OGH 13Os32/24s

OGH13Os32/24s13.11.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. November 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin FI Trsek in der Finanzstrafsache gegen * J* BA wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG idF BGBl I 2015/163 sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. November 2023, GZ 128 Hv 29/23g‑157, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00032.24S.1113.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Finanzstrafsachen

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * J* BA (richtig) jeweils mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG idF BGBl I 2015/163 (I 1 „b“ bis „d“ und II 1 a bis d) und der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (I 2 a und b sowie II 2 a und b) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er „in W*“ als Einzelunternehmer vorsätzlich und (zu I 1 und II 1 jeweils) in Erfüllung der Kriterien des § 38 Abs 2 Z 1 und 2 FinStrG idF BGBl I 2015/163 gewerbsmäßig unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten Abgabenverkürzungen, und zwar

(I) an Umsatzsteuer um (im Urteil nach Veranlagungsjahren aufgegliedert) insgesamt 173.290 Euro

(1) durch Nichtabgabe von Jahreserklärungen jeweils bis zum 30. Juni des Folgejahres für jedes der Veranlagungsjahre 2016 bis 2018 („b“ bis „d“) bewirkt und

(2) durch die Abgabe unrichtiger Jahreserklärungen jeweils am 23. Dezember 2021 für die Veranlagungsjahre 2019 (a) und 2020 (b) zu bewirken versucht (§ 13 FinStrG) sowie

(II) an Einkommensteuer um (im Urteil nach Veranlagungsjahren aufgegliedert) insgesamt 105.395 Euro

(1) durch Nichtabgabe von Jahreserklärungen jeweils bis zum 30. Juni des Folgejahres für jedes der Veranlagungsjahre 2015 bis 2018 (a bis d) bewirkt und

(2) durch die Abgabe unrichtiger Jahreserklärungen jeweils am 23. Dezember 2021 für die Veranlagungsjahre 2019 (a) und 2020 (b) zu bewirken versucht (§ 13 FinStrG).

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Das Vorbringen der Mängelrüge (nominell Z 5 vierter Fall) bekämpft – bloß isoliert – die Urteilsaussage, der Beschwerdeführer habe Waren mit einem „Aufschlag“ von „40 % des Einkaufswerts“ verkauft (US 7), indem es diese mit Kritik an der Vorgangsweise des „Finanzamt[s]“ im Abgabenverfahren sowie unter Wiedergabe des Inhalts dort erstatteter Schriftsätze des Beschwerdeführers als „nicht realistisch“ bezeichnet.

[5] Sie versäumt es bereits, den Bezug zu einer entscheidenden – nämlich für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage bedeutsamen (RIS-Justiz RS0117499) – oder (iVm Z 11 erster Fall) die Strafbefugnisgrenze determinierenden (RIS-Justiz RS0118581) Tatsache deutlich und bestimmt herzustellen. Damit verfehlt sie – von vornherein – den Bezugspunkt der unternommenen Anfechtung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 398 ff, im gegebenen Zusammenhang insbesondere Rz 400 und 402).

[6] Dass das Schöffengericht die angesprochene Feststellung auf einen – von ihm als überzeugend erachteten – Betriebsprüferbericht stützte (US 22), ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) übrigens nicht zu beanstanden.

[7] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) strebt den Wegfall des Schuldspruchs I 2 und II 2 mit dem Einwand an, „die Taten“ wären mit Ablauf der Erklärungsfrist (§ 134 BAO) „am 30.04. bzw 30.06.2020 und 2021 vollendet“ gewesen, zu diesen Zeitpunkten seien aber noch „gar keine unrichtigen Jahreserklärungen vor[gelegen]“.

[8] Dass schon das Nichteinreichen der Umsatz- und der Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2019 und 2020 zum Ablauf der (jeweiligen) gesetzlichen Erklärungsfrist vom Tatvorsatz (§ 33 Abs 1 FinStrG) des Beschwerdeführers getragen gewesen wäre, bringt das angefochtene Urteil aber nicht zum Ausdruck. Vielmehr wurde dies nur in Bezug auf die – wenngleich verspätete – Abgabe der jeweiligen unrichtigen Jahressteuererklärung durch den Beschwerdeführer (jeweils) am 23. Dezember 2021 festgestellt (US 10 f und 14).

[9] Indem die Rüge solcherart ihre Argumentation – ohne einen Feststellungsmangel geltend zu machen (RIS‑Justiz RS0118580) – nicht auf der Basis des Urteilssachverhalts entwickelt, bringt sie den herangezogenen materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung (RIS-Justiz RS0099810).

[10] Gleiches gilt für die Subsumtionsrüge (Z 10):

[11] Soweit sie zum Schuldspruch I 2 a und b (der Sache nach aus Z 9 lit a)

- die Reduktion des jeweiligen Verkürzungsbetrags an Umsatzsteuer auf null mit der Behauptung anstrebt, die „österreichischen Umsätze“ seien – mit der Konsequenz, dass dem Beschwerdeführer das Recht auf Vorsteuerabzug (für die Veranlagungsjahre 2019 und 2020) zu Unrecht nach § 12 Abs 14 UStG „[v]erwehr[t]“ worden wäre – jeweils „korrekt“ erklärt worden, sowie

- „vorsätzliche Hinterziehung unter Mitwissen“ des Beschwerdeführers bestreitet,

setzt sie sich über die gerade gegenteiligen Urteilsfeststellungen (US 10 bis 14) hinweg.

[12] Dass der Beschwerdeführer „[i]n Deutschland“ „Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2015 bis 2020 abgegeben“ habe, wird – erneut abseits des Urteilssachverhalts – bloß behauptet.

[13] Im Übrigen bleibt ohne methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz (siehe aber RIS-Justiz RS0116565), weshalb

- dieser (behauptete) Umstand zu einer geänderten rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch umfassten Taten führen oder

- das Recht auf Vorsteuerabzug – mit der angestrebten Konsequenz – nur dann gemäß § 12 Abs 14 UStG entfallen sollte, wenn der betreffende Umsatz

mit einer Hinterziehung im Inland geschuldeter Umsatzsteuer im Zusammenhang steht (zum Fehlen einer sich aus Unionsrecht ergebenden derartigen Einschränkung vgl EuGH C‑131/13 , C-163/13 und C-164/13 [Rn 69]), die überdies

einem (vorliegend nicht begründeten) „Finanzverbrechen des Abgabenbetrugs (§ 39 FinStrG)“ zu subsumieren sein müsse.

[14] Ebenso wenig wird nach Maßgabe juristisch geordneter Gedankenführung dargelegt, in welcher Hinsicht eine angebliche „EU-[W]idrig[keit]“ der „aktuelle[n] Fassung des § 12 Abs 14 [UStG]“ (vgl demgegenüber abermals EuGH C‑131/13 , C-163/13 und C-164/13 ) den Schuldspruch mit Nichtigkeit belasten sollte.

[15] Mit dem Vorbringen, in „Würdigung der Jahre 2016-2018“ sei „die gesamte Argumentation aus den Jahren 2019 + 2020 zu übernehmen“, wird – folgerichtig – auch der Schuldspruch I 1 nicht deutlich und bestimmt (§ 285a Z 2 StPO) bekämpft.

[16] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[17] Hinzugefügt sei, dass – auf der Basis der Feststellungen des Schöffengerichts zum Schuldspruch I (US 5 f, 7, 8, 9 f und 10 f, vgl auch US 47 f) – in Bezug auf jene als verkürzt erachteten Umsatzsteuerbeträge, die der Angeklagte aus bestimmten Erwerbsvorgängen (nämlich „Empfang von virtuellen Gütern [Star Citizen]“ und „[i]nnergemeinschaftliche Erwerbe von Handelswaren“, worauf [zur Gänze] die in den Veranlagungsjahren 2017 und 2018 [I 1 „c“ und „d“] und [zum Großteil] die in den Veranlagungsjahren 2016, 2019 und 2020 [I 1 „b“ und I 2 a und b] angenommenen Verkürzungsbeträge entfallen [US 12 f]) schuldete, ein Recht des Angeklagten auf Vorsteuerabzug (nach Maßgabe des § 12 UStG) nicht entstanden ist.

[18] Damit kommt es (für die Ermittlung des jeweiligen Verkürzungsbetrags an [Jahres-]Umsatzsteuer) im Gegenstand weder darauf an, ob die Voraussetzungen für den Entfall eines (allfälligen) Rechts auf Vorsteuerabzug nach § 12 Abs 14 UStG erfüllt waren, noch darauf, ob der Angeklagte in den Veranlagungsjahren 2016 bis 2018 (unecht steuerbefreiter) Kleinunternehmer im Sinn des § 6 Abs 1 Z 27 UStG – und daher (für jene Zeiträume) schon aus diesem Grund nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt (§ 12 Abs 3 Z 1 und 2 UStG) – war.

[19] Von der Generalprokuratur insoweit ausgemachte Rechtsfehler mangels Feststellungen (teils Z 9 lit a, teils Z 11 erster Fall des § 281 Abs 1 StPO), die den Obersten Gerichtshof zu amtswegigem Vorgehen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) veranlasst hätten, liegen demnach nicht vor.

[20] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[21] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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