European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00104.24A.0911.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Exekutionsrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die betreibende Partei ist schuldig, der verpflichteten Partei die mit 5.627,46 EUR (hierin enthalten 835,91 EUR USt und 612 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekurs- und Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Verpflichtete erklärte und bestätigte mit Schuldanerkenntnis vom 20. 9. 2000, dem Betreibenden einen fälligen Betrag von 992.961 ATS schuldig zu sein, und verpflichtete sich mit vollstreckbarem Notariatsakt vom selben Tag zu dessen Bezahlung.
[2] Mit insolvenzgerichtlichem Beschluss vom 31. 1. 2014 wurde über das Vermögen des Verpflichteten ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Nach dem von ihm angebotenen und in der Folge angenommenen Zahlungsplan sollten die Insolvenzgläubiger 9,94 % ihrer Forderung durch Zahlung von sieben Jahresraten erhalten. Mit unangefochten in Rechtskraft erwachsenem insolvenzgerichtlichen Beschluss vom 7. 4. 2014 wurde der Zahlungsplan bestätigt und ausgesprochen, dass das Insolvenzverfahren mit Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses aufgehoben ist. Das Ende der Zahlungsfrist war der 1. 4. 2021; der Verpflichtete leistete an diesem Tag die letzte Rate.
[3] Der Betreibende begehrte mit dem am 24. 5. 2023 beim Erstgericht erstmals und am 8. 8. 2023 in verbesserter Form eingelangten Exekutionsantrag, ihm gegen den Verpflichteten aufgrund des vollstreckbaren Notariatsakts vom 20. 9. 2000 zur Hereinbringung der Forderung von (umgerechnet) 72.161,29 EUR sA und der Kosten des Exekutionsverfahrens die Fahrnis- und Forderungsexekution nach §§ 294 f EO zu bewilligen. Ein weiteres Vorbringen erstattete er nicht, insbesondere nahm er auf das Insolvenzverfahren oder die IO nicht Bezug.
[4] Das Erstgericht bewilligte die Exekutionsführung am 9. 8. 2023 mit Stampiglienerledigung antragsgemäß. Ein Rekurs wurde dagegen nicht erhoben.
[5] Der Verpflichtete beantragte am 23. 8. 2023 die Einstellung der Exekution. Zur Begründung führte er aus, der Betreibende habe die in Exekution gezogene Forderung, die eine Konkursforderung sei, im Schuldenregulierungsverfahren nicht angemeldet. Weil dieses zur Restschuldbefreiung geführt habe, lägen die Voraussetzungen für eine Einstellung des Exekutionsverfahrens gemäß § 197 Abs 3 letzter Satz IO vor.
[6] Der Betreibende sprach sich gegen den Einstellungsantrag aus. Er sei vom Verpflichteten nicht von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verständigt worden, obwohl diesem bewusst gewesen sei, dass er eine erhebliche und titulierte Forderung gegen ihn habe. Da das Verschulden an der Nichtberücksichtigung der Forderung im Zahlungsplan allein den Verpflichteten treffe, sei dieselbe gemäß § 156 Abs 4 (iVm § 197) IO von der Wirkung des Zahlungsplans ausgenommen und könne unbeschränkt betrieben werden.
[7] Das Erstgericht stellte die Exekution ein, hob alle schon vollzogenen Exekutionsakte auf, sprach aus, dass dem Betreibenden die gesamten Kosten des Exekutionsverfahrens gemäß § 75 EO aberkannt werden, und verpflichtete ihn zum Kostenersatz. Mit der Erfüllung des Zahlungsplans sei hinsichtlich aller Gläubiger Restschuldbefreiung eingetreten, auch hinsichtlich jener, die ihre Forderung nicht anmeldeten. Der Betreibende habe eine Beschlussfassung nach § 197 Abs 2 IO weder behauptet noch bescheinigt. Seit Einführung der elektronischen Insolvenzdatei begründe die Unkenntnis des Gläubigers von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und die dadurch bedingte Unterlassung der Forderungsanmeldung in der Regel ein die Anwendung des § 156 Abs 4 IO ausschließendes Mitverschulden des Gläubigers.
[8] Das Rekursgericht änderte die Entscheidung dahin ab, dass der Einstellungsantrag des Verpflichteten abgewiesen und ausgesprochen wurde, dass dieser die Kosten seines Antrags selbst zu tragen hat. Bei der geltend gemachten Forderung handle es sich unstrittig um eine Insolvenzforderung, die als solche im Schuldenregulierungsverfahren des Verpflichteten anzumelden gewesen wäre. Der Betreibende habe in seiner Äußerung zum Einstellungsantrag des Verpflichteten jedoch behauptet, er sei von diesem, dem die Existenz der erheblichen Forderung aufgrund des vollstreckbaren Notariatsakts bewusst sein hätte müssen, nicht von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verständigt worden. Nach dem Grundsatz „negativa non sunt probanda“ müsse nicht der Betreibende unter Beweis stellen, dass er keine Unternehmereigenschaft aufweise und daher auf ihn die strenge Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Vorwerfbarkeit der unterlassenen Einsichtnahme in die Insolvenzdatei keine Anwendung finde. Vor Beschlussfassung durch das Erstgericht hätten sich aus dem Akteninhalt keine Anhaltspunkte für eine Unternehmereigenschaft des Betreibenden respektive dafür ergeben, dass er von einer Insolvenz des Verpflichteten ausgehen hätte müssen und diesbezüglich zumutbare Nachforschungen unterlassen habe. Somit habe das Tatsachenvorbringen der Streitteile keinen Schluss auf ein schuldhaftes Unterbleiben der Anmeldung der Forderung im Schuldenregulierungsverfahren erlaubt.
[9] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. Die Frage, ob ausreichendes Vorbringen im Sinne des § 197 IO iVm § 156 Abs 4 IO erstattet wurde, betreffe nur den Einzelfall und habe keine darüber hinausgehende Bedeutung.
[10] Gegen den rekursgerichtlichen Beschluss richtet sich der aus den Rechtsmittelgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene außerordentliche Revisionsrekurs des Verpflichteten mit einem auf die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses abzielenden Abänderungs- und hilfsweise einem Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
[11] Der Betreibende beantragt in der ihm vom Senat freigestellten Revisionsrekursbeantwortung – das Rechtsmittelverfahren ist hier nach § 65 Abs 3 Z 2 EO zweiseitig – die Zurückweisung des Rechtsmittels, hilfsweise diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
[12] Der außerordentliche Revisonsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 156 Abs 4 IO abgegangen ist. Er ist auch berechtigt.
[13] 1. Wie im Zivilprozess herrscht auch im Exekutionsverfahren vor dem Rekursgericht Neuerungsverbot (RS0002371). Das Rekursgericht hat den angefochtenen Beschluss aufgrund der Sach- und Rechtslage zu überprüfen, wie sie zur Zeit der Beschlussfassung bestanden hat (RS0043329). Prinzipiell ist dabei von der Aktenlage zum Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses auszugehen (3 Ob 147/16p [Pkt 1.1.]).
[14] Der Verpflichtete erstattete zur Äußerung des Betreibenden zum Einstellungsantrag eine Gegenäußerung, in der er vorbrachte, der Betreibende sei Unternehmer. Das Rekursgericht ging davon aus, dass die Gegenäußerung erst nach Fassung des erstgerichtlichen Beschlusses beim Erstgericht eingegangen und deshalb nicht zu beachten sei. Dass die Gegenäußerung erst nach dem genannten Zeitpunkt beim Erstgericht einlangte, wird im Revisionsrekurs nicht in Abrede gestellt. Damit muss aber die Überprüfung der rekursgerichtlichen Entscheidung unter Ausblendung des Vorbringens des Verpflichteten in der Gegenäußerung erfolgen.
[15] 2. Der Verpflichtete bekämpft in seiner Rechtsrüge die Ansicht des Rekursgerichts, der Betreibende habe seiner Behauptungs- und Beweispflicht in Hinsicht auf ein Alleinverschulden des Verpflichteten im Sinn des § 156 Abs 4 IO entsprochen. Da er sich – wie unter Punkt 3. gezeigt werden wird – damit im Recht befindet und sich bereits deshalb sein auf Stattgebung des Einstellungsantrags abzielender Rechtsmittelantrag als berechtigt erweist, erübrigt sich ein Eingehen auf die im Revisionsrekurs auch ausgeführte Verfahrensrüge.
[16] 3. Gemäß § 283 Abs 4 IO ist § 197 IO in der Fassung des Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes (RIRUG, BGBl I 2021/147) auf Zahlungspläne anzuwenden, wenn der Antrag auf Annahme nach dem 16. 7. 2021 bei Gericht einlangt ist. Weil dies hier nicht der Fall ist (der Zahlungsplan wurde bereits im Jahr 2014 angenommen), findet für den vorliegenden Fall § 197 IO noch in der Fassung des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 2010 (IRÄG 2010, BGBl I 2010/29) Anwendung.
[17] Nach § 197 Abs 1 IO idF IRÄG 2010 haben Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen bei Abstimmung über den Zahlungsplan nicht angemeldet haben, Anspruch auf die nach dem Zahlungsplan zu zahlende Quote nur insoweit, als diese der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspricht (Satz 1). § 156 Abs 4 IO bleibt unberührt (Satz 2).
[18] Nach der verwiesenen, seit dem IRÄG 2010 unveränderten (und vor dem IRÄG 2010 in Abs 6 des § 156 [damals:] KO bzw § 53 Abs 6 AO verankerten) Bestimmung des § 156 Abs 4 IO können Gläubiger, deren Forderungen nur aus Verschulden des Schuldners im Sanierungsplan unberücksichtigt geblieben sind, nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Bezahlung ihrer Forderungen im vollen Betrag vom Schuldner verlangen.
[19] 3.1. Durch den Verweis in § 197 Abs 1 IO auf § 156 Abs 4 IO ist klargestellt, dass Forderungen, die nur aus Verschulden des Schuldners im Zahlungsplan unberücksichtigt blieben, von der Restschuldbefreiung nicht erfasst sind. Gläubiger solcher Forderungen können daher nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens deren Bezahlung im vollen Betrag verlangen (I. Faber in KLS2 [2023] § 197 Rz 13 mwN).
[20] 3.2. Aus den Worten „nur aus Verschulden des Schuldners“ in § 156 Abs 4 IO geht hervor, dass bereits ein leichtes Mitverschulden des Gläubigers die Anwendung der Vorschrift ausschließt. Die Nichtberücksichtigung der Forderung im Sanierungs- oder Zahlungsplan muss daher ausschließlich durch ein zumindest fahrlässiges Verhalten des Schuldners verursacht worden sein (3 Ob 189/14m [Pkt 5.2.] = ÖBA 2016, 915 [Posani]; 17 Ob 5/21s [Rz 29] = EvBl 2022/1 [Posani]; RS0052293).
[21] 3.3. Nach Rechtsprechung und Literatur handelt ein Gläubiger grundsätzlich fahrlässig, wenn er die öffentliche Bekanntmachung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht beachtet. Einem besonders strengen Maßstab unterliegen große Banken; die ihnen obliegende Sorgfaltspflicht gebietet es, sich über den letzten Stand der Insolvenzen durch – laufende – Einsicht in die Insolvenzdatei Kenntnis zu verschaffen. Gleiches gilt für Sozialversicherungsträger. Aber auch von Mittel- und Kleinunternehmern ist grundsätzlich eine Einsicht in die Insolvenzdatei zu fordern. Demgegenüber sind Nichtunternehmer (Verbraucher) abseits besonderer, die Annahme einer Insolvenz nahelegender Verdachtsmomente nicht verpflichtet, in die Insolvenzdatei Einsicht zu nehmen. Ob einem Gläubiger die Nichtanmeldung seiner Forderung in einem Insolvenzverfahren zum Vorwurf zu machen ist, richtet sich auch nach der Höhe der Forderung und der Dauer ihres Bestehens sowie danach, wie viel Zeit zwischen der Verfahrenseröffnung und der Annahme des Sanierungs- oder Zahlungsplans verstrich, somit wie lange der Gläubiger Gelegenheit gehabt hätte, sich durch Einsichtnahme in die Insolvenzdatei Kenntnis vom Verfahren zu verschaffen und sodann seine Forderung anzumelden, sodass diese im Sanierungs- oder Zahlungsplan berücksichtigt worden wäre. Gegebenenfalls kann somit selbst einem Gläubiger, der Nichtunternehmer ist, vorgeworfen werden, seine Forderung nicht rechtzeitig angemeldet zu haben (17 Ob 5/21s [Rz 30] mwN).
[22] 3.4. Allgemein wird die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass der Tatbestand des (nunmehr) § 156 Abs 4 IO verwirklicht ist, dem Gläubiger zugewiesen (6 Ob 209/97x; RS0052293 [T2]; Lovrek in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze [31. Lfg 2008] § 156 KO Rz 142; Fruhstorfer, Die Erfüllung des Sanierungsplanes, RdW 2011, 70 [71]; Nunner‑Krautgasser/Anzenberger in KLS, IO2 [2023] § 156 Rz 7; I. Faber ebenda § 197 Rz 14). Daran ist jedenfalls dann nicht zu zweifeln, wenn – wie hier – der Schuldner im Exekutionsverfahren bereits auf sein Insolvenzverfahren und die von ihm erlangte Schuldbefreiung hingewiesen hat. In einem solchen Fall muss der Betreibende spätestens in einer Äußerung dazu einen konkreten Sachverhalt vortragen, dessen Beurteilung I.) ein Verschulden des Schuldners an der Nichtberücksichtigung seiner Forderung im Sanierungs- oder Zahlungsplan ergibt, sowie II.), dass er selbst an der Nichtberücksichtigung der Forderung keine Schuld hatte, etwa weil a) ihm wegen einer Erkrankung die öffentliche Bekanntmachung der Insolvenzeröffnung verborgen blieb (vgl 5 Ob 308/80 [unveröff]); oder b) ihn der Schuldner durch arglistige Täuschung von Nachforschungen über die Zahlungsunfähigkeit abhielt (1 Ob 452/54 = SZ 27/173; 3 Ob 110, 111/72 [unveröff]; Mohr, Wann ist die Einsicht in die Insolvenzdatei geboten? ZIK 2000, 3 [5]); oder c) der Schuldner sich über viele Jahre im Ausland verborgen hielt, heimlich nach Österreich zurückkehrte und hier schnell und für den Betreibenden nicht erwartbar das Insolvenzverfahren durchzog. Jede Unklarheit des Sachverhalts geht zu Lasten des Gläubigers, etwa wenn offenbleibt, ob der Schuldner ihm vom Insolvenzverfahren Mitteilung machte (5 Ob 762/81 [unveröff]).
3.5. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall:
[23] Der Betreibende bringt für die Schuld des Verpflichteten an der Nichtberücksichtigung der Forderung im Zahlungsplan allein vor, der Verpflichtete habe ihn nicht über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verständigt, obwohl diesem bewusst gewesen sei, der Betreibende habe eine erhebliche und titulierte Forderung gegen ihn. Dieses Vorbringen reicht jedoch nicht zur Dartuung der in Rede stehenden Schuld des Verpflichteten. Ein Schuldner hat im Insolvenzverfahren nämlich zwar – gegenüber dem Insolvenzgericht – seine (Insolvenz‑)Gläubiger anzuführen (vgl insb § 100a Abs 1 Satz 2 IO und § 169 Abs 1 Z 1 lit e [iVm § 75 Abs 1 Z 1 und § 145 Abs 2 Satz 2] IO – „Gläubigerliste“), deren Verständigung vom Verfahren bzw Ladung zu Tagsatzungen obliegt aber dem Gericht (vgl § 75 Abs 1 Z 1 IO und § 145 Abs 2 Satz 2 IO). Ein Schuldner ist nach Insolvenzrecht somit nicht verpflichtet, selbst einen Gläubiger vom Insolvenzverfahren in Kenntnis zu setzen. Dass der Verpflichtete seine Forderung gegenüber dem Insolvenzgericht verheimlichte und er deshalb vom Insolvenzgericht nicht kontaktiert wurde, behauptete der Betreibende nicht.
[24] Aus dem Sachverhalt ergibt sich zudem – was gleichfalls der Anwendung des § 156 Abs 4 IO entgegensteht – eine eigene Nachlässigkeit des Betreibenden an der Nichtberücksichtigung seiner Forderung im Zahlungsplan. Er verfügte nämlich im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits seit rund 14 Jahren über einen Exekutionstitel in beträchtlicher Höhe. Die Höhe der Forderung und die Dauer ihres (fälligen) Bestehens bildeten gemeinsam einen massiven Insolvenzindikator (17 Ob 2/20y [Pkt 2.1.] = ZFR 2020/269 [Trenker]), der klar dafür spricht, dem Betreibenden – selbst wenn er kein Unternehmer sein sollte – als Fahrlässigkeit anzulasten, nicht regelmäßig in die Insolvenzdatei Einsicht genommen und in weiterer Folge seine Insolvenzforderung angemeldet zu haben (vgl 17 Ob 5/21s [Rz 30]). Dass ausnahmsweise aufgrund bestimmter Umstände – etwa auch aufgrund seines eigenen Betreibungsverhaltens (vgl Trenker aaO 630) – ungeachtet des genannten Insolvenzindikators keine Insolvenz(‑gefahr) anzunehmen war, hat der Betreibende nicht vorgebracht. Ebensowenig hat er behauptet, dass ihn der Verpflichtete von der Anmeldung dolos abgehalten und er deshalb ausnahmsweise keine Nachlässigkeit an der Nichtanmeldung zu vertreten habe (vgl 1 Ob 452/54 und 3 Ob 110, 111/72), oder dass aus einem bestimmten anderen Grund ausnahmsweise kein Verschulden seinerseits vorlag.
[25] Zusammengefasst ist dem Betreibenden nicht der Beweis gelungen, einzig aufgrund eines Verschuldens des Verpflichteten seine Forderung nicht im Insolvenzverfahren angemeldet zu haben. Der Ausnahmefall des § 156 Abs 4 IO (iVm § 197 Abs 1 Satz 2 IO idF IRÄG 2010) kommt ihm folglich nicht zugute.
[26] 4. Eine Exekution könnte im vorliegenden Fall somit nur im Rahmen des § 197 Abs 1 Satz 1 IO (idF IRÄG 2010) stattfinden. Eine solche – auf die Zahlungsplanquote beschränkte und zudem von der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners abhängige – Exekutionsführung hätte nach § 197 Abs 3 IO zur Voraussetzung, dass der Betreibende mit dem Exekutionsantrag einen Beschluss vorlegte, mit dem das Insolvenzgericht vorläufig entschied, ob die zu zahlende Quote der nachträglich hervorgekommenen Forderung der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspricht. Liegt – wie hier – kein solcher Beschluss vor, so ist die Exekutionsführung e contrario § 197 Abs 3 IO unzulässig. Die dennoch bewilligte Exekution ist nach § 197 Abs 3 letzter Satz IO (auch) auf Antrag einzustellen. Der Revisionsrekurs erweist sich daher als berechtigt.
[27] 5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO iVm §§ 41 und 50 ZPO.
[28] Dem Verpflichteten sind auch die Kosten seiner erst mit dem Revisionsrekurs vorgelegten Rekursbeantwortung zu ersetzen:
[29] Bei Eingaben im Elektronischen Rechtsverkehr, die offenkundig fehlerhaft oder unvollständig sind, ist nach jüngerer Judikatur darauf abzustellen, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass rechtsmissbräuchlich ein Verbesserungsauftrag und damit eine Fristverlängerung erschlichen werden soll (Sloboda in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 IV/1 [2019] § 520 ZPO Rz 34 mwN). Ist dies nicht der Fall, ist ein Verbesserungsauftrag zu erteilen (G. Kodek in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 II/2 [2016] § 85 ZPO Rz 172). Entgegen der Annahme des Rekursgerichts lag hier keine „leere Rekursbeantwortung“ des Verpflichteten vor, sondern ein verbesserungsbedürftiges Formgebrechen, war doch der als „Rekursbeantwortung“ bezeichneten Eingabe („ERV‑Deckblatt“) die Rekursbeantwortung nicht angeschlossen. Indizien dafür, dass sich der Verpflichtete eine Verlängerung der Rekursbeantwortungsfrist erschleichen wollte, liegen nicht vor. Das Rekursgericht wäre daher verhalten gewesen, ihm zur Vorlage der Rekursbeantwortung einen Verbesserungsauftrag zu erteilen (§§ 84 f ZPO). Dass er tatsächlich eine Rekursbeantwortung verfasst hatte, hat der Verpflichtete durch deren Vorlage als Anhang zum Revisionsrekurs bescheinigt.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)