OGH 5Ob74/24d

OGH5Ob74/24d14.11.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun‑Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin S* F*, vertreten durch Mag. Sabine Fürst, Mietervereinigung Österreichs, *, gegen den Antragsgegner H* H*, vertreten durch Mag. Günter Petzelbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 16 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. März 2024, GZ 39 R 287/23d‑23, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00074.24D.1114.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Bestandrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Das Erstgericht wies den Antrag der Mieterin auf Feststellung der Unwirksamkeit der Erhöhung des Hauptmietzinses aufgrund einer Wertsticherungsvereinbarung und auf Feststellung der Überschreitung des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses durch dessen Vorschreibung ab.

[2] Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichts ab und stellte fest, dass und in welchem Ausmaß der Antragsgegner in einem bestimmten Zeitraum durch die Vorschreibung des angehobenen Hauptmietzinses das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten habe und dass die Anhebung des Hauptmietzinses unwirksam sei.

[3] Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragsgegners zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf.

[5] 1. Nach § 16 Abs 8 Satz 1 MRG sind Mietzinsvereinbarungen unwirksam, soweit sie den nach § 16 Abs 1 bis 7 MRG zulässigen Höchstbetrag überschreiten. Diese Unwirksamkeit muss nach Satz 2 bei unbefristeten Mietverträgen binnen einer Frist von drei Jahren geltend gemacht werden.

[6] 2. Ergibt sich durch die Anwendung einer Wertsicherungsvereinbarung ein höherer Hauptmietzins als nach § 16 Abs 1 bis 7 MRG zu diesem Zeitpunkt zulässig ist, so ist der übersteigende Teil unwirksam (§ 16 Abs 9 Satz 1 MRG). Damit wird die Auswirkung einer Wertsicherungsvereinbarung dahin begrenzt, dass die jeweils zulässige Obergrenze des Hauptmietzinses dadurch nicht überschritten werden darf. Im Zeitpunkt des Erhöhungsbegehrens (konkret: zu dem Zinstermin, zu dem das Erhöhungsbegehren wirksam werden soll) darf der höchst zulässige Mietzins nicht überschritten werden (5 Ob 7/01t mwN).

[7] Nach § 16 Abs 9 letzter Satz MRG gilt auch in diesem Fall die dreijährige Frist des § 16 Abs 8 Satz 2 MRG (5 Ob 131/14x). Der durch die Anwendung einer Wertsicherungsvereinbarung sich ergebende Betrag ist in dem Maß unwirksam, in dem ein höherer als der nach § 16 Abs 1 bis 7 MRG zulässige Mietzins gefordert wird. Damit kommt es für die Zulässigkeit der Mietzinserhöhung auf den Zinstermin an, zu dem das Erhöhungsbegehren nach dem zweiten Satz des § 16 Abs 9 MRG wirksam wird (5 Ob 210/07d; 5 Ob 101/03v; RS0069701); dieser Zeitpunkt setzt daher auch die dreijährige Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG iVm § 16 Abs 9 letzter Satz MRG in Gang (5 Ob 210/07d).

[8] 3. Die Möglichkeit nach § 16 Abs 9 Satz 1 MRG, eine Erhöhung des Mietzinses aufgrund einer Wertsicherungsvereinbarung selbständig zu überprüfen, besteht nach der Rechtsprechung des Fachsenats unabhängig davon, ob die dreijährige Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG für die Überprüfung des Hauptmietzinses bereits abgelaufen ist (5 Ob 131/14x; 5 Ob 210/07d; 5 Ob 101/03v; RS0117892; RS0070096 [T6]); sie besteht also selbst dann, wenn der vereinbarte Hauptmietzins (ohne Wertsicherung) nicht (mehr) überprüfbar wäre (5 Ob 7/01t).

[9] Der Antragsgegner bezweifelt auch gar nicht, dass die hier unter Berufung auf eine Wertsicherungsvereinbarung vorgenommene Mietzinserhöhung auf ihre Zulässigkeit grundsätzlich überprüft werden darf, obwohl die dreijährige Präklusivfrist für die Überprüfung der ursprünglichen Hauptmietzinsvereinbarung aus dem Jahr 1999 längst abgelaufen ist. Er vertritt in seinem Revisionsrekurs allerdings den Standpunkt, dass bei der Ermittlung der Obergrenze für die Mietzinsanhebung zum Zeitpunkt ihrer Wirksamkeit der Umstand, dass der Antragstellerin die für den Lagezuschlag maßgebenden Umstände nicht wie in § 16 Abs 4 MRG vorgesehen bekanntgegeben worden sind, nicht mehr berücksichtigt werden dürfe. Dies mit der Begründung, dass dieser Einwand präkludiert sei, wenn die zugrundeliegende Mietzinsvereinbarung in diesem Punkt – wie hier – nicht nach § 16 Abs 8 MRG innerhalb der dreijährigen Frist angefochten wurde.

[10] Schon das Rekursgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der „nach den Abs 1 bis 7 [des § 16 MRG] zulässige“ Hauptmietzins, der gemäß § 16 Abs 9 MRG die Zulässigkeit der Mietzinserhöhung begrenzt, nach dem klaren Zweck der Norm nicht den Hauptmietzins meint, der zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Erhöhungsbegehrens bei einem Neuabschluss eines Mietvertrags objektiv zulässig wäre, sondern den Hauptmietzins, der bezogen auf das konkrete Mietverhältnis zulässig ist. Entsprechend dem im Mietzinsrecht allgemein geltenden Prinzips des „Urzustands“ bzw der „Urkategorie“ (vgl RS0070132 [T2]; Lovrek/Stabentheiner in GeKo Wohnrecht I § 16 MRG Rz 6) bleiben die rechtlichen und faktischen Gegebenheiten zu Zeiten der Mietzinsvereinbarung maßgebend (vgl Hausmann/Reithofer in Hausmann/Vonkilch, MRG4 § 16 MRG Rz 84 [Prüfung in vollem Umfang mit Abstellen auf den „Urzustand“ des Mietgegenstandes]).

[11] Es entspricht zudem – wie ausgeführt – der bereits bestehenden Rechtsprechung, dass die Möglichkeit, eine Wertsicherungserhöhung nach § 16 Abs 9 Satz 1 MRG gesondert zu überprüfen, auch dann besteht, wenn die dreijährige Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG für die Überprüfung des (ursprünglichen) Hauptmietzinses bereits abgelaufen ist. Es ist dann zwar die Teilunwirksamkeit der ursprünglichen Hauptmietzinsvereinbarung saniert; die zulässige Grenze für Mietzinserhöhungen infolge Wertsicherung ist aber nach wie vor nach jener Rechtslage zu beurteilen, die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Zinsvereinbarung galt (Lovrek/Stabentheiner in GeKo Wohnrecht I § 16 MRG Rz 121).

[12] Das Rekursgericht hat dem Umstand, dass die für einen Lagezuschlag maßgebenden Umstände der Antragstellerinentgegen § 16 Abs 4 MRG nicht bekanntgegeben worden sind, zu Recht Relevanz beigemessen und den möglichen Lagezuschlag bei der Bestimmung des zulässigen Hauptmietzinses nicht berücksichtigt. Dieser Ausschlussgrund für die Berechtigung eines Lagezuschlags ist nicht dadurch geheilt, dass die Antragstellerin nicht schon die zugrundeliegende Mietzinsvereinbarung innerhalb der Frist des § 16 Abs 8 MRG angefochten hat.

[13] 4. Allein der Umstand, dass der Oberste Gerichtshof zu dieser Frage noch nicht ausdrücklich Stellung genommen hat, begründet für sich noch keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG. Eine solche liegt insbesondere dann nicht vor, wenn diese Frage – wie im vorliegenden Fall – anhand des Gesetzes und der von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung für vergleichbare Sachverhalte entwickelten Grundsätze gelöst werden kann und gelöst wurde (5 Ob 27/21p [Rz 15] mwN).

[14] 5. Der Revisionsrekurs ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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