OGH 1Ob452/54

OGH1Ob452/5416.6.1954

SZ 27/173

Normen

AO §53
AO §53

 

Spruch:

Kein Verschulden des Gläubigers im Sinne des § 53 Abs. 6 AO., wenn der Schuldner den Gläubiger über seine Zahlungsunfähigkeit durch positive Handlungen geradezu täuscht und ihn dadurch von Nachforschungen über die Zahlungsfähigkeit abhält.

Entscheidung vom 16. Juni 1954, 1 Ob 452/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt - Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Dem Beklagten stand auf Grund der rechtskräftigen Urteile des Landesgerichtes für ZRS. Wien und des Oberlandesgerichtes Wien vom 25. September und 20. Dezember 1951 gegen die klagende Partei eine vollstreckbare Forderung im Betrage von 44.000 S zu. Zur Hereinbringung dieser Forderung wurde am 15. Feber 1952 zu 59 E 1578/52 des Bezirksgerichtes Innere Stadt die Fahrnisexekution bewilligt. Am 20. Oktober 1953 wurde zu 59 E 11405/53 zur Hereinbringung der Restforderung im Betrage von 25.376.20 S der neuerliche Vollzug der Fahrnisexekution und die Exekution durch Forderungspfändung bewilligt.

Am 11. März 1953 beantragte die Klägerin beim Handelsgericht Wien zu Sa 22/53 die Eröffnung des Ausgleichsverfahrens, die am 14. März 1953 bewilligt wurde. Mit dem Beschluß vom 5. September 1953 wurde der vom Kläger am 6. Juni 1953 geschlossene Ausgleich, nach welchem für alle nicht bevorrechteten Gläubiger eine 50%ige Quote vereinbart wurde, bestätigt. Dieser Beschluß ist rechtskräftig. Der Beklagte meldete seine Forderung im Ausgleichsverfahren nicht an. Die klagende Partei führte den Beklagten im Gläubigerverzeichnis nicht an.

In dem Schreiben vom 13. März 1953 erklärte die klagende Partei dem Vertreter des Beklagten, sie sei laufend bemüht, Zahlungen zugunsten des Beklagten zu leisten, betonte ihre Zahlungsfähigkeit und verschwieg den Umstand, daß sie zwei Tage vorher um die Eröffnung des Ausgleichsverfahrens angesucht hatte. Am 11. Mai 1953 mahnte der Beklagte wegen Zuhaltung der Zusage.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren "die mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt vom 20. Oktober 1953, GZ. 59 E .... bewilligte und vollzogene Exekution sei insoweit unzulässig, als sie einen Betrag von 12.688.10 S übersteige" statt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Beide Untergerichte sind der Ansicht, das sich die Wirkung des Ausgleiches auch auf die gegenständliche Forderung des Beklagten erstrecke. Die Bestimmung des § 53 Abs. 6 Ausgleichsordnung komme nicht zur Anwendung, weil den Beklagten an der Nichtanmeldung ein Mitverschulden treffe, welches darin gelegen sei, daß er sich nicht durch Einsicht in die amtlichen Verlautbarungen des Ausgleichsverfahrens informierte.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen des Obersten Gerichtshofes:

Die von Bartsch - Pollak im Kommentar zur Ausgleichsordnung vertretene Ansicht, die Bestimmung des § 53 Abs. 6 Ausgleichsordnung sei eine historisch überlebte Norm und habe kein Anwendungsgebiet mehr, wird von der Rechtsprechung nicht geteilt. (SZ. VII/160, XVI/180). Wohl kann einem Kaufmann grundsätzlich zugemutet werden, daß er sich über die wirtschaftliche Lage seines Schuldners informiert und es beinhaltet die Unterlassung ein Verschulden. Ein solches Verschulden kann aber dann nicht angenommen werden, wenn der Schuldner den Gläubiger über seine Zahlungsunfähigkeit durch positive Handlung geradezu täuscht und ihn dadurch von Nachforschungen über die Zahlungsfähigkeit abhält. Denn nach den Grundsätzen des redlichen geschäftlichen Verkehrs muß sich der Gläubiger auf die Angaben seines Geschäftspartners verlassen können und es geht nicht an, ihm dieses Vertrauen zum Vorwurf zu machen. Im gegenständlichen Fall hat die klagende Partei den Beklagten in doloser Weise irregeführt, indem sie noch nach Stellung des Antrages auf Eröffnung des Ausgleichsverfahrens dem Beklagten in einem sehr bestimmten Ton die Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit versicherte und ihn ersuchte, von weiteren Schritten Abstand zu nehmen, um die. Abwicklung der Verbindlichkeit nicht zu stören. Darin liegt geradezu die Aufforderung, weitere Nachforschungen zu unterlassen. Da der Beklagte in Salzburg wohnt, ist er auch nicht in der Lage, sich an Ort und Stelle (Wien) über die Zahlungsfähigkeit der klagenden Partei auf andere geeignete Weise zu informieren.

Zusammenfassend ergibt sich also, das dem Beklagten an der Unterlassung der Anmeldung seiner Forderung im Ausgleichsverfahren kein Verschulden anzulasten ist, vielmehr das ausschließliche Verschulden daran die klagende Partei trifft, welche den Beklagten irreführte und seine Aufnahme in das Gläubigerverzeichnis unterließ. Die Wirkungen des Ausgleiches erstrecken sich daher nicht auf den Beklagten.

Aus diesen Erwägungen war in Abänderung der untergerichtlichen Urteile das Klagebegehren abzuweisen.

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