OGH 5Ob87/24s

OGH5Ob87/24s4.7.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*, vertreten durch Dr. Berthold Garstenauer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei R*, vertreten durch Dr. Bernd Roßkothen, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 21.180 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 13. März 2024, GZ 2 R 19/24p‑32, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 29. Dezember 2023, GZ 10 Cg 125/22y‑28, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00087.24S.0704.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.694,40 EUR (darin 282,40 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin ist Immobilienmaklerin. Sie vermittelte aufgrund eines ihr im April 2022 von der Eigentümerin einer Wohnung in Salzburg erteilten Alleinvermittlungsauftrags im Juli 2022 den Abschluss eines Kaufvertrags über diese Eigentumswohnung. Der Kaufvertrag wurde in der Folge nicht abgewickelt, weil beide Seiten jeweils den Rücktritt vom Vertrag erklärten.

[2] Die Klägerin begehrte von der beklagten Käuferin die (der Höhe nach unstrittige) Maklerprovision.

[3] Die Beklagte wendete – soweit im Revisionsverfahren noch relevant – im Wesentlichen ein, die Klägerin habe das Objekt unzutreffend als „top saniert“ und „neuwertig“ beschrieben und unter anderem zugesagt, dass für die Wohnung ein Elektroprüfbefund existiere. Der mangelhafte Zustand der Wohnung – insbesondere der Elektroinstallationen – habe die Beklagte schließlich berechtigt zum Rücktritt vom Vertrag veranlasst. Für die durch das schuldhafte Verhalten der Klägerin verursachten Kosten der Vertragserrichtung wendete die Beklagte eine Gegenforderung ein.

[4] Das Erstgericht stellte die Klageforderung als zu Recht bestehend, die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend fest und gab dem Klagebegehren statt.

[5] Im Kaufvertrag sei vereinbart worden, dass die Verkäuferin keine Haftung für bestimmte Eigenschaften der Wohnung übernehme und dass die Käuferin den Zustand aus Besichtigungen kenne. Der Beklagten sei daher der Beweis nicht gelungen, dass die Ausführung des vermittelten Kaufs ohne ihr Verschulden nachträglich unmöglich oder unzumutbar geworden sei.

[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies die Klage ab.

[7] Die Verkäuferin habe nach den Feststellungen beim Vertragsabschluss zugesichert, dass die elektrischen Anlagen der Wohnung dem Stand der Technik entsprächen; damit sei diese Eigenschaft des Objekts zum Vertragsinhalt geworden. Beim Kauf einer schon bei Vertragsabschluss mangelhaften Sache bestehe nach herrschender Auffassung eine Konkurrenz von Irrtumsanfechtung und Gewährleistung. Ein vertraglicher Gewährleistungsausschluss beziehe sich nach der Rechtsprechung nicht auf ausdrücklich zugesicherte Eigenschaften. Die elektrotechnische Anlage der Wohnung habe nach den Feststellungen eine Reihe von Mängeln aufgewiesen und in mehrfacher Hinsicht nicht den Bestimmungen der ÖNORM 8101 entsprochen. Eine Vertragsanfechtung wegen Irrtums wäre der Beklagten als Käuferin daher möglich gewesen. Nach jüngerer Rechtsprechung entfalle der Provisionsanspruch auch dann, wenn der Auftraggeber bei Nichtausführung des vermittelten Geschäfts wegen einer Leistungsstörung (und aus diesem Grund nicht mehr möglicher Anfechtung) die Anfechtungslage und den Umstand nachweise, dass er den Vertrag bei dessen hypothetischem Aufrechtbleiben erfolgreich angefochten hätte. Der Provisionsanspruch bestehe daher nicht zu Recht.

[8] Die Revision sei zuzulassen, weil die Anwendbarkeit des § 7 Abs 2 MaklerG nach der Rechtsprechung die Vertragsauflösung wegen einer Leistungsstörung und nicht wegen eines Wurzelmangels voraussetze. Wenn – wie hier – der Verkäufer der Vertragsauflösung zustimme, stelle sich die Frage, ob § 7 Abs 2 MaklerG im Verhältnis zum Makler erst dadurch ausgeschlossen werde, dass der Käufer behaupte und beweise, dass er den Kaufvertrag wegen eines Wurzelmangels erfolgreich angefochten hätte.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die Revision ist zur Klarstellung zulässig. Sie ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

[10] 1. Das – von der Beklagten in erster Instanz noch bestrittene – konkludente Zustandekommen eines Maklervertrags (auch) zwischen den Streitteilen ist im Revisionsverfahren nun mehr unstrittig. Die Klägerin war zwar zunächst aufgrund eines Alleinvermittlungsauftrags der Verkäuferin tätig. Die nun beklagte Interessentin wurde aber dadurch, dass sie dieser Vermittlung schlüssig zustimmte, ebenfalls zur Auftraggeberin gegenüber der nunmehrigen Klägerin.

[11] 2.1 Nach § 7 Abs 2 MaklerG entfällt der Anspruch auf Provision, wenn und soweit feststeht, dass der Vertrag zwischen dem Dritten und dem Auftraggeber aus nicht vom Auftraggeber zu vertretenden Gründen nicht ausgeführt wird. Um sich von seiner Provisionspflicht zu befreien, muss der Auftraggeber daher nachweisen, dass die Ausführung des vermittelten Geschäfts ohne sein Verschulden unmöglich oder unzumutbar wurde (RS0062829 [T4]; Gartner/Karandi, MaklerG3 § 7 Rz 15 mwN). Sind die Gründe für die Nichtausführung vom Verkäufer als Drittem zu vertreten und ihm zuzuordnen, trägt der Makler das Risiko der Nichtausführung des Geschäfts (RS0062829 [T7]; vgl auch RS0062994; Kothbauer in Painsi/Schinnagl/Spruzina/Stabentheiner/Terlitza, GeKo Wohnrecht II2 § 7 MaklerG Rz 5). Der Provisionsanspruch entfällt auch bei einvernehmlicher Auflösung des vermittelten Geschäfts, sofern sie aus nicht vom Auftraggeber zu vertretenden objektiv wichtigen Gründen erfolgte (RS0062829 [T8]).

[12] 2.2 Voraussetzung für die Anwendung der Bestimmung des § 7 Abs 2 MaklerG ist der rechtswirksame Abschluss des Geschäfts (RS0128478). Mangelt es schon am rechtswirksamen Abschluss des vermittelten Vertrags, so kommt der Provisionsanspruch bereits nach § 6 und § 7 Abs 1 MaklerG grundsätzlich nicht in Betracht (vgl RS0029675; näher dazu Kothbauer in Painsi/Schinnagl/Spruzina/ Stabentheiner/Terlitza, GeKo Wohnrecht II2 § 7 MaklerG Rz 6 mwN). Dem Vermittler steht auch dann kein Provisionsanspruch zu, wenn die einvernehmliche Auflösung wegen eines dem Rechtsgeschäft anhaftenden Wurzelmangels erfolgte; der Entfall der Provisionspflicht kann daher nicht nur durch eine gerichtliche Anfechtung des vermittelten Geschäfts, sondern auch durch eine einvernehmliche Auflösung wegen eines solchen Grundes herbeigeführt werden (RS0029675 [T4]). In einem solchen Fall entfällt der Provisionsanspruch allerdings nicht gemäß § 7 Abs 2 MaklerG, sondern deshalb, weil der Immobilienmakler keinen (beständig) rechtswirksamen Vertrag (nämlich einen mit einem Wurzelmangel behafteten) erwirkte (vgl dazu ausführlich Kothbauer in GeKo Wohnrecht II2 § 7 MaklerG Rz 9 mwN; ähnlich auch Knittl/Holzapfel, Maklerrecht3 Rz 367; zum Erfolgsprinzip nach dem MaklerG: 6 Ob 194/22f [Rz 16 bis 18] mwN).

[13] 2.3 In der vom Berufungsgericht genannten Entscheidung 6 Ob 194/22f (= RS0134245; immolex 2023/121 [Horn]) hat der Oberste Gerichtshof klargestellt, dass der Auftraggeber dem Provisionsanspruch des Maklers nach einem wirksamen Rücktritt des anderen Vertragsteils vom Kaufvertrag entgegenhalten kann, dass er seinerseits diesen Kaufvertrag wegen eines Wurzelmangels erfolgreich hätte anfechten können. Damals war dem – zur Provisionszahlung an den Makler verpflichteten – Käufer die Finanzierung des Kaufpreises nicht gelungen, weshalb der Verkäufer vom vermittelten Vertrag zurücktrat, was der Käufer akzeptierte. Nachträglich erfuhr der Käufer jedoch, dass für das gekaufte (noch fertigzustellende) Wohnhaus keine Baubewilligung vorhanden gewesen (und ein Beseitigungsauftrag zu erwarten) war, weshalb er seinerseits aus diesem Grund den Kaufvertrag hätte anfechten und damit rückwirkend beseitigen hätte können. Der Senat entschied daher – anlässlich der Wiederaufnahmsklage des durch einen unbekämpften Zahlungsbefehl zur Provisionszahlung verpflichteten Käufers –, dass der Provisionsanspruch des Maklers entfalle, sofern der Auftraggeber die Anfechtungslage und den Umstand nachweisen könne, dass er den Vertrag – bei hypothetischem Wegfall der zur Beendigung führenden, in seine Sphäre fallenden Leistungsstörung (und damit Aufrechtbleiben des Vertrags) – erfolgreich gegenüber seinem Vertragspartner angefochten hätte. Ein gesondertes (Feststellungs‑)Verfahren gegen die Hauptpartei über die Anfechtbarkeit des vermittelten Kaufvertrags zu führen, könne vom Auftraggeber nicht verlangt werden, sondern diese Frage sei im Verfahren über den Provisionsanspruch zu klären (6 Ob 194/22f [Rz 38]).

[14] 3.1 Die Revisionswerberin argumentiert nun damit, dass die Beklagte einen Teilbetrag des Kaufpreises (rund 5 %) zurückbehalten und damit nicht – wie vertraglich vereinbart – bis zum vereinbarten Zeitpunkt den gesamten Kaufpreis an den Treuhänder überwiesen habe. Die Verkäuferin habe aus diesem Grund ihren Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt, der wegen der Säumnis der Beklagten gerechtfertigt gewesen sei. Damit sei der Vertrag aufgrund einer in der Sphäre der Auftraggeberin liegenden Leistungsstörung nicht ausgeführt worden. Dabei übergeht die Klägerin allerdings die weiteren, vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen zu den einzelnen Verhandlungsschritten der Parteien betreffend die zugesagte Beschaffenheit der Wohnung und insbesondere zum fehlenden Prüfbericht für die darin befindlichen Elektroinstallationen. Die Verkäuferin setzte der Beklagten eine Frist von acht Tagen für die Überweisung des restlichen offenen Kaufpreises bei sonstigem Rücktritt und am letzten Tag dieser Frist antwortete die Beklagte darauf, dass der Elektroprüfbericht, der laut Kaufvertrag eine Voraussetzung für die Auszahlung des beim Treuhänder erlegten Betrags war, zahlreiche Mängel der Elektroanlage aufgezeigt habe und auch andere Zusagen nicht eingehalten worden seien. Die Beklagte sei daher ihrerseits zum Vertragsrücktritt (wegen „Vertrauensbruchs“) berechtigt, den sie hiermit erkläre. Nach den Feststellungen stand aber insbesondere bereits die – wenngleich nicht vertragskonforme – Zurückbehaltung des Kaufpreisteils von 5 % in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den (aus dem erst zwei Wochen nach Vertragsunterzeichnung übermittelten Elektrobefund ersichtlichen) Mängeln der Elektroinstallationen der Wohnung. Damit steht aber fest, dass die Ausführung des Kaufvertrags letztlich auch daran scheiterte, dass die Wohnung entgegen den Zusagen der Verkäuferin (sowie denen der Klägerin als ihrer Verhandlungsgehilfin, vgl RS0016200 [T10]) eine vertraglich (mehrfach) ausdrücklich zugesicherte Eigenschaft nicht aufwies. Angesichts dieser Feststellungen ist der Beklagten der Nachweis gelungen, dass ohne ihr Verschulden der Vertrag aus nicht von ihr zu vertretenden Gründen nicht durchgeführt wurde.

[15] 3.2 Der Klägerin ist hingegen zuzugestehen, dass eine Vertragsanfechtung (hier wegen Irrtums) einer entsprechenden Erklärung des Vertragsteils bedurft hätte und dass – entgegen der Argumentation des Berufungsgerichts – eine zwar aufgrund der Sachlage grundsätzlich denkbare, aber vom Berechtigten nicht geltend gemachte „Anfechtungslage“ für sich allein nicht ausreicht, um vom Entfall des Provisionsanspruchs wegen eines nicht (beständig) wirksamen Vertragsabschlusses ausgehen zu können. Da sich die Beklagte in erster Instanz auf eine allenfalls in Betracht kommende Anfechtbarkeit des Kaufvertrags wegen eines durch unrichtige Informationen der Klägerin veranlassten Irrtums nicht gestützt hat, lässt sich die Abweisung des Klagebegehrens nicht – wie in dem der Entscheidung 6 Ob 194/22f zugrunde liegenden Fall, den das Berufungsgericht für seine rechtliche Beurteilung heranzog – mit einem Wegfall des Provisionsanspruchs zufolge einer aussichtsreichen Anfechtungslage betreffend das Hauptgeschäft wegen dieses Wurzelmangels begründen.

[16] 3.3 Im Ergebnis bleibt es im vorliegenden Fall aber dennoch beim Entfall des Provisionsanspruchs, allerdings aufgrund der Bestimmung des § 7 Abs 2 MaklerG:

[17] 3.3.1 Wie ausgeführt, ist der Auftraggeber, für den ohne sein Verschulden die Ausführung des vermittelten Geschäfts unmöglich oder unzumutbar wurde, nicht zur Provisionszahlung verpflichtet. Dies ist hier nach dem Sachverhalt der Fall, weil die Beklagte nachgewiesen hat, dass die Elektroinstallationen in der Wohnung – entgegen der ausdrücklichen vertraglichen Zusage der Verkäuferin sowie der Beklagten – mangelhaft waren, sodass sie aus einem nicht von ihr zu vertretenden Grund den Kaufvertrag nicht abwickelte.

[18] 3.2.2 Die Frage, ob auch die Verkäuferin als ursprüngliche Auftraggeberin der Klägerin zum Rücktritt von diesem Kaufvertrag berechtigt war und/oder ob sie ihrerseits an der Nichtausführung des Vertrags ebenfalls kein Verschulden trifft, ist für die Beurteilung der Frage der Berechtigung des Provisionsanspruchs der Klägerin (als Maklerin) gegenüber der Beklagten (als weitere Auftraggeberin) nicht maßgeblich. Trifft weder den Käufer noch den Verkäufer an der Nichtdurchführung des Hauptgeschäfts ein Verschulden, so hat keiner der beiden Auftraggeber eine Provisionszahlungspflicht (Knittl/Holzapfel, Maklerrecht3 Rz 347). Dies ergibt sich aus der Regelung des § 7 Abs 2 MaklerG, die nicht voraussetzt, dass das Unterbleiben der Durchführung des vermittelten Vertrags letztlich einem der Vertragsteile zugeordnet werden kann. Daher ist auch aus dem Umstand, dass die Beklagte ihren Vertragsrücktritt (erst) am Tag des Ablaufs der ihr von der Verkäuferin zur restlichen Kaufpreiszahlung gesetzten Nachfrist erklärte (und damit letztlich den Rücktritt der Verkäuferin „akzeptierte“), für den Rechtsstandpunkt der Klägerin nichts zu gewinnen.

[19] 4. Die Klägerin rügt schließlich „hilfsweise“ einen Verfahrensmangel, den sie in der unterbliebenen Einvernahme zweier Zeugen zu erkennen meint. Als in erster Instanz obsiegende Partei könne sie dies auch ohne Rüge in ihrer Berufungsbeantwortung auch noch im Revisionsverfahren geltend machen. Damit übersieht sie allerdings die für derartige primäre Verfahrensmängel geltende Rügepflicht gemäß § 468 Abs 2 ZPO. Im Übrigen hat die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren diese Zeugen nicht zu dem nun in ihrer Revision genannten Beweisthema (die Vertragsparteien des Hauptgeschäfts hätten auch in Kenntnis der Ergebnisse des Elektroprüfberichts den Kaufvertrag in der bisherigen Form bzw vermindert um den Betrag der Behebungskosten abgeschlossen), sondern zu anderen Beweisthemen (insbesondere zu Einzelheiten der Informationen über die Beschaffenheit der Wohnung sowie zum vertraglich vereinbarten Gewährleistungsverzicht) geführt.

[20] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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