OGH 4Ob196/23m

OGH4Ob196/23m23.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M. und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Linke Wienzeile 18, 1060 Wien, vertreten durch die Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei *, Deutschland, vertreten durch die Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 30.500 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 5.500 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. September 2022, GZ 33 R 52/22t‑26, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 9. März 2022, GZ 57 Cg 32/19k‑22, teilweise abgeändert wurde, I. beschlossen und II. zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00196.23M.0523.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Klauselentscheidungen, Konsumentenschutz und Produkthaftung

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

I. Das mit Beschluss vom 31. Jänner 2023,  4 Ob 247/22k, gemäß § 90a GOG unterbrochene Verfahren wird fortgesetzt.

II. Der Revision wird teilweise Folge gegeben und die Entscheidungen der Vorinstanzen werden abgeändert, sodass Punkt 1.c lautet:

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, es im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern, die in Österreich ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, im Fernabsatz auch zu unterlassen, Vertragsverlängerungen im Wege der Erklärungsfiktion vorzunehmen, ohne die Verbraucher unter Zurverfügungstellung des Musterwiderrufsformulars über ihr Rücktrittsrecht gemäß § 11 FAGG zu informieren und/oder ohne den Verbrauchern das Rücktrittsrecht gemäß § 11 FAGG zu gewährleisten, wird abgewiesen.

Im Übrigen werden die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt.

Die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen werden durch folgende Kostenentscheidung für alle drei Instanzen ersetzt: Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 13.577,44 EUR (darin enthalten 2.136,54 EUR USt und 758,20 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

[1] Der Senat hat das vorliegende Revisionsverfahren mit Beschluss vom 31. 1. 2023, GZ 4 Ob 247/22k‑30, bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über den vom Obersten Gerichtshof zu 3 Ob 103/22a gestellten Antrag nach Art 267 AEUV unterbrochen und angeordnet, dass das Verfahren nach Einlangen der Vorabentscheidung von Amts wegen fortgesetzt werden wird.

[2] Die Entscheidung des EuGH vom 5. 10. 2023, C‑565/22 , VKI gegen Sofatutor, liegt vor. Das Revisionsverfahren ist daher fortzusetzen.

Zu II.:

[3] Der Kläger ist gemäß § 29 Abs 1 KSchG berechtigt, Unterlassungsansprüche nach § 28 KSchG geltend zu machen.

[4] Die Beklagte mit Sitz in Deutschland betreibt Online-Partnervermittlung auf zwei verschiedenen Plattformen im Internet, für deren Nutzung Kunden jeweils Verträge mit leicht abweichenden AGB schließen. Die Beklagte wendet sich mit ihrem Dienstleistungsangebot an Konsumenten (insbesondere auch) mit gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich, und schließt mit diesen Verbraucherverträge im Fernabsatz.

[5] DerKläger begehrt, der Beklagten im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern mit gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich Vertragsverlängerungen im Fernabsatz im Weg der Erklärungsfiktion ohne (konkret beschriebene) Hinweise auf das Rücktrittsrecht nach § 6 Abs 1 Z 2 KSchG und § 11 FAGG als unzulässige Geschäftspraktiken zu untersagen. Außerdem soll der Beklagten die Verwendung von acht konkret angeführten Klauseln zur Vertragslaufzeit, Vertragsverlängerung und Kündigungsfrist verboten werden. Schließlich begehrt der Kläger Urteilsveröffentlichung.

[6] Die Beklagte beantragt die Abweisung aller Klagebegehren. Ihre Geschäftspraktiken und Klauseln seien zulässig.

[7] DasErstgerichtgab der Klage zur Gänze statt.

[8] Das Berufungsgerichterachtete zwei Klauseln als teilbar und gab der Berufung der Beklagten hinsichtlich einer Regelung zur Kündigungsfrist bei den 6‑monatigen Premium‑Mitgliedschaften Folge. Es ließ die Revision zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Erfüllung der Hinweispflicht gemäß § 6 Abs 1 Z 2 KSchG durch E‑Mails mit weiterführenden Links sowie zur Anwendbarkeit des § 11 FAGG bei einer Vertragsverlängerung im Wege der Erklärungsfiktion fehle.

[9] Die Revision der Beklagten strebt die vollständige Klagsabweisung an.

[10] Die Klägerin beantragt, die Revision zurück- oder abzuweisen.

[11] Die Revisionist zulässig und teilweise berechtigt.

A. Sachverhalt

[12] Die Verbraucher schließen bei ihrer Anmeldung zunächst eine kostenlose Basis-Mitgliedschaft für die jeweilige Plattform ab. Sie absolvieren einen Persönlichkeitstest und erhalten auf dieser Basis Partnervorschläge in Form von anonymisierten Profilen.

[13] Um die Leistungen der Beklagten vollständig nutzen und insbesondere auch andere Partnersuchende uneingeschränkt kontaktieren zu können, braucht der Verbraucher eine kostenpflichtige Premium‑Mitgliedschaft, wobei er zwischen verschiedenen Erstlaufzeiten von 6, 12 oder 24 Monaten wählen kann. Die monatlichen Kosten sind für Mitgliedschaften mit längerer Bindungsdauer günstiger und betragen 9,96 EUR bis 44,90 EUR, wobei eine Plattform grundsätzlich günstigere Tarife bietet als die andere.

[14] Nach Auswahl der Bindungsdauer hat der Kunde Zahlungsmittel (Kreditkarte, Bankeinzug oder PayPal) sowie Zahlungsweise (monatlich, viertel-, halbjährlich oder Einmalzahlung) auszusuchen. Dabei wird er mit folgendem Text auf die automatische Vertragsverlängerung hingewiesen:

„Nutzen Sie ab sofort sämtliche Premium-Funktionen zum Preis von EUR [...]/Monat. Ihre gewählte Zahlungsweise ist [zB einmalige] Zahlung (Gesamtbetrag: EUR [...] über die gewählte Laufzeit von [...] Monaten). Damit Sie weiterhin von allen Vorteilen der Premium-Mitgliedschaft profitieren, verlängert sich diese nach Ablauf der Erstlaufzeit jeweils um 12 Monate zum Preis von EUR [...]/Monat bei gleichbleibender Zahlungsweise (Gesamtbetrag: EUR [...]). Selbstverständlich können Sie ihre Premium-Mitgliedschaft bis zu 12 Wochen vor Ablauf der Laufzeit kündigen.“

[15] Nach Abschluss der Registrierung erhält der Kunde per E‑Mail eine Bestellbestätigung mit folgendem Hinweis:

„Ihre aktuelle Premium-Mitgliedschaft läuft bis zum [Datum].

Damit Sie alle Vorteile ohne Unterbrechung nutzen können, verlängert sich Ihre Premium-Mitgliedschaft danach automatisch um je 12 Monate zum Preis von [...] EUR pro Monat, was einem Gesamtbetrag von EUR [...] (inkl. MWSt.) entspricht. […]

Beim erstmaligen Abschluss und bei jeder nachfolgenden Verlängerung werden Sie 14 Kalendertage vor Ablauf Ihrer Kündigungsfrist per E-Mail über die jeweilige Laufzeit, das Datum des Vertragsendes und die Dauer der Verlängerung informiert. […] Selbstverständlich können Sie Ihre Premium-Mitgliedschaft bis zu 12 Wochen vor Ablauf der aktuellen Laufzeit kündigen. Für die Wirksamkeit der Kündigung ist es erforderlich, dass Sie sich innerhalb Ihres Kündigungsschreibens eindeutig authentifizieren und uns hierzu Ihre Chiffre nennen. Weitere Informationen zur Kündigung erhalten Sie in 'Mein Profil/Daten + Einstellungen/Profil verwalten‘.“

[16] Im jeweiligen Kundenprofil finden sich Informationen, wie und wo gekündigt werden kann, jedoch keine zu Kündigungsfrist oder ‑termin.

[17] Die AGB für die günstigere Plattform der Beklagten lauten auszugsweise:

„5. Kündigung/Verlängerung

[…]

5.2 Die Frist für die ordentliche Kündigung der kostenpflichtigen Mitgliedschaft (sogenannte Premium-Mitgliedschaft) ergibt sich aus den produktbezogenen Vertragsinhalten, die im Rahmen des Bestellvorgangs vom Kunden bestätigt werden. Beim Kauf einer Premium-Mitgliedschaft wird der Kunde darüber hinaus in der Bestellbestätigung über die Kündigungsfrist per E‑Mail informiert. Die Kündigung ist nur dann wirksam, wenn sie durch ausdrückliche Erklärung in Textform erfolgt (wie zB Brief oder Fax).

[…]

5.3 Erfolgt durch den Kunden keine Kündigung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist gem. Ziffer 5.2, verlängert sich der Vertrag über die entgeltpflichtige Mitgliedschaft automatisch nach Maßgabe der produktbezogenen Vertragsinhalte, welche Sie innerhalb des Bestellvorgangs akzeptiert haben. Innerhalb unserer Bestellbestätigung informieren wir Sie im Übrigen auch über die Dauer einer möglichen Verlängerung bei nicht fristgerechter Kündigung. Wir weisen Sie vor Ablauf des kostenpflichtigen Dienstes per E-Mail auf die automatische Verlängerung im Falle des Unterbleibens einer Kündigung hin. Näheres entnehmen Sie bitte den produktbezogenen Vertragsinhalten. […]“ [Klausel g]

[18] Die AGB für die teurere Plattform lauten – sehr ähnlich – auszugsweise:

5. Vertragsverlängerung und Beendigung

[…]

5.2 Innerhalb unserer produktbezogenen Vertragsinhalte, die Sie während des Bestellvorgangs bestätigen, findet sich die ordentliche Kündigungsfrist für die entgeltpflichtige Mitgliedschaft. Mit Kauf der entgeltpflichtigen Mitgliedschaft erhalten Sie in unserer Bestellbestätigung via E-Mail zusätzliche Informationen über die ordentliche Kündigungsfrist. Die Kündigung hat zu ihrer Wirksamkeit durch ausdrückliche Erklärung in Textform (wie zB Brief oder Fax) zu erfolgen.

[…]

5.3 Der Vertrag über die kostenpflichtige Mitgliedschaft (Premium-Mitgliedschaft) verlängert sich automatisch um die jeweils vertraglich vereinbarte Laufzeit, sofern der Kunde seinen Vertrag nicht gem. Ziffer 5.2 ordentlich kündigt. Beim erstmaligen Kauf einer Premium-Mitgliedschaft wird der Kunde mit Erhalt der Bestellbestätigung über die jeweilige Laufzeit, das Datum des Vertragsendes und die Dauer der Verlängerung bei nicht rechtzeitiger Kündigung informiert. [Plattformname] weist den Kunden vor Ablauf des kostenpflichtigen Dienstes per E-Mail auf die automatische Verlängerung im Falle des Unterbleibens einer Kündigung durch den Kunden hin. Näheres ist den produktbezogenen Vertragsinhalten zu entnehmen. […]“ [Klausel h]

[19] Außerdem gibt es für die Premium-Mitgliedschaften auf den beiden Plattformen mit jeweils drei verschiedenen Erstlaufzeiten insgesamt sechs Versionen von als „produktbezogene Vertragsinhalte“ bezeichneten speziellen AGB. Sie alle enthalten folgende Absätze:

Kündigungsfrist Die Premium-Mitgliedschaft ist ordentlich kündbar, und zwar spätestens 12 Wochen vor Laufzeitende. [Klauseln a und b]

Verlängerung Ihrer Premium-Mitgliedschaft und Konditionen Ihre Premium-Mitgliedschaft verlängert sich künftig automatisch jeweils um weitere 12 Monate zum Preis von […] EUR pro Monat (insgesamt […] EUR), es sei denn, Sie kündigen ordentlich entsprechend der vorbenannten Kündigungsfrist zum Laufzeitende. […] Bitte beachten Sie darauf: Ihre Premium-Mitgliedschaft verlängert sich so lange automatisch um dieselbe Laufzeit zum vorbenannten Preis, bis Sie fristgerecht kündigen. [Klauseln a, c, d, e, f]

[20] Nur für die günstigere Plattform folgt in den produktbezogenen Vertragsinhalten ein weiterer Absatz:

[Plattformname] weist den Kunden 98 Kalendertage vor Ablauf des kostenpflichtigen Dienstes per E-Mail auf die automatische Verlängerung im Falle des Unterbleibens einer Kündigung durch den Kunden hin. [Klauseln a, c]

[21] Tatsächlich erhielten die Kunden beider Plattformen 98 Kalendertage vor dem Ablauf der 6, 12 bzw 24 Monate dauernden Mitgliedschaft vom Kundenservice eine E‑Mail mit dem Betreff: „Information zu Ihrem aktuellen Profil: Hinweis auf Laufzeit und die automatische Vertragsverlängerung Ihrer Mitgliedschaft“ und nachfolgendem Text:

„Nachricht zu Ihrem Profil

Sehr geehrtes [Plattformname]-Mitglied,

wir freuen uns, dass Sie sich für den Service von [Plattformname] entschieden haben und hoffen, dass Sie bislang zufrieden waren und bereits interessante Kontakte geknüpft haben.

Wir möchten Sie auf Informationen zur Laufzeit und die automatische Vertragsverlängerung Ihrer Mitgliedschaft hinweisen, sofern Sie diese nicht rechtzeitig kündigen. Alle Informationen dazu finden Sie in Ihrem persönlichen Profil. Klicken Sie einfach hier .

[…]

Allgemeine Geschäftsbedingungen + Datenschutzbestimmungen

Die AGB von [Plattformname].at können Sie hier einsehen.

Die Datenschutzbestimmungen von [Plattformname].at erhalten Sie hier.“

[22] Über den Link „Klicken Sie einfach hier“ gelangt man nach Eingabe der Benutzerdaten und des Passwortes auf die Seite „Profil verwalten“, wo sich nur im Zeitraum zwischen Versendung der E-Mail und Ablauf der Kündigungsfrist folgender Hinweis zu Kündigungsfrist und Datum, bis zu dem die Kündigung zu erfolgen hat, fand:

„Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass Ihr ursprünglicher Vertrag auslaufen wird. Um sicherzustellen, dass Ihre Kontakte nicht plötzlich unterbrochen werden, verlängert sich Ihre Mitgliedschaft automatisch gemäß Ihren Vertragsbestimmungen, sofern Sie nicht bis 84 Tage vor Ende Ihrer Vertragslaufzeit die bestehende Mitgliedschaft kündigen. Eine Kündigung ist gemäß den produktbezogenen Vertragsinhalten und der Bestellbestätigung bis spätestens [...] möglich. Bei einer Verlängerung Ihrer Mitgliedschaft können Sie den Service von [Plattformname] weiterhin in vollem Umfang nutzen.“

[23] Zu anderen Zeiten finden sich im Profil keine Informationen zur Kündigungsfrist oder dazu, bis wann die Kündigung erklärt werden muss. Auch über einen fett hervorgehobenen Link „Bitte klicken Sie hier, um Informationen zur Kündigung Ihrer Premium-Mitgliedschaft zu erhalten“, erhielt der Kunde zwar jederzeit Hinweise dazu, wo er kündigen kann, jedoch keine Informationen zur Kündigungsfrist.

Rechtliche Beurteilung

B. Zu den Geschäftspraktiken

[24] 1. Kein Zeitpunkt für den Hinweis auf die Vertragsverlängerung in den AGB

[25] Der Kläger begehrt, der Beklagten im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern, die in Österreich ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, zu untersagen, im Fernabsatz Vertragsverlängerungen im Wege der Erklärungsfiktion vorzunehmen, wenn sie diese auf Regelungen in ihren AGB und/oder Vertragsformblättern stützt, die keine Frist für die Übermittlung des besonderen Hinweises iSd § 6 Abs 1 Z 2 KSchG durch die Beklagte vorsehen.

[26] Die Vorinstanzen verboten diese Geschäftspraktik als unzulässig. Um eine Erklärungsfiktion wirksam zu vereinbaren, müsse nach § 6 Abs 1 Z 2 KSchG schon der Vertrag eine Frist für die Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung des Verbrauchers vorsehen. Außerdem müsse sich der Unternehmer schon im Vertrag verpflichten, den Verbraucher zu Beginn dieser Frist auf die Bedeutung seines Verhaltens hinzuweisen. Eine solche Regelung fehle in den AGB beider Plattformen und in den produktbezogenen Vertragsinhalten der teureren Plattform. Die Bestellbestätigung enthalte zwar bei beiden Plattformen die Ankündigung, dass die Beklagte 98 Tage vor Ablauf der Mitgliedschaft den Verbraucher auf die automatische Verlängerung bei Unterbleiben einer Kündigung durch eine E‑Mail hinweisen werde. Die Bestellbestätigung komme dem Verbraucher aber erst nach Vertragsabschluss zu und sei kein Vertragsbestandteil.

[27] Die Beklagte hält dem nur entgegen, dass in der Bestellbestätigung eine Frist genannt werde, die in Zusammenschau mit den AGB und den produktbezogenen Vertragsinhalten dem Verbraucher ein klares Bild seiner Rechte und Pflichten vermittle.

[28] Die Revision ist in diesem Punkt nicht berechtigt.

[29] 1.1. Gemäß § 6 Abs 1 Z 2 KSchG sind für den Verbraucher Vertragsbestimmungen nicht verbindlich, nach denen ein bestimmtes Verhalten des Verbrauchers als Abgabe oder Nichtabgabe einer Erklärung gilt, es sei denn, der Verbraucher wird bei Beginn der hierfür vorgesehenen Frist auf die Bedeutung seines Verhaltens besonders hingewiesen und hat zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eine angemessene Frist.

[30] 1.2. Die Beklagte stellt in ihrer Revision die Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht in Frage, nach der schon im Vertrag mit dem Verbraucher auch der Zeitpunkt der Hinweispflicht geregelt sein müsse, damit eine Zustimmungsfiktion gültig sei. Stattdessen argumentiert sie, den Zeitpunkt ihres Hinweises ohnedies in der Bestellbestätigung festgelegt zu haben.

[31] Diese ist jedoch nicht Teil der vertraglichen Vereinbarung zwischen Verbraucher und Beklagter. Die Beklagte übermittelt die Bestellbestätigung dem Kunden nach den Feststellungen nämlich erst nach der Einigung über die zu erbringenden Leistungen und Gegenleistungen, über die vertraglichen Rechte und Pflichten. Sie mag etwa zur Dokumentation des Vertragsabschlusses oder als Zusammenfassung seines Inhalts dienen. Nicht möglich ist es dagegen, dass die Beklagte damit nachträglich einseitig weitere vertragliche Rechte oder Pflichten festlegt (vgl RS0014303).

[32] 2. Deutlichkeit des Hinweises auf die bevorstehende Vertragsverlängerung

[33] Der Kläger begehrt, der Beklagten im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern, die in Österreich ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, zu untersagen, im Fernabsatz Vertragsverlängerungen im Wege der Erklärungsfiktion vorzunehmen, wenn der Hinweis iSd § 6 Abs 1 Z 2 KSchG in der Form erteilt wird, dass die Beklagte ihren Kunden ein E-Mail mit dem Betreff „Information zu Ihrem aktuellen Profil: Hinweis auf Laufzeit und die automatische Vertragsverlängerung Ihrer Mitgliedschaft“ übermittelt, im Text des E‑Mails aber nicht klar und deutlich mitgeteilt wird, binnen welcher Frist eine ausdrückliche Erklärung abzugeben ist, um die Folgen der Erklärungsfiktion abzuwenden, insbesondere, indem die Beklagte ihren Kunden eine E‑Mail mit ua dem Text „Wir möchten Sie auf Informationen zur Laufzeit und die automatische Vertragsverlängerung Ihrer Mitgliedschaft hinweisen, sofern Sie diese nicht rechtzeitig kündigen. Alle Informationen dazu finden Sie in Ihrem persönlichen Profil. Klicken Sie einfach hier […]“ oder sinngleich übermittelt.

[34] Die Vorinstanzen untersagten auch diese Geschäftspraktik. Die versandten E‑Mails seien als Hinweis iSv § 6 Abs 1 Z 2 KSchG unzureichend. Zum einen werde die Vertragsverlängerung erst am Ende der überlangen Betreffzeile erwähnt und daher auf vielen Geräten gar nicht angezeigt. Zum anderen enthalte der Text der E-Mail selbst die zur Erfüllung der Warnfunktion erforderlichen Hinweise nicht. Stattdessen müsse der Verbraucher einem Link folgen und sich in sein Profil einloggen, um zu erkennen, dass und bis wann er aktiv tätig werden müsse, um eine Vertragsverlängerung um 12 Monate zu verhindern.

[35] Die Beklagte argumentiert, dass die derzeitige Gestaltung ihrer E‑Mails den Vorgaben des Obersten Gerichtshofs in der Entscheidung 4 Ob 80/17v genüge.

[36] Die Revision ist in diesem Punkt nicht berechtigt.

[37] 2.1. Mit Entscheidung 4 Ob 80/17v untersagte der Senat der Beklagten, Kunden, mit denen sie die Vertragsverlängerung mittels Erklärungsfiktion vereinbart habe, den besonderen Hinweis iSd § 6 Abs 1 Z 2 KSchG in der Form zu erteilen, dass sie ihnen eine E-Mail übermittle, ohne im Betreff und im Text eindeutig und unmissverständlich auf die mangels ausdrücklicher Kündigung binnen bestimmter Frist stattfindende automatische Vertragsverlängerung hinzuweisen.

[38] Daraus kann jedoch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass jede E-Mail, die in Betreff und Text die Wortfolge „automatische Vertragsverlängerung“ aufweist, ein ausreichender Hinweis iSd § 6 Abs 1 Z 2 KSchG ist.

[39] 2.2. Nach § 6 Abs 1 Z 2 KSchG ist auch eine Vertragsverlängerung infolge Nichtkündigung möglich, aber nur, wenn der Unternehmer den Verbraucher unmittelbar vor dem Beginn der Kündigungsfrist durch einen besonderen Hinweis auf den Beginn des Fristenlaufs und die vereinbarte Bedeutung seines Verhaltens aufmerksam macht. Der Hinweis muss geeignet sein, die Aufmerksamkeit des Verbrauchers zu wecken; er darf somit nicht in einer größeren Zahl von Einzelmitteilungen, die üblicherweise nicht allesamt aufmerksam gelesen werden, versteckt sein (Apathy/Frössel in Schwimann/Kodek, ABGB5 [2021] § 6 KSchG Rz 12).

[40] Nach der Judikatur zu § 6 Abs 1 Z 2 KSchG soll die Bestimmung nämlich gewährleisten, dass dem Verbraucher die Bedeutung seines Verhaltens (bzw seiner Untätigkeit) noch einmal vor Augen geführt wird. Ob dies durch eine bestimmte Mitteilungsform hinreichend deutlich geschieht, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen (RS0065536 [T2]).

[41] 2.3. Der Senat teilt im vorliegenden Fall die Bedenken der Vorinstanzen, dass Kunden den Hinweis am Ende der langen Betreffzeile oft nicht wahrnehmen und die E‑Mail nicht öffnen werden, weil die Betreffzeilen zahlreicher Mails der Beklagten mit der gleichen, wenig aussagekräftigen und langen Wortfolge beginnen.

[42] Außerdem lässt weder der Text der E‑Mail noch ein einfacher Klick auf den Link erkennen, bis wann der Verbraucher der Vertragsverlängerung widersprechen muss. Vielmehr muss der Verbraucher sich zur Erlangung dieser Information erst in sein Kundenkonto einloggen. Das kann vor allem für jene Verbraucher schwierig sein, die ihr Konto schon länger nicht benutzt haben und die Benutzerdaten nicht mehr parat haben. Gerade sie werden aber in der Regel kein Interesse an weiteren Dienstleistungen der Beklagten haben.

[43] Selbst wenn der Verbraucher diesen Schritt gemeistert hat, werden nicht sofort die nötigen Informationen präsentiert. Vielmehr beginnt der Text dort mit dem Einleitungssatz „Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass Ihr ursprünglicher Vertrag auslaufen wird“. Dieser weist nicht auf baldigen Handlungsbedarf hin, wenn der Verbraucher keine weiteren Dienstleistungen der Beklagten in Anspruch nehmen will, sondern suggeriert vielmehr das Gegenteil.

[44] Erst wenn der Verbraucher trotz dieses Eindrucks weiterliest, erkennt er, dass er (trotz eines angeblichen Auslaufen des Vertrags) kündigen muss, wenn der Vertrag tatsächlich enden soll. Im Profil findet er nun zwar ein Datum, bis zu dem er kündigen muss. Welche Formalitäten dabei einzuhalten sind, damit die Beklagte die Kündigung anerkennt, ist aber nur an anderer Stelle, nämlich in Punkt 5.2 der jeweiligen AGB nachzulesen: Eine wirksame Kündigung erfordert eine ausdrückliche Erklärung in Textform (wie zB Brief oder Fax).

[45] Zusätzlich (wenn auch nicht wirksam vereinbart) schreibt die Beklagte in ihrer Bestellbestätigung auch noch vor: „Für die Wirksamkeit der Kündigung ist es erforderlich, dass Sie sich innerhalb Ihres Kündigungsschreibens eindeutig authentifizieren und uns hierzu Ihre Chiffre nennen.“

[46] Insgesamt müssen die Kunden der Beklagten eine aufwändige Prozedur auf sich nehmen, um die notwendigen Informationen zusammenzutragen, bis wann sie in welcher Form welche Erklärung abgeben müssen, um eine automatische Verlängerung ihres angeblich auslaufenden Vertrags zu verhindern.

[47] Darin liegt jedenfalls kein deutlicher Hinweis auf eine Erklärungsfiktion iSd § 6 Abs 1 Z 2 KSchG und ihre Bedeutung.

3. Kein Musterwiderrufsformular nach FAGG

[48] Der Kläger begehrt, der Beklagten im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern, die in Österreich ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, zu untersagen im Fernabsatz Vertragsverlängerungen im Wege der Erklärungsfiktion vorzunehmen, ohne die Verbraucher unter Zurverfügungstellung des Musterwiderrufsformulars über ihr Rücktrittsrecht gemäß § 11 FAGG zu informieren und/oder ohne den Verbrauchern das Rücktrittsrecht gemäß § 11 FAGG zu gewährleisten.

[49] Die Vorinstanzen untersagten auch diese Geschäftspraktik als unzulässig. Nach den Gesetzesmaterialien sei auch bei Verlängerung eines Vertragsverhältnisses ein Rücktritt nach § 11 FAGG möglich. Die Überrumpelungsgefahr sei bei einer Vertragsverlängerung durch Erklärungsfiktion ebenso gegeben wie etwa bei einer telefonischen Verlängerung.

[50] Die Beklagte argumentiert, dass das FAGG nur beim erstmaligen Vertragsabschluss anwendbar sei.

[51] Die Revision ist in diesem Punkt berechtigt.

[52] 3.1. Gemäß § 11 Abs 1 FAGG kann der Verbraucher von einem Fernabsatzvertrag binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zurücktreten. Der Unternehmer muss den Verbraucher nach § 4 Abs 1 Z 8 FAGG in klarer und verständlicher Weise unter anderem über die Fristen und die Vorgangsweise für die Ausübung dieses Rücktrittsrechts informieren und dem Verbraucher dafür das Muster‑Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B zur Verfügung stellen.

[53] 3.2. Das FAGG dient der Umsetzung der EU‑Richtline 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ErläutRV 89 BlgNR 25. GP  1).

[54] Der dritte Senat ersuchte den EuGH mit Beschluss vom 20. Juli 2022, 3 Ob 191/23v, um Vorabentscheidung zur Frage: „Ist Art 9 Abs 1 der Richtlinie 2011/83/EU dahin auszulegen, dass dem Verbraucher bei 'automatischer Verlängerung' (Art 6 Abs 1 lit o der Richtlinie) eines Fernabsatzvertrags neuerlich ein Widerrufsrecht zukommt?“

[55] Der EuGH beantwortete diese Frage mit Urteil vom 5. Oktober 2022, C‑565/22 , wie folgt:

„Art 9 Abs 1 der Richtlinie 2011/83/EU ist dahin auszulegen, dass dem Verbraucher das Recht, einen Fernabsatzvertrag zu widerrufen, bei einem Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen, der für den Verbraucher anfangs einen kostenlosen Zeitraum vorsieht, dem sich – falls der Verbraucher den Vertrag in diesem Zeitraum nicht kündigt oder widerruft – ein kostenpflichtiger Zeitraum anschließt, der sich, wenn dieser Vertrag nicht gekündigt wird, automatisch um einen bestimmten Zeitraum verlängert, nur ein einziges Mal zukommt, sofern er beim Abschluss dieses Vertrags vom Unternehmer in klarer, verständlicher und ausdrücklicher Weise darüber informiert wird, dass die Erbringung dieser Dienstleistung nach dem anfänglich kostenlosen Zeitraum kostenpflichtig wird.“

[56] Dem Verbraucher steht daher entgegen der Ansicht des Klägers nicht grundsätzlich bei jeder Vertragsverlängerung neuerlich das Rücktrittsrecht nach § 11 Abs 1 FAGG zu.

[57] 3.3. Der Anlassfall des dritten Senats für das Vorabentscheidungsersuchen unterscheidet sich vom hier zu prüfenden Sachverhalt dadurch, dass dort die Erbringung einer Dienstleistung nach dem anfänglich kostenlosen Zeitraum erst durch die Verlängerung kostenpflichtig wurde.

[58] Der EuGH betonte in seiner Begründung deshalb die Pflicht des Unternehmers nach Art 6 Abs 1 lit e und Art 8 Abs 2 der Richtlinie 2011/83/EU , den Verbraucher ausdrücklich über den Gesamtpreis der betreffenden Dienstleistungen zu informieren (C‑565/22 Rz 44 und 49).

[59] Diese Bestimmung wurde in § 4 Abs 1 Z 4 FAGG umgesetzt, nach dem der Unternehmer über den Gesamtpreis der Ware oder Dienstleistung einschließlich aller Steuern und Abgaben zu informieren hat, wenn aber der Preis aufgrund der Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann, über die Art der Preisberechnung und gegebenenfalls über alle zusätzlichen Fracht-, Liefer-, Versand- oder sonstigen Kosten oder, wenn diese Kosten vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können, das allfällige Anfallen solcher zusätzlichen Kosten.

[60] 3.4. Nach den Feststellungen weist die Beklagte ihre Kunden unmittelbar vor Vertragsabschluss mit folgendem Text auf die Dauer und Kosten des Vertrags hin:

„Nutzen Sie ab sofort sämtliche Premium-Funktionen zum Preis von EUR [...]/Monat. Ihre gewählte Zahlungsweise ist einmalige Zahlung (Gesamtbetrag: EUR [...] über die gewählte Laufzeit von 6 Monaten). Damit Sie weiterhin von allen Vorteilen der Premium-Mitgliedschaft profitieren, verlängert sich diese nach Ablauf der Erstlaufzeit jeweils um 12 Monate zum Preis von EUR [...]/Monat bei gleichbleibender Zahlungsweise (Gesamtbetrag: EUR [...]). Selbstverständlich können Sie ihre Premium-Mitgliedschaft bis zu 12 Wochen vor Ablauf der Laufzeit kündigen.“

[61] Damit ist auch hier schon bei Abschluss des Vertrags für die erste kostenpflichtige Laufzeit klar, welche Kosten den Verbraucher während der Mindestlaufzeit und auch im Fall der Vertragsverlängerung treffen. Damit liegt auch hier nicht der vom EuGH angedachte Fall (C‑565/22 Rz 51) vor, wo das Fehlen anderer Informationen beim erstmaligen Vertragsabschluss (hier zu den Gesamtkosten im Fall einer Vertragsverlängerung) eine erneute Information des Verbrauchers über sein Rücktrittsrecht (Widerrufsrecht) im Zuge der Verlängerung erforderlich macht.

[62] 3.5. Die Entscheidung der Vorinstanzen war daher abzuändern, sodass das Unterlassungsbegehren 1.c abgewiesen wird.

C. Zu den Klauseln

1. Auslegungsgrundsätze im Verbandsprozess

[63] Für sämtliche Klauseln sind im Verbandsprozess folgende Grundsätze maßgeblich:

[64] 1.1. Die Geltungskontrolle nach § 864a ABGB bezieht sich auf nachteilige überraschende und ungewöhnliche Klauseln. Objektiv ungewöhnlich ist eine Klausel, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, mit der er also nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Der Klausel muss ein Überrumpelungseffekt innewohnen (RS0014646). Entscheidend ist, ob die Klausel beim jeweiligen Geschäftstyp unüblich ist oder ob sie den redlichen Verkehrsgewohnheiten entspricht (RS0105643 [T3]; RS0014627 [T3]). Dabei kommt es nicht allein auf den Inhalt der Klausel an. Diesem kommt vielmehr im Zusammenhang mit der Stellung im Gesamtgefüge des Vertragstextes Bedeutung zu, weil sich das Ungewöhnliche einer Vertragsbestimmung insbesondere aus der Art ihrer Einordnung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergibt (RS0014659 [T2]). Die Bestimmung darf im Text nicht derart versteckt sein, dass sie der Vertragspartner nicht dort vermutet, wo er sie findet, und dort nicht findet, wo er sie vermuten könnte (RS0105643 [T2]; RS0014646 [T14]). Erfasst sind alle dem Kunden nachteiligen Klauseln; eine grobe Benachteiligung nach § 879 Abs 3 ABGB wird nicht vorausgesetzt (RS0123234). Die Geltungskontrolle ist nicht allein auf Nebenabreden beschränkt, sondern umfasst auch Vertragsbestimmungen über die Begründung, Umgestaltung bzw Erweiterung der Hauptpflichten (RS0014603).

[65] 1.2. Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in AGB oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt. Das dadurch geschaffene bewegliche System berücksichtigt einerseits die objektive Äquivalenzstörung und andererseits die „verdünnte Willensfreiheit“ (RS0016914). Die Ausnahme von der Inhaltskontrolle ist dabei möglichst eng zu verstehen (RS0016908, RS0128209). Ein Abweichen vom dispositiven Recht wird unter Umständen schon dann eine „gröbliche“ Benachteiligung des Vertragspartners sein können, wenn sich für die Abweichung keine sachliche Rechtfertigung ergibt. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht, wenn also keine sachlich berechtigte Abweichung von der für den Durchschnittsfall getroffenen Norm des nachgiebigen Rechts vorliegt (RS0016914 [T3, T4, T6]). Die Beurteilung, ob eine Klausel den Vertragspartner gröblich benachteiligt, orientiert sich somit am dispositiven Recht, das als Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs für den Durchschnittsfall gilt (RS0014676 [T7, T13, T43]).

[66] 1.3. Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in AGB oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Das Transparenzgebot soll es dem Kunden ermöglichen, sich aus den AGB oder Vertragsbestandteilen zuverlässig über seine Rechte und Pflichten bei der Vertragsabwicklung zu informieren (RS0115217 [T41]). Das setzt die Verwendung von Begriffen voraus, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig sind oder von ihm jedenfalls festgestellt werden können. Das können naturgemäß auch Fachbegriffe sein, nicht aber Begriffe, die so unbestimmt sind, dass sich ihr Inhalt jeder eindeutigen Festlegung entzieht. Der durch ihre Verwendung geschaffene weite Beurteilungsspielraum schließt es aus, dass der Verbraucher Klarheit über seine Rechte und Pflichten gewinnen kann (RS0115217 [T3]). Das Transparenzgebot begnügt sich nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher „durchschaubar“ sind (RS0122169 [T2]). Mit dem Verbandsprozess soll nicht nur das Verbot von gesetzwidrigen Klauseln erreicht, sondern es sollen auch jene Klauseln beseitigt werden, die den Verbraucher – durch ein unzutreffendes oder auch nur unklares Bild seiner vertraglichen Position – von der Durchsetzung seiner Rechte abhalten können oder ihm unberechtigt Pflichten auferlegen. Daraus kann eine Pflicht zur Vollständigkeit folgen, wenn die Auswirkungen einer Klausel für den Kunden andernfalls unklar bleiben (RS0115219 [T1, T14, T21]; RS0115217 [T8]; RS0121951 [T4]).

[67] 1.4. Im Verbandsprozess nach § 28 KSchG hat die Auslegung der Klauseln im „kundenfeindlichsten“ Sinn zu erfolgen; es ist von der für die Kunden der Beklagten nachteiligsten Auslegungsvariante auszugehen. Auf eine etwaige teilweise Zulässigkeit der beanstandeten Klausel kann nicht Rücksicht genommen werden, weil eine geltungserhaltende Reduktion nicht möglich ist (RS0038205 [insbes T20]; 4 Ob 63/21z mwN).

[68] 2. Klauseln d, e und f: automatische Vertragsverlängerung um 12 Monate ohne Zeitpunkt der Hinweispflicht der Beklagten (aus den produktbezogenen Vertragsinhalten der teureren Plattform)

6 bzw 12 bzw 24 Monate Premium-Mitgliedschaft

[…]

Ihre Premium-Mitgliedschaft verlängert sich künftig automatisch jeweils um weitere zwölf Monate zum Preis von […] EUR pro Monat (insgesamt […] EUR), es sei denn, Sie kündigen ordentlich entsprechend der vorbenannten Kündigungsfrist zum Laufzeitende.“

 

[69] Die Vorinstanzengingen (unter anderem) von einem Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 2 KSchG aus, weil die Regelung nicht erkennen lasse, wann die Beklagte den Verbraucher auf die Bedeutung seines Schweigens hinweisen werde.

[70] Die Revision der Beklagtenargumentiert, dass der Beginn ihrer Hinweispflicht in der Bestellbestätigung festgelegt sei. Außerdem seien Klauseln d bis f zur Gänze in Spruchpunkt c enthalten und daher nicht doppelt zu untersagen.

[71] Die Revision ist zu Klauseln d, e und f nicht berechtigt.

[72] 2.1. Wie auch bei ihren Revisionsausführungen zur Geschäftspraktik stellt die Beklagte die Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht in Frage, nach der schon im Vertrag mit dem Verbraucher auch der Zeitpunkt der Hinweispflicht geregelt sein müsse, damit eine Zustimmungsfiktion gültig sei.

[73] 2.2. Dass die Beklagte den Inhalt von mit Verbrauchern geschlossenen Verträgen nicht nachträglich – etwa durch eine „Bestellbestätigung“ – einseitig ändern oder ergänzen kann, wurde bereits oben zu B.1.2. ausgeführt.

[74] 2.3. Der Kläger und die Vorinstanzen begründeten die Unzulässigkeit der Klauseln d, e und f aus den produktbezogenen Vertragsinhalten der teureren Plattform gerade damit, dass – anders als bei Klausel c aus den produktbezogenen Vertragsinhalten der günstigeren Plattform – kein Zeitpunkt für den Hinweis der Beklagten auf die Erklärungsfiktion festgelegt sei. Es liegen daher sehr wohl unterschiedliche Klauseln vor, deren Zulässigkeit auch jeweils separat zu prüfen war.

[75] 3. Klausel a: automatische Vertragsverlängerung um 12 Monate mit festgelegtem Beginn der Hinweispflicht der Beklagten bei 6 Monate Premium‑Mitgliedschaft (aus dem produktbezogenen Vertragsinhalt der 6 Monate Premium‑Mitgliedschaft auf der günstigeren Plattform)

6 Monate Premium-Mitgliedschaft [auf der günstigeren Plattform]

[…]

Ihre Premium-Mitgliedschaft verlängert sich künftig automatisch jeweils um weitere zwölf Monate zum Preis von […] EUR pro Monat (insgesamt […] EUR), es sei denn, Sie kündigen ordentlich entsprechend der vorbenannten Kündigungsfrist zum Laufzeitende.

[…]

[Name der günstigeren Plattform] weist den Kunden 98 Kalendertage vor Ablauf des kostenpflichtigen Dienstes per E-Mail auf die automatische Verlängerung im Falle des Unterbleibens einer Kündigung durch den Kunden hin.“

 

[76] Das Erstgerichtverbot die Klausel wegen Verstößen gegen § 864a ABGB (Inhaltskontrolle) und § 6 Abs 3 KSchG (Transparenzgebot), weil sich der Vertrag laut den AGB „automatisch um die jeweils vertraglich vereinbarte Laufzeit [verlängert], sofern der Kunde seinen Vertrag nicht gemäß Ziffer 5.2 ordentlich kündigt“. Der Verbraucher müsse nicht damit rechnen, dass die Beklagte in den produktbezogenen Vertragsinhalten davon abweichend eine Verlängerung um 12 statt um 6 Monate vorsehe.

[77] DasBerufungsgericht teilte diese Ansicht nicht, weil es keine Rangordnung zwischen AGB und produktbezogenen Vertragsinhalten gebe. Es meinte aber, dass die Vertragsverlängerung um 12 Monate bei Erstbindung von sechs Monaten gegen § 6 Abs 1 Z 1 KSchG verstoße, weil nicht nachvollzogen werden könne, wieso eine Vertragsverlängerung um die doppelte Zeit erforderlich sei.

[78] Die Revision der Beklagten argumentiert, dass ein berechtigtes Interesse des Klauselverwenders nicht Voraussetzung für die Gültigkeit einer Erklärungsfiktion iSd § 6 Abs 1 Z 2 KSchG sei.

[79] Die Revision ist zu Klausel a nicht berechtigt.

[80] 3.1. Der Senat teilt die Ansicht des Erstgerichts, dass die Verlängerung des Vertrags um 12 Monate wegen Verstoßes gegen § 864a ABGB nicht zum Vertragsinhalt wird.

[81] Wie der Name sagt, kann der Kunde in den AGB der Beklagten Regelungen erwarten, die für jede Art der Vertragsbeziehung gelten. Dagegen darf er in den als „produktbezogene Vertragsinhalte“ bezeichneten Bedingungen Ergänzungen vermuten, die nur für die Mitgliedschaft auf der jeweiligen Plattform mit einer bestimmten Laufzeit gelten.

[82] Findet sich in den AGB eine anscheinend abschließende Regelung zur Vertragsdauer im Fall der Verlängerung, hat der Kunde keinen Anlass, in den produktbezogenen Vertragsinhalten nach einer Präzisierung Ausschau zu halten. Schon gar nicht muss er mit abweichenden oder damit unvereinbaren Regelungen rechnen.

[83] 3.2. Der Passus in den AGB der Beklagten, der eine automatische Vertragsverlängerung „um die jeweils vertraglich vereinbarte Laufzeit“ vorsieht, ist zwanglos als die von ihm gewählte 6‑monatige Laufzeit seiner Premium-Mitgliedschaft zu verstehen. Die AGB sehen nämlich keine Vertragsverlängerung um eine „an anderer Stelle bestimmte Laufzeit“ oder um eine „Laufzeit gemäß den jeweiligen produktbezogenen Vertragsinhalten“ vor.

[84] Die Regelung in den produktbezogenen Vertragsinhalten, dass sich der Vertrag um 12 Monate verlängere, ist daher überraschend. Bei einer nur 6‑monatigen Premium-Mitgliedschaft ist sie für den Kunden auch nachteilig.

4. Klausel b: Kündigungsfrist bei 24‑monatiger Erstbindung (aus den produktbezogenen Vertragsinhalten bei beiden Plattformen)

24 Monate Premium‑Mitgliedschaft

[…]

Kündigungsfrist Die Premium-Mitgliedschaft ist ordentlich kündbar, und zwar spätestens zwölf Wochen vor Laufzeitende.“

 

[85] Die Vorinstanzenuntersagten die Klausel wegen Verstößen gegen § 6 Abs 1 Z 1 KSchG und § 15 KSchG. Bei den Leistungen der Beklagten würden werkvertragliche Elemente überwiegen. Sie schulde zwar keinen Ermittlungserfolg, sage aber laufend aktualisierte Partnervorschläge und eine bestimmte Verfügbarkeit ihrer Plattformen zu. Klausel b erwecke den Eindruck einer abschließenden Regelung des Kündigungsrechts. Der Verbraucher gewinne so den Eindruck, dass kein Kündigungsrecht nach § 15 KSchG bestehe, selbst wenn der Kunde sich für monatliche Zahlungen entschieden habe. Die 24‑monatige Bindung sei darüber hinaus unangemessen lange iSd § 6 Abs 1 Z 1 KSchG.

[86] Die Revision der Beklagten argumentiert, dass § 15 KSchG mangels Werkvertragscharakter gar nicht anwendbar sei. Ihre Hauptleistung liege gemäß 4 Ob 179/18d [Pkt 3] in der Ermöglichung des Zugriffs auf die Mitgliederdatenbank, sie sage insbesondere keine bestimmte Anzahl an Partnervorschlägen zu. Auch die Bindungsfrist von 24 Monaten sei nicht übermäßig lang. Kunden würden für die Wahl dieser Laufzeit mit einem erheblichen Preisvorteil belohnt, sodass ihr Vertragsmodell mit Mobilfunkverträgen mit preisgestützten Geräten vergleichbar sei.

[87] Die Revision zu Klausel b ist nicht berechtigt.

[88] 4.1. Verträge, durch die sich der Unternehmer zu wiederholten Werkleistungen und der Verbraucher zu wiederholten Geldzahlungen verpflichten, und die für eine unbestimmte oder eine ein Jahr übersteigende Zeit geschlossen worden sind, kann der Verbraucher gemäß § 15 Abs 1 KSchG unter Einhaltung einer 2‑monatigen Frist zum Ablauf des ersten Jahres, nachher zum Ablauf jeweils eines halben Jahres kündigen.

[89] Die Rechtsprechung lehnt eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf andere Dauerschuldverhältnisse ab, weil für diese Verträge mit § 6 Abs 1 Z 1 KSchG ohnehin eine Schutzbestimmung gegen unangemessen lange vertragliche Bindungsfristen unter angemessener Berücksichtigung der Interessen der Parteien eines Verbrauchervertrags zur Verfügung stehe (RS0129373).

[90] Sehr wohl wird die Bestimmung aber auf Mischverträge angewendet, wenn die werkvertraglichen oder kaufvertraglichen Elemente nicht bloß eine untergeordnete Rolle spielen (RS0115412).

[91] 4.2. Der Oberste Gerichtshof hat § 15 Abs 1 KSchG wiederholt auf Partnervermittlungsverträge angewendet, bei denen trotz des aleatorischen Charakters werkvertragliche Elemente überwogen (vgl RS0021700). In diesen Fällen hatten sich die Unternehmer verpflichtet, auf die erfolgreiche Partnervermittlung abgestellte Leistungen zu erbringen – wie zur Erstattung von mindestens sechs Partnervorschlägen innerhalb von 12 Monaten, die dem Anforderungsprofil des Kunden im „diskreten Fragebogen“ entsprechen (3 Ob 1/16t [Pkt 2]); zur Betreibung einer intensiven Werbung, Aufgabe von Inseraten im Namen des Auftraggebers, Öffnung, Vorsortierung und fallweise Beantwortung eingehender Briefe (9 Ob 85/17s [Pkt 1]); oder zur Betreuung des Verbraucher „bis zum Erfolg“, wobei diese Verpflichtung gleichzeitig auf die Zusendung eines Partnervorschlags „während der Laufzeit mindestens einmal monatlich“ beschränkt wurde (7 Ob 217/16m [Klausel 2]).

[92] Geschuldete Hauptleistung war in all diesen Fällen daher nicht die bloße Bemühung um Vermittlung, sondern die Verpflichtung des Unternehmers, dem Anforderungsprofil entsprechende konkrete Partnervorschläge in bestimmter Zahl innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu erstatten (3 Ob 1/16t [Pkt 2]; aA Krammer, Rechtsfragen der gewerblichen Partnervermittlung, iFamZ 2010, 331).

[93] 4.3. Im vorliegenden Fall sagte die Beklagte zahlenden Premium-Mitgliedern ihren Suchkriterien entsprechende, laufend aktualisierte Partnervorschläge online sowie per E-Mail zu. Diese Vorschlagsliste werde unter Berücksichtigung zwischenzeitlich neu hinzugekommener Kunden laufend aktualisiert. Die Beklagte werde in diesem Zuge Kontaktaufnahmen zwischen den Kunden bei gegenseitigem Einverständnis in uneingeschränkter Form ermöglichen, wobei die Beklagte den Kontakt zu mindestens fünf Mitgliedern während der erstmaligen Laufzeit der Mitgliedschaft garantierte. Zusätzlich werde die Beklagte für ihre Kunden ein umfassendes Porträt ihrer Partnerschafts-Persönlichkeit erstellen. Ihr Service sei durchgehend 24 Stunden, 7 Tage die Woche einsatzfähig mit einer Verfügbarkeit von 99,5 % im Jahresmittel.

Damit überwiegen auch beim Geschäftsmodell der Beklagten die werkvertraglichen Elemente. Zwar sind die Partnervorschläge nicht durch eine konkrete Zahl quantifiziert, wegen des Attributs „laufend“ handelt es sich aber ganz eindeutig um wiederholte Leistungen. Darüber hinaus sagt die Beklagte sogar einen bestimmten Erfolg, nämlich fünf Kontakte mit anderen Partnersuchenden, zu.

[94] 4.4. Auf die grundsätzliche Zulässigkeit einer 24‑monatigen Bindung nach § 6 Abs 1 Z 1 KSchG ist daher nicht mehr einzugehen.

[95] 5. Klausel c: automatische Vertragsverlängerung der 24 Monate Premium-Mitgliedschaft mit Beginn der Hinweispflicht (aus den produktbezogenen Vertragsinhalten der günstigeren Plattform)

24 Monate Premium-Mitgliedschaft

[…]

Ihre Premium-Mitgliedschaft verlängert sich künftig automatisch jeweils um weitere zwölf Monate zum Preis von […] EUR pro Monat (insgesamt […] EUR), es sei denn, Sie kündigen ordentlich entsprechend der vorbenannten Kündigungsfrist zum Laufzeitende.

[…]

[Name der günstigeren Plattform] weist den Kunden 98 Kalendertage vor Ablauf des kostenpflichtigen Dienstes per E-Mail auf die automatische Verlängerung im Falle des Unterbleibens einer Kündigung durch den Kunden hin.“

 

[96] Das Erstgericht untersagte auch diese Klausel, obwohl die Beklagte für die billigere Plattform (anders als bei Klausel f) den Beginn ihrer Hinweispflicht festlegt. Nach Ablauf einer Mindestvertragslaufzeit sei eine nur jährliche Kündigungsmöglichkeit unzureichend und verstoße gegen § 864a ABGB, § 879 Abs 3 ABGB, § 6 Abs 1 Z 1 und Z 2 KSchG sowie § 6 Abs 3 KSchG. Außerdem widersprächen einander die Bestimmungen in den AGB (Verlängerung um die „vertraglich vereinbarte Laufzeit“) und in den produktbezogenen Vertragsinhalten (Verlängerung um „jeweils um weitere 12 Monate“), sodass die Regelungen zur Vertragsverlängerung auch aus diesem Grund intransparent seien. Schließlich sei die Klausel intransparent, weil ein Hinweis auf die Rücktrittsmöglichkeit gemäß § 15 KSchG fehle.

[97] Auch das Berufungsgericht bejahte die Verstöße gegen § 6 Abs 3, § 15 KSchG. Eine Verlängerung um 12 Monate sei außerdem ohne besondere Rechtfertigung unzulässig.

[98] Die Revision der Beklagten betont, dass sie in dieser Klausel den Beginn ihrer Hinweispflicht festlege. Sie verweist außerdem auf ihre an anderer Stelle getätigten Ausführungen, nach denen § 15 KSchG nicht anwendbar sei.

[99] Die Revision ist zu Klausel c nicht berechtigt.

[100] 5.1. Wie zu Klausel b ausführlich dargelegt, ist auf die von der Beklagten mit ihren Kunden geschlossenen Verträge § 15 KSchG sehr wohl anwendbar. Wenn sich der Verbraucher zu wiederholten Geldzahlungen verpflichtet, kann er deshalb nach dem klaren Gesetzestext des Abs 1 unter Einhaltung einer 2‑monatigen Frist zum Ablauf des ersten Jahres, nachher zum Ablauf jeweils eines halben Jahres kündigen.

[101] 5.2. Der Oberste Gerichtshof hat eine vergleichbare Klausel in einem Partnervermittlungsvertrag bereits als intransparent und damit nach § 6 Abs 3 KSchG als unwirksam qualifiziert, weil sie dem Durchschnittskunden suggeriert, dass ihm ganz unabhängig von der gewählten Zahlungsart nie ein Kündigungsrecht nach § 15 Abs 1 KSchG zusteht (7 Ob 217/16m [Klausel 2]).

[102] Dies gilt auch für Klausel c, die unabhängig von der vom Verbraucher gewählten Zahlungsart ausschließlich eine jährliche Kündigungsmöglichkeit vorsieht statt einer nur halbjährigen nach § 15 Abs 1 KSchG.

[103] 6. Klauseln g und h: Verweis in AGB auf Kündigungsfrist lt produktbezogenen Vertragsinhalten (Pkt 5.2 und 5.3 aus den jeweiligen AGB beider Plattformen)

„5.2. Die Frist für die ordentliche Kündigung der kostenpflichtigen Mitgliedschaft (sogenannte Premium-Mitgliedschaft) ergibt sich aus den produktbezogenen Vertragsinhalten, die im Rahmen des Bestellvorganges vom Kunden bestätigt werden. […]

5.3. Der Vertrag über die kostenpflichtige Mitgliedschaft (Premium-Mitgliedschaft) verlängert sich automatisch um die jeweils vertraglich vereinbarte Laufzeit, sofern der Kunde seinen Vertrag nicht gem. Ziffer 5.2 ordentlich kündigt. Beim erstmaligen Kauf einer Premium‑Mitgliedschaft wird der Kunde mit Erhalt der Bestellbestätigung über die jeweilige Laufzeit, das Datum des Vertragsendes und die Dauer der Verlängerung bei nicht rechtzeitiger Kündigung informiert. [Name der günstigeren Plattform] weist den Kunden vor Ablauf des kostenpflichtigen Dienstes per E-Mail auf die automatische Verlängerung im Falle des Unterbleibens einer Kündigung durch den Kunden hin. Näheres ist den produktbezogenen Vertragsinhalten zu entnehmen.“ (Klausel g = Pkt 5.2 und 5.3 der AGB der günstigeren Plattform)

 

„Innerhalb unserer produktbezogenen Vertragsinhalte, die Sie während des Bestellvorgangs bestätigen, findet sich die ordentliche Kündigungsfrist für die entgeltpflichtige Mitgliedschaft. […] Erfolgt durch den Kunden keine Kündigung gem. Ziffer 5.2, verlängert sich der Vertrag über die entgeltpflichtige Mitgliedschaft automatisch nach Maßgabe der produktbezogenen Vertragsinhalte, welche Sie während des Bestellvorgangs akzeptiert haben. Innerhalb unserer Bestellbestätigung informieren wir Sie im Übrigen auch über die Dauer einer möglichen Verlängerung bei nicht fristgerechter Kündigung. Wir weisen Sie vor Ablauf des kostenpflichtigen Dienstes per E-Mail auf die automatische Verlängerung im Falle des Unterbleibens einer Kündigung hin. Näheres entnehmen Sie bitte den produktbezogenen Vertragsinhalten.“ (Klausel h = Pkt 5.2 und 5.3 der AGB der teureren Plattform)

 

[104] Die Vorinstanzen (BerU Pkt 2.5) untersagten die Klauseln g und h. Bei Verträgen der günstigeren Plattform mit vereinbarten Laufzeiten von 6 bzw 24 Monaten widerspreche die Verlängerung „um die jeweils vertraglich vereinbarte Laufzeit“ laut AGB den produktbezogenen Vertragsinhalten, die in Widerspruch dazu eine Verlängerung um 12 Monate vorsehen. Dieser Widerspruch führe zur Unwirksamkeit der Klausel nach § 864a ABGB. Für die AGB beider Plattformen und alle Laufzeiten gelte, dass es keinen sachlichen Grund gebe, für die Kündigungsfrist auf andere Unterlagen zu verweisen, statt sie einfach gleich in den AGB zu nennen. Die Klauseln würden außerdem auf die unwirksamen produktbezogenen Vertragsinhalte verweisen, sodass eine Regelung für die Widerspruchsfrist nun völlig fehle. Die Klauseln seien daher auch wegen Verstößen gegen § 879 Abs 3 ABGB, § 6 Abs 1 Z 2 und § 6 Abs 3 KSchG nichtig.

[105] Die Revision der Beklagten argumentiert, dass alle ihre Klauseln zulässig seien, sodass auch kein Verweis auf unzulässige Bestimmungen erfolge.

[106] Die Revision zu Klauseln g und h ist nicht berechtigt.

[107] 6.1. Wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, hat ein Verweis auf unzulässige Bestimmungen im Klauselwerk zwingend die Unzulässigkeit der verweisenden Bestimmung selbst zur Folge (RS0122040 [T31]).

[108] 6.2. Daher sind auch im vorliegenden Fall die Bestimmungen der AGB nichtig, weil sie für die Kündigungsfristen auf die zumindest für einige Vertragstypen unwirksamen produktbezogenen Vertragsinhalte verweisen.

D. Veröffentlichungsbegehren

[109] Zum Veröffentlichungsbegehren wiederholt die Beklagte nur ihre Argumente, dass ihre Klauseln zulässig und einige im Spruch zum Teil wörtlich übereinstimmend seien.

[110] Auf beide Punkte wurde bereits oben im Rahmen der Klauselprüfung eingegangen.

E. Kostenentscheidung

[111] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 43 Abs 2, 50 ZPO.

[112] Der Kläger begehrt, der Beklagten drei Geschäftspraktiken und die Verwendung von 8 Klauseln zu untersagen, sowie Urteilsveröffentlichung. Er bewertete die Unterlassungsbegehren mit insgesamt 30.500 EUR. Setzt sich ein Unterlassungsbegehren ohne Gewichtung aus mehreren verschiedenen Unterlassungsansprüchen zusammen, ist anzunehmen, dass jeder Unterlassungsanspruch einem gleichen Anteil des Streitwerts entspricht (Obermaier, Kostenhandbuch3 [2018] Rz 1.141).

[113] Mit der Revision erreicht die Beklagte somit eine Klagsabweisung von einem Elftel. Dies gilt als geringfügiges Obsiegen iSd § 43 Abs 2 ZPO, sodass dem Kläger voller Kostenersatz auf der Basis der korrigierten Bemessungsgrundlage von 32.727,27 EUR zusteht.

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