European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0020OB00163.24W.0121.001
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Begründung:
[1] In seinem Testament vom 28. 8. 2019 setzte der Verstorbene seinen Enkel zum Alleinerben ein, verwies seine Tochter auf den Pflichtteil, ordnete Vermächtnisse zugunsten seiner Lebensgefährtin an, traf Anordnungen für seine Bestattung und ernannte den Revisionsrekurswerber zum Testamentsvollstrecker.
[2] Der Testamentsvollstrecker ersuchte den Gerichtskommissär, eine Kopie der Todesfallaufnahme zu erhalten und zu Tagsatzungen geladen zu werden. Dies wurde ihm vom Gerichtskommissär mit der Begründung verweigert, dass die Parteien die Übernahme der Aufgabe des Testamentsvollstreckers durch ihn abgelehnt hätten.
[3] Die Tagsatzung vom 14. 3. 2024, in welcher der Enkel des Verstorbenen eine bedingte Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass abgab, das Inventar errichtet und ein Pflichtteilsübereinkommen mit der schutzberechtigten Tochter des Verstorbenen abgeschlossen wurde, fand deshalb ohne den Testamentsvollstrecker statt. Außerdem ersuchten die Parteien das Gericht, den Testamentsvollstrecker auch dem weiteren Verfahren nicht beizuziehen.
[4] Mit dem angefochtenen Beschluss antwortete das Erstgericht die Verlassenschaft aufgrund des Testaments dem Enkel des Verstorbenen ein, nahm das mit Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 3. 5. 2024 zu 8 P 1/14v pflegschaftsgerichtlich genehmigte Pflichtteilsübereinkommen zur Kenntnis und bestimmte die Kosten des Gerichtskommissärs. Der Testamentsvollstrecker war dem Verfahren nicht beigezogen worden.
[5] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Testamentsvollstreckers, mit dem er die Aufhebung der Einantwortung und seine Beiziehung zum Verlassenschaftsverfahren anstrebte, nicht Folge. Der Testamentsvollstrecker hätte dem Verfahren zwar beigezogen werden müssen, doch habe er nicht dargelegt, inwieweit dadurch ein anderes Verfahrensergebnis zu erwarten gewesen wäre.
[6] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Testamentsvollstreckers mit dem Antrag, den angefochtenen Einantwortungsbeschluss aufzuheben.
[7] Der Enkel des Verstorbenen hat von der ihm durch den Obersten Gerichtshof freigestellten Möglichkeit einer Revisionsrekursbeantwortung keinen Gebrauch gemacht.
Rechtliche Beurteilung
[8] Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung zulässig und auch berechtigt.
[9] 1. Der Testamentsvollstrecker wird nicht vom Gericht bestellt, sondern vom Erblasser ernannt. Die Ernennung muss in einem formgültigen letzten Willen, also in einem Testament oder Kodizill erfolgen (RS0118094 [T1]). Der vom Erblasser bestimmte Testamentsvollstrecker hat gemäß § 816 ABGB als Machthaber für die Vollziehung der Anordnung des Erblassers zu sorgen (RS0013114). Seine Aufgabe ist, die Durchführung des letzten Willens des Verstorbenen zu überwachen und dabei das Abhandlungsgericht zu unterstützen (RS0006748 [T6, T11]). Darüber hinaus hat der Testamentsvollstrecker auch noch nach Rechtskraft der Einantwortung die Einhaltung der Auflagen des Verstorbenen zu überwachen (RS0106750 [T1]).
[10] 2. Der Erblasser kann den Testamentsvollstrecker auch mit der Nachlassverwaltung betrauen (RS0006748 [T9]). Nur diese Verwaltungsfunktionen können ihm von den Erben entzogen werden, nicht aber sein Amt schlechthin (RS0123356). Die in Überwachungs‑ und Betreibungsaufgaben bestehende Funktion des Testamentsvollstreckers ist nämlich grundsätzlich unwiderruflich und unkündbar (RS0006748 [T10]). Nur wenn ein wichtiger Grund vorliegt, kann das Verlassenschaftsgericht den Testamentsvollstrecker abberufen (RS0013115; RS0123356). Eine solche Abberufung des Testamentsvollstreckers ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt.
[11] 3. Dem Testamentsvollstrecker kommt im Verlassenschaftsverfahren eine auf seinen Aufgabenbereich beschränkte Parteistellung zu (2 Ob 124/18a Punkt 6. mwN; 2 Ob 61/24w Rz 4 mwN). Er ist in diesem Rahmen zu den Tagsatzungen im Abhandlungsverfahren zu laden und kann dort auch Anträge stellen. Er ist ferner berechtigt Rekurs zu erheben, wenn er darin behauptet, dass der bekämpfte Beschluss gegen Anordnungen des Erblassers verstößt (RS0106750). Der Testamentsvollstrecker wäre deshalb, wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, dem Verlassenschaftsverfahren beizuziehen gewesen, um ihm seine Aufgaben im Zusammenhang mit der Durchsetzung der letztwilligen Anordnungen des Verstorbenen zu ermöglichen.
[12] 4. Der hier zu beurteilende gänzliche Ausschluss des Testamentsvollstreckers vom Verlassenschaftsverfahren begründet eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs nach § 58 Abs 1 Z 1 iVm § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG. Dies kann im Revisionsrekursverfahren ungeachtet der Verneinung dieses Verfahrensmangels durch das Rekursgericht aufgegriffen werden (RS0121265 [T4]). Zum Vorwurf des Rekursgerichts, er habe die Relevanz des von ihm behaupteten Verfahrensmangels nicht hinreichend dargelegt (vgl RS0120213 [T14, T21]), führt der Testamentsvollstrecker im Revisionsrekurs aus, dass ihm nicht nur eine Beteiligung am Verfahren verweigert, sondern auch die Akteneinsicht verwehrt worden sei, sodass ihm auch die Möglichkeit genommen worden sei, die möglichen Auswirkungen seiner Nichtbeiziehung aufzuzeigen.
[13] 5. Damit zeigt der Testamentsvollstrecker zutreffend auf, dass sein gänzlicher Ausschluss vom Verlassenschaftsverfahren jedenfalls dazu führen musste, dass er die ihm übertragenen Überwachungsaufgaben bislang nicht wahrnehmen konnte, sodass ein Einfluss auf die Entscheidung schon aus diesem Grund nicht ausgeschlossen werden kann. Eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen ist damit unumgänglich. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht den Testamentsvollstrecker dem Verfahren beiziehen und ihm die Möglichkeit einräumen müssen, seine Überwachungsaufgaben wahrzunehmen, um sodann neuerlich über die Einantwortung zu entscheiden.
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