OGH 2Ob54/24s

OGH2Ob54/24s25.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger sowie die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei M*, vertreten durch Dr. Raimund Danner und Dr. Madeleine Danner, LL.M., Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte und widerklagende Partei H*, vertreten durch Dr. Günther Auer, Rechtsanwalt in Oberndorf, wegen 14.878,08 EUR sA (Klage) und 11.213,70 EUR sA (Widerklage), über dieRevision der klagenden und widerbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 20. Dezember 2023, GZ 21 R 236/23m‑30, mit welchem das Urteil des Bezirksgerichts Seekirchen am Wallersee vom 29. Juni 2023, GZ 6 C 5/23z‑26, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00054.24S.0625.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie – einschließlich ihres rechtskräftigen Teils – lauten:

„1. Die Klagsforderung besteht mit 11.286,30 EUR zu Recht.

2. Die Gegenforderung besteht nicht zu Recht.

3. Die beklagte und widerklagende Partei ist schuldig, der klagenden und widerbeklagten Partei 11.286,30 EUR zuzüglich Zinsen von 4 % seit 19. 11. 2021 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

4. Im Übrigen werden das Klagebegehren, die beklagte und widerklagende Partei sei schuldig, der klagenden und widerbeklagten Partei weitere 3.591,78 EUR zuzüglich Zinsen von 4 % seit 9. 3. 2022 zu bezahlen, und das Widerklagebegehren, die klagende und widerbeklagte Partei sei schuldig, der beklagten und widerklagenden Partei 11.213,70 EUR samt 4 % Zinsen seit 10. 11. 2022 zu bezahlen, abgewiesen.“

Die beklagte und widerklagende Partei ist schuldig, der klagenden und widerbeklagten Partei die mit  3.314,90 EUR (darin 298,15 EUR USt und 1.526 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Fällung einer neuen Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz aufgetragen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin hat ihren Lebensgefährten A* seit dem Jahr 1999 finanziell unterstützt, wobei vereinbart war, dass sie diese Beträge nach dem Verkauf seiner Wohnung oder aus seinem Nachlass zurückerhalten wird, weshalb die jeweiligen Zahlungen genau dokumentiert wurden. Als A* im Jahr 2018 sein Testament errichten wollte, ergab die Durchsicht der Belege eine Summe von 108.910,18 EUR.

[2] In seinem Testament vom 19. 12. 2018 setzte A* seinen Sohn, den Beklagten, als Alleinerben ein und verfügte, dass die Klägerin ein Legat von 110.000 EUR erhalten soll, wobei er dazu ausführte: „Sie hat mich im Laufe unserer Lebensgemeinschaft finanziell unterstützt und zwar mit etwa dem jetzt als Vermächtnis ausgesetzten Betrag, sodass sie dieses aus diesem Grund eben unabhängig davon vorweg erhalten soll.“ Nach dem Willen des A* sollte der Betrag seine Darlehensschuld einschließlich einer Zinsenpauschale abdecken.

[3] Später unterstützte die Klägerin A* aufgrund der getroffenen Vereinbarung mit weiteren 10.032,60 EUR. Als A* am 14. 11. 2020 verstarb, wurde der Nachlass dem Beklagten eingeantwortet. Die Klägerin forderte das Legat im November 2021 ein. Der Beklagte zahlte am 2. 3. 2022 nach dem Verkauf der im Nachlass befindlichen Wohnung 110.000 EUR an die Klägerin. Erst später musste der Beklagte aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vom 7. 9. 2022 der Tochter des A*, die ihren Pflichtteilsanspruch eingeklagt hatte, einen Pflichtteil von 45.000 EUR leisten.

[4] Die Klägerin begehrt 14.878,08 EUR zuzüglich 4 % Zinsen aus 10.032,60 EUR von 19. 11.2021 bis 8. 3. 2022 und aus 14.878,08 EUR seit 9. 3. 2022. Die Klägerin habe aufgrund der Darlehensvereinbarung Anspruch auf weitere 10.032,60 EUR, die A* noch nach Errichtung seines Testaments erhalten habe. Da der Beklagte das Legat verspätet erfüllt habe, schulde er der Klägerin 1.253,70 EUR an gesetzlichen Zinsen aus 110.000 EUR von 19. 11. 2021 bis 2. 3. 2022 sowie den Ersatz der Anwaltskosten von 3.591,78 EUR, welche die Klägerin zur Betreibung des Legats aufwenden habe müssen.

[5] Der Beklagtewendet ein, der Klägerin sei rund die Hälfte des Nachlasses zugeflossen, sodass sie als Vermächtnisnehmerin mit 22.500 EUR zum Pflichtteilsanspruch der Tochter des A* beizutragen habe, sodass der Beklagte dem Klagebegehren eine Gegenforderung von 11.286,30 EUR entgegenhielt und den darüber hinausgehenden Betrag von 11.213,70 EUR samt 4 % Zinsen seit 10. 11. 2022 mit Widerklage geltend machte.

[6] Das Erstgericht sprach aus, dass sowohl die Klagsforderung als auch die Gegenforderung mit 11.286,30 EUR zu Recht bestehe, und wies das Klagebegehren im Kapitalbetrag ab. Der Widerklage gab das Erstgericht statt, sodass es die Klägerin zur Zahlung von 11.213,70 EUR sA verpflichtete. Die Klägerin habe aufgrund der Darlehensvereinbarung Anspruch auf jene 10.032,60 EUR, die A* noch nach Errichtung seines Testaments erhalten habe. Darüber hinaus habe die Klägerin Anspruch auf eine Verzinsung des Legats, das ein Jahr nach dem Tod des A* fällig geworden sei. Demgegenüber seien die vorprozessualen Kosten nicht zur zwecksentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich gewesen. Auch wenn das Legat als Schuldvermächtnis zu qualifizieren sei, müsse die Klägerin als Vermächtnisnehmerin nach § 764 Abs 2 ABGB zur Befriedigung der Pflichtteilsansprüche beitragen, sodass sie sich eine entsprechende Kürzung des Legats gefallen lassen müsse. Nachdem die Klägerin und der Beklagte nach dem Willen des Verstorbenen etwa gleich viel erhalten sollten, müsse die Klägerin die Hälfte des Pflichtteils bestreiten, sodass dem Beklagten ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch über 22.500 EUR zuzubilligen sei.

[7] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision nachträglich zu, weil die Frage, ob auch das Schuldvermächtnis nach § 764 Abs 2 ABGB zur Befriedigung von Pflichtteilsansprüchen beitragen muss, vom Obersten Gerichtshof noch nicht beantwortet worden sei.

[8] Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin anstrebt, dass die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend erkannt, die Widerklage abgewiesen und dem Klagebegehren mit 11.286,30 EUR stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[9] Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Revision ist zulässig, weil den Vorinstanzen eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen ist. Sie ist dementsprechend auch berechtigt.

[11] 1. Nach § 665 ABGB bewirkt das Vermächtnis der Schuld, die der Verstorbene dem Vermächtnisnehmer gegenüber zu erfüllen hatte, dass der Erbe die vom Verstorbenen bestimmte oder vom Vermächtnisnehmer ausgewiesene Schuld anerkennen und sie, ohne Rücksicht auf die mit der Schuld verbundenen Bedingungen oder Fristen, längstens binnen der zur Leistung der übrigen Vermächtnisse bestimmten Frist erfüllen muss. Ein Schuldvermächtnis nach § 665 ABGB darf sich nicht darauf beschränken, eine bestehende Verpflichtung anzuführen, sondern es muss auch eine Begünstigung des Bedachten enthalten (RS0012619 = 5 Ob 304/71; Welser in Rummel/Lukas, ABGB4 § 665 ABGB Rz 2; Oberhumer in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht2 Rz 6.25). Dieser Vorteil kann aber auch in der vorgesehenen Anerkennung der Schuld liegen (Spruzina in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 692 Rz 7).

[12] 2. Durch ein Schuldvermächtnis erhält der Gläubiger ein zweites Forderungsrecht, doch soll er die Leistung nur einmal erhalten (Kralik, Erbrecht3 230; Christandl in Fenyves/Kerschner/Vonkilch Klang3 §§ 663–771 ABGB Rz 41; Eccher/Kolmasch in Schwimann/Kodek 5 §§ 663–668 ABGB Rz 10; Neumayr in KBB7 § 665 ABGB Rz 1). Erfüllt der Erbe das Schuldvermächtnis, wird er deshalb nicht nur von der Legatschuld, sondern auch von der ursprünglichen Verpflichtung, die er vom Verstorbenen übernommen hat, befreit. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass der Beklagte durch die Zahlung von 110.000 EUR nicht nur das Legat, sondern auch die Darlehensschuld in diesem Umfang beglichen hat.

[13] 3. Nach § 764 Abs 2 ABGB haben die Vermächtnisnehmer zum Pflichtteilsanspruch verhältnismäßig beizutragen. Liegen die Voraussetzungen der Kürzung des Vermächtnisses vor, hat der Erbe dem Vermächtnisnehmer ein entsprechend gekürztes Vermächtnis auszufolgen oder, wenn dieses – wie hier – bereits ungekürzt ausgefolgt wurde, zuviel Geleistetes zurückzufordern (RS0012643). Dieser Rückforderungsanspruch des Erben ist nach herrschender Meinung als Bereicherungsanspruch nach § 1431 ABGB zu qualifizieren (10 Ob 6/14a; 2 Ob 189/20p; Kogler in Fenyves/Kerschner/Vonkilch Klang3 § 764 ABGB Rz 14; Bittner/Hawel in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 764 Rz 4). Voraussetzung des Rückforderungsanspruchs nach § 1431 ABGB ist die – zumindest teilweise – Rechtsgrundlosigkeit der Leistung (RS0033607; RS0107938). Demgegenüber ist ein rechtfertigender Grund für eine Vermögensverschiebung gegeben, wenn die Leistung in Erfüllung eines gültigen Schuldverhältnisses erfolgte (RS0020022).

[14] 4. Im vorliegenden Fall entspricht das Schuldvermächtnis der Darlehensschuld des Verstorbenen, sodass sich die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, ob ein Schuldvermächtnis der Kürzung nach § 764 Abs 2 ABGB unterliegt, zumindest im vorliegenden Fall gar nicht stellt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass das Schuldvermächtis zu Gunsten der Klägerin nach § 764 Abs 2 ABGB zu kürzen wäre, erfolgte die Zahlung des Beklagten nicht rechtsgrundlos, sondern aufgrund der bestehenden Darlehensschuld, sodass keine rechtsgrundlose Zahlung vorliegt, die nach § 1431 ABGB zurückgefordert werden könnte.

[15] 5. Die Kostene ntscheidungim Revisionsverfahren beruht auf §§ 50, 41 Abs 1 ZPO. Da die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz eingehende Berechnungen erfordert und Einwendungen gegen die von der Klägerin verzeichneten Kosten erhoben wurden, über die das Erstgericht noch nicht entschieden hat, war die Kostenentscheidung insoweit dem Erstgericht aufzutragen (RS0124588 [T13]).

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