European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00135.24T.1022.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Revisionsrekurs und der Rekurs werden zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.106,94 EUR bestimmten Kosten der Rechtsmittelbeantwortung (darin enthalten 684,49 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] 1. Mit der angefochtenen Entscheidung ließ das Rechtsmittelgericht eine Klagsänderung gemäß § 235 Abs 3 ZPO zu und hob das Urteil zum Nachtrag ergänzender Feststellungen auf. Den Revisionsrekurs und den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss erachtete es für zulässig, weil der Oberste Gerichtshof noch nicht ausdrücklich Stellung genommen habe, ob eine bloße Teileinklagung oder eine Ankündigung, bei einer Änderung der Verhältnisse wieder auf den ursprünglichen Rechtsgrund zurückzukommen, der Zulassung einer Klagsänderung aus prozessökonomischen Gründen entgegenstehen könnte.
Rechtliche Beurteilung
[2] 2. Auf diese Zulässigkeitserwägungen geht der Revisionsrekurs der Beklagten, der sich gegen die Zulassung der Klagsänderung richtet, jedoch nicht ein. Ob eine Klagsänderung im Interesse der erwünschten endgültigen und erschöpfenden Beendigung des Streites zuzulassen ist, hängt im Übrigen von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0039525 [T4, T6]; RS0039441 [T11]; RS0039428 [T2]) und begründet deshalb nur dann eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 528 Abs 1 ZPO, wenn den Vorinstanzen eine im Interesse der Rechtssicherheit korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (RS0115548).
[3] 3. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Klagsänderung „tunlichst“ zuzulassen (RS0039441). Sie ist immer dann zulässig, wenn sie einen zweiten Prozess erspart, ohne den ersten unbillig zu erschweren oder zu verzögern (RS0039428; vgl auch RS0039619, RS0039930), und wenn sie es ermöglicht, das zwischen den Parteien streitige Rechtsverhältnis mit den einfachsten Mitteln und unter Vermeidung eines weiteren Prozesses klarzustellen (RS0039518).
[4] Das Rekursgericht verwies zudem auf Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach dem Kläger sogar dann, wenn nach Durchführung eines Beweisverfahrens abschließend geklärt ist, dass der ursprünglich geltend gemachte Anspruch nicht zu Recht besteht, aus Gründen der Prozessökonomie im Einzelfall die Möglichkeit geboten werden kann, durch Änderung seines Begehrens den Prozess auf neuer Grundlage mit völlig neuen Beweismitteln fortzusetzen (vgl 6 Ob 171/17s, 4 Ob 9/18d, 4 Ob 162/23m). Ob der Kläger sein Vorbringen zur Klagsänderung früher erstatten hätte können, hat das Gericht nach § 179 ZPO zu beurteilen, ist aber kein Prüfkriterium nach § 235 Abs 3 ZPO (RS0036873 [T1]).
[5] 4. Davon ausgehend vermag der Revisionsrekurs der Beklagten keine unvertretbare Fehlbeurteilung aufzuzeigen. Auch wenn die Klägerin ihr Leistungsbegehren auf einen neuen Rechtsgrund stützte und (wieder) um ein Unterlassungsbegehren ausdehnte, arbeitete das Rekursgericht heraus, dass die nunmehr relevanten Aspekte teils schon im bisherigen Verfahren (wenn auch mit anderer Zielrichtung) thematisiert wurden, und wog dies gegen mögliche Weiterungen des Beweisverfahrens durch die Klagsänderung ab. Gegen dessen Wertung, dass hier der Bereinigung der inhaltlichen Streitfragen unter Verwertung der bisherigen Verfahrensergebnisse der Vorzug zu geben sei, bestehen im konkreten Einzelfall keine Bedenken.
[6] 5. Auch der Rekurs nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf, sondern releviert nur, dass das Rechtsmittelgericht die Klagsänderung nicht zulassen hätte dürfen und daher über das ursprüngliche Begehren entscheiden hätte müssen.
[7] 6. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit hingewiesen.
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