall GewO 1994 den Antritt und die Ausübung einer bestimmten Erwerbstätigkeit beschränkt und folglich in die Erwerbsausübungsfreiheit (Art6 StGG) eingreift.
Eine gesetzliche Regelung, die die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkt, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur zulässig, wenn das öffentliche Interesse sie gebietet, sie zur Zielerreichung geeignet und adäquat ist und sie auch sonst sachlich gerechtfertigt werden kann (vgl. VfSlg. 10179/1984, 10386/1985, 10932/1986, 11276/1987, 11483/1987, 11494/1987, 11503/1987, 11749/1988). Das gilt insbesondere für Vorschriften, die eine Bedarfsprüfung vorsehen (vgl. z.B. VfSlg. 11276/1987, 11625/1988, 12098/1989, 12873/1991).
Errichtet das Gesetz eine Schranke schon für den Zugang zu einer Erwerbstätigkeit, die der Betroffene, der alle subjektiven Voraussetzungen erfüllt, aus eigener Kraft nicht überwinden kann, - eine Schranke, wie sie etwa die Bedarfsprüfung darstellt -, so liegt grundsätzlich ein schwerer Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Erwerbsausübungsfreiheit vor, der nur angemessen ist, wenn dafür besonders wichtige öffentliche Interessen sprechen und wenn keine Alternativen bestehen, um den erstrebten Zweck in einer gleich wirksamen, aber das Grundrecht weniger einschränkenden Weise zu erreichen (z.B. VfSlg. 11483/1987, 11749/1988, 12643/1991, 13023/1992).
Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, daß eine flächendeckende Nahversorgung der Wohnbevölkerung, d.h. eine Versorgung der Bevölkerung mit Haushaltsgütern zur Deckung des kurzfristigen Bedarfs, ein wichtiges öffentliches Anliegen darstellt. Er geht jedoch vorläufig davon aus, daß die vorhin dargestellte Regelung weit über die Sicherung der Nahversorgung der Wohnbevölkerung hinausgeht, weil sie einen Konkurrenzschutz für bestehende Handelsunternehmen jedweder Art zu gewähren scheint und auch die Versorgung mit Gütern in ihren Regelungsbereich einbezieht, die nicht kurzfristig, sondern mittel- bis langfristig nachgefragt werden.
Es wird daher zu prüfen sein, ob der Schutz bestehender Betriebe vor Konkurrenz und ob die Möglichkeit, Konsumgüter und Dienstleistungen jeglicher Art im Nahversorgungsbereich zu erhalten, ein besonders wichtiges öffentliches Interesse im vorbezeichneten Sinn darstellen, die den durch §77 Abs5 Z2 GewO 1994 bewirkten massiven Eingriff in das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit rechtfertigen und ob Alternativen bestehen, um den erstrebten Zweck in einer gleich wirksamen, aber das Grundrecht weniger einschränkenden Weise zu erreichen. Dabei werden auch die Wechselwirkungen verschiedener Arten von Handelsbetrieben aufeinander, insbesondere die Kaufkraftströme, zu untersuchen sein, sowie die Bedeutung eines Einkaufszentrums als Freizeiteinrichtung.
Anders als bei der Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln (vgl. VfGH G37/97 vom 2. März 1998) vermag der Verfassungsgerichtshof vorläufig kein öffentliches Interesse zu erkennen, das es rechtfertigen würde, Handelsbetriebe jedweder Art (im Anlaßfall geht es um den Handel mit elektrotechnischen Erzeugnissen) vor Konkurrenz und damit in ihrer Existenz zu schützen. Den Handelsbetrieben ist - zum Unterschied von den Apotheken - weder eine Betriebspflicht auferlegt, noch sind sie in einem überdurchschnittlichen Ausmaß in ein Netz von öffentlichrechtlichen Verpflichtungen eingebunden oder unterliegen besonderen Beschränkungen etwa hinsichtlich der Betriebszeiten, des Bereitschaftsdienstes, der Werbung oder der Preisbildung.
Der Verfassungsgerichtshof kann vorläufig nicht finden, daß es das öffentliche Interesse erfordert, einen Verdrängungswettbewerb von Handelsbetrieben jedweder Art zu verhindern, um das klaglose Funktionieren der Versorgung der Bevölkerung mit Waren aller Art zu sichern.
Gemäß §77 Abs6 zweiter Satz GewO 1994 hat der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten in einer Verordnung hiefür (erg. für die Beurteilung, ob eine Gefährdung der Nahversorgung der Bevölkerung zu erwarten ist) die entsprechenden Kenngrößen und Beurteilungsmaßstäbe unter Zugrundelegung anerkannter branchenbezogener Erfahrungswerte nach Anhörung der Wirtschaftskammer Österreich und der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte zu erlassen. Der Verfassungsgerichtshof nimmt vorläufig an, daß dieser Verordnungsermächtigung eine pauschalierende und generalisierende Betrachtung zugrundeliegt, die es ausschließt, regionale Unterschiede bei der Festsetzung der Kenngrößen und Beurteilungsmaßstäbe zu berücksichtigen. Da infolge regionaler Unterschiede das Problem der Verdrängung kleinerer Einzelhandelsbetriebe und das Entstehen einer oligopolistischen Marktstruktur verbunden mit einer Wettbewerbsverzerrung zu Gunsten autogerechter Einkaufszentren 'auf der grünen Wiese' nicht in allen Teilen des Bundesgebietes gleich gelagert ist - zu denken wäre beispielsweise an die besondere Lage und den Einzugsbereich der Shopping City Süd - , bestehen auch insofern Bedenken hinsichtlich der Erforderlichkeit einer die Berücksichtigung regionaler Unterschiede außer Acht lassenden Regelung.
Weiters stellt sich für den Verfassungsgerichtshof zunächst die Frage, ob das angestrebte Ziel der Sicherstellung der Nahversorgung nicht mit anderen Maßnahmen, die auf geringere Weise das Grundrecht einschränken, erreicht werden könnte.
Im Gesetzesprüfungsverfahren wird zu erörtern sein, ob ein Eingriff in die Kostenstruktur der Handelsunternehmen das angestrebte Ziel der Sicherstellung der Nahversorgung in gleich wirksamer Weise, aber durch einen geringeren Eingriff in das Grundrecht auf Erwerbsausübungsfreiheit erreichen könnte, etwa durch Anlastung externer Kosten. Während Handelsbetriebe im innerstädtischen Bereich mit vergleichsweise hohen Fixkosten belastet sein können, stehen Unternehmen am Stadtrandgebiet zum Teil günstige Grundstücke zur Verfügung, die zudem die Parkraumbeschaffung erleichtern können, sodaß in weiterer Folge auch vermehrt mobile Kundenkreise angezogen würden. Da darüber hinaus die sich im Freilandbereich ansiedelnden Unternehmen auch nicht mit den Kosten der Schaffung einer entsprechenden Infrastruktur belastet werden, kann sich für diese Handelsbetriebe im Vergleich zu innerstädtischen eine ungleich günstigere Kostenstruktur ergeben.
Der Verfassungsgerichtshof bezweifelt daher vorläufig, daß die durch das Gesetz verfügte Beschränkung der Erwerbsausübung im öffentlichen Interesse geboten ist.
(...)
Schließlich bestehen auch Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §77 Abs8 GewO 1994 unter dem Blickwinkel des Art18 B-VG. Gemäß dieser Bestimmung gelten die Absätze 5 bis 7 nicht für Projekte in einem Stadt- oder Ortskerngebiet.
Der Verfassungsgerichtshof geht bei der Beurteilung, ob §77 Abs8 GewO 1994 dem Determinierungsgebot des Art18 B-VG entspricht, vorläufig davon aus, daß Regelungen, die erheblich in die Erwerbsausübungsfreiheit eingreifen, ein höheres Maß an Determinierung erfordern als Regelungen mit geringer Eingriffsintensität. Im vorliegenden Fall hängt es vom Zutreffen der Voraussetzungen des §77 Abs8 GewO 1994 'Anlage im Stadtkerngebiet oder Ortskerngebiet' ab, ob der Handelsbetrieb oder das Einkaufszentrum dem strengen Zulassungsregime der Abs5 bis 7 des §77 GewO 1994 unterworfen wird. An den Bestimmtheitsgrad dieser Regelung ist daher ein strenger Maßstab anzulegen.
Zunächst bleibt unklar, ob der Wortteil 'Stadt-' durch den Wortteil '-gebiet' oder den Wortteil '-kerngebiet' zu ergänzen ist. Da die Auslegung, §77 Abs8 GewO 1994 nehme alle 'Stadtgebiete' (Gemeindegebiete von Stadtgemeinden nach den gemeinderechtlichen Vorschriften) vom Anwendungsbereich des §77 Abs5 bis 7 leg. cit. aus, zu gleichheitswidrigen Ergebnissen führen dürfte, geht der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, daß der Wortteil 'Stadt-' durch den Wortteil '-kerngebiet' zu ergänzen ist.
Der Gewerberechtsgesetzgeber dürfte den Begriff des Stadtkerngebietes und des Ortskerngebietes in Anknüpfung an das Raumordnungsrecht der Länder verwendet haben. Dafür sprechen nicht zuletzt die Erläuterungen zu §6 Abs5 Öffnungszeitengesetz, der den Landeshauptmann dazu ermächtigt, für 'Verkaufsstellen in Stadt- und Ortskerngebieten' eine wöchentliche Gesamtoffenhaltezeit von höchstens 75 Stunden festzusetzen. Denn im Bericht des Wirtschaftsausschusses (533 BlgNR XX. GP, 1) ist der Hinweis enthalten, darunter seien Flächen zu verstehen, die vorrangig für öffentliche Bauten, Verwaltungsgebäude, Gebäude für Handels- und Dienstleistungsbetriebe, für Versammlungsstätten, für Bauten des Fremdenverkehrs sowie für Wohngebäude gewidmet sind. Die Heranziehung der in den Raumordnungsgesetzen der Länder enthaltenen Begriffe des 'Kerngebietes' dürfte sich - abgesehen davon, daß er nicht in allen Raumordnungsgesetzen enthalten ist - wohl deshalb verbieten, weil in der Regel auf als 'Kerngebiete' gewidmeten Flächen weder Einkaufszentren noch Handelsgroßbetriebe errichtet werden dürfen (vgl. zB §16 Abs1 Z2 NÖ ROG 1976, §17 Abs2 Sbg ROG 1992).
Der Verfassungsgerichtshof nimmt daher vorläufig an, daß die Begriffe 'Stadtkerngebiete' und 'Ortskerngebiete' weithin unklar bleiben."
2. Die Bundesregierung hat im Gesetzesprüfungsverfahren eine Äußerung erstattet, in der sie den Bedenken des Verfassungsgerichtshofs folgendes entgegenhält:
2.1. Allgemeine Ausführungen:
Der nunmehr in Prüfung gezogene Regelungsbereich sei auf Grund der Ergebnisse zahlreicher Studien, die sich mit dem Bereich Nahversorgung befaßten, getroffen. Wie aus diesen Studien sowie den durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten durchgeführten Nahversorgungsenqueten hervorgehe, haben in den vergangenen Jahren einschneidende Strukturveränderungen im Bereich des Handels stattgefunden, die zur Erosion und Destabilisierung von nahen Versorgungsstrukturen und zu einer ernsthaften Bedrohung für die Nahversorger geführt hätten. Die abnehmende Zahl von Lebensmitteleinzelhandelsläden einerseits, der eine starke Expansion des Verkaufsflächenangebotes sowie eine hohe räumliche Angebotskumulation und eine hohe ökonomische Konzentration andererseits gegenüberstünden, seien Entwicklungen und Merkmale dieser sich ändernden Handelsstruktur. Folgen seien die Verödung und Entleerung von Stadt- und Ortskernzonen und Einkaufsstraßen, das Fehlen eines wünschenswerten "Branchenmixes" und damit das Abnehmen mitunter starker Verbundvorteile. Der Einkaufsradius der Konsumenten weite sich aus, die "Nähe" als historisch bedingter Standortvorteil vieler kleiner Läden verliere für Kaufentscheidungen immer mehr an Bedeutung. Dagegen stiegen die Raumüberwindungkosten von Kreisen der Bevölkerung, deren Bewegungsradius eingeschränkt sei, wie beispielsweise ältere Menschen, Jugendliche sowie Frauen mit Kleinkindern.
So habe die Schließung kleinerer Geschäfte bereits vielfach dazu geführt, daß kleinere Dörfer in Österreich ihren letzten Nahversorger verloren hätten. Einkaufszentren und Fachmärkte am Stadtrand zögen hauptsächlich Kaufkraft für den langfristigen Bedarf an. Davon seien besonders Fachgeschäfte der städtischen Einkaufsstraßen betroffen. Im Lebensmittelbereich gelte, daß Verbrauchermärkte ein Vielfaches der Umsätze kleiner Händler an sich ziehen. Daher seien in ihrem Einzugsbereich meist mehrere Nahversorger vom Schließen bedroht. Besonders negativ seien die Auswirkungen im ländlichen Raum, wo ein Verbrauchermarkt oft den einzigen Kaufmann benachbarter Gemeinden gefährde. Diese Entwicklungen erwiesen sich als irreversibel. Schon aus diesem Grund vermeine die Bundesregierung, daß die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofs, das öffentliche Interesse an der in Rede stehenden Regelung sei zu bezweifeln, nicht zutreffe.
Zu den damit verbundenen sozialen Problemen trete die Umweltproblematik, da für jedes Einkaufszentrum Parkplätze für etwa 1000 Fahrzeuge errichtet werden müßten. Staukosten, Unfallfolgekosten, Lärm- und Abgasbelastung sowie die Zurverfügungstellung der notwendigen Infrastruktur für diesen Autoverkehr belasteten nicht die Bilanz des Einkaufszentrums sondern die Allgemeinheit.
In den Ortszentren hingegen hätten Unternehmer für den Vorteil der Nähe zu den Kunden hohe Mieten und Grundstückspreise aufzubringen. Aus diesem Grund bestehe die klar erkennbare Tendenz, Einkaufszentren auf Grundflächen außerhalb der Städte und auch außerhalb der eigentlichen Ortsgebiete zu errichten, weil dort die Grundstücke billig seien. Billige Grundstücke außerhalb der Städte seien derzeit die lukrativsten Standorte für Einkaufszentren. Dies sei nur möglich, weil ein Großteil der Folgekosten des verursachten Autoverkehrs weder für die Betreiber der Einkaufszentren noch für deren Kunden unmittelbar spürbar werde.
Wie aus zahlreichen Studien hervorgehe, sei es speziell in den 80er und 90er Jahren zu starken Konzentrationsprozessen gekommen, welche sich ohne Gegenmaßnahmen künftig noch verstärken würden. Diese Konzentrationsprozesse verliefen auf zwei miteinander verbundenen Ebenen. So konzentriere sich der Handel räumlich auf immer weniger Betriebsstandorte und es entstehe ein neuer Typus von Monopolen (bzw. Oligopolen) mit zentral gelegenen Standorten. Damit verbunden steige die Durchschnittsgröße der einzelnen Betriebe stark an. Zugleich komme es zu einer Konzentration der Eigentümerstruktur, das heißt eine Vielzahl kleinerer Einzelhandelsbetriebe mit individueller Eigentumsstruktur werde zunehmend von größeren Geschäften in der Hand weniger, "großer" Eigentümer verdrängt. Es komme daher auch volkswirtschaftlich zu einer oligopolistischen Marktstruktur mit dem für diese Struktur typischen Marktverhalten. In weiten Bereichen sei es zu einer Zerstörung bzw. Ausdünnung der Nahversorgung gekommen und komme es noch immer, da immer mehr kleinere Geschäfte, die sich räumlich an der Siedlungsstruktur orientieren, geschlossen werden. Die sich daraus ergebende geänderte räumliche Struktur des Handels führe dazu, daß wesentlich längere und daher ungleich stärker befahrene Einkaufswege in Kauf genommen werden müssen. Die räumliche Konzentration des Angebotes etwa im Lebensmitteleinzelhandel stehe daher in einem ursächlichen Zusammenhang mit einem gesteigerten Verkehrsaufkommen. Aus diesem gesteigerten Verkehrsaufkommen ergäbe sich eine Fülle ökologischer (Luft, Lärm, Bodenverbrauch) und nicht zuletzt sozialer Probleme.
2.2. Zur Frage der Beschränkung des Rechts auf freie Erwerbsausübung (Art6 StGG):
Soweit der Verfassungsgerichtshof in der Regelung des §77 Abs5 Z2 GewO 1994 eine Beschränkung der Erwerbsfreiheit sieht, sei folgendes festzuhalten:
Aus einer Vielzahl einschlägiger Studien gehe hervor, daß es in zahlreichen Regionen Österreichs einer maßgeblichen Anzahl von Verbrauchern nicht mehr möglich sei, die zur Befriedigung der notwendigen Bedürfnisse des täglichen Lebens dienenden Waren unter zumutbarem Zeit- und Kostenaufwand ohne Benützung eines Kraftfahrzeuges oder öffentlichen Verkehrsmittels zu kaufen. Auf Grund dieser Forschungsergebnisse sowie der von zahlreichen Wirtschaftsexperten vertretenen Meinung, daß die bereits entwickelten oligopolistischen Strukturen regulierende Eingriffe erfordern, sei festgestanden, daß es ein wichtiges öffentliches Anliegen und somit dringend geboten sei, dieser Entwicklung mit entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen entgegenzusteuern.
Den Studien zum Problemkreis der Gefährdung der Nahversorgung zufolge blieben Stadt- und Ortskerne bloß dann attraktiv, wenn ein entsprechender "Branchenmix" bei den dort etablierten Handelsbetrieben gegeben sei. So zählten zur Nahversorgung nicht ausschließlich Waren, die zur Befriedigung der notwendigen Bedürfnisse des täglichen Lebens dienen, sondern auch darüber hinausgehend etwa Textil- und Lederwarengeschäfte. Auch der von der EKZ-VO erfaßte Möbel- sowie Bau- und Heimwerkerhandel biete einen Anziehungspunkt für das heute moderne Einkaufserlebnis. Eine Geschäftsstraße sei nur dann attraktiv, wenn auch Waren wie Möbel, Heimtextilien, Geschirr, Schmuckwaren usw. auf engem Raum angeboten werden. Beispielsweise werde im Grünbuch "Handel" der Europäischen Union, Beilage 2/97, herausgegeben von der Europäischen Kommission, die wichtige Rolle des Handels bei der Aufrechterhaltung des Gemeinschaftslebens zunehmend anerkannt, sei es in Stadtzentren oder in kleinen Läden in Vororten oder auf dem Land. Demnach trage ein reges Geschäftsleben häufig zum Entstehen kultureller Aktivitäten bei, sodaß dem Handel auch in dieser Beziehung eine wichtige soziale Funktion zukomme. Geschäfte belebten sohin die Stadtzentren und verhinderten damit die zunehmende Flucht aus den Städten, die ua. die Ausbreitung der Kriminalität begünstige. Das bedeute, daß Städte und Ortschaften durch einen breiten "Branchenmix" attraktiv erhalten werden sollten.
Die Sicherung der Nahversorgung könne durch die Raumordnungsgesetze der Länder allein jedoch nicht gewährleistet werden. Dies auch vor dem Hintergrund, daß Gemeinden häufig Interesse an neuen Betriebsansiedelungen hegten, da die Abgaben dieser Unternehmen einen wichtigen Bestandteil der Finanzierung des Gemeindehaushaltes darstellten. Deshalb habe sich der Bundesgesetzgeber veranlaßt gesehen, wirksame Maßnahmen im Hinblick auf Großmärkte und Einkaufszentren, nicht aber auf jegliche Konkurrenz, zu ergreifen, zumal die flächendeckende Nahversorgung der Bevölkerung mit Haushaltsgütern eines der wichtigsten öffentlichen Anliegen darstelle.
Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß diese Ausführungen deutlich machten, daß die in Prüfung gezogenen Bestimmungen von einem besonderen öffentlichen Interesse getragen seien. Die Erfassung von jeglicher Art von Nahversorgung mit Waren und Dienstleistungen aller Art und nicht nur solcher für den täglichen Bedarf, sei zur Erreichung und Erhaltung eines bestimmten "Branchenmixes", der erst ein Stadt- oder Ortskerngebiet für die Kunden attraktiv mache, erforderlich. Wie die Erfahrungen gezeigt hätten, ziehe die Ansiedlung etwa eines Baumarktes oder Textilwarendiskonters außerhalb der Stadt und Ortsgebiete auch andere Anbieter nach sich, zB große Lebensmittelketten. Dies bewirke das Ausdünnen der bestehenden Nahversorgung in den Stadt- und Ortskernen bis zu einem totalen Aussterben von Einkaufsmöglichkeiten.
Weiters entspreche es der Ansicht der befaßten Experten, daß das öffentliche Interesse an einer flächendeckenden qualifizierten Nahversorgung ausschließlich durch Regelungen der vorliegenden Art gewährleistet werden könne.
Gutachten zu den Wechselwirkungen verschiedener Arten von Handelsbetrieben aufeinander, insbesondere die Kaufkraftströme sowie die Bedeutung eines Handelszentrums als Freizeiteinrichtung, lägen der Bundesregierung nicht vor. Solche Gutachten würden im Auftrag und im Interesse von Projektanten von Einkaufszentren erstellt, um die wirtschaftliche Ertragsfähigkeit des Standortes auszuloten. Da solche Untersuchungen jeweils vor der Einreichung eines Projekts bei der Gewerbebehörde durchgeführt würden, stehe bei Einreichung bereits fest, daß die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen für den konkreten Standort ein positives Ergebnis gezeigt hätten. Solche positiven Ergebnisse seien allein dadurch zu erzielen, daß Käuferströme von den bereits vorhandenen Handelsbetrieben zu dem neu geplanten Projekt abgezogen werden können.
2.3. Zur Frage der Verletzung des Determinierungsgebotes (Art18 B-VG):
Soweit der Verfassungsgerichtshof gegenüber §77 Abs8 GewO 1994 Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Art18 B-VG hegt, werde darauf hingewiesen, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes in Ermittlung des Inhalts des Gesetzes alle zur Verfügung stehenden Auslegungsmöglichkeiten auszuschöpfen seien. Nur wenn sich nach Heranziehung aller Interpretationsmethoden immer noch nicht beurteilen lasse, was im konkreten Fall rechtens ist, verletze die Norm die in Art18 B-VG statuierten rechtsstaatlichen Erfordernisse (vgl. VfSlg. 14070/1995). Auch wenn man davon ausgehe, daß Regelungen des Zugangs zu einer Erwerbstätigkeit gleich einer Bedarfsprüfung einen höheren Determinierungsgrad bedingen, so sei darauf hinzuweisen, daß der Begriff "Stadt- und Ortskerngebiet" durch die einschlägigen Ausführungen des Wirtschaftsausschusses (AB 533 BlgNR XX. GP 1) zum Öffnungszeitengesetz, BGBl. Nr. 50/1992 idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 4/1997, eine Definition erfahren habe, der ebenfalls ua. das Anliegen der Nahversorgung zugrundeliege. Diese liege auch der gegenständlichen Regelung zugrunde und sei durch die Erlässe des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 22. April 1998 sowie vom 29. Juni 1998 in Erinnerung gerufen worden. Daß aufgrund von raumordnungsrechtlichen Bestimmungen in diesen Kerngebieten die Errichtung von Einkaufszentren und Handelsgroßbetrieben nicht zulässig sein möge, vermöge nach Ansicht der Bundesregierung jedoch nicht die Eindeutigkeit des Regelungsinhalts des §77 Abs8 GewO 1994 zu schmälern. Nach Auffassung der Bundesregierung entspreche diese Bestimmung daher dem Determinierungsgebot des Art18 B-VG.
3. Die im Gesetzesprüfungsverfahren mitbeteiligte und im Anlaßbeschwerdeverfahren B2000/98 beschwerdeführende Gesellschaft erstattete eine Äußerung, in der sie den Argumenten der Bundesregierung folgendes entgegenhält:
Die Bundesregierung berufe sich mehrfach auf "Ergebnisse zahlreicher Studien" und "Nahversorgungsenqueten", ohne auch nur eine einzige dieser Studien zu nennen oder ein einziges konkretes Ergebnis einer solchen Enquete darzustellen. Die "Allgemeinen Ausführungen" der Bundesregierung beschränkten sich auf die Beschreibung von als bekannt vorauszusetzenden handelswissenschaftlichen, raumplanerischen und ökologischen Entwicklungen. Dabei werde freilich der Beitrag großflächiger Handelsbetriebe zu diesen bei weitem überschätzt. Es entstehe beinahe der Eindruck, daß die Einkaufszentren für alle urbanen Fehlentwicklungen verantwortlich seien. So sei etwa der Hinweis, Einkaufszentren außerhalb der Siedlungskerne würden die Ausbreitung der Kriminalität in diesen begünstigen, stark überzogen. Diese Ausführungen seien - entgegen der offenkundigen Absicht der Bundesregierung - nicht geeignet, ein besonderes (massives) öffentliches Interesse zu dokumentieren, das derart weitreichende und eingriffsintensive (ja geradezu erdrosselnde) Regelungen, wie sie die in Prüfung gezogenen Bestimmungen darstellen, rechtfertigen würde.
Zwar bezweifle auch die mitbeteiligte Gesellschaft das öffentliche Interesse an der Nahversorgung in keiner Weise. Entscheidend sei aber nicht dieser Grundgedanke, sondern die konkret erlassene Regelung. Das öffentliche Interesse an der Nahversorgung könne gerade nicht jede (noch so) unsachliche und die Erwerbsfreiheit massiv beeinträchtigende Regelung legitimieren.
Auch teile die mitbeteiligte Gesellschaft die Auffassung der Bundesregierung nicht, daß das Raumordnungsrecht der Länder aufgrund des Standortwettlaufs der Gemeinden nicht geeignet sei, die Sicherung der Nahversorgung zu gewährleisten. In jenen Bundesländern, in denen Einkaufszentren einer bescheidförmigen Bewilligung einer Behörde der allgemeinen staatlichen Verwaltung bedürfen (so etwa nach §14 Bgld. RaumplanungsG), könnten die Gemeinden das Raumordnungsrecht nicht beugen. Es liege also ausschließlich an der sachgerechten Ausgestaltung des Raumordnungsrechtes. Dabei sei der Landesgesetzgeber nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes selbstverständlich auch befugt, Aspekte der Nahversorgung mitzuberücksichtigen. Derartige Regelungen seien nur dann vor dem Verfassungsgerichtshof gescheitert, wenn sie sich als (direkte) Regelung der Wettbewerbs- oder Gewerbepolitik, etwa in Form einer Bedarfsprüfung, darstellten (VfSlg. 9543/1982). Es sei aber keinesfalls zwingend, die Nahversorgung über den groben Klotz einer Bedarfsprüfung bzw. eines Verbotsregimes für großflächige Handelsbetriebe zu steuern (zu einer solchen sei der Landes-Raumordnungsgesetzgeber freilich nicht befugt). Nach Auffassung der mitbeteiligten Gesellschaft sei gerade das Raumordnungsrecht der Länder jene Materie, welche die Zersiedelungs- und Verkehrsprobleme lösen könnte und müßte.
Nicht nachvollziehbar seien jene Äußerungen der Bundesregierung, die - ohne dies explizit auszusprechen - darauf zielen, die in §77 Abs5 Z2, Abs6 GewO 1994 enthaltene Anknüpfung an alle Arten von Konsumgütern und Dienstleistungen als sachlich gerechtfertigt darzustellen. Sie liefen im Kern darauf hinaus, daß diese Einbeziehung deshalb notwendig sei, da nur ein voller "Branchenmix", also eine Geschäftsstraße, dem Nahversorger das Überleben sichern könne. Nach dieser Logik müßten also alle Branchen einem extrem restriktiven Gewerberechtsregime unterstellt werden, um einigen wenigen die Existenz zu sichern.
Diese Argumentation gehe fehl: Es wäre sachlich geboten (gewesen), im gewerblichen Betriebsanlagenrecht ausschließlich nahversorgungsrelevante Branchen zu erfassen. Denn eine von einem solchen umfassenden "Verständnis" getragene Normierung sei überschießend und stelle eine Verletzung des vom Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur zu Art6 StGG verdeutlichten Gebots der Anwendung des jeweils gelindesten Mittels dar. Es sei nicht einsichtig, weshalb die Entwicklung aller für die Nahversorgung nicht relevanten Branchen, also der überwiegenden Mehrzahl der Handelsbetriebe, zugunsten der wenigen, der Nahversorgung dienenden Branchen in derart rigider Weise behindert werden soll. Entgegen der Ansicht der Bundesregierung sei eine sachliche Rechtfertigung hiefür nicht zu erkennen.
Darüber hinaus rufe die mitbeteiligte Gesellschaft das zentrale Argument, auf das die Bundesregierung in keiner Weise eingeht, in Erinnerung: Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen gewähren einen Konkurrenzschutz für bestehende Handelsbetriebe, und zwar auch und gerade für solche, die keine Nahversorgungsfunktion haben. Der Verfassungsgerichtshof habe jüngst wiederum darauf hingewiesen, daß ein solcher Strukturschutz in Bezug auf irgendwelche Waren verfassungswidrig ist (VfGH 10.3.1999, G64, 65/98-31). §77 Abs5 - 8 GewO 1994 sei (ebenso wie die EKZ-VO) in Wahrheit aus dem Bestreben des Handels erklärbar, sich vor unliebsamem Wettbewerb zu schützen, wobei der Nahversorgungsaspekt ein vorgeschobenes Motiv darstellen dürfte. Denn es sei für die beschwerdeführende Gesellschaft nicht ersichtlich, weshalb der Nahversorger nur von der Unterbindung großflächiger Handelsbetriebe außerhalb der städtischen Ballungszentren profitieren kann. Einkaufszentren innerhalb des verbauten Gebiets einer Gemeinde bedrohen den Nahversorger ebenso, wenn nicht noch stärker.
Schließlich überzeugten auch die Ausführungen zum Determinierungsgebot im Zusammenhang mit §77 Abs8 GewO nicht. Unter Zugrundelegung der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum - dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquaten - Determinierungsgrad (VfGH 11.3.1999, V40/98, G81/98 ua.) sei an diese Ausnahmebestimmung, wie im Prüfungsbeschluß ebenfalls dargetan, ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Die Auslegungsmethoden versagten in concreto aber deshalb, da nicht alle Raumordnungsvorschriften die Widmungskategorie "Kerngebiet" kennen und jene, die sie kennen, vielfach die Errichtung großflächiger Handelsbetriebe iSd §77 Abs5 Z2 GewO 1994 gerade nicht zuließen. Die Bestimmung sei daher nicht, wie die Bundesregierung glauben machen will, zwar inhaltlich verunglückt, wohl aber ausreichend determiniert. Sie gehe vielmehr ins Leere, ihr Sinngehalt sei nicht ermittelbar. Damit aber widerspreche sie Art18 Abs1 B-VG.
4. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
Der Gesetzgeber ist nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 3968/1961, 4011/1961, 5871/1968, 9233/1981) durch Art6 StGG ermächtigt, die Ausübung der Berufe dergestalt zu regeln, daß sie unter gewissen Voraussetzungen erlaubt oder unter gewissen Umständen verboten ist (also auch den Erwerbsantritt behindernde Vorschriften zu erlassen), sofern er dabei den Wesensgehalt des Grundrechtes nicht verletzt und die Regelung auch sonst nicht verfassungswidrig ist.
Eine gesetzliche Regelung, die die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkt, ist nur zulässig, wenn das öffentliche Interesse sie gebietet, sie zur Zielerreichung geeignet und adäquat ist und sie auch sonst sachlich gerechtfertigt werden kann (vgl. zB VfSlg. 10179/1984, 12578/1990, 12677/1991).
4.1.1. Die Bundesregierung tritt in ihrer Stellungnahme der Annahme des Verfassungsgerichtshofs im Prüfungsbeschluß, die Regelung des §77 Abs5 Z2 GewO gehe weit über die Sicherung der Nahversorgung der Wohnbevölkerung hinaus, weil sie einen Konkurrenzschutz für bestehende Handelsunternehmen jedweder Art zu gewähren und auch die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die nicht kurzfristig, sondern mittel- bis langfristig nachgefragt werden, in ihren Regelungsbereich einzubeziehen scheint, nicht entgegen. Sie rechtfertigt die Einbeziehung von Handelsbetrieben für Waren, die nicht kurzfristig, sondern mittel- bis langfristig nachgefragt werden (z.B. Möbel, Heimtextilien, Geschirr, Schmuckwaren) mit der Notwendigkeit, daß die Erfassung von "jeglicher Art der Nahversorgung mit Waren und Dienstleistungen aller Art und nicht nur solcher für den täglichen Bedarf" zur Erreichung und Erhaltung eines bestimmten "Branchenmixes", der erst ein Stadt- oder Ortskerngebiet für die Kunden attraktiv mache, erforderlich sei.
Diesem Argument ist entgegenzuhalten:
Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner im Prüfungsbeschluß geäußerten Meinung, daß - anders als bei der Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln (vgl. VfSlg. 15103/1998) - es das öffentliche Interesse nicht erfordert, einen Verdrängungswettbewerb von Handelsbetrieben jedweder Art zu verhindern, um das klaglose Funktionieren der Versorgung der Bevölkerung mit Waren aller Art zu sichern.
Der Verfassungsgerichtshof vermag keinen zwingenden Zusammenhang zwischen der Unterbindung von Handelsgroßbetrieben jedweder Art außerhalb von Ortszentren und der Sicherstellung der Nahversorgung, d.h. der Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs oder mit kurzfristig nachgefragten Konsumgütern zu erkennen. Vielmehr schützt diese Unterbindung von Handelsbetrieben jedweder Art alle bestehenden Betriebe im Ortszentrum, und zwar auch jene Betriebe, die keine unmittelbare Nahversorgungsfunktion erfüllen, vor Konkurrenz durch Betriebe "auf der grünen Wiese".
Die Bundesregierung vermeint nun, dieser Konkurrenzschutz sei deswegen erforderlich, um die Attraktivität von Einkaufsgebieten sicherzustellen. Oder mit anderen Worten: Die Ansiedlung etwa eines Möbelhandelsbetriebes oder eines Baumarktes außerhalb des Ortszentrums führe dazu, daß im Ortszentrum bestehende Betriebe des Möbelhandels oder bestehende Handelsbetriebe in Branchen, die vom Angebot eines Baufachmarktes umfaßt sind, in ihrer Existenz gefährdet würden oder sich in diesem Gebiet erst gar nicht ansiedeln würden. Die Betriebsaufgabe oder die mangelnde Bereitschaft zur Betriebsansiedlung hätte aber Auswirkungen auf die Attraktivität des Einkaufsgebietes.
Selbst wenn ein Handelsbetrieb für Waren, die mittel- bis langfristig nachgefragt werden, als Folge der Ansiedlung eines gleichartigen Handelsbetriebes auf der "grünen Wiese" von einer Einkaufsstraße oder einem Einkaufsgebiet abwandern oder selbst wenn sich ein Handelsbetrieb für die genannten Waren in einer Einkaufsstraße oder einem Einkaufsgebiet wegen des gleichartigen Betriebes "auf der grünen Wiese" nicht ansiedeln sollte, führt dies allenfalls zu einer mittelbaren Gefährdung der Nahversorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs und mit Gütern, die kurzfristig nachgefragt werden, sondern allenfalls dazu, daß das Einkaufsgebiet gegenüber dem Einkaufszentrum "auf der grünen Wiese" einen Teil seiner Attraktivität verloren hätte.
Auch wenn man ein öffentliches Interesse an attraktiven Einkaufsmöglichkeiten in Ortszentren als gegeben ansieht und einen Zusammenhang zwischen der Errichtung von Einkaufszentren "auf der grünen Wiese" und einem unzureichenden Branchenmix in einem Einkaufsgebiet annimmt, rechtfertigen diese Annahmen jedoch nicht eine rigorose Zutrittsbeschränkung für neue Handelsbetriebe und Gesamtanlagen jeglicher Art, ohne Rücksicht darauf, ob sie geeignet sind, die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs und mit solchen, die kurzfristig nachgefragt werden, sicherzustellen. Die Regelung des §77 Abs5 Z2 GewO erweist sich somit als überschießend.
Dazu kommt: Die Regelung verfolgt das Ziel, die Attraktivität von Einkaufsmöglichkeiten in Ortszentren im Sinne eines "Branchenmixes" dadurch zu erhalten oder noch zu steigern, daß das Abwandern von Handelsbetrieben aus solchen Gebieten verhindert und die Ansiedlung derartiger Betriebe nicht erschwert wird. Sie versucht dieses Ziel mit einer rigorosen Zugangsbeschränkung, der neue Handelsbetriebe "auf der grünen Wiese" unterworfen werden, zu erreichen. Dabei bleibt völlig außer Acht, daß die Minderung der Attraktivität von bestimmten Einkaufsgebieten in Ortszentren durch Verdrängung oder Fehlen bestimmter Branchen aber auch dadurch eintreten könnte, wenn innerhalb des Ortszentrums an anderen attraktiven Orten derartige Handelsbetriebe errichtet würden.
Die Bundesregierung führt als weiteres öffentliches Interesse an der Beschränkung von Handelsbetrieben und Gesamtanlagen "auf der grünen Wiese" die Tatsache an, daß die Folgekosten eines Einkaufszentrums nicht die Bilanz des Einkaufszentrums sondern die Allgemeinheit belaste. Billige Grundstücke außerhalb der Städte seien derzeit die lukrativsten Standorte für Einkaufszentren. Hingegen hätten in den Ortszentren Unternehmer für den Vorteil der Nähe zu den Kunden hohe Mieten und Grundstückspreise aufzubringen.
Soweit die Bundesregierung die in Prüfung gezogene Regelung mit dem Argument verteidigt, es müsse ein Ausgleich zwischen den vergleichsweise günstigen Errichtungs- und Betriebskosten eines Handelsbetriebes "auf der grünen Wiese" und den relativ hohen Kosten eines Handelsbetriebes im Ortszentrum erreicht werden, ist ihr zu entgegnen, daß ein Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit nur dann angemessen ist, wenn keine Alternativen bestehen, um den erstrebten Zweck in einer gleich wirksamen, aber das Grundrecht weniger einschränkenden Weise zu erreichen (vgl. zB VfSlg. 11483/1987, 11749/1988, 12643/1991, 13023/1992). Derartige Alternativen zum Ausgleich von Kostenvor- und -nachteilen von Handelsbetrieben - je nach ihrem Standort - , die im Vergleich zur rigorosen Zugangsbeschränkung das Grundrecht auf Erwerbsausübungsfreiheit weniger einschränken, liegen jedoch auf der Hand: Sie bestehen - wie der Verfassungsgerichtshof bereits im Prüfungsbeschluß ausgeführt hat - einerseits darin, dem Einkaufszentrum "auf der grünen Wiese" die durch dieses verursachten externen Kosten anzulasten und andererseits darin, die im Ortszentrum tätigen Handelsbetriebe von den vergleichsweise hohen Errichtungs- und Betriebskosten zu entlasten.
4.1.2. Folgt man der von der Bundesregierung vertretenen Auslegung der in Prüfung gezogenen Bestimmungen des §77 Abs5 Z2 und Abs6 GewO 1994, so wären diese wegen Widerspruches zu Art6 StGG verfassungswidrig.
Indes ist die von der Bundesregierung vertretene Auslegung der in Prüfung gezogenen Bestimmungen nicht zwingend.
Der Wortlaut "Gefährdung der Nahversorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern und Dienstleistungen" im §77 Abs5 Z2 GewO legt es vielmehr näher, die Bestimmung im Sinne von "Versorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern und Dienstleistungen des kurzfristigen und sogenannten täglichen Bedarfs" zu verstehen. Auch der Wortlaut des Abs6 erster Satz "... und dadurch der Bevölkerung die Erlangung von Konsumgütern und Dienstleistungen erschwert würde" ist - vor allem im Hinblick auf den Eingang des Satzes ("Eine Gefährdung der Nahversorgung der Bevölkerung ist dann zu erwarten ...") ebenfalls im Sinne der "Erlangung von Konsumgütern und Dienstleistungen des kurzfristigen und sogenannten täglichen Bedarfs" zu deuten. Erfaßt die Regelung aber lediglich "täglich" oder kurzfristig nachgefragte Güter und Dienstleistungen, also die Nahversorgung im engeren Sinn und nicht auch jene des mittel- bis langfristigen Bedarfs, dann treffen die vom Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluß geäußerten Bedenken gegen die Gewährung eines Konkurrenzschutzes für bestehende Unternehmen jedweder Art nicht zu.
Erlaubt eine Regelung mehrere Interpretationen, dann ist jener Interpretation der Vorzug zu geben, die die Bestimmung als verfassungskonform erscheinen läßt (vgl. VfSlg 11466/1987, 12776/1991).
Da die in Prüfung gezogene Wortfolge in §77 Abs5 Z2 und der in Prüfung gezogene Abs6 GewO einer verfassungskonformen Interpretation zugänglich sind, war auszusprechen, daß die genannten Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden.
4.2. Der Verfassungsgerichtshof hegte schließlich auch Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §77 Abs8 GewO 1994 unter dem Blickwinkel des Art18 B-VG.
Die Bundesregierung bestätigt zunächst den vorläufigen Befund des Verfassungsgerichtshofs, der Gewerberechtsgesetzgeber dürfte den Begriff des Stadtkerngebietes und des Ortskerngebietes in Anknüpfung an das Raumordnungsrecht der Länder verwendet haben. Der Verfassungsgerichtshof hatte jedoch das Bedenken, die Heranziehung der in den Raumordnungsgesetzen der Länder enthaltenen Begriffe des "Kerngebietes" dürfte sich - abgesehen davon, daß er nicht in allen Raumordnungsgesetzen enthalten ist - wohl deshalb verbieten, weil in der Regel auf als "Kerngebiete" gewidmeten Flächen weder Einkaufszentren noch Handelsgroßbetriebe errichtet werden dürfen (vgl. zB §16 Abs1 Z2 iVm §17 Abs3 NÖ ROG 1976, §17 Abs1 Z3 Sbg ROG 1998).
Die Bundesregierung hält dem entgegen, daß der Begriff "Stadt- und Ortskerngebiet" durch die einschlägigen Ausführungen des Wirtschaftsausschusses (AB 533 BlgNR XX. GP 1) zum Öffnungszeitengesetz, BGBl. Nr. 50/1992 idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 4/1997, eine Definition erfahren habe, dem ebenfalls ua. das Anliegen der Nahversorgung zugrundeliege.
Im "Bericht des Wirtschaftsausschusses über die RV (375 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Öffnungszeitengesetz 1991 geändert wird", findet sich folgende Feststellung:
"Weiters traf der Wirtschaftsausschuß folgende Ausschußfeststellungen: 'Ob eine Verkaufsstelle in einem Stadt- oder Ortskerngebiet gelegen ist, ergibt sich aus den jeweiligen landesgesetzlichen Raumordnungsbestimmungen. Es handelt sich dabei um Flächen, die vorrangig für öffentliche Bauten, Verwaltungsgebäude, Gebäude für Handels- und Dienstleistungsbetriebe, für Versammlungs- und Vergnügungsstätten, für Bauten des Fremdenverkehrs, sowie für Wohngebäude gewidmet sind."
In gleichem Sinne gab das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten seine Rechtsauslegung des §77 Abs8 GewO mit Erlaß vom 22. April 1998, GZ 33.300/38-III/2/98 bekannt.
Eine nähere Prüfung der raumordnungsrechtlichen Bestimmungen zeigt, daß nur in sechs von neun Raumordnungsgesetzen der Länder - und zwar im NÖ, OÖ, Sbg, Stmk, Tir und Vbg Raumordnungsgesetz - die Widmungs- und Nutzungsart Kerngebiet enthalten ist. In den übrigen Ländern treffen die im genannten Ausschußantrag aufgezählten Kriterien zum Teil auf verschiedenste Widmungs- und Nutzungskategorien, wie zB nach der WBO für das gesamte Wohngebiet und das gemischte Baugebiet zu, eine Auslegung, die zu unsachlichen Ergebnissen führt. Nach dieser Auslegungsvariante wären in Wien alle Einkaufszentren im Wohngebiet oder gemischten Baugebiet vom Anwendungsbereich des §77 Abs5 Z2 GewO 1994 ausgenommen, während in den Ländern, die Einkaufszentren nur auf besonders gewidmeten Flächen zulassen (gemäß dem Ktn, NÖ, OÖ, Sbg, Stmk, Tir und Vlbg ROG) auch alle Einkaufszentren im Kerngebiet unter den Anwendungsbereich des §77 Abs5 GewO 1994 fielen.
Da die Anknüpfung an die raumordnungsrechtliche Widmung zu keinem sinnvollen Ergebnis führt, hat sich die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes, die Begriffe "Stadtkerngebiete" und "Ortskerngebiete" blieben weithin unklar, bestätigt.
4.3. Abs8 des §77 GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 63/1997 war daher wegen Widerspruchs zu Art18 Abs1 B-VG als verfassungswidrig aufzuheben.
Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur Kundmachung der Aufhebung ergibt sich aus Art140 Abs5 B-VG. Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, stützt sich auf Art140 Abs6 B-VG.
5.1. Die Bedenken gegen die EKZ-VO legte der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluß wie folgt dar:
"Gegen die EKZ-VO hegt der Verfassungsgerichtshof vorläufig einerseits das Bedenken, daß sie aufgrund einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung erlassen wurde. Andererseits nimmt der Verfassungsgerichtshof vorläufig an, daß die in der Verordnung enthaltenen Kenngrößen und Beurteilungsmaßstäbe in einer nicht nachvollziehbar auf das Gesetz rückführbaren Weise geregelt wurden.
Beispielsweise ist für den Verfassungsgerichtshof nicht nachvollziehbar, weshalb gemäß §2 der EKZ-VO erhebliche Nachteile für die bestehenden Versorgungsstrukturen im Sinne des §77 Abs6 GewO 1994 - und zwar in jedem Handelsbereich in gleicher Weise - dann zu erwarten sind, wenn der prognostizierte Umsatz 5% des einzelhandelsrelevanten Umsatzpotentials im Einzugsgebiet des Projekts übersteigt. Betrachtet man beispielsweise den Anlaßfall, so ließe nach diesem Berechnungsmodell bereits ein Projekt mit einer Verkaufsfläche von knapp über 300 m2 erhebliche Nachteile für die bestehenden Versorgungsstrukturen erwarten, obwohl die Bestimmungen des §77 Abs5 bis 7 GewO 1994 erst ab einer Größe von 800 m2 zum Tragen kommen.
Dem Verfassungsgerichtshof scheint daher die Abschöpfungsquote von 5% in §2 der EKZ-VO willkürlich gegriffen zu sein. Die EKZ-VO scheint auch deswegen für die Zielerreichung nicht geeignet zu sein, weil Anlagen, welche eine größere Gesamtverkaufsfläche als 800 m2 aufweisen, auch dann nicht genehmigt werden dürften, wenn im Einzugsgebiet überhaupt keine Nahversorgungseinrichtungen existieren.
Weiters scheint die Umschreibung des Einzugsbereichs im §3 Abs4 der EKZ-VO mit jenem örtlichen Bereich, von dem aus die Betriebsanlage mit einem Personenkraftwagen bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb von zehn Minuten erreichbar ist, den Vorgaben des §77 Abs5 Z2 GewO 1994 nicht zu entsprechen. Denn die Verordnung legt den Einzugsbereich für jeden Handelsbetrieb in gleicher Weise fest und nimmt auf Besonderheiten, wie beispielsweise das Warensortiment oder die Lage des Handelsbetriebes (wie zB bei Vösendorf am Stadtrand von Wien und nahe der Grenzen zu Nachbarstaaten) keine Rücksicht. Der Verfassungsgerichtshof kann vorerst nicht erkennen, daß eine einheitliche - wie in §3 Abs4 der EKZ-VO vorgenommene - Regelung des Einzugsbereichs ohne Bezugnahme auf die verschiedenen Handelsbranchen und regionalen Unterschiede sachlich gerechtfertigt werden kann. Würde die EKZ-VO eine regionale und branchenbezogene Differenzierung zulassen, könnte auch eine adäquate Abschöpfungsquote festgelegt und somit den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten Rechnung getragen werden. Im Verordnungsprüfungsverfahren wird daher zu erörtern sein, inwieweit die tatsächlichen Annahmen, die der Verordnung zugrunde liegen, einer sachlich gerechtfertigten Zugrundelegung anerkannter branchenbezogener Erfahrungswerte entsprechen.
Außerdem bezweifelt der Verfassungsgerichtshof vorläufig, daß der durch die EKZ-VO verfügte Konkurrenzschutz überhaupt geeignet ist, die klaglose Versorgung der Bevölkerung mit Waren aller Art sicherzustellen. Die Verweigerung der Betriebsanlagengenehmigung im Fall der Gefährdung der Nahversorgung allein scheint nämlich ein derartiges Ziel nicht zu erreichen. Sie vermag zwar das Entstehen eines bestimmten Handelsbetriebes an einem bestimmten Standort zu verhindern, kann allerdings nicht erreichen, daß im Einzugsgebiet des beabsichtigten Handelsbetriebes Versorgungsbetriebe vorhanden sind, die den Bedarf nach bestimmten Wirtschaftsgütern befriedigen."
5.2. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten verteidigte die in Prüfung gezogene Verordnung mit folgenden Argumenten:
Auf Grund der Verordnungsermächtigung in §77 Abs6 GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 63/1997 habe der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten die entsprechenden Kenngrößen und Beurteilungsmaßstäbe unter Zugrundelegung der anerkannten branchenbezogenen Erfahrungswerte nach Anhörung der Wirtschaftskammer Österreich und der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte erhoben. In der Entstehungsphase der Verordnung hätten umfangreiche Beratungen mit den Sozialpartnern unter Beiziehung einschlägiger Experten stattgefunden; die Ergebnisse dieser Beratungen sowie einer Studie von
Univ. Prof. Dr. Schneider seien der Verordnung zugrundegelegt worden.
Zur Frage der Unsachlichkeit der Regelungen betreffend die 5%-Schwelle und der Festlegung des Einzugsbereiches:
Wie der Verfassungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen habe, setze der Gleichheitsgrundsatz dem einfachen Gesetzgeber insofern inhaltliche Schranken, als er verbiete, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen. Dem Gesetzgeber sei es aber von Verfassungs wegen - außer im Fall eines Exzesses - durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Weise zu verfolgen. Ob eine Regelung zweckmäßig sei oder gar, ob mit ihr der optimale Weg zur Zielerreichung beschritten werde, seien Fragen, die nicht vom Verfassungsgerichtshof unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgebotes zu beurteilen seien. Der Gesetzgeber dürfe nur die ihm von Verfassungs wegen gesetzten Schranken nicht überschreiten. Dies sei nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes insbesondere dann der Fall, wenn er das sich aus dem Gleichheitsgebot ergebende Sachlichkeitsgebot verletze, wenn er also beispielsweise zur Zielerreichung völlig ungeeignete Mittel vorsehe oder wenn die vorgesehenen an sich geeigneten Mittel zu einer sachlich nicht begründbaren Differenzierung führten (VfSlg. 13576/1993 und andere).
Die in Prüfung gezogenen Regelungen entsprächen den Anforderungen, die der Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur zum Gleichheitsgrundsatz entwickelt hat. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten sei verpflichtet gewesen, auf Grund des vom Gesetzgeber erteilten Auftrages der sich abzeichnenden Gefährdung der Nahversorgungssituation in Österreich wirkungsvoll entgegenzutreten. Wie in einer Studie des Institutes für Absatzwirtschaft/Warenhandel der Wirtschaftsuniversität Wien festgestellt worden sei, stelle die EKZ-VO keineswegs ein "zahnloses" Konstrukt dar, sondern sei sehr wohl in der Lage, künftige Agglomerationstendenzen von Einzelhandelsbetrieben zu unterbinden. Zu diesem Ergebnis seien die Autoren auf Grund jener Berechnungen gelangt, die auf der Grundlage der Regelungen der EKZ-VO für beispielhaft angeführte, bereits bestehende Einkaufszentren, durchgeführt wurden. Daraus gehe hervor, daß die durch die Verordnung getroffenen Regelungen (Berechnungsmethoden und Daten) ein geeignetes Mittel darstellten, den Wildwuchs an Einkaufszentren auf der grünen Wiese zu unterbinden. Sowohl die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen als auch die Verordnung sähen eine sachlich begründbare Differenzierung zwischen Einkaufszentren, die auf der "grünen Wiese" geplant sind und solchen, die in einem Stadt- und Ortskerngebiet errichtet werden sollen, vor. Um dem Ziel der Nahversorgung entsprechen zu können, sei daher ein Ausgleich zwischen den Wettbewerbsvorteilen von großen Anbietern auf der "grünen Wiese" (niedriger Grundpreis, Externalisierung der Kosten, die durch ein erhöhtes Verkehrsaufkommen und eine durch die Allgemeinheit zu errichtende Infrastruktur entstehen) und Anbietern in gewachsenen Stadt- und Ortskernen notwendig.
Wie Univ. Prof. Dr. Schneider in seiner Studie zur EKZ-VO festgehalten habe, seien bereits bei einem Umverteilungswert von weniger als 10% erhebliche Folgen für den Wettbewerb und damit für die Nahversorgung wahrscheinlich. Als Kennzahl für den Tatbestand "Gefährdung der Nahversorgung" sollte daher ein Wert von max. 10% Umsatzabschöpfung angesetzt werden. Auf Grund dieser Aussagen zur Erheblichkeit sei die Umsatzabschöpfung in der Verordnung mit 5% festgelegt worden.
Ziel der gesamten Nahversorgungsregelungen (Gesetz und Verordnung) sei es, die Ansiedlung von Handelsbetrieben in Kerngebieten zu fördern, um im Sinne der Nahversorgung ein Einkaufserlebnis in funktionierenden Stadt- und in Ortskernen zu ermöglichen. Dadurch, daß die Ansiedlung von Einkaufszentren auf der "grünen Wiese" auf Grund einer genauen Prüfung hinsichtlich der Nahversorgungsstrukturen erschwert worden sei, werde kleinen und mittleren Betrieben die Möglichkeit geboten, sich in einem Kerngebiet anzusiedeln, wodurch ein wesentlicher Beitrag zur Sicherung der Nahversorgung geleistet werde.
5.3. Die im Anlaßbeschwerdeverfahren beschwerdeführende Gesellschaft erstattete eine Äußerung, in der sie den Argumenten der Bundesregierung folgendes entgegenhält:
Die erwähnte Studie von Univ. Prof. Dr. Schneider sei der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht bekannt und offenbar der Äußerung auch nicht beigelegt. Der Autor dürfte sich auf eine Umsatzabschöpfungsquote von 10% festgelegt haben, was bedeute, daß er gegenüber der EKZ-VO immerhin die doppelte Verkaufsfläche fachlich zulasse. In diesem Zusammenhang verweise die beschwerdeführende Gesellschaft darauf, daß in der Bundesrepublik Deutschland eine Umsatzabschöpfungsquote von 10% ebenfalls als "unschädlich" angesehen werde (so die bundesdeutsche Rechtsprechung, dargestellt bei Otting, Factory Outlet Center und interkommunales Abstimmungsgebot, DVBI 1999, 595 ff). Selbstverständlich könne bei einem handelswissenschaftlich (möglicherweise) untermauerten Wert von 10% nicht ohne weitere Begründung darauf geschlossen werden, daß auch 5% noch im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers liegen. Da die 10% bereits sehr niedrig angenommen seien, bedürfte es für deren Halbierung einer besonderen Rechtfertigung, die aus der Äußerung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten nicht hervorgehe.
Nochmals werde daran erinnert, daß in einem Vorentwurf zur Verordnung von 25% bzw. 40% Abschöpfungsquote ausgegangen worden sei, die wiederum auf einen Erlaß des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen zurückgehen dürften. Offenbar habe der Verordnungsgeber dann "fünf vor zwölf" auf die 5%-ige Umsatzabschöpfungsquote eingeschwenkt; die Motive dafür seien nach wie vor unklar. Von der Frage der Abschöpfungsquote abgesehen, gehe der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die im Prüfungsbeschluß näher ausgeführten Gesetzmäßigkeitsbedenken nicht ein. So werde in keiner Weise zur Frage Stellung genommen, warum großflächige Handelsbetriebe auch dann unzulässig seien, wenn im Einzugsgebiet keine Nahversorgungseinrichtungen existierten. Auch die undifferenzierte Beschreibung des Einzugsgebietes, also das Fehlen einer regionalen oder branchenbezogenen Differenzierung, werde nicht weiter kommentiert. Schließlich werde auch nicht dargetan, weshalb der durch die Verordnung verfügte Konkurrenzschutz geeignet sein soll, die Nahversorgung zu stützen. Der logische Schluß, daß ein Konkurrenzschutz iS einer Verhinderung künftiger Betriebsansiedlungen die Erhaltung oder Schaffung einer geeigneten Nahversorgungsstruktur begünstige, sei in keiner Weise zwingend.
5.4. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits unter Punkt IV.,
4.1.2. ausgeführt hat, ist §77 Abs5 Z2 und Abs6 GewO 1994 verfassungskonform dahingehend zu interpretieren, daß unter Gefährdung der Nahversorgung jene der Versorgung mit Konsumgütern und Dienstleistungen, die "täglich" oder kurzfristig nachgefragt werden, zu verstehen ist.
Der vom Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluß angenommene Widerspruch des durch die "EKZ-Regelungen" bewirkten allgemeinen Konkurrenzschutzes für bestehende Betriebe zu Art6 StGG ist daher nicht §77 Abs5 Z2 und Abs6 GewO 1994 anzulasten, sondern der auf Grund dieser Bestimmung erlassenen EKZ-VO.
Die EKZ-VO hat - ausgehend von einem dem Art6 StGG widersprechenden Verständnis des §77 Abs5 Z2 und Abs6 GewO 1994 mit Ausnahme der in der Anlage 1 genannten Waren (Campingartikel, Kraftfahrzeuge, Kraftfahrzeugzubehör und Landmaschinen) auch Waren in den Anwendungsbereich der "EKZ-Regelung" einbezogen, die für die Nahversorgung der Bevölkerung keine Bedeutung haben und damit den allgemeinen Konkurrenzschutz für Güter und Dienstleistungen jedweder Art bewirkt. Sie verhindert weiters durch Festlegung einer niedrigen Abschöpfungsquote von 5 % im Effekt die Neuerrichtung von Einkaufszentren für Güter und Dienstleistungen jedweder Art, und zwar auch von solchen Einkaufszentren, die keine negative Auswirkung auf die Nahversorgung der Bevölkerung haben. Sie bewirkt außerdem im Effekt einen Konkurrenzschutz für bestehende Einkaufszentren.
Für die Erlassung einer derart ausgestalteten Verordnung fehlte die gesetzliche Grundlage, weshalb die gesamte Einkaufszentren-Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben war.
5.5. Die Verpflichtung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten zur Kundmachung der Aufhebung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG. Der Ausspruch über die Fristsetzung beruht auf Art139 Abs5 B-VG.
6. Diese Entscheidungen konnten gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen werden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)