European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0110OS00088.24M.1022.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Suchtgiftdelikte
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * A* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I/), des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (II/) sowie der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (III/) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er
I/ in Wien Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, und zwar
A/ Cannabisharz (beinhaltend die Wirkstoffe Delta‑9‑THC mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 2,06 % sowie THCA mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 26,96 %), nämlich
1/ am 13. April 2024 3,1 Gramm einem verdeckten Ermittler der Kriminalpolizei zum Preis von 25 Euro;
2/ in einem nicht mehr feststellbaren Zeitraum seit dem Jahr 2023 bis zum 13. April 2024 zumindest 200 Gramm nicht mehr ausforschbaren Abnehmern;
B/ in einem nicht mehr feststellbaren Zeitraum seit dem Jahr 2023 bis zum 13. April 2024 nicht mehr ausforschbaren Abnehmern
1/ 10 Gramm Cannabisblüten (beinhaltend die Wirkstoffe Delta‑9‑THC mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 0,90 % sowie THCA mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 11,85 %);
2/ zumindest 25 Gramm Kokain (beinhaltend den Wirkstoff Cocain mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 68,25 %);
3/ zumindest 435 Gramm Crystal Meth (beinhaltend den Wirkstoff Methamphetamin mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 67,96 %);
II/ in Wien Suchtgift in einem nicht mehr feststellbaren Zeitraum bis zum 13. April 2024 erworben und besessen, und zwar 2,1 Gramm Cannabisblüten und 23,4 Gramm Cannabisharz (beinhaltend jeweils die Wirkstoffe Delta‑9‑THC sowie THCA);
III/ * K* vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar am
A/ 13. Oktober 2023 in Wien, indem er ihr einen Faustschlag gegen das Gesicht versetzte, wodurch die Genannte ein Hämatom am Auge erlitt;
B/ am 2. Februar 2024 in Wien, indem er ihr einen Schlag mit der flachen Hand gegen den linken Hinterkopf, einen Tritt gegen den linken Oberschenkel sowie einen erneuten Schlag mit der flachen Hand gegen den Kopf versetzte, wodurch die Genannte mit dem Kopf gegen die Wand prallte und Schmerzen sowie ein Hämatom am linken Oberschenkel erlitt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Der zu III/ erhobenen Verfahrensrüge (Z 3) zuwider stand die Vernehmung der Zeugin * K* mit § 156 Abs 1 Z 1 StPO im Einklang, weshalb keine Nichtigkeit ihrer Aussage nach § 159 Abs 3 StPO vorliegt. Unter Bezugnahme auf die entsprechenden Depositionen der Zeugin ging das Erstgericht auf Sachverhaltsebene davon aus, dass (zum Vernehmungszeitpunkt; vgl RIS‑Justiz RS0097509) weder eine Wohnungs- noch eine Wirtschaftsgemeinschaft vorlag (vgl US 6, 12; ON 28 S 12 f). Mit ihrem Hinweis auf die zu einem früheren Zeitpunkt gegebene gemeinsame Wohnungsnahme und das Bestehen einer Verlobung als Versprechen, künftig eine Ehe zu schließen (vgl Smutny in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.09 § 45 Rz 3; Jerabek/Ropper in WK2 § 72 Rz 14), vermag die Beschwerde jedoch weder einen Rechtsfehler des gerügten Vorgangs aufzuzeigen (vgl RIS-Justiz RS0092256 [T1, T6, T9]) noch dessen Sachverhaltsgrundlage nach den Kriterien der Z 5 oder 5a des § 281 Abs 1 StPO (RIS‑Justiz RS0118977, RS0118016; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 40 f und 49 ff) zu erschüttern.
[5] Die (inhaltlich gegen den Schuldspruch zu I/ gerichtete) Mängelrüge (Z 5 vierter Fall), wonach das Erstgericht den Reinheitsgrad des vom Angeklagten überlassenen Suchtgifts unzureichend – nämlich mit einer für den Angeklagten überraschenden, weil in der Hauptverhandlung nicht in einer für diesen verständlichen Sprache erörterten Gerichtsnotorietät – begründet habe (RIS‑Justiz RS0119094; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 463), ist unberechtigt. Der von den Tatrichtern festgestellte Reinheitsgehalt wurde nämlich bereits in der dem Angeklagten übersetzten (ON 18), von der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung vorgetragenen Anklageschrift (ON 14 S 5 und ON 28 S 2; vgl RIS‑Justiz RS0119094 [T8, T9]) – von deren Kenntnisnahme durch den Angeklagten sich der Vorsitzende dem ungerügt gebliebenen Protokoll zufolge eigens vergewisserte (ON 28 S 3) – dargestellt und in der Folge überdies in der Hauptverhandlung (in Anwesenheit des Verteidigers) erörtert (ON 38.1 S 7 f), sodass ein Verstoß gegen das fair‑trial‑Gebot des Art 6 MRK nicht auszumachen ist.
[6] Das Erstgericht ging davon aus, dass der Angeklagte das ihm von seinem Lieferanten verschaffte Suchtgift in mehreren Angriffen an unbekannte Abnehmer veräußerte, wobei er als Gegenleistung bzw Bezahlung für diesen Verkauf Suchtgift für seinen Eigenkonsum erhielt (US 5 und US 8). Da der Angeklagte diese Verkaufstätigkeit – den erstgerichtlichen Konstatierungen folgend – während des Zeitraums von einem Jahr bis zum 13. April 2024 (US 5) entfaltete, ist die Annahme, wonach die entsprechende Entlohnung in Form von Suchtgift für den Eigenkonsum auch nur während dieses Zeitraums erfolgte – dem Einwand der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0116732).
[7] Entgegen dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) hat das Erstgericht ohne Verstoß gegen folgerichtiges Denken und grundlegende Erfahrungssätze willkürfrei (vgl US 9 ff) dargetan, weshalb es hinsichtlich der erworbenen Suchtgiftmengen den Depositionen des Angeklagten vor der Polizei und vor der Haft- und Rechtsschutzrichterin Glauben schenkte. Dass aus einzelnen Beweisergebnissen für den Nichtigkeitswerber auch günstigere Schlussfolgerungen hätten gezogen werden können, stellt keinen Begründungsmangel her (RIS‑Justiz RS0099413 [T4], RS0098400).
[8] Die Subsumtionsrüge (Z 10) lässt nicht erkennen (RIS-Justiz RS0116565), weshalb es für die rechtsrichtige Beurteilung des Sachverhalts (als Suchtgifthandel nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG [I/]) erforderlich sein sollte, zusätzlich zur Konstatierung der Bruttomengen und des Wirkstoffgehalts (US 5 f) auch noch Urteilsfeststellungen zu den – im Wege einer reinen Rechenoperation zu ermittelnden – Nettowirkstoffmengen (vgl zu I/B/3/ im Übrigen US 13) und der zahlenmäßigen Überschreitung der Grenzmenge zu treffen. Ebenso wenig erklärt die Beschwerde, weshalb es konkreter Feststellungen zur Grenzmenge – als normativ (hier: in der Suchtgift-Grenzmengenverordnung) festgelegter Größe (RIS‑Justiz RS0130194) – bedurft hätte.
[9] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[10] Gleichfalls im Einklang mit der Generalprokuratur ist mit Blick auf die Feststellungserfordernisse hinsichtlich der – vom Erstgericht für anwendbar erachteten – Strafschärfung nach § 39 Abs 1 StGB (RIS‑Justiz RS0134000) der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass betreffend die potentiell rückfallsbegründende Suchtmittelkriminalität des Angeklagten nur die Verbüßung einer Freiheitsstrafe (nämlich zu AZ 63 Hv 154/19f des Landesgerichts für Strafsachen Wien) konstatiert wurde (US 5). Darüber hinaus stellte das Erstgericht bloß den Vollzug der zu AZ 42 Hv 74/20p des Landesgerichts für Strafsachen Wien verhängten – nicht einschlägigen – Zusatzstrafe fest, während die (zumindest teilweise) Verbüßung der im ersten Urteil wegen eines Suchtmitteldelikts verhängten Freiheitsstrafe gerade nicht konstatiert wurde (US 4 f; vgl aber Flora in WK2 StGB § 39 Rz 9).
[11] Da jedoch durch Gewinnstreben gekennzeichnete Suchtgiftkriminalität auf der gleichen schädlichen Neigung wie Vermögensdelinquenz beruht (Jerabek/Ropper in WK2 § 71 Rz 8) und das Erstgericht auch die innerhalb der Rückfallsverjährungsfrist des § 39 Abs 2 StGB gelegene Verbüßung einer Freiheitsstrafe wegen § 125 StGB angenommen hat (US 4), wurde im Ergebnis zutreffend von einer Anwendbarkeit des § 39 Abs 1 StGB ausgegangen.
[12] Betreffend das Verfallserkenntnis wird angemerkt, dass die Tatrichter aus dem Gesamtkontext – nämlich dem Nichtbestehen sonstiger Einnahmequellen (US 5) und der Auffindungssituation im Zuge laufender Suchtgiftverkäufe (US 6 und US 8) – gerade noch hinreichend deutlich zum Ausdruck brachten (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19), dass der beim Angeklagten sichergestellte Bargeldbetrag aus den zu I/ urteilsgegenständlichen mit Strafe bedrohten Handlungen stammte.
[13] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)