European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00064.24H.1114.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Grundbuchsrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
I. Der Revisionsrekurs wird, soweit er vom Einschreiter erhoben wurde, zurückgewiesen.
II. Dem Revisionsrekurs der Antragstellerin wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die aufgrund dieses Beschlusses erforderliche Wiederherstellung des Buchstands sowie die Verständigung der Beteiligten bleibt dem Erstgericht vorbehalten.
Begründung:
[1] Der Einschreiter war zum Zeitpunkt des verfahrenseinleitenden Antrags Miteigentümer der beiden im Kopf der Entscheidung bezeichneten Liegenschaften. Mit Beschluss vom 12. 7. 2023 bewilligte das Erstgericht die Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung dieser Liegenschaftsanteile.
[2] Mit dem (im verfahrenseinleitenden Antrag so bezeichneten) Kaufvertrag vom 17. 7. 2023 verkaufte der Einschreiter diese Liegenschaftsanteile an die Antragstellerin. Der Einschreiter als Verkäufer hat diesen Kaufvertrag am 13. 7. 2023 notariell beglaubigt unterfertigt, die Antragstellerin als Käuferin am 17. 7. 2023.
[3] Mit Beschluss vom 14. 7. 2023 wurde über das Vermögen des Einschreiters das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Aufgrund eines Rekurses des Schuldners wurde dieser Beschluss jedoch als nichtig aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung zurückverwiesen. Dieser Beschluss wurde dem Schuldner zugestellt, jedoch nicht in der Insolvenzdatei veröffentlicht.
[4] Unter Vorlage des Kaufvertrags, des Beschlusses über die Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung und des Beschlusses auf Aufhebung der Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens stellte die Antragstellerin am 19. 9. 2023 den Antrag, ihr Eigentumsrecht an den Liegenschaftsanteilen des Einschreiters jeweils im Rang der Rangordnungsanmerkung vom 12. 7. 2023 einzutragen.
[5] Das Erstgericht gab dem Antrag statt.
[6] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Masseverwalters im Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Einschreiters Folge und wies den Antrag ab.
[7] Inwiefern grundbücherliche Rechte nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erworben werden könnten, bestimme die Insolvenzordnung (§ 25 GBG). Die Rechtswirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens träten mit Beginn des Tages ein, der der öffentlichen Bekanntmachung des Inhalts des Insolvenzedikts folge (§ 2 Abs 1 IO). Durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens werde das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehöre oder das er während des Insolvenzverfahrens erlange (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen (§ 2 Abs 2 IO). Das Grundbuch sei vom Tage der Insolvenzeröffnung – unabhängig davon, ob dieses Ereignis im Grundbuch angemerkt worden sei – jedenfalls und gegenüber jedermann gesperrt. Einverleibungen und Vormerkungen in den öffentlichen Büchern über unbewegliche Sachen könnten aber auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewilligt und vollzogen werden, wenn sich der Rang der Eintragung nach einem vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegenden Tag richte (§ 13 IO).
[8] Im Fall der Aufhebung des Insolvenzeröffnungsbeschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung über den Insolvenzeröffnungsantrag blieben die Wirkungen der Insolvenzeröffnung solange aufrecht, bis eine rechtskräftige Abweisung des Insolvenzeröffnungsantrags vorliege. Die fehlende Veröffentlichung des Aufhebungsbeschlusses in der Ediktsdatei spiele daher für die Frage der (fortlaufenden) Wirkung der ursprünglichen Insolvenzeröffnung keine Rolle.
[9] Die Antragstellerin habe die Einverleibung ihres Eigentumsrechts im Rang des Rangordnungsbeschlusses vom 12. 7. 2023 beantragt, der vor Insolvenzeröffnung ergangen sei. In einem solchen Fall könne, wenn über das Vermögen des Eigentümers der Liegenschaft vor der Überreichung des Eintragungsgesuchs ein Insolvenzverfahren eröffnet werde, die Eintragung bewilligt werden, wenn die Urkunde über das Geschäft schon vor dem Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgefertigt gewesen sei und der Tag ihrer Ausfertigung durch eine gerichtlich oder notarielle Beglaubigung dargetan sei (§ 56 Abs 3 GBG). Da der Kaufvertrag erst nach der Insolvenzeröffnung abgeschlossen worden sei, sei § 56 Abs 3 GBG aber nicht anwendbar.
[10] Rechtshandlungen des Schuldners nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die die Insolvenzmasse beträfen, seien den Insolvenzgläubigern gegenüber unwirksam (§ 3 Abs 1 IO). Der Insolvenzverwalter könne einer unwirksamen Verfügung des Schuldners durch Genehmigung rückwirkende Kraft und damit volle Wirksamkeit auch in Ansehung der Insolvenzmasse verleihen. Zudem bedürfe die freiwillige Veräußerung oder Verpachtung einer unbeweglichen Sache nach § 117 Abs 1 Z 3 IO der Genehmigung durch das Insolvenzgericht. Da der Kaufvertrag nach Insolvenzeröffnung abgeschlossen worden sei, keine nachträgliche Zustimmung des Insolvenzverwalters und keine insolvenzgerichtliche Genehmigung vorliege, sei er unwirksam.
[11] Mangels eines gültigen Rechtsgrundes (§ 26 GBG) komme auch eine Vormerkung nicht in Betracht.
[12] Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs sowohl der Antragstellerin als auch des Einschreiters.
Rechtliche Beurteilung
[13] Der Revisionsrekurs ist, soweit er vom Einschreiter erhoben wurde, mangels Rechtsmittellegitimation unzulässig. Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist hingegen zulässig, weil dem Rekursgericht eine aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen ist; er ist daher auch berechtigt.
I. Zum Revisionsrekurs des Einschreiters
[14] 1. Im Grundbuchverfahren ist im Regelfall (neben dem mit seinem Rechtsschutzbegehren gescheiterten Antragsteller) nur derjenige zur Erhebung eines Rechtsmittels legitimiert, der geltend machen kann, durch die bekämpfte Entscheidung in seinen bücherlichen Rechten verletzt worden zu sein; sei es, dass diese Rechte belastet, abgetreten, beschränkt oder aufgehoben werden (RS0006710; RS0006677 [T8]).
[15] 2. Auf den Einschreiter trifft dies nicht zu. Gegenstand der begehrten Grundbuchshandlung ist die Einverleibung des Eigentumsrechts der Antragstellerin. Durch einen abweisenden Beschluss kann der Einschreiter daher nicht in seinen bücherlichen Rechten verletzt worden sein (vgl 5 Ob 172/18g). Allfällige Interessen oder Rechte, die noch nicht Gegenstand einer bücherlichen Eintragung geworden sind, fehlt der Rechtsmittelschutz (RS0006710 [T34]). Bei einem abweisenden Beschluss verneint die Rechtsprechung daher die Rekurslegitimation einer vom Antragsteller verschiedenen Person auch dann, wenn dieser als Vertragspartner an der beantragten Verbücherung eines Rechts interessiert ist (vgl 5 Ob 151/17t).
[16] 3. Der Revisionsrekurs des Einschreiters war daher mangels Rechtsmittellegitimation als unzulässig zurückzuweisen.
II. Zum Revisionsrekurs der Antragstellerin
[17] 1. Für die Beurteilung der Berechtigung eines Grundbuchsgesuchs nach § 93 GBG ist die Sach- und Rechtslage maßgebend, die beim Einlangen des Ansuchens besteht (RS0061117 [T4]; RS0010717 [T8]). Im Grundbuchsverfahren ist eine Änderung der Entscheidungsgrundlagen im Zeitraum zwischen Einlangen des Gesuchs bei Gericht und dessen Erledigung unerheblich (RS0061117 [T13]; RS0010717 [T7]).
[18] 2. Nach § 13 IO besteht während des Insolvenzverfahrens grundsätzlich eine Grundbuchssperre; sie beginnt mit der Insolvenzeröffnung (RS0121707), also mit dem Beginn des Tages, der der öffentlichen Bekanntmachung des Inhalts des Edikts folgt (§ 2 Abs 1 IO). Eine grundbücherliche Eintragung, die auf Rechtshandlungen des Schuldners beruht, und nach der Insolvenzeröffnung erfolgen soll, setzt also gemäß § 13 IO voraus, dass sich der Rang spätestens mit dem Tag der Bekanntmachung des Inhalts des Edikts bestimmt (RS0121707 [T1]; RS0034769 [T4]).
[19] Der Anmerkung der Insolvenzeröffnung kommt dabei nur deklarative Wirkung zu; ein Antrag, für den nicht im Sinn des § 13 IO ein vor dem Tag der Insolvenzeröffnung liegender Rang in Anspruch genommen werden kann, ist daher unabhängig davon abzuweisen, ob die Insolvenzeröffnung im Grundbuch angemerkt ist, oder nicht (RS0034769).
[20] Die Wirkungen der Insolvenzeröffnung treten (bereits) mit der Insolvenzeröffnung, also mit dem Beginn des Tages ein, der der öffentlichen Bekanntmachung des Inhalts des Edikts folgt (§ 2 Abs 1 IO). Rechtsmittel gegen Beschlüsse, womit das Insolvenzverfahren eröffnet wird, haben keine aufschiebende Wirkung (§ 71c Abs 2 IO). Die Wirkungen der Insolvenzeröffnung bleiben nach § 79 Abs 1 IO solange aufrecht, bis der Insolvenzeröffnungsbeschluss rechtskräftig abgeändert wurde (3 Ob 51/20a). Im Fall der Aufhebung des Insolvenzeröffnungsbeschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung bleiben die Wirkungen der Insolvenzeröffnung also solange aufrecht, bis nicht eine rechtskräftige Ab- oder Zurückweisung des Eröffungsantrags vorliegt (5 Ob 162/22t; RS0118048).
[21] Nach ständiger Rechtsprechung ist der Insolvenzverwalter berechtigt und legitimiert, gegen eine der Grundbuchsperre des § 13 IO widersprechende grundbücherliche Eintragung vorzugehen, andere Rechtswirkungen und Rechtsfolgen, die spezifisch durch die Insolvenzeröffnung ausgelöst werden, geltend zu machen und solche Einwände zu erheben, die auch dem Schuldner als Buchberechtigten – ohne Insolvenzeröffnung – selbst noch zugestanden wären (RS0121703). Das Gericht zweiter Instanz hat den Rekurs des Insolvenzverwalters daher zutreffend als zulässig erachtet und inhaltlich behandelt.
[22] 3. Nach § 13 IO können Einverleibungen und Vormerkungen in den öffentlichen Büchern über unbewegliche Sachen auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewilligt und vollzogen werden, wenn sich der Rang der Eintragung nach einem vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegenden Tag richtet, sich also spätestens mit dem Tag der Bekanntmachung des Inhalts des Edikts bestimmt.
[23] Die Antragstellerin begehrte die Einverleibung ihres Eigentumsrechts im Rang einer vor der Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens angemerkten Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung. Eine solche Anmerkung der Rangordnung behält gemäß § 56 Abs 3 GBG trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedenfalls seine Wirksamkeit, wenn ein nachweislich schon vor der Insolvenzeröffnung perfektioniertes Rechtsgeschäft verbüchert werden soll (RS0060941). Nach § 56 Abs 3 GBG darf die Eintragung im Rang der angemerkten Rangordnung für den Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Liegenschaftseigentümers also (nur) dann bewilligt werden, wenn die Urkunde über das Geschäft schon vor dem Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgefertigt war und der Tag ihrer Ausfertigung durch eine gerichtliche oder notarielle Beglaubigung dargetan ist. Nach dem Zweck der Bestimmung kommt es mit Rücksicht auf den Gläubigerschutz aber allein auf die zeitliche Fixierung der Unterschrift des Schuldners an, der die Aufsandungserklärung abgegeben hat. Der Zeitpunkt an dem die andere Vertragspartei unterfertigt, ist für die Beurteilung im Sinn des § 56 Abs 3 GBG nicht von Belang (5 Ob 38/17z; RS0060935 [T1]).
[24] 4. Der Einschreiter und spätere Schuldner hat den Kaufvertrag am 13. 7. 2023, somit vor Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens am 14. 7. 2023, gemäß den Vorgaben des § 56 Abs 3 GBG notariell beglaubigt unterfertigt.
[25] Das vom Rekursgericht bejahte Eintragungshindernis liegt demnach nicht vor; andere sind nicht zu erkennen. In Abänderung seiner Entscheidung war daher der Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen.
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