OGH 15Os62/24t

OGH15Os62/24t9.10.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Oktober 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Sadoghi sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel und Dr. Farkas in Gegenwart des Schriftführers Dr. Jetzinger in der Strafsache gegen * K* wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 16. April 2024, GZ 17 Hv 8/24t‑83, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00062.24T.1009.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * K* des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 9. September 2023 in G* * O* dadurch, dass er sie in der im fünften Stock gelegenen Ehewohnung von hinten umklammerte, gewaltsam in Richtung des geöffneten Küchenfensters drückte und ihr sodann, als sie mit dem Kopf voraus bereits bis zur Hüfte über die äußere Fensterbank hing, weitere ruckartige Stöße gegen den Körper versetzte, zu töten versucht, wobei es beim Versuch blieb, weil es K* nicht gelang, die sich wehrende O* aus dem Fenster zu stürzen und er schließlich von ihr abließ, nachdem der Passant * C* ihn wiederholt laut angeschrien hatte.

[3] Die Geschworenen bejahten die in Richtung des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB gestellte Hauptfrage.

Rechtliche Beurteilung

[4] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[5] Die das Unterbleiben der Stellung einer Zusatzfrage nach freiwilligem Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) kritisierende Fragenrüge (Z 6) lässt die gebotene Ausrichtung am Verfahrensrecht vermissen (Lässig, WK‑StPO § 313 Rz 8). Denn sie zeigt ein die begehrte Frage indizierendes Tatsachensubstrat (RIS‑Justiz RS0119417 [T1]) unter Berücksichtigung sämtlicherVerfahrensergebnisse in ihrer Gesamtheit und deren inneren Zusammenhangs (vgl RIS‑Justiz RS0120766 [T4], RS0100464) nicht auf.

[6] Soweit die Beschwerde auf die Aussage des Opfers in der Hauptverhandlung „Da ich so laut geschrien habe, hat mein Mann mich losgelassen, sodass ich wieder mit meinem ganzen Körper in das Innere der Wohnung gelangen konnte“ und „Er hat mich nur gehoben und wieder losgelassen“ sowie die Angaben des Zeugen T* B*, wonach seine Mutter ihm erzählt habe, sie sei vom Angeklagten aufgehoben und wieder losgelassen worden, verweist, vernachlässigt sie die in der Hauptverhandlung verlesene (ON 82, 30) Aussage der Zeugin im Ermittlungsverfahren. Danach habe der Angeklagte sie von hinten umklammert, zum Fenster gehoben und sie aus dem Fenster gedrückt, ihre Arme und ihr Oberkörper hätten sich weit aus dem Fenster draußen, ihr Körper zu 60 % außerhalb des Fensters befunden; sie habe sich weder mit Armen noch Beinen innen festhalten können und aus Angst um ihr Leben um Hilfe geschrien, woraufhin einige Nachbarn auf den Vorfall aufmerksam geworden seien und ihr Mann sie dann losgelassen habe sowie, dass er, bevor er versucht habe, sie aus dem Fenster zu werfen, gesagt habe „Jetzt stirbst du so!“ (ON 2.8, 4 f).

[7] Indem die Beschwerde ferner die Angaben der Zeugin * P* ins Treffen führt, wonach der Angeklagte „sie gesehen hätte und es dann schon wieder vorbei gewesen wäre“ berücksichtigt sie nicht deren weitere – in der Hauptverhandlung verlesene (ON 82, 30) – Depositionen im Ermittlungsverfahren, wonach ihr Lebensgefährte während der Tatausführung mehrfach lautstark geschrien habe, was los sei, woraufhin der Angeklagte zwischen dem Fenster und dem Körper des Opfers hervorgeschaut habe und es – nachdem er die Zeugen wahrgenommen habe – plötzlich ruhig geworden sei und beide vom Fenster verschwunden seien (ON 2.7, 4).

[8] Somit wird durch selektives Betonen einzelner Aussagedetails unter Außerachtlassung deren Zusammenhangs und unter gänzlicher Vernachlässigung der Verantwortung des Angeklagten, wonach er keinerlei Erinnerung habe und vom Vorfall am Tattag nichts wisse (ON 2.5, 4 ff; ON 6, 3; ON 82, 3 ff), die Indizwirkung für die angestrebte Zusatzfrage nicht dargetan.

[9] Fernerbezeichnet die Rüge auch mangels Aussagekraft der von ihr zitierten Depositionen der Zeugen zu der mit den Tathandlungen einhergehenden Motivation des Angeklagten (zu autonomen Motiven des Täters beim Rücktritt vom Versuch siehe RIS‑Justiz RS0089892) kein die begehrte Zusatzfrage indizierendes Sachverhaltssubstrat.

[10] Gesamthaft zeigt die Beschwerde somit keine nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung ernsthaften Indizien dafür auf, dass der Angeklagte aus freien Stücken, das heißt obwohl er die Tat an sich ungestört und planmäßig hätte vollenden können, von der Ausführung des Mordes Abstand genommen hätte (RIS‑Justiz RS0090216; Bauer/Plöchl in WK2 StGB § 16 Rz 127 ff).

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 344, 285i StPO).

[12] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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