OGH 9ObA43/24z

OGH9ObA43/24z19.9.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. S*, vertreten durch Gerlach Rechtsanwälte in Wien gegen die beklagte Partei U* AG, *, vertreten durch Engelbrecht Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses (Streitwert 35.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 25. April 2024, GZ 9 Ra 107/23f‑27, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:009OBA00043.24Z.0919.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Beurteilung, ob im Einzelfall ein Kündigungs‑ oder Entlassungsgrund verwirklicht wurde, keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0106298), es sei denn, das Berufungsgericht hätte bei seiner Entscheidung den Beurteilungsspielraum überschritten, was vorliegend nicht der Fall ist.

[2] 2. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Äußerung als erhebliche Ehrverletzung und damit als Entlassungsgrund iSd § 27 Z 6 3. Fall AngG zu qualifizieren ist, kommt es darauf an, ob die Äußerung objektiv geeignet ist, ehrverletzend zu wirken und in concreto auch diese Wirkung gehabt hat (RS0029845). Dies ist aus der Reaktion des Betroffenen zu schließen (RS0029845 [T7]).

[3] 3. Nach den Feststellungen fühlte sich der von der inkriminierten Äußerung des Klägers betroffene Vorgesetzte weder beleidigt noch diskreditiert. Wenn die Beklagte nunmehr argumentiert, dass „sehr wohl“ eine Reaktion erfolgte, nämlich der Ausspruch der Entlassung durch sie, so übergeht sie, dass sie nicht das Tatbestandsobjekt der Äußerung des Klägers und damit nicht die Betroffene einer möglichen Ehrverletzung war. Auf ihre Reaktion kommt es demnach nicht an.

[4] 4. Da schon aus diesem Grund das Vorliegen des Entlassungsgrundes nach § 27 Z 6 3. Fall AngG zu verneinen war, muss auf die Frage der Beweislastverteilung im Hinblick auf den Wahrheitsgehalt der dem Kläger vorgeworfenen Äußerung nicht weiter eingegangen werden.

[5] 5. Bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit kommt es vor allem darauf an, ob für den Dienstgeber vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung bestand, dass seine Belange durch den Angestellten gefährdet seien, wobei nicht das subjektive Empfinden des Dienstgebers entscheidet, sondern an das Gesamtverhalten des Angestellten ein objektiver Maßstab anzulegen ist, der nach den Begleitumständen des einzelnen Falls und nach der gewöhnlichen Verkehrsauffassung angewendet zu werden pflegt (RS0029833). Entscheidend ist, ob das Verhalten des Angestellten als so schwerwiegend angesehen werden muss, dass das Vertrauen des Arbeitgebers derart heftig erschüttert wird, dass ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (RS0029323).

[6] 6. Die Revision argumentiert zusammengefasst im Wesentlichen damit, dass der Kläger mit der ihm vorgeworfenen Äußerung die Gewährung eines Vorruhestandsmodells erreichen wollte, auf das er keinen Anspruch habe. Daraus ergebe sich seine Vertrauensunwürdigkeit. Zwar habe das Erstgericht zur Motivlage des Klägers eine Negativfeststellung getroffen, das Berufungsgericht habe allerdings den diesbezüglich geltend gemachten Verfahrensmangel nicht behandelt, weil es von der rechtlichen Irrelevanz dieser Feststellung ausgegangen sei. Es liege damit eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens vor.

[7] 7. Der Kläger hat in einem Verfahren, in dem er Mobbing/Bossing geltend machte, ausgesagt, der Geschäftsführer habe ihm gegenüber geäußert, es werde zukünftig für ihn „wie die Hölle auf Erden“. Ob der Geschäftsführer dies tatsächlich gesagt hat, konnte nicht festgestellt werden.

[8] Aus dieser Aussage lässt sich aber, unabhängig davon, was die Motivation des Klägers war, weder eine Forderung noch eine Drohung im Hinblick auf bestimmte Leistungen durch die Beklagte ableiten. Daran ändert sich auch nichts, wenn man sie in Zusammenhang mit den anderen von der Beklagten angeführten Teilen der Aussage des Klägers (der Beschäftiger sei „eine Minitochter“ [des Überlassers], er „müsse sich fast genieren, über das Verhalten und den Umgangston“, der Beschäftiger sei eine „seltsame Tochter“, dort habe er „ein Niveau kennengelernt, das er sonst nicht von der Bank her kenne“) betrachtet.

[9] 8. Soweit die Beklagte sich auf Rechtsprechung beruft, nach der die Drohung mit einer – für sich allein betrachtet – rechtmäßigen Handlung nicht eingesetzt werden dürfe, um einen unverhältnismäßigen Vorteil zu erzielen oder einen nicht konnexen Anspruch durchzusetzen, ist für sie daher nichts zu gewinnen. Der Kläger hat mit der inkriminierten Äußerung eine gerichtliche Aussage getätigt, nicht mit einer rechtmäßigen oder unrechtmäßigen Handlung gedroht.

[10] 9. Ob der Kläger die Schadenersatzklage wegen Mobbings einbrachte, um damit unzulässig Ansprüche durchzusetzen, war nicht zu prüfen, da die Beklagte die Rechtmäßigkeit der Entlassung darauf nicht gestützt hat. Zu einem solchen Entlassungsgrund mussten daher auch keine Feststellungen getroffen werden. Ein sekundärer Verfahrensmangel liegt nicht vor.

[11] 10. Insgesamt gelingt es der Beklagten daher nicht das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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