OGH 13Os58/24i

OGH13Os58/24i11.9.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Wachter in der Strafsache gegen * B* wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach § 86 Abs 2 StGB sowie im Verfahren zur strafrechtlichen Unterbringung des * B* in einem forensisch‑therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. April 2024, GZ 83 Hv 7/24t‑124.2, und über die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Verlängerung von Probezeiten nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00058.24I.0911.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * B* des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach § 86 Abs 2 StGB schuldig erkannt. Unter einem wurde die strafrechtliche Unterbringung des * B* in einem forensisch‑therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB angeordnet.

[2] Nach den Feststellungen des Erstgerichts hat er am 23. August 2023 in W* * S* vorsätzlich (US 6) am Körper verletzt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, dessen Tod herbeigeführt, indem er ihm zwei Faustschläge gegen den Kopfbereich versetzte, sodass der Genannte rücklings zu Boden stürzte und mit dem Hinterkopf auf dem Asphaltboden aufprallte, wodurch er schwere Kopfverletzungen, und zwar einen Berstungsbruch des Schädeldachs mit Blutung zwischen den Hirnhäuten und Prellungen des Gehirngewebes, sowie einen unverschobenen Bruch des Nasenbeins erlitt, welche zum Auftreten des sogenannten Locked‑In‑Syndroms und einer dadurch bedingten Dekompensation des Herz‑Kreislaufsystems führten, an der er am 18. Oktober 2023 verstarb.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, (richtig) 5a und 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Nach den tatrichterlichen Feststellungen kam es am 23. August 2023 in einer Parkanlage in W* zwischen dem Angeklagten und * S* zu insgesamt drei Auseinandersetzungen in sehr kurzer zeitlicher Abfolge. Sowohl der erste, rein verbale, Konflikt, als auch der nachfolgende tätliche Angriff des Angeklagten, gegen den sich das spätere Opfer und seine Familie mit Schlägen und Tritten verteidigten, waren jeweils schon beendet, als es zu den Tathandlungen des Angeklagten im Rahmen des dritten, einzig vom Schuldspruch umfassten Angriffs kam (US 3 ff).

[5] Das diese festgestellte zeitliche Abfolge ignorierende, sich insbesondere gegen die Feststellungen zum Ablauf des zweiten Angriffs, nicht aber zu dessen Beendigung wendende Beschwerdevorbringen (Z 5 und 5a) geht daher mangels Bekämpfung entscheidender Tatsachen schon im Ansatz fehl (RIS-Justiz RS0106268 [T7]; zum Begriff siehe Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 398 ff).

[6] Gleiches gilt für die aus Z 5 erhobene Kritik, eine im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägung der Tatrichter zur leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers (US 11) sei „mangelhaft begründet“.

[7] Soweit die Rüge nicht von der erstgerichtlichen Feststellung ausgeht, wonach * I* mit ihrer Tasche gegen den Angeklagten schlug, um dem Opfer gegen den (dritten) Angriff des Angeklagten zu Hilfe zu kommen und diesen Angriff zu beenden (US 5), sondern urteilsfremd argumentiert, diese habe ihrerseits den Angeklagten vor seinem Schlag auf das Opfer angegriffen, geht der insoweit erhobene Vorwurf eines Widerspruchs (Z 5 dritter Fall) zu weiteren Urteilskonstatierungen ins Leere.

[8] Mit dem Einwand, eine „an die Zeugin I* gerichtete Fragestellung des Ersatzschöffen“ widerspräche den Urteilsfeststellungen, wird Nichtigkeit im Sinn der geltend gemachten Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nicht angesprochen.

[9] Ob der Angeklagte – wie vom Erstgericht festgestellt – zwei Schläge gegen das Opfer setzte (US 5) oder – wie von der Beschwerde releviert – nur einen, ist weder für die Schuld- noch für die Subsumtionsfrage von Bedeutung.

[10] Die Kritik, das Erstgericht habe „die ihm zur Verfügung stehenden Beweismittel unzureichend ausgeschöpft“undsei daher „seiner amtswegigen Pflicht zur Erforschung des tatsächlichen Sachverhaltes nicht nachgekommen“ (der Sache nach Z 5a als Aufklärungsrüge), versäumt die Darlegung, wodurch der Beschwerdeführer an sachgerechter Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen sei (RIS‑Justiz RS0115823).

[11] Eine Tatsachenrüge (Z 5a) ist nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie anhand konkreten Verweises auf in der Hauptverhandlung vorgekommenes Beweismaterial (§ 258 Abs 1 StPO) bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswürdigung darlegt, welches von ihr angesprochene Verfahrensergebnis (Beweismittel) aus welchem Grund erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit welcher Feststellungen über entscheidende Tatsachen wecken soll (RIS‑Justiz RS0117446 [insbesondere T1, T3, T10 und T18] sowie RS0118780). Diesen Kriterien entspricht die Rüge nicht, soweit sie ohne Bezugnahme auf Verfahrensergebnisse eigene Erwägungen zum Tathergang anstellt und behauptet, es sei in sich widersprüchlich, einerseits von einer kombinierten Persönlichkeitsstörung des Angeklagten (US 7) und andererseits von der Notwendigkeit, diesem das Unrecht der Tat vor Augen zu führen (US 16), auszugehen.

[12] Die auf die Annahme des Rechtfertigungsgrundes der Notwehr (§ 3 StGB) abzielende Rechtsrüge (Z 9 lit b) wendet ein, das Erstgericht habe „tatsachenwidrige“ Feststellungen getroffen, und argumentiert auf der Basis eigener beweiswürdigender Erwägungen. Damit verfehlt sie die prozessordnungsgemäße Ausführung materiell‑rechtlicher Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[14] Die Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

[15] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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