OGH 4Ob35/24m

OGH4Ob35/24m25.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei * AG, *, vertreten durch die GEISTWERT Kletzer Messner Mosing Schnider Schultes Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. * GmbH, 2. * GmbH, beide *, und 3. *, alle vertreten durch die GPK Pegger Kofler & Partner Rechtsanwälte & Co KG in Innsbruck, wegen Unterlassung, Feststellung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 60.200 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 18. Jänner 2024, GZ 2 R 2/24x‑15, womit der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 5. Dezember 2023, GZ 69 Cg 206/23b‑6, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00035.24M.0625.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Gewerblicher Rechtsschutz, Persönlichkeitsschutzrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, den beklagten Parteien und Gegnern der gefährdeten Partei die mit 3.105,83 EUR (darin 517,64 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Erstbeklagte ist seit Juli 2023 Inhaberin eines österreichischen Patents betreffend einen Zweitakt-Verbrennungsmotor, das unstrittig im Jahr 2007aufgrund einer Anmeldung ihres Rechtsvorgängers erteilt worden war. Im September 2023 brachte sie gegen die (hier) Klägerin beim Handelsgericht Wien eine Klage ein, mit der sie der Klägerin eine Verletzung ihres Patents bei deren Produktion und Vertrieb von Motorrädern vorwirft.

[2] Die Zweitbeklagte ist ein Forschungsunternehmen, das sich insbesondere auf die Entwicklung von Fahrzeugkomponenten spezialisiert hat. Der Drittbeklagte ist der alleinige Geschäftsführer und Gesellschafter der Erst‑ und Zweitbeklagten.

[3] Am 30. 9. 2023 erschien folgender Artikel in der Tiroler Tageszeitung (Hervorhebungen durch die Klägerin):

„Das Tiroler Unternehmen [Erstbeklagte]/ [Zweitbeklagte], ein Spezialist für die Entwicklung von Hard‑ und Software mit 12 Mitarbeitern und Sitz in *, hat beim Handelsgericht Wien eine Patentklage gegen den Motorradhersteller [die Klägerin] eingereicht. Die Tiroler werfen dem börsennotierten Konzern vor, in bestimmten Zweitaktmotoren, die in zahlreichen Motorrädern der Konzernmarken [der Klägerin] * verbaut sind, ein von [der Erstbeklagten] im Jahr 2007 patentiertes und geschütztes Einspritzsystem zu verwenden, mit dem schädliche Abgase verringert werden. Konkret geht es um die Motoren des Typs *, die in besagten Motorradmarken mit den Typenbezeichnungen * verwendet werden, geht aus der Klagsschrift hervor. Das Patent [der Erstbeklagten] soll durch den Konzern [der Klägerin] mindestens seit 2017 verletzt worden sein. [Die Klägerin] wollte sich auf TT-Anfrage zu der Klage nicht äußern.

'Es geht um mehr als 180.000 Motoren, in denen [die Klägerin] unser patentiertes Einspritzsystem verwendet', erklärt [der Drittbeklagte], Eigentümer [der Erstbeklagten]. Eine außergerichtliche Einigung sei gescheitert. Übliche Lizenzzahlungen in solchen Fällen lägen bei rund 80 EUR je Motor. [Die Erstbeklagte] verlange von [der Klägerin] nun zwar deutlich weniger, insgesamt geht es aber um einen höheren einstelligen Millionenbetrag.

Worum geht es genau bei dem Patent? Vereinfacht dargestellt wird bei handelsüblichen Zweitaktmotoren das Benzin-Luftgemisch in einem Vergaser außerhalb des Motors zusammen gemischt, in das Kurbelgehäuse eingesaugt, dort vorverdichtet und über sogenannte Überströmkanäle in den Zylinder eingebracht und dort verbrannt. Dabei kann es passieren, dass das frische Benzin-Luft-Gemisch teilweise nicht verbrannt, sondern in den Auspuff gespült wird. Dies verursacht Spülverluste, sprich besonders schädliche Abgase. Das seit 2007 geschützte Patent [der Erstbeklagten] dagegen reduziert die Treibstoff-Spülverluste und damit diese besonders schädlichen Abgase, indem der Sprit direkt in den Motor eingebracht wird, und dies zu einem möglichst späten Zeitpunkt. Dies verursacht weniger Spülverluste als im herkömmlichen Zweitaktmotor.

Ein von [der Erstbeklagten] beauftragtes Gutachten eines Experten an der TU *, der das Patent mitentwickelt hatte, habe nachgewiesen, dass [die Klägerin] die von [der Erstbeklagten] patentierte Vorrichtung verwendet erklärt [der Drittbeklagte] . [Die Klägerin] dagegen weist den Vorwurf der Patentverletzung zurück und begründet dies mit einer vom Patent abweichenden Positionierung der Einspritzdüsen.

Wie aus der Klagsschrift hervorgeht, habe [die Klägerin] im Jahr 2017, also zu Beginn der mutmaßlichen Patentverletzung in Deutschland sowie 2018 auch bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) versucht, ein ähnliches Patent anzumelden. Die Anmeldung sei aber daran gescheitert, dass das Patent eben bereits durch [die Erstbeklagte] geschützt ist. Auch hiezu wollte sich [die Klägerin] gegenüber der TT nicht äußern.

Es ist bereits die zweite rechtliche Auseinandersetzung zwischen dem Tiroler Unternehmen und dem börsennotierten Konzern.[...]“

[4] Über die Klagseinbringung berichteten zudem die Kronen‑Zeitung und das Online-Medium ORF.at, dieses unter Verweis auf den Artikel in der Tiroler Tageszeitung.

[5] Mit ihrer Klage, verbunden mit einem inhaltsgleichen Sicherungsantrag, begehrt die Klägerin den Beklagten zu gebieten, zu Zwecken des Wettbewerbs die unwahren Tatsachenbehauptungen zu unterlassen,

a) die Klägerin verletze mit dem Herstellen, Anbieten oder Inverkehrbringen von Zweitaktmotoren Patente der Beklagten, insbesondere das Patent AT*,und/oder

b) die Klägerin habe in den Jahren 2017/2018 ein Patent angemeldet, welches wegen des Patents AT* der Beklagten nicht erteilt worden sei.

[6] Zur Begründung berief sich die Klägerin auf § 7 UWG und § 1330 ABGB. Offenbar um ihrer (finanziellen) Forderung mehr Nachdruck zu verleihen, hätten die Beklagten eine Medienkampagne gegen die Klägerin gestartet und dafür die Patentklage (zumindest) an die Kronen‑Zeitung, die Tiroler Tageszeitung und den ORF weitergeleitet. Sie müssten sich das darin enthaltene Vorbringen sohin einerseits wegen der Weitergabe an die Medien als Tatsachenbehauptungen zurechnen lassen, andererseits würden sie für das Interview des Drittbeklagten als Geschäftsführer haften.

[7] Der Vorwurf der Patentverletzung sei unrichtig (wofür die Klägerin die Funktionsweise des patentierten sowie des eigenen Motors näher darlegte). Auch die Aussage, die Patentanmeldung der Klägerin wäre gescheitert, sei unwahr, verfüge sie doch mittlerweile über ein Europäisches Patent.

[8] Die Behauptungen seien geeignet, ihren guten Ruf und Kredit als innovatives Unternehmen und Technologieführer zu schädigen. Da die Beklagten Komponenten und Module für Ottomotoren entwickeln würden, bestünde auch ein Wettbewerbsverhältnis.

[9] Im Hinblick auf die Korrespondenz zwischen der Klägerin und dem Erfinder, von dem die Erstbeklagte das Patent erworben habe, wäre den Beklagten die Unwahrheit ihrer Behauptungen bewusst gewesen; jedenfalls hätten sie es grob schuldhaft unterlassen, den Eingriff objektiv zu prüfen.

[10] Die Beklagten beantragten, den Sicherungsantrag abzuweisen.

[11] Sie hätten die Klage keineswegs an die Medien weitergegeben oder sonst Presseberichte initiiert. Vielmehr sei der Drittbeklagte von einem Journalisten kontaktiert worden, der die Klage und Korrespondenz von dritter Seite erhalten habe. Sie hätten sich aufgrund dieser Anfrage wahrheitsgemäß und ausschließlich zum Inhalt und Stand des Patentverletzungsverfahrens geäußert, was ihnen im Hinblick auf die Meinungs‑ und Pressefreiheit nicht untersagt werden könne. Die Artikel seien neutrale und zutreffende Berichte über eine anhängige Rechtsstreitigkeit und würden eine Patentverletzung keineswegs als gewiss darstellen. Dass die Klägerin eine Stellungnahme verweigert habe, könne nicht ihnen angelastet werden.

[12] Der Sicherungsantrag laufe darauf hinaus, ihnen Prozessvorbringen zu verbieten, das sie jedoch nicht wider besseren Wissens erstattet hätten, zumal der Erfinder, der überdies den Motor mitentwickelt habe, selbst von einer Patentverletzung ausgehe.

[13] Es handle sich augenscheinlich um einen Versuch, sie einzuschüchtern und an ihre finanziellen Grenzen zu bringen. Es sei auch nicht ersichtlich, inwiefern der Kredit der Klägerin geschädigt würde. Die Erstbeklagte, die lediglich Patente verwerte, aber keine operativen Tätigkeiten ausübe, stehe mit der Klägerin ebensowenig in einem Wettbewerbsverhältnis wie der Drittbeklagte.

[14] Die Behauptungen seien zudem wahr, die Klägerin greife in das Patent ein, wie ebenfalls näher begründet wird. Diese Frage sei jedoch nicht hier, und schon gar nicht mit den Mitteln des Provisorialverfahrens zu klären. Dass der Versuch der Klägerin, ein ähnliches Patent in Deutschland anzumelden, gescheitert sei, ergebe sich unzweifelhaft aus dem internationalen Recherchebericht in der Veröffentlichung zur Patentanmeldung.

[15] Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab.

[16] Es nahm als bescheinigt an, dass der Drittbeklagte nicht aktiv an die Medien herangetreten sei, sondern von einem Journalisten kontaktiert worden sei, der nicht nur über die Patentverletzungsklage, sondern auch die klagsseits vorgelegte Korrespondenz „bereits bestens informiert“ gewesen sei. Der Drittbeklagte sei vom Journalisten gefragt worden, ob der durch die Klägerin verursachte Schaden durch einen Gutachter bereits festgestellt worden sei, und ob es stimme, dass es sich um über 200.000 betroffene Motoren handle. Der Drittbeklagte habe dies verneint und auf den laufenden Prozess verwiesen mit dem Hinweis, dass die exakte Menge erst festgestellt werden müsse, und er derzeit durch Abgleich von 2.200 Händler‑Angaben und öffentlich zugänglichen Daten auf ca 188.000 betroffene Fahrzeuge komme.

[17] In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht, dass die Beklagten die inkriminierten Aussagen überhaupt verbreitet hätten, hätten die Medien doch eigeninitiativ berichtet. Die Erläuterungen des Drittbeklagten zur Klagseinbringung seien zudem erkennbar dessen subjektive Meinung und sohin bloße Werturteile. Im Übrigen wären selbst herabsetzende Tatsachenbehauptungen im Zuge eines Verfahrens gerechtfertigt, solange sie nicht wider besseren Wissens erhoben würden.

[18] Das Rekursgericht gab einem Rekurs der Klägerin nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend (erkennbar pro Anspruch) und ließ den Revisionsrekurs wegen der Einzelfallbezogenheit nicht zu.

[19] Die von den Sicherungsbegehren umfassten Behauptungen ließen sich aus Sicht eines unbefangenen, durchschnittlich gebildeten Adressatenkreises aus keinem der drei Medienberichte ableiten. Deren Inhalt sei jeweils ein wahrheitsgemäßer Bericht über das laufende Verfahren. Daher komme es weder auf eine Wissentlichkeit an, noch auf die Eignung zur Kreditschädigung oder die Frage, ob der Drittbeklagte an die Medien herangetreten sei oder umgekehrt. Die dahingehenden Beweis- und Verfahrensrügen sowie behauptete sekundäre Feststellungsmängel erachtete das Rekursgericht für nicht entscheidungsrelevant.

[20] In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt die Klägerin, die Entscheidung des Rekursgerichts „aufzuheben“ (erkennbar gemeint: abzuändern) und die einstweilige Verfügung antragsgemäß zu erlassen; hilfsweise wird die Aufhebung und Zurückverweisung in die erste Instanz beantragt.

[21] Die Beklagten beantragen in der ihnen vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[22] Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.

[23] 1. Die Klägerin weist in ihrem Rechtsmittel grundsätzlich zutreffend darauf hin, dass das Rekursgericht zu Unrecht auf eine Rechtmäßigkeit der medialen Berichterstattung abstellte, sie ihre Ansprüche jedoch mit eigenen Aussagen der Beklagten begründete.

[24] 2. Dass unwahre Behauptungen, ein Unternehmen verletze bei der Produktion und dem Vertrieb seiner Produkte fremde Patente und scheitere mit eigenen Anmeldungen, grundsätzlich geeignet sind, dessen Kredit zu schädigen, kann nicht ernstlich bezweifelt werden.

[25] Die Erstbeklagte, vertreten durch den Drittbeklagten als ihren Geschäftsführer, hat auch eben jene Behauptungen (sinngemäß) in ihrer Patentverletzungsklage aufgestellt.

[26] 3.1 Prozessbehauptungen, die in Ausübung eines Rechts aufgestellt werden, sind jedoch im Interesse an einer ordnungsgemäßen Rechtspflege gerechtfertigt. Ein Anspruch nach § 7 UWG bzw § 1330 ABGB besteht nach ständiger Rechtsprechung nur, wenn sie wider besseren Wissens erhoben werden (vgl RS0022784, RS0114015, RS0105665). Dahinter steht der Gedanke, dass das Recht, bei Meinungsverschiedenheiten die Hilfe der Gerichte in Anspruch zu nehmen, nicht mit einer Verantwortlichkeit nach § 1330 ABGB für die Rechtsverfolgung bzw ‑verteidigung belastet werden darf (6 Ob 196/12k [ErwGr 3.1]). Der Rechtfertigungsgrund steht zudem unabhängig von der Öffentlichkeit oder Nichtöffentlichkeit des Prozesses zu (vgl 6 Ob 103/01t).

[27] 3.2 Die Beweislast für die Kenntnis der Unwahrheit und den Vorsatz des Täters trifft den Kläger (RS0105665). Der Oberste Gerichtshof präzisierte etwa bereits zu 6 Ob 60/03x, dass ein „Wissenmüssen“ für den Ausschluss des Rechtfertigungsgrundes nicht ausreicht, sondern der (dortige) Kläger konkret behaupten (und nachweisen) hätte müssen, dass der Beklagte bei der Lektüre der dort strittigen Fachgutachten zwingend deren Übereinstimmung erkannt und dann vorsätzlich eine Widersprüchlichkeit behauptet hätte.

[28] Die Klägerin argumentierte hier zwar in erster Instanz mit einem Verschulden und nunmehr mit einem Wertungsexzess; dass die Beklagten die Korrespondenz zwischen der Klägerin und dem Erfinder gekannt und die Ansicht der Klägerin für richtig befunden, aber dessen ungeachtet die Patentverletzungsklage wider besseren Wissens eingebracht hätten, wurde jedoch nie behauptet.

[29] Die Beklagten können mangels Vorsatzes für die im Patentverletzungsverfahren aufgestellten Behauptungen sohin nicht nach § 7 UWG bzw § 1330 ABGB in Anspruch genommen werden.

[30] 4.1 Gerechtfertigt ist Vorbringen jedoch bloß dann, wenn es nicht nur zeitlich aus Anlass bzw im Rahmen eines Verfahrens erstattet wird, sondern auch einen – großzügig zu beurteilenden – inhaltlichen Zusammenhang mit dem Verfahrensgegenstand aufweist (vgl 6 Ob 196/12k [ErwGr 6.]). Die Überlegungen zur Privilegierung von Parteibehauptungen, Aussagen oder Anzeigen lassen sich überdies nicht auf außergerichtliche Auseinandersetzungen übertragen. Dabei findet nämlich kein rechtsförmiges Verfahren statt, in dessen Zuge auch die Richtigkeit der Behauptungen geklärt werden könnte (vgl 6 Ob 105/17k).

[31] Der Rechtfertigungsgrund steht nach ständiger Rechtsprechung daher dann nicht mehr zur Verfügung, wenn der Anzeiger die in die Ehre des anderen eingreifenden Behauptungen öffentlich wiederholt, etwa in Presseaussendungen und ‑konferenzen, in Zeitungsinterviews, durch Weiterleitung an Medienvertreter oder als Posting, weil er dies nicht mehr im öffentlichen Interesse am Funktionieren der Strafrechtspflege tut (vgl 6 Ob 114/00h; 6 Ob 60/03x; 6 Ob 265/03v; 4 Ob 149/15p; 4 Ob 232/15v; 6 Ob 25/18x; 6 Ob 166/21m; vgl auch RS0114012 zu § 9 RAO).

[32] 4.2 Die Klägerin rügt in ihrem Revisionsrekurs die Nichterledigung ihrer Beweis‑ und Verfahrensrüge zur Frage, ob die Beklagten die Medien kontaktiert hätten oder umgekehrt, nicht als Mangelhaftigkeit des Rechtsmittelverfahrens (vgl RS0043371), sodass darauf ebensowenig weiter einzugehen ist wie auf den Umstand, dass eine eidesstättige Erklärung einer Partei nach der Rechtsprechung grundsätzlich kein geeignetes Bescheinigungsmittel ist (vgl RS0005298).

[33] Eine Stattgabe des Sicherungsantrags aufgrund einer Weitergabe der Klage an die Medien scheidet daher ebenfalls aus, weil eine solche nicht bescheinigt ist.

[34] 5.1 Der Revisionsrekurs will die Haftung der Beklagten für die Behauptung der Patentverletzung vielmehr aus dem vom Drittbeklagten gewährten Interview und dessen Einstehenmüssen für den Inhalt der Veröffentlichung ableiten.

[35] 5.2 In einem Interview kann entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts sehr wohl eine Verbreitungshandlung liegen: Eine Tatsachenmitteilung wird auch dann öffentlich verbreitet, wenn sie nur einer einzigen Person zugeht, aber keine Gewähr dafür besteht, dass der Empfänger die Mitteilung vertraulich behandeln werde (RS0032413). Wer im Rahmen eines von ihm einem Journalisten gewährten Interviews unwahre, kreditschädigende Tatsachenbehauptungen über einen Dritten aufstellt, hat diese auch in Ansehung der Veröffentlichung des Interviews im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB „verbreitet“, ist doch die Veröffentlichung in aller Regel gerade dessen Zweck; der Mitteilende ist daher in Ansehung der Verbreitung in einer Zeitschrift zumindest Mittäter (RS0032312).

[36] 5.3 Wie zu Punkt 4.1 dargelegt, ist die Wiederholung von kreditschädigenden Prozessbehauptungen in einem Interview grundsätzlich nicht durch das öffentliche Interesse an einer geordneten Rechtspflege gerechtfertigt.

[37] Der Klägerin ist weiters zuzugestehen, dass sich der Drittbeklagte keineswegs darauf beschränkte, gegenüber dem Journalisten die Einbringung und den Inhalt der Klage sowie den Stand des Prozesses (wahrheitsgemäß) zu bestätigen. Vielmehr bekräftigte er den Vorwurf der Patentverletzung und erklärte ergänzend, wie viele Motoren betroffen seien (wobei zugunsten der Klägerin unterstellt wird, dass der Drittbeklagte die im Artikel zitierten Behauptungen auch derart aufstellte).

[38] Der Drittbeklagte hat sohin – gegenüber dem Journalisten der Tiroler Tageszeitung – sehr wohl die Aussage getätigt, dass die Klägerin das Patent der (Erst-)Beklagten verletze.

[39] 5.4.1 Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung erfasst § 7 UWG jede (unwahre) Tatsachenbehauptung über geschäftliche Verhältnisse, die zu einem Schaden für den Kredit oder den Betrieb des davon Betroffenen führen kann. Ein Werturteil – also eine Äußerung, die sich als Ausdruck der subjektiven Meinung darstellt – begründet hingegen keinen Anspruch nach § 7 UWG (jüngst 4 Ob 185/23v mwN).

[40] Rechtsfolgenbehauptungen können je nach Lage des Falles Tatsachenbehauptungen oder auch reine Werturteile sein (vgl RS0112210). Je weniger die zu beurteilende Rechtsfolgenbehauptung nicht einfach aus dem Gesetz abzulesen ist, sondern auf einem Vorgang der persönlichen Erkenntnisgewinnung beruht, je eingehender die Grundlagen dieses Erkenntnisprozesses dargestellt werden, und je deutlicher zum Ausdruck kommt, dass eine subjektive Überzeugung im geistigen Meinungsstreit vertreten wird, umso eher wird ein reines Werturteil vorliegen (RS0112211).

[41] In den Entscheidungen 4 Ob 211/19m und 4 Ob 185/23v qualifizierte der Senat Schutzrechtsverwarnungen, in denen der Sachverhalt richtig dargestellt worden und lediglich die Subsumtion strittig war, als bloße Werturteile.

[42] 5.4.2 Dies muss auch im vorliegenden Fall gelten, in dem vom Journalisten die Grundlagen des Patentverletzungsstreits anhand der Klagsschrift dargestellt wurden und der Drittbeklagte über Nachfrage diesem gegenüber erkennbar seine subjektive Position darlegte, dass und warum die Klägerin das Patent verletze.

[43] Der Revisionsrekurs argumentiert damit, dass die Behauptung der Patentverletzung auf einer unrichtigen Darstellung des Sachverhalts beruhe, weil „die Motoren der Klägerin keine Einspritzdüse aufweisen würden, die gegen den Einströmbereich des von der Luftansaugleitung ausgehenden Überströmkanals hin ausgerichtet und in Abhängigkeit von der Bewegungsrichtung des Kolbens und der Steuerung des Überströmkanals ansteuerbar“ sei. Die Klägerin begehrt dazu auch ergänzende Feststellungen aus ihrem Privatgutachten zu treffen, unter anderem, dass ihr Motor nicht alle Merkmale des Patents verwirkliche, insbesondere nicht das wesentliche Merkmal M6 der Patentschrift, was Voraussetzung für eine Patentverletzung wäre.

[44] Ob das der entscheidende Faktor ist, wird jedoch im Patentverletzungsverfahren zu klären sein. Weder führt dieser Umstand dazu, dass die Behauptung eines Patenteingriffs offenkundig falsch wäre, noch wurde der Sachverhalt insofern unrichtig dargestellt. Abgesehen davon, dass sich der Drittbeklagte überhaupt nicht zu technischen Details äußerte, wird im Artikel als (für die Leser als Laien) wesentliches Merkmal des Patents hervorgehoben, dass damit Treibstoff‑Spülverluste reduziert würden, indem der Sprit direkt in den Motor eingebracht wird, und auf das Vorbringen verwiesen, laut dem die Klägerin einen Eingriff mit einer vom Patent abweichenden Positionierung der Einspritzdüsen bestreitet.

[45] Ungeachtet der Frage, ob der Klägerin ein eigenes Patent erteilt wurde oder nicht, nimmt im Übrigen auch der Recherchebericht auf das Patent der Erstbeklagten Bezug, sodass augenscheinlich selbst das Patentamt keineswegs von einer „offenkundigen Unähnlichkeit“ ausging, mit der nun im Revisionsrekurs argumentiert wird.

[46] 5.5 Schließlich ist der Klägerin zwar beizupflichten, dass selbst Werturteile nicht schrankenlos öffentlich verbreitet werden dürfen: Das Überschreiten der Grenzen zulässiger Kritik durch einen massiven Wertungsexzess erfüllt den Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 1 UWG (jüngst 4 Ob 185/23v mwN). Auch im Anwendungsbereich des § 1330 ABGB dürfen wertende Äußerungen die Grenzen zulässiger Kritik nicht überschreiten (vgl RS0054817).

[47] Abgesehen davon, dass sich die Klägerin in erster Instanz nur auf eine unwahre Tatsachenbehauptung, nicht aber einen Wertungsexzess berief, kann allein aus der Behauptung „der entscheidend abweichenden Konstruktion der Motoren“ (im Sinne von Punkt 5.4.2) kein Wertungsexzess abgeleitet werden.

[48] Auch mit dem (ebenfalls neuen) Vorbringen, wonach es um einen alten Motorentyp gehe, der nicht mehr produziert werde, und daher die Verletzungsklage kein Unterlassungsbegehren enthalte, vermag die Klägerin keinen Wertungsexzess zu begründen.

[49] 5.6 Die Abweisung des ersten Sicherungsbegehrens betreffend den Vorwurf der Patentverletzung erfolgte sohin im Ergebnis zu Recht.

[50] 6. Der Revisionsrekurs geht schließlich selbst davon aus, dass sich die weiters inkriminierte Behauptung, laut der eine eigene Patentanmeldung der Klägerin an jener der Erstbeklagten gescheitert wäre, lediglich aus der Klagsschrift der Erstbeklagten und nicht aus dem Interview des Drittbeklagten ergebe. Wie bereits in den Punkten 3.2 und 4.2 dargelegt, haften die Beklagten für die Klagebehauptungen (mangels Nachweises einer Erstattung wider besseren Wissens und/oder einer Weitergabe an die Medien) jedoch nicht.

[51] Dass und warum den Beklagten die Medienberichte in diesem Punkt zuzurechnen wären, wird nicht vorgebracht.

[52] Daher war auch die Abweisung des zweiten Begehrens im Ergebnis zu bestätigen.

[53] 7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 402 Abs 4, 78 EO in Verbindung mit §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Gelingt es dem Beklagten, einen Sicherungsantrag abzuwehren, hat er ungeachtet § 393 EO sogleich Anspruch auf Kostenersatz.

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