OGH 1Ob114/24g

OGH1Ob114/24g19.11.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und den Hofrat Mag. Korn, Mag. Wessely‑Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Pfurtscheller als weitere Richterinnen und Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* GmbH, *, vertreten durch die Hopmeier Wagner Kirnbauer Rechtsanwälte OG in Wien, und den Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei Mag. H*, vertreten durch die Haider Obereder Pilz Rechtsanwält:innen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei S* Rechtsanwälte GmbH, *, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 600.739,34 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 52.634,47 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. Mai 2024, GZ 3 R 1/24z‑59, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 29. September 2023, GZ 31 Cg 85/18m‑54, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00114.24G.1119.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird im Umfang der Anfechtung (52.634,47 EUR sA) sowie im Kostenpunkt aufgehoben.

Die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin kaufte im Jahr 2008 zwei Liegenschaften mit zwei darauf befindlichen Bestandobjekten. Die Verkäuferin gab im Kaufvertrag ua die Garantieerklärung ab,

„dass die auf dem Vertragsobjekt bestehenden Mietverträge mit den Unternehmen oder Nachmietern oder Untermietern gemäß der Bestandverträge jeweils wenigstens über die vereinbarte Laufzeit eine Kündigung durch den jeweiligen Mieter oder Nachmieter nicht erfolgen wird und diese daher über die vereinbarte Laufzeit aufrecht bleiben werden und weiters, dass die sich aus den entsprechenden Mietverträgen zu ergebenen Mieten fristgemäß geleistet werden. […]

Die Verkäuferin garantiert daher, dass die genannten Mietverträge allenfalls mit Nach- oder Untermietern jeweils über die vereinbarte Mindestlaufzeit aufrecht bleiben und leistet vollen Schadenersatz, sollte eines der genannten Vertragsverhältnisse aus Gründen, die vom jeweiligen Mieter zu vertreten sind, vor der genannten Laufzeit ersatzlos beendet werden.“

 

[2] Weiters verpflichtete sich die Verkäuferin

„zur weiteren Absicherung eines allfälligen Mietenausfalls betreffend die Mietverhältnisse mit den ... im wirtschaftlichen Einflussbereich der Verkäuferin stehenden Unternehmen“

 

eine abstrakte Bankgarantie über 200.000 EUR mit einer Mindestlaufzeit bis 31. 8. 2012 vorzulegen.

[3] Der nunmehrige Nebenintervenient auf Seiten der Klägerin war Geschäftsführer der (Rechtsnachfolgerin der) Verkäuferin.

[4] Eine der beiden Bestandnehmerinnen blieb Bestandzins schuldig. Das daraufhin von der Klägerin, vertreten durch die beklagte Rechtsanwaltskanzlei, wegen offener Mietzinse eingeleitete Verfahren wurde durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Bestandnehmerin im Jahr 2009 unterbrochen. Der Masseverwalter löste die Bestandverhältnisse im Jahr 2009 vorzeitig auf. Am 23. 1. 2012 zeigte er dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit gemäß § 124a IO an. An diesem Tag fand auch eine Besprechung zwischen einer Mitarbeiterin der Klägerin und dem Geschäftsführer der Beklagten zur Ermittlung des durch die Insolvenz der Bestandnehmerin erlittenen Schadens der Klägerin statt, „um in der Folge die Garantieansprüche gegenüber der Verkäuferin [...] geltend zu machen“. Die Beklagte klärte die Klägerin nicht darüber auf, dass diese Forderung vor Mai 2016 zu verjähren drohte. Der Geschäftsführer der Klägerin vertraute darauf, dass die Beklagte die Klage zur Geltendmachung der Garantieforderung rechtzeitig einbringen werde.

[5] Noch am 19. 1. 2016 vertrat der Geschäftsführer der Beklagten in einem Telefonat mit einem Mitarbeiter der Klägerin die Ansicht, dass die Chance des Erfolgs der Klage bei 100 % liege, bezüglich der Höhe bei 90 %.

[6] Im Schreiben vom 29. 4. 2016 an die Klägerin führte die Beklagte aus, dass sie „vorsichtsweise“ von der kurzen Verjährungszeit von drei Jahren (und nicht von der langen Verjährungszeit von 30 Jahren) ausgehe und diesfalls eine Ausdehnung des Klagebegehrens nach dem 4. 6. 2016 nicht mehr vorgenommen werden könnte.

[7] Am 20. 5. 2016 brachte die Klägerin, zunächst noch vertreten durch die (hier) Beklagte, eine Klage gegen die Rechtsnachfolgerin der Verkäuferin (in Folge kurz: Verkäuferin) über 594.264,83 EUR sA aus der im Kaufvertrag abgegebenen Garantie ein (kurz: Vorverfahren). Die Gegenseite wandte Verjährung ein. Im Februar 2018 wurde das Vollmachtsverhältnis zwischen der Klägerin und der (hier) Beklagten gelöst; die Klägerin wurde im Vorverfahren fortan durch die nunmehrige Klagevertreterin vertreten. Die Klägerin verkündete der (hier) Beklagten den Streit, und diese trat als Nebenintervenientin auf Seiten der Klägerin dem Vorverfahren bei. Das Klagebegehren wurde rechtskräftig wegen Verjährung abgewiesen. Die dreijährige Verjährungsfrist habe mit der Verkündung der Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter am 23. 1. 2012 zu laufen begonnen, weil die Klägerin jedenfalls zu diesem Zeitpunkt gesichert von einem Mietzinsausfall habe ausgehen können, der den Garantiefall ausgelöst habe. Der Oberste Gerichtshof wies die außerordentliche Revision der Nebenintervenientin auf Seiten der Klägerin (also der hier Beklagten) zu 4 Ob 200/20w zurück.

[8] Die Klägerin begehrt, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, den Ersatz der Verfahrenskosten von 52.634,47 EUR sA, die ihr infolge Abweisung des Klagebegehrens gegen die Verkäuferin im Vorverfahren wegen Verjährung entstanden seien.

[9] Die Beklagte habe die Frage der Verjährung falsch beurteilt und die drohende Verjährung nie gegenüber der Klägerin thematisiert. Wenn die Beklagte die Klägerin richtig beraten hätte, hätte diese früher den Auftrag zur Klagsführung erteilt. Hätte die Beklagte anlässlich des Klageauftrags die Unrichtigkeit und Unvertretbarkeit ihrer Rechtsmeinung zur Verjährung eingestanden, dann wäre es 2016 nicht zur Klage gekommen. Die Klägerin hätte keinen aussichtslosen Prozess geführt.

[10] Die Beklagte bestreitet. Insbesondere habe die Beklagte keine Kenntnis von der Bekanntmachung der Masseunzulänglichkeit vom 23. 1. 2012 gehabt. Selbst wenn man daher davon ausgehen wollte, dass die Forderung der Klägerin gegen die Verkäuferin zum Zeitpunkt der Klageeinbringung im Vorverfahren bereits verjährt gewesen sei, könne dies der Beklagten nicht subjektiv vorgeworfen werden. Erst im Rahmen einer Gläubigerausschusssitzung im September 2013 habe der Insolvenzverwalter Zwischenrechnung gelegt, die die Masseforderungen der Klägerin nicht ausreichend berücksichtigt habe.

[11] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren, soweit revisionsgegenständlich, statt.

[12] Seiner Entscheidung legte es – in der Berufung der Beklagten bekämpft – insbesondere die Feststellungen zugrunde,

‑ dass die Klägerin durch Mitteilung des Masseverwalters vom 23. 1. 2012 Kenntnis von der Masseunzulänglichkeit nach § 124a IO hatte;

‑ dass sie die Klage (im Mai 2016) nicht mehr eingebracht hätte, hätte die Beklagte sie darauf hingewiesen, dass „die Klage“ zum Zeitpunkt deren Einbringung bereits verjährt gewesen sei.

[13] Es ging davon aus, dass der Verjährungsbeginn mit Mitteilung der Masseunzulänglichkeit durch den Masseverwalter am 23. 1. 2012 im Vorverfahren – in dem auch die Beklagte als Nebenintervenientin beteiligt gewesen sei – rechtskräftig festgestellt worden sei.

[14] Rechtlich führte es weiters aus, dass der Beklagten die fehlerhafte Berechnung des Beginns der Verjährungsfrist anzulasten sei. Unabhängig von der Mitteilung der Masseunzulänglichkeit am 23. 1. 2012 sei mit Kenntnis der vorzeitigen Aufkündigung der beiden Mietverhältnisse durch den Masseverwalter im Jahr 2009 die Haftung der Verkäuferin aus der Garantievereinbarung schon festgestanden.

[15] Wenn die Beklagte die Klägerin im Jahr 2016 richtig darüber informiert hätte, dass die Forderung bereits verjährt sei, wären die für das Gerichtsverfahren gegen die Verkäuferin angefallenen Kosten jedenfalls nicht entstanden.

[16] Das Berufungsgericht gab der gegen die Klagestattgebung von der Beklagten erhobenen Berufung nicht Folge und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

[17] Zur Beweisrüge führte es aus, weder die Feststellung zu übernehmen, dass die Klägerin durch die Mitteilung des Masseverwalters gemäß § 124a IO von der Masseunzulänglichkeit Kenntnis erlangte, noch die Feststellung, dass die Klägerin die Klage nicht mehr eingebracht hätte, wäre sie von der Beklagten darauf hingewiesen worden, dass die Klage zum Zeitpunkt der Einbringung (im Mai 2016) bereits verjährt gewesen sei.

[18] Trotzdem hielt es die Rechtsrüge der Beklagten für nicht berechtigt:

[19] Zu den Kosten des im Jahr 2016 begonnenen und verlorenen Prozesses sei es deshalb gekommen, weil die Beklagte nicht darauf hingewiesen habe, dass die Forderung der Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits verjährt gewesen sei; die Beklagte habe noch nicht einmal aufgezeigt, dass dieses Thema strittig sein könnte. Vielmehr habe sie der Klägerin im Gespräch am 19. 1. 2016 und mit Schreiben vom 29. 4. 2016 die Information gegeben, dass ihre Ansprüche vor dem 4. 6. 2016 noch nicht verjährt sein könnten. Das sei schuldhaft falsch gewesen, weil die Beklagte vor Einbringung der Klage, vor allem durch Auseinandersetzung mit dem Konkursakt, hätte prüfen müssen, ob die Forderung gegen die Verkäuferin nicht schon verjährt sei. Die Beklagte hafte der Klägerin wegen dieses Beratungsfehlers für den dadurch entstandenen Schaden. Es stehe zwar nicht fest, ob die Klägerin bei einem solchen Hinweis der Beklagten auf die Verjährung der Forderung auch geklagt hätte. Es sei aber Sache des Schädigers, zu beweisen, dass der Schaden auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre. Derartiges habe die Beklagte weder behauptet noch nachgewiesen.

[20] Gegen dieses Urteil, soweit damit dem Klagebegehren stattgegeben wurde, richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten, die auf eine (gänzliche) Klageabweisung abzielt. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[21] Die Klägerin beantragte in der (ihr freigestellten) Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben. Der Nebenintervenient auf ihrer Seite beteiligte sich nicht am Revisionsverfahren.

Rechtliche Beurteilung

[22] Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht in der Frage der Beweislast für die Folgen eines anwaltlichen Beratungsfehlers von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist. Sie ist im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens

[23] Die Klägerin macht eine Anwaltshaftung geltend, weil die Beklagte sie nicht über die Verjährung der im Vorverfahren geltend gemachten Forderung aus dem Garantievertrag aufgeklärt habe. Die Beklagte habe daher für die Verfahrenskosten des verlorenen Vorprozesses einzustehen.

2. Zur Bindungswirkung des Vorverfahrens

[24] 2.1. Dem rechtskräftig entschiedenen Vorverfahren liegt zugrunde, dass die Inanspruchnahme der Garantie jedenfalls im Jänner 2012 ohne Rechtsmissbrauch hätte erfolgen können und damit der Lauf der dreijährigen Verfährungsfrist für die Ansprüche der Klägerin aus dem Garantievertrag spätestens zu diesem Zeitpunkt begonnen hat (Zurückweisung des außerordentlichen Revision zu 4 Ob 200/20w).

[25] 2.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs erstrecken sich die Wirkungen eines materiell-rechtskräftigen zivilgerichtlichen Urteils so weit auf den einfachen Nebenintervenienten und denjenigen, der sich am Verfahren trotz Streitverkündung nicht beteiligt hat, als diese Personen als Parteien eines als Regressprozess geführten Folgeprozesses keine rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einreden erheben dürfen, die mit den notwendigen Elementen der Entscheidung des Vorprozesses in Widerspruch stehen. In diesem Rahmen sind sie daher an die ihre Rechtsposition belastenden Tatsachenfeststellungen im Urteil des Vorprozesses gebunden, sofern ihnen in jenem Verfahren insoweit unbeschränktes rechtliches Gehör zustand (RS0107338). Die aus der materiellen Rechtskraft abgeleitete Bindungswirkung hat ihren Geltungsgrund letztlich darin, dass Verfahrensbeteiligte vor der Entscheidung als Prozesspartei rechtliches Gehör fanden und dadurch an der Stoffsammlung und Entscheidungsfindung mitwirkten oder durch die Streitverkündung rechtliches Gehör zumindest finden konnten (RS0107338 [T26]).

[26] 2.3. Im Vorverfahren wurde festgestellt, dass die Klägerin spätestens am 23. 1. 2012, also zu jenem Zeitpunkt, als der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit verkündete, Kenntnis vom drohenden Mietzinsausfall hatte.

[27] Da die Beklagte über Streitverkündung der Klägerin dem Vorverfahren als Nebenintervenientin auf Seiten der Klägerin beigetreten ist, muss sie nicht nur diese– für den Verjährungsbeginn wesentliche – Feststellung gegen sich gelten lassen (sodass es entgegen ihrer Meinung keiner weiteren Feststellungen dazu bedarf). Die Bindungswirkung des Urteils im Vorverfahren steht insgesamt ihrem Einwand entgegen, die Forderung aus dem Garantievertrag gegen die Verkäuferin sei im Mai 2016 doch noch nicht verjährt gewesen, weil die dreijährige Verjährungsfrist frühestens im September 2013 zu laufen begonnen habe.

[28] Diese Bindung ist mit dem in Art 6 Abs 1 Satz 1 MRK enthaltenen verfahrensrechtlichen Grundsatz des rechtlichen Gehörs vereinbar (vgl RS0074953), weil die Beklagte als Nebenintervenientin auf Seiten der Klägerin im Vorprozess die Möglichkeit hatte, auf die Entscheidung über das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der dort beklagten Verkäuferin Einfluss zu nehmen.

3. Zum Beratungsfehler der Beklagten

[29] 3.1. Der Schutzzweck des Verhältnisses eines Rechtsanwalts zu seinem Mandanten, diesem zur bestmöglichen Rechtsdurchsetzung oder Rechtsverteidigung zu verhelfen, umfasst auch die Vermeidung von Nachteilen, die vorhersehbar mit der Führung und insbesondere mit dem Verlust eines Prozesses verbunden sein könnten und gebietet daher die Aufklärung des Mandanten, wenn eine Prozessführung aussichtslos erscheint (RS0112203 [T12]). Es gehört zu den allgemein zu erwartenden Sorgfaltspflichten des Anwalts, seinen Mandanten vor der erkennbaren Gefahr der Verjährung seines Anspruchs zu schützen (RS0026584 [T20]; vgl RS0038719).

[30] 3.2. Im gegebenen Fall hätte die Beklagte die Klägerin vor Einbringung der Klage im Mai 2016 gegen die Verkäuferin darüber informieren müssen, dass die Forderung aus dem Garantievertrag bereits verjährt war, was sie nach den Feststellungen unterließ:

[31] (a) Liegt eine Garantieerklärung vor, kommt die Verjährungsregelung des § 1489 ABGB zur Anwendung. Garantien haben nämlich die Funktion, einen Schaden, den der Begünstigte durch den Nichteintritt eines Erfolgs erleidet, auszugleichen, auch wenn sie nicht Schadenersatzansprüche im eigentlichen Sinn sind, weil sie losgelöst von Verursachung, Rechtswidrigkeit und Verschulden sind (RS0017007 [T5, T6]). Die Verjährungsfrist für Rechte aus Garantieverträgen beginnt bei dreipersonalen abstrakten Garantien daher dann zu laufen, wenn die Garantieinanspruchnahme erstmals ohne Rechtsmissbrauch erfolgen kann (5 Ob 215/08s = RS0124549 [T1]).

[32] Diese Rechtslage war jedenfalls seit der Entscheidung 5 Ob 215/08s klar und hätte der Beklagten vor Klageeinbringung im Vorprozess im Mai 2016 bekannt sein müssen, was sie auch gar nicht mehr bestreitet.

[33] (b) Vielmehrhat die Beklagte zu ihrer Entlastung im Regressprozessvorgebracht, es könne ihr subjektiv nicht vorgeworfen werden, den (aufgrund des Vorverfahrens bindend feststehenden) Beginn der Verjährungsfrist nicht erkannt zu haben, weil ihr die Mitteilung der Masseunzulänglichkeit vom 23. 1. 2012 nicht zur Kenntnis gelangt sei.

[34] Dieser Einwand steht mit den notwendigen Elementen der Entscheidung des Vorprozesses nicht in Widerspruch und steht der Beklagten daher offen.

[35] Daher hat sich das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei mit der Frage beschäftigt, ob sich die Beklagte vor Einbringung der Klage in vorwerfbarer Weise nicht die erforderliche Tatsachengrundlage, insbesondere durch Auseinandersetzung mit dem Konkursakt, verschafft hat, um die Verjährungsfrage verlässlich beurteilen zu können. Da die Beklagte selbst die Behauptung ins Verfahren eingeführt hat, sie treffe an der Verkennung des Beginns der Verjährungsfrist kein Verschulden, kann von einer Überraschungsentscheidung des Berufungsgerichts, nur weil es bei Prüfung dieser Frage zu einem anderen Ergebnis als die Beklagte gekommen ist, keine Rede sein.

[36] (c) Zutreffend hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass der Masseverwalter im Insolvenzverfahren – in dem die Beklagte die Klägerin als Gläubigerin vertreten hat – im Bericht vom 27. 6. 2012 nochmals darauf hingewiesen hat, dass bereits Masseunzulänglichkeit angemeldet wurde. Abgesehen davon, dass auf dem Deckblatt die Direktzustellung dieses Schriftsatzes ua an den Geschäftsführer der Beklagten vermerkt ist, behauptet die Beklagte noch in der Revision, (auch) bei Einleitung des Zivilprozesses „umfassendste Kenntnis des zugrundeliegenden Insolvenzakts“ gehabt zu haben. Aus welchem Grund der Beklagten die Masseunzulänglichkeit bis September 2013 verborgen geblieben sein soll, ist auf dieser Grundlage nicht ersichtlich. Schließlich ergibt sich auch aus der der Schadensermittlung dienenden Besprechung vom 23. 1. 2012 zwischen den Parteien, dass damals bereits von einem Forderungsausfall und damit dem Eintritt des Garantiefalls ausgegangen werden musste und auch wurde.

[37] (d) Diesen Überlegungen setzt die Rechtsmittelwerberin nichts Stichhältiges entgegen. Sie beharrt bloß darauf, ihr habe der Umstand der Massunzulänglichkeit „aufgrund ihrer umfassenden inhaltlichen Aktenkenntnis und der engmaschigen Begleitung des [Insolvenz]Verfahrens auch im Jahr 2016 besten Wissens und Gewissens“ entgehen dürfen. Dem kann aber angesichts des Inhalts des Insolvenzakts nicht gefolgt werden.

[38] 3.3. Ausgehend von dieser Rechts- und Sachlage hätte die Beklagte erkennen müssen, dass die Forderung der Klägerin gegen die Verkäuferin im Mai 2016 bereits verjährt war. Zu Recht haben die Vorinstanzen der Beklagten daher als haftungsbegründenden Sorgfaltsverstoß angelastet, die Klägerin bei Klageeinbringung nicht darüber belehrt zu haben.

4. Zum Mitverschuldenseinwand

[39] Soweit die Beklagte in der Revision auf ein Mitverschulden der Klägerin und einen Verstoß gegen eine diese treffende Schadenminderungsobliegenheit Bezug nimmt, weil die Klägerin den angeblich erkennbar aussichtslosen Prozess gegen die Verkäuferin unter Beiziehung einer neuen Rechtsvertretung fortgesetzt habe, erkennt sie selbst, dass sie entsprechende Einwände bislang unterlassen hat. Wegen des Neuerungsverbots ist darauf nicht weiter einzugehen.

5. Zur nicht erledigten Beweisrüge in der Berufung

[40] 5.1. Zutreffend bemängelt die Beklagte allerdings, dass das Berufungsgericht die Frage, ob die Klägerin bei richtiger Beratung (Aufklärung über die Verjährung der Forderung gegen die Verkäuferin) die Klage eingebracht hätte oder nicht, dem Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens zugeordnet und der Beklagten die Behauptungs- und Beweislast dafür auferlegt hat.

[41] 5.2. Wenn ein Rechtsanwalt eine pflichtwidrige Unterlassung zu verantworten hat, hängt seine Schadenersatzpflicht gegenüber dem Mandanten von der Kausalität dieses Fehlverhaltens für den Eintritt des behaupteten Schadens ab. Den Geschädigten trifft die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass der Schaden bei pflichtgemäßem Handeln des Rechtsanwalts mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre (RS0022700; RS0022900 [T8, T10]). So muss, liegt der Schaden in den Kosten eines verlorenen Prozesses, vom Geschädigten behauptet werden, er hätte den Prozess nicht geführt, hätte der Rechtsanwalt ihn gehörig aufgeklärt (8 Ob 23/23z [Rz 11]).

[42] 5.3. In diesem Sinn hat die Klägerin behauptet, dass sie bei gebotener Aufklärung über die bereits eingetretene Verjährung im Jahr 2016 ihre Forderung gegen die Verkäuferin nicht gerichtlich verfolgt hätte. Das Erstgericht hat auch eine mit diesem Vorbringen korrespondierende Feststellung getroffen. Diese Feststellung hat das Berufungsgericht allerdings aus Anlass der Beweisrüge der Beklagten nicht übernommen, ohne eine Ersatzfeststellung zu diesem Thema zu treffen. Damit fehlt es an einer entscheidungswesentlichen – nämlich für die Beurteilung der Kausalität der Sorgfaltsverletzung der Beklagten für die der Klägerin entstandenen Verfahrenskosten erforderlichen – Feststellung. Da das Berufungsgericht die (von ihm offenbar als gesetzmäßig ausgeführt angesehene) Beweisrüge aus unzutreffenden materiell‑rechtlichen Erwägungen nicht erledigt hat, liegt ein sekundärer Mangel des Berufungsverfahrens vor, der aus Anlass der in der Revision erhobenen Rechtsrüge von Amts wegen wahrzunehmen ist (vgl 10 ObS 82/24t [Rz 32 mwN]).

[43] 5.4. Das Berufungsurteil ist daher im Anfechtungsumfang aufzuheben, und die Rechtssache ist insoweit an die zweite Instanz zurückzuverweisen. Sollte das Berufungsgericht – nach einer in diesem Fall gebotenen Beweiswiederholung – eine Negativfeststellung zur Kausalität des pflichtwidrigen Unterlassens treffen, wäre das Begehren abzuweisen. Zu beachten ist, dass alle anderen Fragen abschließend erledigt sind und im fortgesetzten Verfahren nur mehr die Frage der Kausalität der mangelhaften Aufklärung für den Schaden der Klägerin zu klären sein wird (RS0042411).

[44] 6. Der Revision der Beklagten ist somit im Ergebnis Folge zu geben.

[45] 7. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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