OGH 7Ob100/24t

OGH7Ob100/24t28.8.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Mag. Gernot Schaar, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Ing. F* R* *betriebe, *, vertreten durch Pitkowits Foerster Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 10. April 2024, GZ 39 R 254/23a‑25, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00100.24T.0828.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, wonach im Fall der Gleichstellung der Vermietung einer Grundfläche zwecks Errichtung eines Superädifikats zu Wohn‑ oder Geschäftszwecken mit der Raummiete nach § 1 MRG auch die Ausnahmeregelungen des § 1 Abs 2 bis 4 MRG sinngemäß herangezogen werden müssen, findet Deckung in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung (RS0069454; RS0069261; 8 Ob 22/19x mwN).

[2] 2.1 Gemäß § 1 Abs 2 Z 5 MRG sind vom Anwendungsbereich des MRG Mietgegenstände in einem Gebäude mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten ausgenommen (Ein‑ und Zweifamilienhäuser); nachträglich neu geschaffene Dachbodenausbauten sind nicht zu zählen.

[3] 2.2 Wegen der im MRG üblichen Gleichsetzung von Haus‑ und Liegenschaft sind zwar grundsätzlich bei der Beurteilung nach § 1 Abs 2 Z 5 MRG alle vermieteten Teile eines Grundbuchkörpers in die Beurteilung einzubeziehen. Die Judikatur macht aber dann eine Ausnahme, wenn es unbillig wäre, mehrere selbständige Gebäude als Einheit zu betrachten (RS0079849). Ob es unbillig wäre, mehrere selbständige Gebäude als Einheit zu betrachten, hängt davon ab, ob tatsächlich und wirtschaftlich voneinander getrennte selbständige Objekte bzw Häuser vorliegen und jedes für sich alleine eine wirtschaftliche selbständige Einheit bildet (RS0069949).

[4] Dies ist letztlich nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen (RS0069949 [T9]). Eines der Kriterien, die für die Einheitlichkeit sprechen, ist das Vorhandensein gemeinsamer Versorgungseinrichtungen, daneben spielen auch das Alter der Gebäude, bauliche Trennung, Erhaltungszustand, aber auch unterschiedliche Verwendung einerseits zu Wohnzwecken, andererseits zu betrieblichen Zwecken eine entscheidende Rolle (RS0069949 [T10]). Dass bei verschiedenen Problemlagen verschiedene Kriterien zur Unterscheidung herangezogen werden, bedeutet nicht, dass stets alle vorliegen müssen (RS0069823 [T6, T9]). Es handelt sich um eine typische Einzelfallbeurteilung (5 Ob 220/18s).

[5] 2.3 Mangels einer über den Anlass hinausreichenden Aussagekraft von Einzelfallentscheidungen steht daher die Revision zu ihrer Überprüfung nach § 502 Abs 1 ZPO nicht offen, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine Fehlbeurteilung unterlaufen, die ausnahmsweise zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfte.

[6] 2.4 Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Kläger mietete mehrere Grundstücke einer EZ an, auf denen seit Jahrzehnten eine Reitsportanlage besteht. Diese verfügt nicht nur über einen Rasensprungplatz, überdeckte Reithallen, Dressurplätze, einen Longierzirkel und diverse Reitwege, sondern sind darüber hinaus auf dem Gelände auch zahlreiche Stallgebäude vorhanden, die sowohl zu privaten als auch zu geschäftlichen Zwecken vermietet werden. Das Areal der Reitsportanlage ist einheitlich erschlossen; so besteht insbesondere eine einheitliche Strom‑ und Wasserversorgung gemeinsame Senkgruben und dgl. Der Beklagte mietete vom Kläger den – im Stallgebäude 2 liegenden, baulich getrennten – Stalltrakt 2a zur alleinigen (geschäftlichen) Nutzung an. Er ist darüber hinaus befugt, konkret angeführte gemeinsame Einrichtungen zu nutzen.

[7] 2.5 Die Vorinstanzen verneinten das Vorliegen wirtschaftlich selbständiger Einheiten und damit das Vorliegen des Ausnahmetatbestands des § 1 Abs 2 Z 5 MRG. Selbst unter Berücksichtigung, dass die Objekte – so auch die zahlreichen (vermieteten) Stallgebäude – teilweise zu unterschiedlichen Zeitpunkten (als Superädifikate) baulich getrennt errichtet worden sein mögen und unterschiedlich genützt würden, stünden dem doch die einheitlichen Versorgungseinrichtungen und die gemeinsame Nutzung der zur Verfügung stehenden Einrichtungen gegenüber, weshalbvon einer wirtschaftlichen Einheit auszugehen sei. Diese Beurteilung, gegen die der Kläger auch keine stichhaltigen Argumente bringt, ist jedenfalls vertretbar.

[8] 2.6 Die vom Kläger ins Treffen geführte bauliche Trennung und teilweise unterschiedliche Nutzung wurde von den Vorinstanzen ohnedies bedacht. Die Motivation zur Aufrechterhaltung bestehender und funktionierender Versorgungseinleitungen (Kostengründe) vermag an der vorgenommen Beurteilung nichts zu ändern.

[9] 3. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte