European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00114.24I.0725.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 751,92 EUR (darin enthalten 125,32 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der 2022 verstorbene Erblasser hinterlässt eine Tochter, den klagenden Sohn und die beklagte Witwe. In seinem Testament ordnete er den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge an. Seiner Tochter vermachte er vorweg eine Liegenschaft als Legat und räumte der Beklagten die „lebenslänglichen, unentgeltlichen, ausschließlichen und höchstpersönlichen Wohnungs‑ und Benützungsrechte an der gesamten Liegenschaft in der Rechtsform der Dienstbarkeit des Wohnungsgebrauches im Sinne des Paragraphen 521 (fünfhunderteinundzwanzig) 1. (erster) Satz des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches zur Bewohnung gemeinsam mit der Liegenschaftseigentümerin“ ein.
[2] Im Verlassenschaftsverfahren erklärte die Tochter, ihr Erbrecht auszuschlagen, und trat die ihr aus dem Vermächtnis zukommenden Ansprüche an den – mittlerweile als mit der Dienstbarkeit des Wohnungsgebrauchsrechts gemäß dem Testament belasteten Eigentümer im Grundbuch einverleibten – Kläger ab.
[3] Der Kläger begehrt von der Beklagten die Herstellung einer fachgerechten Ausführung von von ihr eigenmächtig ausgetauschter Türschlösser, die Aushändigung dazu passender Schlüssel sowie es zukünftig zu unterlassen, die Schließzylinder auszutauschen. Ihm komme aufgrund der Abtretung des Vermächtnisanspruchs als Liegenschaftseigentümer das Recht auf von der Beklagten aber verhinderte Mitbenützung der Liegenschaft zu.
[4] Die Beklagte wendet ein, der Erblasser habe das Recht zur Mitbewohnung nur der Tochter, die im Haus auch noch über ein Zimmer verfügt habe, als Vermächtnisnehmerin und zukünftigen Liegenschaftseigentümerin eingeräumt. Diese könne ihr Mitbenützungsrecht nicht an den Kläger abtreten.
[5] Das Erstgericht gab der Klage statt. Es ging davon aus, dass die letztwillige Verfügung dahin auszulegen sei, dass dem Vermächtnisnehmer zumindest ein Mitbenützungsrecht am Zimmer der Tochter zustehe. Dieses Recht habe die Tochter an den Kläger abgetreten. Der eigenmächtige Austausch der Schlösser durch die Beklagte stehe seinem Benützungsrecht entgegen.
[6] Das Berufungsgericht gab einer Berufung der Beklagten Folge und wies die Klage ab. Der Erblasser habe nur seiner Tochter als Legatarin und in Aussicht genommenen Liegenschaftseigentümerin das höchstpersönliche Recht auf Mitbenützung der Liegenschaft eingeräumt. Sie habe daher zwar ihr Forderungsrecht aus dem Legat auf Übereignung, nicht aber ihr Benützungsrecht an den Kläger abtreten können. Diesem komme als Liegenschaftseigentümer nicht das Recht zu, die Liegenschaft beliebig zu betreten. Ein nicht fachgerechter Austausch sei zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung nicht erwiesen. Über Antrag des Klägers ließ das Berufungsgericht die ordentliche Revision nachträglich zur Frage zu, inwieweit das nur der Tochter als Liegenschaftseigentümerin zugedachte Mitbenützungsrecht ein eigenständiges, höchstpersönliches Recht iSd § 1393 ABGB darstellen könne.
Rechtliche Beurteilung
[7] Die dagegen gerichtete Revision des Klägers ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts – mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[8] 1. Die behaupteten Verfahrensmängel wurden geprüft. Sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[9] 2. Auch einem Erben kann etwas als Legat vermacht werden. Er ist dann Erbe und Vermächtnisnehmer und hat die Möglichkeit, die Erbschaft auszuschlagen, aber das Vermächtnis zu beanspruchen (vgl 2 Ob 588/95; Neumayr in KBB7 § 648 ABGB Rz 1 mwN; Welser, Erbrechts‑Kommentar § 648 ABGB Rz 5).
[10] 3. Der Vermächtnisnehmer hat nur einen obligatorischen Anspruch auf Übertragung der vermachten Sachen und Rechte; für die Erwerbung von Besitz und Eigentum sind noch die dafür erforderlichen Erwerbsakte notwendig (RS0012630).
[11] Dass die Veräußerung einer Vermächtnisforderung Zessionsrecht und nicht den Regeln über den Erbschaftskauf zu unterstellen ist, ist schon aus dem klaren Wortlaut der §§ 1392 und 1278 ABGB abzuleiten und entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung (6 Ob 136/07d Pkt 9.3.4.; so auch die herrschende Lehre: Bayer/Nowotny in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.05 § 1278 Rz 5; Stefula in Klang³ § 1278 ABGB Rz 44; Karner/Steininger in KBB7 § 1278 ABGB Rz 2 aA [aber nur in Bezug auf die Einhaltung der Formpflicht]: Ch. Rabl in Rummel/Lukas 4 § 1278 ABGB Rz 87).
4. Sachenrechtliche Grundsätze
[12] 4.1 Nach § 508 ABGB kommen dem Eigentümer auch bei Bestehen einer Wohnungsdienstbarkeit nach § 512 ABGB weiterhin alle Benützungen zu, die sich ohne Störung des Gebrauchsberechtigten aus der Sache schöpfen lassen. Nach § 522 ABGB behält er gegenüber dem Wohnungsberechtigten jedenfalls das Recht, über alle Teile des Hauses, die nicht zur eigentlichen Wohnung gehören, zu verfügen; auch darf ihm die nötige Aufsicht über sein Haus nicht erschwert werden.
[13] 4.2 Das Aufsichtsrecht des § 522 ABGB darf nur im Rahmen des notwendigen Ausmaßes ausgeübt werden (8 Ob 55/97i). Der Eigentümer darf die mit einem Wohnungsrecht belastete Liegenschaft daher nicht beliebig betreten, sondern es muss jeweils im Einzelfall nach entsprechender Interessenabwägung geprüft werden, ob eine Duldungspflicht des Wohnungsberechtigten besteht (RS0109358 = 8 Ob 55/97i). Eine Ausfolgung von Schlüsseln zur Ausübung des Aufsichtsrechts ist nicht erforderlich. Ansonsten könnte sich der Eigentümer jederzeit Zutritt zur Liegenschaft verschaffen und dadurch störend in das Wohnrecht des Gebrauchsberechtigten eingreifen. § 484 ABGB begründet für diesen jedoch keine Verpflichtung, dies zu dulden (1 Ob 533/95).
[14] 4.3 Diese Regelungen sind nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung des § 504 ABGB dispositiv (5 Ob 166/59). Grundsätzlich kann der Eigentümer daher seine Sache soweit nutzen und darüber verfügen, als das eingeräumte Gebrauchsrecht dem nicht entgegensteht (Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.05 § 508 Rz 3). Die Reichweite des eingeräumten Gebrauchsrechts, ergibt sich aus dem jeweiligen Titel der Dienstbarkeit (Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.05 § 504 Rz 9).
[15] 4.4 Der Titel besteht im vorliegenden Fall im der Beklagten ausgesetzten Vermächtnis.
[16] 5. Umfang und Inhalt des vom Erblasser der Witwe eingeräumten Wohnungsgebrauchsrechts sind daher durch Auslegung des ausgesetzten Vermächtnisses zu ermitteln.
[17] 5.1 Maßgeblich für die Auslegung einer letztwilligen Verfügung ist nach § 553 ABGB in der hier anzuwendenden Fassung des ErbRÄG 2015 (§ 1503 Abs 7 Z 1 und 2 ABGB) der wahre Wille des Erblassers (RS0012238 [T2]) im Zeitpunkt der Verfügung (RS0012238 [T9]), der in ihrem Wortlaut zumindest angedeutet sein muss (vgl zur „Andeutungstheorie“: RS0012372). Die Auslegung soll dabei so erfolgen, dass der vom Erblasser angestrebte Erfolg eintritt (vgl RS0012370).
[18] 5.2 Die Testamentsauslegung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Ihr kommt daher abgesehen von Fällen krasser Fehlbeurteilung keine erhebliche Bedeutung zu (2 Ob 153/22x Rz 7 mwN).
[19] 5.3 Das Testament sieht die Einräumung eines ausschließlichen und höchstpersönlichen Wohnungs‑ und Benützungsrechts an der gesamten Liegenschaft zu Gunsten der Beklagten vor und spricht lediglich von einer Bewohnung gemeinsam mit der Liegenschaftseigentümerin.Wenn die Vorinstanzen unter Hinweis auf den vom Erblasser verwendeten Begriff „Liegenschaftseigentümerin“, den Umstand, dass nur die Tochter noch über ein bei Besuchen verwendetes (Kinder‑)Zimmer verfügte, und dass für die Beklagte, deren Wohnversorgung sicher gestellt werden sollte, wesentlich ist, wer die Liegenschaft mitbenützt, davon ausgegangen sind, dass gegenüber von von der Tochter verschiedenen, dienstbarkeitsbelasteten Liegenschaftseigentümern ein ausschließliches Wohnungsgebrauchsrecht eingeräumt werden sollte, ist dies jedenfalls vertretbar.
[20] 5.4 Die von der Revision relevierte Frage, ob der Tochter neben ihrer Stellung als Eigentümerin auch ein unübertragbares, höchstpersönliches (Mit‑)Benützungsrecht eingeräumt werden konnte, stellt sich gar nicht, weil es um die Beurteilung der Reichweite des der Beklagten eingeräumten Gebrauchsrechts geht und dieser – entsprechend der vertretbaren Testamentsauslegung des Berufungsgerichts – im Ergebnis nur solange ein eingeschränktes Wohnungsgebrauchsrecht vermacht wurde, als die Tochter Liegenschaftseigentümerin ist.
[21] 6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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