OGH 7Ob6/16g

OGH7Ob6/16g16.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei MMag. B***** P*****, als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen des N***** O*****, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Mahringer Steinwender Bestebner Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. November 2015, GZ 3 R 53/15h‑13, womit das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 17. Juni 2015, GZ 56 Cg 4/15m‑8, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil lautet:

„Das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass die seitens der beklagten Partei im Konkursverfahren über das Vermögen des N***** O***** AZ ***** des Landesgerichts Wiener Neustadt angemeldete Forderung in einem Teilbetrag von 5.897,74 EUR erloschen sei und in dieser Höhe nicht zu Recht bestehe, wird abgewiesen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.995,94 EUR (darin enthalten 461,82 EUR an USt und 1.225 EUR an Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

N***** O***** (in der Folge: Schuldner) schloss im Jahr 2011 mit der beklagten Bank einen Kreditvertrag zur Finanzierung eines Fahrzeugs ab. Zu dessen Besicherung wurde die Abtretung des Eigentumsvorbehalts des Fahrzeugverkäufers an die Beklagte vereinbart.

In dem zunächst über das Vermögen des Schuldners am 12. 11. 2013 eröffneten Konkursverfahren AZ *****/13y des Landesgerichts Wiener Neustadt meldete die Beklagte eine offene Forderung von 33.364,32 EUR aus dem Kreditvertrag an. Der damalige Masseverwalter anerkannte diese ‑ vom Schuldner nicht bestrittene - Forderung, führte das Unternehmen des Schuldners fort und erklärte, in den zwischen dem Schuldner und der Beklagten geschlossenen Kreditvertrag einzutreten. Infolge rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplans, worin sich der Schuldner zur Zahlung einer Quote von insgesamt 22 % verpflichtete, wurde das Konkursverfahren aufgehoben. Der Schuldner zahlte nur die erste Teilquote von 8 %.

In dem nun über das Vermögen des Schuldners am 22. 10. 2014 eröffneten Konkursverfahren AZ *****/14h des Landesgerichts Wiener Neustadt wurde die Klägerin zur Masseverwalterin bestellt. Die Beklagte meldete eine offene Kreditforderung aus demselben Kreditvertrag von 27.130,79 EUR ohne Verweis auf eine Titulierung an und legte einen Kontoauszug vor, der Buchungen vom ursprünglichen Vertragsbeginn bis kurz vor Eröffnung des zweiten Konkursverfahrens aufwies. Das von der Klägerin vorgelegte Anmeldungsverzeichnis enthielt unter der Rubrik „Rechtsgrund d. Forderung“ bei der Forderung der Beklagten keinen Verweis auf eine Judikatschuld, als Rechtsgrund wurde nur „Kreditforderungen“ angeführt. In der Spalte „Anmerkungen“ wurde darauf verwiesen, dass eine „teilweise wiederaufgelebte Forderung enthalten“ sei. In der Prüfungstagsatzung hat die Klägerin die von der Beklagten angemeldete Forderung zur Gänze bestritten. Nach Verwertung des Fahrzeugs schränkte die Beklagte die angemeldete Forderung auf 6.248,97 EUR ein.

Die Klägerin begehrte mit ihrer - innerhalb der vom Konkursgericht gesetzten Klagsfrist eingebrachten - Klage die Feststellung des Erlöschens der von der Beklagten angemeldeten Forderung im Umfang von 5.897,74 EUR. Die in der Vorinsolvenz anerkannte Forderung sei im Verhältnis des bezahlten Betrags zu dem nach dem Sanierungsplan zu zahlenden Betrag, demnach im Ausmaß von 36,36 % getilgt. Im Umfang von 63,64 %, das seien 21.233,05 EUR, sei es hingegen zu einem Wiederaufleben dieser Forderung gekommen. Der Differenzbetrag von 5.897,74 EUR zur (ursprünglichen) Forderungsanmeldung der Beklagten stehe dieser nicht zu.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. In der Vorinsolvenz habe der Masseverwalter das Unternehmen des Schuldners weitergeführt. Er sei in das Vertragsverhältnis gemäß § 21 IO eingetreten und habe auch die monatlich fälligen Kreditraten bedient. Die Zahlungsverpflichtungen aus dem Vertrag hätten aus diesem Grund eine Masseforderung dargestellt, die auch im Fall eines Sanierungsplans voll zu erfüllen seien.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Der Vertragseintritt des Masseverwalters in der Vorinsolvenz ändere nichts daran, dass die im Sanierungsplan rechtskräftig festgestellten Forderungen lediglich mit der Quote zu befriedigen seien. Bei bloß teilweiser Bezahlung der Quote erfolge ein Wiederaufleben im Sinn des § 156a IO.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und ließ die ordentliche Revision zu. Es verneinte die Anwendungsvoraussetzungen des § 21 Abs 1 IO beim hier vorliegenden drittfinanzierten Kauf, deren Klärung eine erhebliche Rechtsfrage sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch im Ergebnis berechtigt.

1. Die als erheblich bezeichnete Rechtsfrage stellt sich nicht, weil der klagenden Masseverwalterin die Sachlegitimation zur Klagsführung fehlt.

2. Im Revisionsverfahren ist unstrittig, dass es sich bei der zu beurteilenden Forderung um eine Insolvenzforderung handelt. Streitigkeiten über - wie hier - die Richtigkeit angemeldeter Forderungen, für die der Rechtsweg zulässig ist und die im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht gerichtsanhängig sind, sind in einem eigenen Prüfungsverfahren nach § 110 IO auszutragen (Konecny in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 110 KO Rz 1 f).

Die Parteirollen werden durch § 110 IO selbst festgelegt, also ausschließlich durch das Gesetz verteilt, nicht durch richterlichen Beschluss (Konecny aaO § 110 KO Rz 17; G. Kodek in Bartsch/Pollak/Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht IV4 § 110 KO Rz 30). Nach dessen Abs 1 hat der anmeldende Gläubiger alle Bestreitenden zu klagen; nach Abs 2 hingegen ist dem Bestreitenden die Klägerrolle zugewiesen, wenn er eine bereits vollstreckbare Forderung bekämpfen will. Dem Insolvenzgericht ist durch § 110 Abs 4 IO ausschließlich die Entscheidungsbefugnis eingeräumt, die Klagsfrist zu bemessen (vgl RIS‑Justiz RS0065636; Konecny aaO Rz 17; G. Kodek aaO).

Die Frage der Aktivlegitimation oder Passivlegitimation ist zwar in der Regel nur auf Einwendung und nicht von Amts wegen zu prüfen (RIS‑Justiz RS0065553). Davon ausgenommen sind jedoch diejenigen Fälle, in denen sich die Prozessgesetze mit der Legitimation beschäftigen. Demnach findet ua im Prüfungsprozess nach § 110 IO eine amtswegige Prüfung der Legitimation statt (5 Ob 103/72 = EvBl 1972/350; 1 Ob 625/56 = SZ 30/38; vgl RIS‑Justiz RS0065553).

Die Klägerin bezieht sich in ihrer Klagsführung auf eine titulierte Forderung (vgl § 61 IO), die ihr nach § 110 Abs 2 IO die Klägerrolle zuweisen würde. Angemeldet wurde aber eine Forderung, ohne dass sie als tituliert bezeichnet wurde, weil die Beklagte der Meinung ist, sie mache eine ehemalige Masseforderung geltend.

3.1. Gemäß § 110 Abs 1 IO kann das Klagebegehren in einem Prüfungsprozess nur auf die Gründe, die in der Anmeldung und bei der Prüfungstagsatzung angegeben wurden, gestützt und nicht auf einen höheren Betrag gerichtet werden. § 103 Abs 1 IO bestimmt zum Inhalt der Anmeldung, dass diese den Betrag der Forderung und die Tatsachen, auf die sie sich gründet, sowie die in Anspruch genommene Rangordnung anzugeben und die Beweismittel zu bezeichnen hat.

Im Prüfungsprozess nach § 110 IO können also nur solche bestrittenen Forderungen geltend gemacht werden, die schon in der Anmeldung ausreichend substantiiert und konkretisiert wurden (RIS‑Justiz RS0065597). Dabei wird auch davon ausgegangen, dass die Forderungsanmeldung im Wesentlichen ähnliche Aufgaben wie eine Klage hat und in ihrem Inhalt daher den Erfordernissen des § 226 ZPO für die Klage ähnlich ist (RIS‑Justiz RS0089657). Wesentliche Zielrichtung ist es in diesem Zusammenhang, den anderen Beteiligten die Beurteilung der Forderung zu ermöglichen (RIS‑Justiz RS0065449) und auch die Identität der in einer darauffolgenden Feststellungsklage nach § 110 IO geltend gemachten Ansprüche feststellen zu können (RIS‑Justiz RS0089657 [T3]). Nur so kann auch beurteilt werden, ob im nachfolgenden Prüfungsprozess nicht eine Änderung über die Forderungsanmeldung vorliegt, die als unzulässig zu beurteilen wäre (vgl RIS‑Justiz RS0039281).

Nicht erforderlich ist es, eine rechtliche Qualifikation vorzunehmen (Konecny aaO § 103 KO Rz 5; G. Kodek aaO § 103 KO Rz 10). Es müssen aber die anspruchsbegründenden Tatsachen dargelegt werden (Konecny aaO; G. Kodek aaO § 103 KO Rz 11). Bei vollstreckbaren Forderungen ist der Exekutionstitel anzugeben; so kann der Gläubiger die Anspruchsexistenz in oft besonders qualifizierter Form nachweisen und sich insbesondere für den Bestreitungsfall die Beklagtenrolle sichern (Konecny aaO § 103 KO Rz 8).

In einer Prüfungsklage nach § 110 IO sind alle Änderungen unzulässig, die einer den Streitgegenstand modifizierenden Klagsänderung nach § 235 ZPO gleichkommen würden. Bloße Ergänzungen im Tatsachenvorbringen oder im Beweisanbot im Sinn des § 235 Abs 4 ZPO sind dagegen zulässig, sofern die Forderung schon in der Anmeldung eindeutig individualisiert wurde (RIS‑Justiz RS0065597 [T2], RS0039281 [T17]).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens einer vollstreckbaren Forderung ist die Prüfungstagsatzung, in der die betreffende Forderung geprüft wurde, weil wegen der laufenden Klagsfrist des § 110 Abs 4 IO Klarheit darüber herrschen muss, wer gegen wen vorzugehen hat (Konecny aaO § 110 KO Rz 22; G. Kodek aaO § 110 KO Rz 40).

3.2. Gegenstand des Prüfungsprozesses ist der Teilnahmeanspruch, so wie er Gegenstand der Prüfungsverhandlung gewesen ist (RIS‑Justiz RS0065601).

Die Beklagte meldete hier eine nicht titulierte Forderung aus einem (ihrer Meinung nach infolge Eintritts des damaligen Masseverwalters) aufrechten Kreditvertrag an, die auch Gegenstand der Prüfungstagsatzung war. Die Klägerin hingegen vertrat im Sinn ihrer Anmerkung im Anmeldeverzeichnis die Ansicht, es läge in Wahrheit eine titulierte Forderung aus dem aufgelösten Kreditvertrag (ein Eintritt des damaligen Masseverwalters sei nicht wirksam erfolgt) vor, weil diese Forderung im Vorkonkursverfahren angemeldet, geprüft und auch anerkannt worden sei. Gegenstand der Prüfungstagsatzung und des Prüfungsprozesses hier ist aber die Forderung so wie sie angemeldet wurde, nämlich eine Forderung aus einem bis zur (neuerlichen) Konkurseröffnung aufrechten Kreditvertrag. Da die Beklagte ausdrücklich eine nicht titulierte Forderung geltend macht und nichts anderes zu prüfen war, hat sich danach die Verteilung der Parteirollen zu richten. Die Klägerin ist damit nicht klagslegitimiert.

Dies hat die Abweisung des Klagebegehrens zur Folge (RIS‑Justiz RS0065553 [T4], RS0035170).

4. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat der zur Gänze obsiegenden Beklagten die gesamten Verfahrenskosten zu ersetzen.

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