OGH 8Ob69/24s

OGH8Ob69/24s26.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Insolvenzsache des Schuldners M*, infolge Revisionsrekurses des Insolvenzgläubigers Mag. L*, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 28. März 2024, GZ 32 R 32/23k‑22, womit der Rekurs des Insolvenzgläubigers gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Judenburg vom 20. Juli 2023, GZ 19 S 32/23v‑7, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00069.24S.0626.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Insolvenzrecht, Zivilverfahrensrecht

 

Spruch:

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

 

Begründung:

[1] Der Schuldner beantragte am 16. 6. 2023 die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens und legte nach Verbesserungsauftrag des Erstgerichts am 13. 7. 2023 einen modifizierten Zahlungsplan vor.

[2] Das Erstgericht eröffnete am 20. 7. 2023 das Schuldenregulierungsverfahren mit Eigenverwaltung und beraumte eine Prüfungs- und Zahlungsplantagsatzung an.

[3] Der Insolvenzgläubiger meldete eine Forderung von 10.043,94 EUR an und erhob Rekurs mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluss dahin abzuändern, dass der Zahlungsplan zurückgewiesen werde, hilfsweise ihn aufzuheben.

[4] Das Rekursgericht wies diesen Rekurs zurück. Er sei unzulässig, weil dem erstgerichtlichen Beschluss ein Vorprüfungsverfahren hinsichtlich in § 194 IO angeführter Zurückweisungsgründe vorangegangen sei, dessen Ergebnis die Zurückweisung durch das Gericht oder die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens sein könne. Gläubiger hätten in der Prüfungstagsatzung Gelegenheit, Gründe vorzubringen, warum der Zahlungsplan gegen gesetzliche Bestimmungen verstoße. Der Beschluss des Erstgerichts bringe nur zum Ausdruck, dass es eine amtswegige Vorprüfung abgeschlossen habe und deshalb die Tagsatzung zur Verhandlung und Entscheidung über den Zahlungsplanantrag anberaume. Damit richte sich der Rekurs nur gegen die Anberaumung einer Tagsatzung, wogegen nach § 252 IO, § 130 Abs 2 ZPO der abgesonderte Rekurs ausgeschlossen sei, was auch für das Insolvenzverfahren gelte.

[5] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand – angesichts der verfolgten Forderung von 10.043,94 EUR – 30.000 EUR nicht übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

[6] Dagegen erhob der Insolvenzgläubiger Revisionsrekurs „an den OGH als Revisionsgericht“, worin er nach Darlegungen zur Zulässigkeit den Antrag stellt, das Rekursgericht möge seinen Unzulässigkeitsausspruch dahin abändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs zugelassen werde. Nach inhaltlicher Ausführung des Rechtsmittels beantragt er, der Oberste Gerichtshof wolle den Revisionsrekurs zulassen und die Rekursentscheidung dahin abändern, dass seinem Rekurs Folge gegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

[7] Das Erstgericht legte das Rechtsmittel dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor. Diese Vorgangsweise entspricht jedoch nicht der Rechtslage.

[8] 1.1. Das Rekursgericht hat eine Zurückweisung des Rechtsmittels mangels abgesonderter Anfechtbarkeit der erstgerichtlichen Entscheidung ausgesprochen; eine sachliche Überprüfung des angefochtenen Beschlusses aufgrund der Rekursargumente hat es nicht (auch nicht hilfsweise) vorgenommen (vgl RS0044232 [insb T16, T17]).

[9] 1.2. Die Anfechtbarkeit des nunmehr angefochtenen Zurückweisungsbeschlusses des Rekursgerichts bestimmt sich zufolge der Verweisung in § 252 IO nach den (subsidiär anzuwendenden) Bestimmungen der ZPO (8 Ob 15/10k; RS0044101).

[10] 1.3. Nach ständiger Rechtsprechung ist das Rechtsmittel gegen einen Beschluss des Gerichts zweiter Instanz auf Zurückweisung eines Rekurses ein Revisionsrekurs im Sinne des § 528 ZPO, der nur unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig ist. Die Anfechtbarkeit eines solchen Beschlusses setzt damit jedenfalls das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nach § 528 Abs 1 ZPO sowie das Fehlen von Unzulässigkeit aufgrund des Werts des Entscheidungsgegenstands nach § 528 Abs 2 Z 1 und Z 1a voraus (RS0044501; RS0044269 [T1, T2]; Musger in Fasching/Konecny IV/13 [2019] § 528 ZPO Rz 23 und Rz 33 ff mwN). Auch dies gilt im Insolvenzverfahren (RS0044101 [T15]; 8 Ob 147/19d; 8 Ob 64/19y; 8 Ob 29/98t).

[11] 1.4. § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ist auf einen Fall wie hier nicht analog anzuwenden (8 Ob 15/10k mwN; 8 Ob 114/10p; vgl RS0044501; 9 Ob 23/10p).

[12] 2. Des Bewertungsausspruchs des Rekursgerichts hätte es nicht bedurft: Der Wert des Entscheidungsgegenstands für den Rekurs eines Einzelgläubigers gegen einen Zurückweisungsbeschluss des Rekursgerichts richtet sich (nicht nach der Gesamthöhe der Forderungen aller Insolvenzgläubiger, sondern) nach der Höhe der vom anfechtenden Gläubiger angemeldeten Forderung (RS0126284); er beträgt daher hier 10.043,94 EUR und besteht somit in einem zwar 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR übersteigenden Geldbetrag (vgl 8 Ob 115/10k; 8 Ob 114/10p), womit § 528 Abs 2 Z 1a ZPO anzuwenden ist.

[13] 3.1. Nach § 528 Abs 2 Z 1a ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn das Gericht zweiter Instanz in Streitigkeiten, in denen der Entscheidungsgegenstand zwar 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR übersteigt, ausgesprochen hat, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig ist. Nach § 528 Abs 2a ZPO in Verbindung mit § 508 ZPO kann in einem solchen Fall eine Partei bloß einen Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dassder ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde; in diesem Antrag sind die Gründe dafür anzuführen, warum – entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts – der ordentliche Revisionsrekurs nach § 528 Abs 1 ZPO für zulässig erachtet wird. Mit demselben Schriftsatz ist der ordentliche Revisionsrekurs auszuführen.

[14] 3.2. Wird gegen eine Entscheidung, die nur mittels eines solchen Abänderungsantrags angefochten werden kann, ein ordentlicher oder außerordentlicher Revisionsrekurs erhoben, so hat – auch wenn das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist – das Erstgericht dieses Rechtsmittel dem Rekursgericht vorzulegen. Solange eine Abänderung des Zulassungsausspruchs durch das Rekursgericht nicht erfolgt, mangelt es dem Obersten Gerichtshof sowohl betreffend die Fragen der Zulässigkeit und der Rechtzeitigkeit des Revisionsrekurses als auch dessen inhaltlicher Berechtigung an der funktionellen Zuständigkeit (RS0109623 [insb T20]). Er darf nur und erst dann entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 in Verbindung mit § 528 Abs 2a ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RS0109623, RS0109501 [T4]).

[15] 4.1. Die Vorlage des Akts an den Obersten Gerichtshof ist daher verfehlt. Er ist dem Erstgericht zurückzustellen, welches das Rechtsmittel dem Rekursgericht vorzulegen hat.

[16] 4.2. Ob und inwieweit das Rechtsmittel einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen überlassen (RS0109623 [insb T2, T4, T5, T8], RS0109501 [insb T12], RS0109620 [insb T2]).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte