OGH 17Ob20/24a

OGH17Ob20/24a18.12.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Präsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Stefula und MMag. Sloboda, die Hofrätin Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch die LIKAR Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Mag. Michael Ludwig Lang, M.B.L.‑HSG, Rechtsanwalt, Krugerstraße 13, 1010 Wien, als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der G* GmbH, *, wegen (zuletzt) Feststellung einer Insolvenzforderung, über den (richtig) Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 3. September 2024, GZ 18 R 120/24m‑66, mit dem infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 27. März 2024, GZ 14 C 448/21s‑59, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0170OB00020.24A.1218.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Insolvenzrecht, Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Über das Vermögen der G* GmbH (in der Folge: Schuldnerin) wurde mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 7. 7. 2022 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

[2] Die Klägerin begehrte mit Klage vom 26. 5. 2021 die Zahlung von 11.500 EUR sA aus einem von ihr mit der nunmehrigen Schuldnerin abgeschlossenen Vertrag über die Gewährung eines qualifizierten Nachrangdarlehens in Höhe von 10.000 EUR mit einer Laufzeit von 24 Monaten und einer Verzinsung von 7,5 % pa (zur Entscheidung im ersten Rechtsgang siehe 3 Ob 222/22a). Neben der behaupteten Fälligkeit der Rückzahlung des Darlehens samt Verzinsung stützte sie sich (unter anderem) auch auf die Intransparenz der vereinbarten Darlehensbedingungen, die Sittenwidrigkeit des Geschäftsmodells, arglistige Täuschung, mangelhafte Aufklärung sowie Aufhebung des Vertrags aus wichtigem Grund.

[3] Im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin meldete die Klägerin am 29. 7. 2022 eine näher aufgeschlüsselte unbedingte Insolvenzforderung von insgesamt 16.101,74 EUR (darin Verfahrenskosten und Zinsen bis zur Insolvenzeröffnung) aus dem von ihr der Schuldnerin gewährten Nachrangdarlehen unter Hinweis auf das anhängige Verfahren an.

[4] Nach Aufnahme des infolge Insolvenzeröffnung unterbrochen gewesenen Verfahrens stellte die Klägerin ihr Begehren auf Feststellung einer unbedingten Insolvenzforderung von 16.101,74 EUR um und konkretisierte ihr bis dahin erstattetes Vorbringen zum sittenwidrigen Geschäftsmodell der Schuldnerin.

[5] Das Erstgericht wies die Klage im zweiten Rechtsgang wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück.

[6] Gegenstand des Prüfungsprozesses sei ausschließlich die angemeldete Forderung und das Begehren könne nur auf den Grund gestützt werden, der in der Anmeldung angegeben worden sei. Die mangelnde rechtliche Schlüssigkeit der Forderungsanmeldung könne der Gläubiger nicht nachträglich sanieren. Soweit die Klägerin einerseits die Rückzahlung des Darlehens samt Zinsen begehre und sich andererseits auf die Rückabwicklung des Vertrags stütze, sei die Forderungsanmeldung unschlüssig. Soweit sie die Rückzahlung auf vertraglicher Grundlage fordere, sei die Zahlung nicht fällig.

[7] Das Rekursgericht gab dem Rekurs Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf.

[8] Die Forderungsanmeldung müsse alle anspruchsbegründenden Tatsachen enthalten, auf die später die Feststellungsklage gestützt werde. Diesen Anforderungen entspreche die Forderungsanmeldung der Klägerin. Der geltend gemachte Betrag sei detailliert aufgeschlüsselt und die anspruchsbegründenden Tatsachen für einen vertraglichen Anspruch und im Fall von dessen Nichtigkeit für einen Kondiktionsanspruch seien entsprechend vorgebracht. Soweit die Forderung allenfalls überhöht angemeldet worden sei, handle es sich nicht um eine Frage der Schlüssigkeit, sondern der Berechtigung des Klagebegehrens.

[9] Der Rekurs sei zulässig, weil der Auslegung der zu beurteilenden Forderungsanmeldung im Hinblick auf die Vielzahl anhängiger Verfahren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

[10] Der (richtig) Revisionsrekurs des Beklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig, weil er das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht aufzeigt:

[11] 1. Voranzustellen ist, dass bei einem „aufhebenden“ Beschluss des Rekursgerichts, mit dem ein Zurückweisungsbeschluss des Erstgerichts beseitigt wird, der wegen des Fehlens prozessualer Voraussetzungen ergangen war, es sich in Wahrheit nicht um eine „aufhebende“, sondern um eine abändernde Entscheidung handelt. Auf eine solche Entscheidung ist § 527 Abs 2 ZPO nicht anwendbar, sodass sie nach Maßgabe des § 528 ZPO anfechtbar ist (4 Ob 17/23p [Rz 25] mwH; vgl auch Sloboda in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 IV/I [2019] § 527 ZPO Rz 12, 16; G. Kodek in Kodek/Oberhammer, ZPO‑ON [2023] § 527 Rz 2, 12).

[12] 2. Der Umstand allein, dass die zu lösenden Rechtsfragen – angeblich – in einer Vielzahl von Fällen auftreten, bewirkt nicht deren Erheblichkeit iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0042816).

[13] 3. Die Forderungsanmeldung nach § 103 IO hat ähnliche Aufgaben wie eine Klage. Sie hat selbst die anspruchsbegründenden Tatsachen zu enthalten, aber eine rechtliche Qualifikation ist darin nicht vorzunehmen (vgl RS0089657 [insb T1, T2]). Wesentliche Zielrichtung ist es in diesem Zusammenhang, den anderen Beteiligten die Beurteilung der Forderung und die Feststellung der Identität zwischen der angemeldeten Forderung und dem in der Feststellungsklage nach § 110 IO geltend gemachten Anspruch zu ermöglichen (7 Ob 6/16g). Wird in der Forderungsanmeldung auf einen bereits anhängigen Prozess Bezug genommen (§ 103 Abs 2 IO), ermöglicht in der Regel schon diese Bezugnahme, dass sich der Insolvenzverwalter über die näheren anspruchsbegründenden Tatsachen unschwer unterrichten kann (8 Ob 262/00p).

[14] Das Klagebegehren im Prüfungsprozess kann nur auf den Grund gestützt werden, der in der Anmeldung und bei der Prüfungstagsatzung angegeben worden ist, denn die ordnungsgemäße Abwicklung des Prüfungsverfahrens erfordert, dass es keinen Prüfungsprozess ohne vorhergehende Forderungsanmeldung gibt; es gibt daher im Prüfungsprozess keine Erweiterung oder Änderung des Klagsgegenstands und auch keine Klagsänderung. Bloße Ergänzungen im Tatsachenvorbringen oder im Beweisanbot iSd § 235 Abs 4 ZPO sind hingegen zulässig, sofern die Forderung schon in der Anmeldung eindeutig individualisiert wurde (RS0039281 [insb auch T18]).

[15] 4. Die Frage, ob die Anmeldung als ausreichend anzusehen ist, kann nur nach dem Inhalt der jeweiligen Behauptungen im Einzelfall beurteilt werden und stellt somit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0089657 [T17]).

[16] 4.1. Der vom Erstgericht festgestellte Wortlaut der Forderungsanmeldung umfasst – neben der Bezugnahme auf das bereits anhängige Verfahren (§ 103 Abs 2 IO) – (auch) die Behauptungen, das Modell der Schuldnerin sei „sittenwidrig“ gewesen und die Klägerin sei „über die Bonität und das Geschäftsmodell getäuscht“ worden. Es habe niemals die ernsthafte Absicht bestanden, die Darlehen aus operativen Gewinnen zurückzuzahlen. Wenn das Rekursgericht dieses Vorbringen als hinreichend schlüssig erachtete, so ist dies nicht korrekturbedürftig. Die Argumentation des Beklagten, wonach sich die Klägerin in der Forderungsanmeldung „nur“ auf die Darlehensforderung gestützt habe, übergeht gerade jene Textpassagen der Forderungsanmeldung, die über die Bezeichnung der Forderung als „Darlehen“ hinausgehen.

[17] 4.2. Im Übrigen tritt der Beklagte den Rechtsausführungen des Rekursgerichts zur Schlüssigkeit des Vorbringens in der Forderungsanmeldung nur mit dem einer gesetzmäßigen Ausführung nicht genügenden pauschalen Hinweis auf die Unrichtigkeit dieser rechtlichen Beurteilung entgegen (vgl RS0043603 [T9]).

[18] 4.3. Soweit sich der Beklagte auf eine – nicht veröffentlichte – Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien zu einem anderen Gläubiger der Schuldnerin stützt, lässt sich seinen Ausführungen nicht entnehmen, welche Formulierung die dort zu beurteilende Forderungsanmeldung hatte. Auch damit wird daher keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

[19] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses nicht hingewiesen und auch nicht dessen Zurückweisung beantragt. Sie hat daher die Kosten der Rekursbeantwortung selbst zu tragen (RS0035962 [T20]).

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