OGH 7Ob33/24i

OGH7Ob33/24i22.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI M* gmbh, *,vertreten durch die Bechtold und Wichtel Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, gegen die beklagte Partei U* AG, *, vertreten durch die Musey rechtsanwalt gmbH in Salzburg, wegen 80.000 EUR und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 10. Jänner 2024, GZ 4 R 178/23t‑84, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 23. August 2023, GZ 4 Cg 47/21s‑75, bestätigt wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00033.24I.0522.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

I. Die Urteile der Vorinstanzen werden hinsichtlich der Abweisung des Feststellungsbegehrens als Teilurteil bestätigt.

Die Entscheidung über die auf dieses Teilbegehren entfallenden Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

II. Im Übrigen (hinsichtlich des Zahlungsbegehrens von 80.000 EUR sA) wird das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird insoweit eine neuerliche Entscheidung über das Rechtsmittel der klagenden Partei aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind insoweit weitere Verfahrenskosten.

EntscheidungsgründeundBegründung:

 

[1] Die Klägerin beabsichtigte die Errichtung einer Wohnanlage. Auf dem Untergeschoss, in dem die Tiefgarage und mehrere Kellerräume geplant waren, sollten zwei voneinander getrennte Häuser (Haus A und B) gebaut werden. Technisch gesehen sollte ein einheitliches, über das Untergeschoss starr verbundenes Bauwerk entstehen, für das ein gemeinsamer Fernwärme- und Hausanschluss vorgesehen war. Dem Projekt lagen eine einheitliche architektonische und statische Planung sowie ein einheitlicher Baubescheid zugrunde.

[2] Vor Beginn der Bauarbeiten schloss die Klägerin mit der Beklagten einen Bau- und Haftpflichtversicherungsvertrag ab, dem unter anderem die Allgemeinen Bedingungen für die Bauwesenversicherung zur Abdeckung des Bauherren-, Bauunternehmer- und Bauhandwerkerrisikos (H 916 ‑ BW 1/75; im Folgenden: BW 1/75) und ein Beiblatt zur Polizze (im Folgenden: Beiblatt) zu Grunde lagen. Das Beiblatt enthält Regelungen zu den Grundlagen der Versicherung, zur Aufteilung der Versicherungssumme und mehrere besondere Vereinbarungen.

[3] In dem von einem Versicherungsmakler verfassten – von der Beklagten angenommenen und mit gleichlautendem Inhalt polizzierten – Versicherungsantrag wurde das versicherte Objekt wie folgt beschrieben: „2 getrennte Wohnanlagen mit gemeinsamer Tiefgarage […].“

[4] Unter der Überschrift „Zusatzdeckungen“ enthielt der Versicherungsantrag folgenden Passus:

„Zusatzdeckung Versicherte Gefahren (Planung während der 36monatigen Nachdeckungsfrist), weiters Witterungsniederschläge mit einem Selbstbehalt je Versicherungsfall in Höhe von 14.500,00 €, Schadenverhütungskosten und Mehrkosten durch die Änderung der Bauweise [...].“

[5] Die BW 1/75 lauten auszugsweise:

Artikel 1 – Art und Gegenstand der Versicherung

Die Bauwesenversicherung ist eine Sachversicherung. Sie bezieht sich auf das in der Polizze näher bezeichnete Bauvorhaben.

Artikel 2 – Versicherte Sachen

Im Zusammenhang mit der Durchführung dieses Bauvorhabens sind

1. folgende Sachen versichert, sofern sich aus Pkt. 2 und Art. 3 nichts anderes ergibt:

Die gesamten Bauleistungen und Arbeiten der Bauunternehmer einschließlich aller notwendigen Konstruktionsteile, Materialien und Stoffe. […]

Artikel 4 – Versicherte Gefahren und Schäden

1. Versicherungsschutz besteht – sofern sich aus Pkt. 2 und Art. 5 nichts anderes ergibt – für

a) Schäden an versicherten Sachen (Total- Teilschaden), [...]

jedoch nur insoweit als die Schäden gem. lit. a) […] für den Versicherungsnehmer (Versicherten) unvorhersehbar sind. [...]

Artikel 6 – Versicherte Interessen

Versicherung für fremde Rechnung; Rückgriffsrechte

1. Versichert im Rahmen dieser Versicherung sind ausschließlich

a) der Bauherr sowie

b) sämtliche am versicherten Bauvorhaben beteiligte Bauunternehmer [...]

soweit alle diese Personen auf Grund bestehender Kauf- oder Werkverträge im Umfang der ÖNORM B 2110, Ziff. 12 die gem. Art. 4 versicherten Gefahren und Schäden zu tragen haben oder trotz Regelung der genannten Gefahrenteilung letztlich wirtschaftlich tatsächlich tragen müssen und somit an den versicherten Sachen ein Interesse haben. [...]

Artikel 12 – Obliegenheiten des Versicherungsnehmers

[...]

B. Obliegenheiten bei Eintritt des Versicherungsfalles:

1. Der Versicherungsnehmer (Versicherte) hat: […]

f) einem Beauftragten des Versicherers jederzeit die Prüfung von Ursache, Zeitpunkt, Verlauf, Kausalität, Höhe und Art des Schadens zu gestatten und ihm auf Verlangen alle für die Feststellung der Versicherungsleistung erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Einsichtnahmen zu gewähren sowie Unterlagen zur Verfügung zu stellen; [...]

2. Verletzt der Versicherungsnehmer (Versicherte) eine der in Pkt. 1 angeführten Obliegenheiten, so ist der Versicherer nach Maßgabe der Bestimmungen des § 6, Abs. 3 bzw. § 62, Abs. 2 VersVG von der Verpflichtung zur Leistung frei.

Artikel 13 – Begriffsbestimmung: Versicherungsfall; Sachschaden; Mangel

A. Der Versicherungsfall:

1. Als Versicherungsfall gilt der während der Dauer des Versicherungsschutzes am Versicherungsort eingetretene, für den Versicherungsnehmer (Versicherten) unvorhersehbare gem. Art. 4 versicherte

a) Sachschaden an einer gem. Art. 2 versicherten Sache [...]

2. Der Versicherungsfall tritt ein

a) bei einem Sachschaden in dem Zeitpunkt, in dem erstmals der technische Zustand der versicherten Sache eine solche Veränderung erfährt, die bereits als Sachschaden anzusehen ist. Den Zeitpunkt des Versicherungsfalles hat der Versicherungsnehmer (Versicherte) glaubhaft zu beweisen; [...]

B. Der Sachschaden:

1. Ein Sachschaden im Sinne dieser Bedingung ist gegeben, wenn die versicherte Sache vernichtet oder beschädigt ist.

2. Nicht als Sachschaden gelten insbesondere ein

a) Mangel an einer versicherten Sache; [...]

C. Der Mangel:

1. Ist eine versicherte Sache

a) infolge mangelhafter oder vertragswidriger Konzeption, Planung, Erzeugung, Herstellung, Bearbeitung, Reparatur, Lieferung – auch Fehllieferung – oder Leistung [...]

von vornherein nicht ordnungsgemäß erbracht, so ist dies nicht als ein versicherter unvorhersehbarer Sachschaden anzusehen.

2. Führt ein solcher Mangel zu einem unvorhergesehenen Schaden an einer versicherten Sache, so ist der hierdurch entstandene Schaden im Rahmen dieser Bedingungen vom Versicherer nur unter Abzug derjenigen Aufwendungen zu ersetzen, die für die Behebung des Mangels selbst erforderlich wären. […]

Artikel 14 – Umfang der Versicherungsleistung

[...]

G. Rettungskosten und Aufräumkosten:

Der Versicherer leistet im Rahmen der für jede einzelne Post zur Verfügung stehenden Versicherungssumme unter Bedachtnahme auf die Begrenzung gem. Abschnitt A. auch Ersatz für

[...]

2. Aufräumungskosten:

Aufräumungskosten sind die notwendigen nachgewiesenen Selbstkosten – ohne Gewinn – des Versicherungsnehmers (Versicherten), die infolge eines dem Grunde nach ersatzpflichtigen Versicherungsfalles aufgewendet werden müssen, um den Schaden aufzuräumen einschließlich der damit verbundenen eventuell notwendigen

a) Abbrucharbeiten an versicherten Sachen sowie

b) Transportarbeiten.“

[6] Das in der Versicherungspolizze genannte Beiblatt enthält unter anderem folgende Regelungen:

I. BAUWESENVERSICHERUNG (exklusiv)

1. Grundlagen der Versicherung

1.1. Allgemeine Bedingungen für die Bauwesenversicherung zur Abdeckung des Bauherren-, Bauunternehmer- und Bauhandwerkerrisikos (BW 1/75) [...]

2. Aufteilung der Versicherungssumme [...]

3. Besondere Vereinbarungen [...]

3.6 In teilweiser Abänderung des Art 13, Pkt. C2 der BW 1/75 gilt vereinbart: 'Tritt ein Sachschaden an einer mangelhaft erstellten Sache ein, so leistet der Versicherer Entschädigung unter Abzug der Kosten, die zur Herstellung der ordnungsgemäßen Leistung zusätzlich aufgewendet werden müssen, damit der Mangel nicht erneut entsteht. Dies gilt jedoch nicht für vereinbarte Extended Maintenance.' [...]

3.20 In Abweichung des Artikel 13 der BW 1/75 gilt vereinbart, dass Sachschäden durch Planungsfehler während der Bauzeit und auch während der Extended Maintenance‑Periode mitversichert sind. [...]

3.23 In Abweichung des Artikel 13 der BW 1/75 gilt vereinbart, dass Sachschäden durch Planungsfehler mitversichert sind. […]

3.35 Unvorhersehbarkeit:

zu Art 4.1b) der BW 1/75 sowie generell zum Thema Unvorhersehbarkeit von Sachschäden gilt folgende Klarstellung vereinbart: Unvorhergesehen sind Schäden, die der Versicherungsnehmer weder rechtzeitig vorhersehen konnte, noch mit dem für die im Betrieb ausgeübte Tätigkeit erforderlichen Fachwissen vorhersehen musste.

Bei Aktiengesellschafter, Genossenschaften und Vereinen sind die Vorstandsmitglieder, bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung die Geschäftsführer, bei offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften die persönlich haftenden Gesellschafter und bei Arbeitsgemeinschaften die vorstehend angeführten Personen der Partnerfirmen dem Versicherungsnehmer gleichzuhalten.

[...]

3.49 Schäden an zusammengehörigen Sachen und Funktionseinheiten:

Wird durch einen versicherten Schadenfall ein Teil bzw. eine Sache von mehreren zu einer Funktionseinheit gehörenden versicherten Sachen beschädigt, zerstört oder gerät in Verlust und ist diese Sache nicht mehr in der gleichen, zur restlichen Funktionseinheit kompatiblen Art bzw. Form wiederbeschaffbar, ersetzt der Versicherer jene Kosten, die erforderlich sind, um wieder einen funktionierenden, betriebsfähigen Zustand der gesamten Funktionseinheit herzustellen. Dies bedeutet, dass neben den vom Sachschaden betroffenen Sachen auch Sachen zu ersetzen sind, die zwar nicht direkt beschädigt sind, aber durch den Ersatz der vom Sachschaden betroffenen Komponenten nicht mehr brauchbar und somit wertlos geworden sind. [...]

3.53 Versicherte Gefahren (Planung):

Mitversichert sind Schäden gemäß den Grundlagen dieses Vertrages aus der Planung, statischen Berechnung, Bodenuntersuchungen und Bauleitungen sowohl während der Bauzeit als auch während der Extended Maintenance Periode. Wegen Beschädigung oder Zerstörung an den versicherten Bauleistungen, welches das vom Bauherrn beauftragte Projektmanagement verschuldet hat oder die beauftragten Architekten, Ingenieure und Sonderfachleute verschuldet haben, wird bei diesem bzw. diesen kein Regress genommen, soweit die Haftpflichtversicherungen dieses Personenkreises nur deshalb für die Schäden nicht in voller Höhe einzutreten haben, weil die Versicherungssummen nicht ausreichen und soweit deren Leistungen in der Versicherungssumme enthalten sind. [...]“

[7] Im Sommer 2019 wurden im Haus B Risse in der Bausubstanz erkennbar, die durch kontinuierlich zunehmende, bis zu 28 cm große Deckenverformungen verursacht wurden.

[8] Die Klägerin beauftragte daraufhin eine Privatgutachterin, die – in erster Linie im Haus B, zum Teil aber auch im Haus A und im Untergeschoss – die Platzierung von 150 Schalungsstehern anordnete.

[9] Mit Bescheid vom Oktober 2019 verfügte die Baubehörde einen Baustopp. Gleichzeitig trug sie der Klägerin die Vorlage eines Sanierungskonzepts und die Belassung der zwischenzeitlich aufgestellten Steher auf.

Nachdem die Klägerin eine Schadenmeldung erstattet und gleichzeitig Ansprüche aus der Bauwesenversicherung angemeldet hatte, beauftragte die Beklagte ein Sachverständigenbüro. Im Schadenbericht vom Dezember 2019, in dem das Bauvorhaben in drei Bereiche unterteilt wurde, wurden zwar für das Haus B, nicht aber für das Haus A und das Untergeschoss sichtbare Schäden festgestellt. Auf Basis des Gutachtens und mit der Begründung, es lägen keine sichtbaren Sachschäden vor, lehnte die Beklagte hinsichtlich des Hauses A sowie des Untergeschosses eine Leistung aus der Bauwesenversicherung ab.

[10] Am Haus A waren (damals) Risse zu sehen, ebenso an der Tiefgaragendecke. Auch bei Haus A gab es Verformungen, nämlich an der obersten bereits errichteten Betondecke und bei einem Balkon. Diese Verformungen waren nicht so markant wie bei Haus B, zumal in Haus A erst zwei von vier Geschosse ausgeführt waren, also nicht alle Lasten vorhanden waren. Die Verformungen an Haus A waren aber dadurch sichtbar, dass sich Wasserlachen auf dem flachen Dach gebildet haben.

[11] Nach der von der Beklagten in der Berufungsbeantwortung bekämpften Feststellung, deren Beweisrüge das Berufungsgericht jedoch nicht erledigte, waren Grund für die Verformungen und die Haarrisse gravierende Fehler in der Tragwerksplanung sowohl bei Haus A, Haus B als auch der Tiefgarage. Diese betreffen vorhandene fehlerhafte Dimensionierungen von Stahlbetonbauteilen, die Nichteinhaltung der Stabilitätskriterien von Stahlstützen und die Überschreitung der zulässigen Pressungen auf dem ausgeführten Ziegelmauerwerk.

[12] Die Tragwerksplanung führte ein (namentlich genannter) Statiker durch, der mündlich damit beauftragt wurde. Es ist üblich, dass Sonderplaner wie ein Statiker mündlich beauftragt werden. Hätte man so gebaut, wie dies von Vornherein vom Statiker geplant gewesen war, wäre ausgehend von dieser Statik ein normgerechter Bau nicht möglich gewesen. Wäre die zweite Bauphase bei Haus A errichtet worden, hätte sich die mangelhafte Tragwerksplanung auf weitere Bereiche der Decke über dem Erdgeschoss ausgedehnt. Bei Haus A wären massive Schäden aufgetreten, wenn wie geplant weitergebaut worden wäre, was zum Einsturz führen hätte können.

[13] Für andere am Bau Beteiligte waren die Fehler in der Tragwerksplanung ohne eine dazu erforderliche detaillierte Prüfung der statischen Berechnungen nicht erkennbar.

[14] In weiterer Folge wurde der gesamte Rohbau wieder abgerissen. Anschließend wurde die nach wie vor aus den Häusern A und B sowie dem verbindenden Untergeschoss bestehende Wohnanlage neu errichtet. Für den Abbruch von Haus A und des Untergeschosses bezahlte die Klägerin 80.000 EUR. Weitere damit in Verbindung stehende Abbruchkosten wird die Klägerin nicht zu tragen haben.

[15] Die Risse und Verformungen an sich hätte man auch sanieren können, ohne die Gebäude abzureißen. Hätte man danach aber weitergebaut, wäre es zu enormen Schäden bis hin zum Einsturz gekommen. Die Mangelhaftigkeit der Tragwerksplanung war derart weitreichend, dass letztlich eine aus technischer Sicht jedenfalls notwendige und zielführende Instandsetzung des Gebäudes nur durch einen Abbruch der bereits errichteten Bausubstanz möglich war.

[16] Wären lediglich an Haus B, nicht aber an Haus A Planungsfehler vorhanden gewesen, hätte man trotz des Abrisses von Haus B durch Herstellung einer Dehnfuge Haus A vor dem Abbruch bewahren können. Wäre die Tiefgarage richtig geplant worden, hätte – wenn nur an Haus B ein Planungsfehler vorhanden gewesen wäre – nur jener Teil der Tiefgarage, der sich unter Haus B befand, abgebrochen werden müssen, nicht jedoch der unter Haus A befindliche Teil der Tiefgarage.

[17] Nachdem die Beklagte von den Schäden in Kenntnis gesetzt worden war, ersuchte ihr Rechtsvertreter am 13. 3. 2020 die Klägerin um Übermittlung der Verträge zwischen ihr und der Architektin, dem Bauunternehmen und dem Statiker. Daraufhin wurde der Beklagten das Auftragsschreiben an das Bauunternehmen übermittelt und mitgeteilt, dass sowohl die Architektin als auch der Statiker von der Klägerin mündlich beauftragt worden seien. Beigefügt waren die Rechnungen des Statikers und der Architektin. Sollten weitere Unterlagen benötigt werden, stünde die Klägerin „gerne zur Verfügung“.

[18] Die Klägerin macht Ansprüche aus der Bauwesenversicherung geltend. Sie begehrt von der Beklagten den Ersatz der das Haus A und das Untergeschoss betreffenden Abbruchkosten von 80.000 EUR sA sowie die Feststellung, dass die Beklagte ihr hinsichtlich der Kosten „zur Behebung“ der Bauteile Haus A und Untergeschoss „hafte“, wobei die „Haftung“ (gemeint: Deckungspflicht) mit der Gesamtversicherungssumme begrenzt sei.

[19] Da ein einheitlicher Baukörper vorgelegen sei, wirke der von der Beklagten in Bezug auf das Haus B ausdrücklich zugestandene Sachschaden auch hinsichtlich des Hauses A und des Untergeschosses. Damit sei die Beklagte gemäß Art 3.49 Beiblatt zum Ersatz der geltend gemachten Abrisskosten verpflichtet, die erforderlich geworden seien, um ein neues funktionierendes Objekt herzustellen. Eine Sanierung der Bauteile A und des Untergeschosses, an denen ebenfalls ein Totalschaden eingetreten sei, wäre unwirtschaftlich gewesen. Außerdem habe keiner der hinzugezogenen Prüfstatiker mit der notwendigen Sicherheit bestätigen können, dass eine Sanierung der Bauwerke möglich gewesen wäre.

[20] Abgesehen davon seien am zuvor mängelfrei fertiggestellten Rohbau infolge der mangelhaften statischen Planung sowohl im Untergeschoss als auch beim Haus A kontinuierlich sichtbare Sachschäden aufgetreten. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, hätten das Haus A und das Untergeschoss durch die Durchbiegung und die damit aufgehobene Gebrauchs- und Tragfähigkeit der Decken jedenfalls eine solche Veränderung erfahren, die einen Sachschaden im Sinn des Art 13 BW 1/75 darstelle. Ein solcher liege nämlich auch vor, wenn Spannungen in einer Sache zu körperlich nachweisbaren Strukturverformungen (zB Rissen) führten. Nur wegen der durchgeführten Unterstellungsmaßnahmen sei es zu keinen (weiteren) Schäden beim Haus A und im Bereich des Untergeschosses gekommen. Die geplante Erweiterung des Hauses A um zwei Stockwerke hätte dazu geführt, dass auch bei Haus A die gleichen Schäden wie bei Haus B aufgetreten wären. Die ohnehin in der ersten Bauphase bereits rechnerisch überlastete obere Bewährung hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit vollkommen versagt, wobei davon auszugehen sei, dass dies zu einem enormen Schadensbild geführt hätte. Art 13.C der BW 1/75 stehe dem Klageanspruch nicht entgegen, weil der Ausschluss von Planungsfehlern durch Art 3.53 Beiblatt aufgehoben worden sei.

[21] Da zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage „noch nicht sämtliche Schadenersatzforderungen“ feststünden, habe sie ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten hinsichtlich ihr im Zusammenhang mit der Neuerrichtung des Hauses A und des Untergeschosses allenfalls entstehenden zukünftigen Schäden.

[22] Die Beklagte wendete – soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz – ein, allfällige am Untergeschoss und am Haus A aufgetretene Strukturveränderungen (zB Risse) seien nicht vorhanden. Sollte dies der Fall gewesen sein, hätten sie die üblichen Riss- und Veränderungstoleranzen nicht überschritten. Die von vornherein mangelhafte Konzeption und Planung der versicherten Sache stelle ebenfalls keinen Sachschaden dar. Eine Leistungspflicht wäre nur gegeben, wenn der statische Mangel in der Konzeption/Planung zu einem unvorhergesehenen Sachschaden an Haus A und des Untergeschosses geführt hätte, was aber – im Gegensatz zu Haus B – nicht der Fall gewesen sei.

[23] Art 3.53 Beiblatt führe nicht dazu, dass die von vornherein mangelhaft erbrachte statische Planung versichert wäre. Die Mitversicherung von Schäden aus planungsstatischer Berechnung setze nämlich voraus, dass ein Sachschaden als Versicherungsfall vorliege. Im konkreten Fall habe sich aber nicht eine fehlerhafte statische Planung später schädigend ausgewirkt. Vielmehr sei bereits vor Beginn der Bauarbeiten eine mangelhafte Konzeption vorgelegen.

[24] Eine Schädigung von zusammengehörigen Sachen und Funktionseinheiten nach Art 3.49 Beiblatt sei nicht gegeben. Die Häuser A und B hätten unabhängig voneinander bestehen können, weswegen keine funktionelle Verknüpfung vorgelegen sei. Außerdem hätten Haus A und das Untergeschoss wieder in der gleichen Form wiederhergestellt werden können. Abgesehen davon ergebe sich bereits aus dem Versicherungsantrag, dass sich die Versicherung auf getrennte Baukörper, nicht aber auf ein einheitliches Projekt beziehen sollte. Zwar habe der Versicherungsmakler das zu versichernde Bauwerk als einheitlichen Baukörper angesehen. Trotzdem habe er erklärt, dass es sich um zwei getrennte Wohnanlagen mit lediglich gemeinsamer Tiefgarage handle. Für den Fall, dass Art 3.49 Beiblatt anwendbar sein sollte, stelle dies einen zur Leistungsfreiheit führenden Verstoß gegen §§ 16 ff VersVG dar, weil die unrichtige Angabe unter Bedachtnahme auf eine mögliche Anwendung dieser Klausel eine geänderte Risikolage bewirkt habe.

[25] Sie sei auch wegen einer Obliegenheitsverletzung der Klägerin leistungsfrei. Mit E‑Mail vom März 2020 sei die Klägerin aufgefordert worden, das zum Statiker bestehende Vertragsverhältnis zu dokumentieren. Die Klägerin habe zwar mitgeteilt, dass der Statiker mündlich beauftragt worden sei. Den Inhalt des Auftrags habe sie aber nicht offengelegt.

[26] Der behauptete Totalschaden könne bereits mit Leistungsklage geltend gemacht werden. Zudem sei das Feststellungsbegehren zu weit gefasst. Es sei ausgeschlossen, dass die Haftung für den Neubau von Haus A und des Untergeschosses mit der Gesamtversicherungssumme begrenzt sei, zumal die Bauleistung eine eigene Versicherungssumme habe.

[27] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Abbruch von Haus A und des Untergeschosses seien auf die fehlerhafte Planung des Statikers zurückzuführen. Die Tragwerksplanung sei integraler Bestandteil der Bauleistung gewesen. Da keine schädigende oder zerstörende Einwirkung von außen erfolgt sei, sei der Abbruch durch einen Leistungsmangel verursacht worden, für den kein Versicherungsschutz bestehe. Daran würde auch Art 3.49 Beiblatt nichts ändern. Zwar seien die Häuser A und B sowie das Untergeschoss als Funktionseinheit anzusehen. Allerdings hätte das Haus A auch im Falle des Abrisses des Hauses B Bestand haben können, wenn das Haus A vom Statikfehler nicht betroffen gewesen wäre.

[28] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Es erledigte nicht die Beweisrüge der Beklagten in der Berufungsbeantwortung zur vom Erstgericht getroffenen Feststellung, dass Grund für die Verformungen und die Haarrisse bei Haus A und der Tiefgarage gravierende Fehler in der Tragwerksplanung, die der Statiker vorgenommen hatte, waren.

[29] Rechtlich führte es aus, Art 3.53 Beiblatt führe nicht zu einem völligen Ausschluss, sondern nur zu einer Änderung der Art 4, Art 13 BW 1/75. Art 3.20 und Art 3.23 Beiblatt nähmen ausdrücklich auf – durch Planungsfehler verursachte – Sachschäden Bezug und legten fest, dass derartige Schäden (und zwar in Abweichung des Art 13 BW 1/75) mitversichert seien. Dass auch durch Planungsfehler verursachte Schäden, die zu einer von vornherein mangelhaften Bauleistung führten, im Vergleich zu durch (sonstige) Bauleistungen verursachte Schäden privilegiert seien, weil nur die letztgenannte Schadensgruppe anhand der einschränkenden Regelung des Art 13 BW 1/75 zu beurteilen wäre, könne einem durchschnittlichen verständigen Versicherungsnehmer nicht unterstellt werden, erwarte dieser doch, dass mit einer Versicherung nicht jedes deckbare Risiko abgedeckt werde. Ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer werde nicht annehmen, dass mit einer einmalig (für die Bauwesenversicherung) zu leistenden Prämie von 3.126 EUR sämtliche Risiken aus einer allfälligen Schlechterfüllung durch die von der Klägerin beauftragten Professionisten ohne Einschränkung abgedeckt sein sollten. Nach Art 4 und Art 13 BW 1/75 seien nur Schäden unvorhergesehen, die weder durch den Versicherungsnehmer „noch durch den von ihm beauftragten Unternehmer“ verursacht worden seien. Habe der Versicherungsnehmer den Schaden zwar nicht selbst, wohl aber sein Auftraggeber zu verantworten, bestehe demnach im Rahmen der Bauwesenversicherung auch für den Versicherungsnehmer kein Versicherungsschutz. Die Klägerin habe die mit der statischen Berechnung einhergehenden Gefahren auf den von ihr beauftragten Statiker übertragen; nicht erkennbar sei, warum sie dadurch versicherungstechnisch besser gestellt sein solle, als wenn sie die Berechnungen selbst durchgeführt hätte. Sie müsse sich daher die mangelhaft gebliebenen Leistungen des von ihr beauftragten Statikers anrechnen lassen. Es liege auch kein Sachschaden vor, weil die Beschädigung auf einem von außen kommenden Ereignis beruhen müsse, dessen Ursache nicht in der beschädigten Leistung selbst liegen dürfe. Die am Haus A und der Tiefgarage aufgetretenen Schäden seien nicht auf eine äußere Ursache zurückzuführen. Die Ursache dieser Schäden, nämlich die (mangels Erledigung der Beweisrüge der Beklagten unterstellte) von Anfang an bestehende fehlerhafte statische Berechnung, habe dem Haus A und der Tiefgarage vielmehr von Anfang an inne „gewohnt“. Zu einer außerhalb der beschädigten Bauteile liegenden nachträglichen negativen Veränderung eines bestehenden Zustands sei es nicht gekommen.

[30] Nach Art 1 BW 1/75 beziehe sich die Bauwesenversicherung auf das in der Polizze näher beschriebene Bauvorhaben. Dort sei – in Übereinstimmung mit dem Versicherungsantrag – von einem Neubau von zwei getrennten Wohnanlagen mit gemeinsamer Tiefgarage die Rede. Ob das Bauvorhaben deshalb aus versicherungsvertragsrechtlicher Sicht als Gesamteinheit zu beurteilen sei, sei letztlich nicht entscheidungsrelevant. Der unter dem Haus B liegende Teil des Untergeschosses hätte im Zuge des Abbruchs des Hauses B nicht erhalten werden können. Art 3.49 Beiblatt stelle neben der Funktionseinheit darauf ab, dass die durch einen versicherten Schadensfall beschädigte Sache, hier also das Haus B, nicht mehr in der gleichen,zur restlichen Funktionseinheit kompatiblen Art wiederbeschaffbar sein dürfe. Diese Klausel beziehe sich auf Sachverhalte, bei denen Leistungsteile bzw Komponenten nicht direkt beschädigt, sondern nur deshalb unbrauchbar und wertlos geworden seien, weil eine andere – nicht mehr wiederherstellbare – Sache von einem Sachschaden betroffen sei. Warum das Haus B nicht im Sinn des Art 3.49 Beiblatt wiederherstellbar gewesen sein solle, werde von der Klägerin nicht aufgezeigt. Vielmehr sei die gesamte aus dem Untergeschoss und den Häusern A und B bestehende Wohnanlage wiedererrichtet worden. Selbst wenn man zwischen dem Haus B und dem darunter liegenden Teil des Untergeschosses eine Funktionseinheit bejahen sollte, vermöge Art 3.49 Beiblatt den Klageanspruch deshalb nicht zu stützen, weil von einer mit den übrigen Bauteilen kompatiblen Wiedererrichtung des Hauses B auszugehen sei. In Bezug auf das Haus A und dem darunter liegenden Teil des Untergeschosses liege bereits keine Funktionseinheit mit Haus B vor, weil diese Bauteile nach den Feststellungen erhalten werden hätten können, wenn nur dem Haus B die fehlerhafte Statikplanung inne gewohnt hätte.

[31] Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, dem Klagebegehren „vollinhaltlich“ stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsbegehren gestellt.

[32] Die Beklagte begehrt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[33] Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig. Sie ist auch teilweise im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

Zu I.:

[34] 1. Das Feststellungsbegehren ist nicht berechtigt.

[35] 1.1. Die Klägerin nimmt in der Revision zur Berechtigung ihres Feststellungsbegehrens nicht Stellung. Im erstinstanzlichen Verfahren begründete sie dieses damit, dass zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage „noch nicht sämtliche Schadenersatzforderungen“ feststünden. Die Bauwesenversicherung hat jedoch Schadenersatzforderungen der Klägerin nicht zum Gegenstand.

[36] 1.2. Die Verbindung eines Feststellungsbegehrens mit einem Leistungsbegehren ist nach ständiger Rechtsprechung zulässig, wenn ein Teil der Ansprüche bereits fällig, mit weiteren Ansprüchen jedoch zu rechnen ist und daher durch das Feststellungsbegehren die Häufung von Rechtsstreitigkeiten vermieden werden kann (RS0038970). Die Feststellungsklage ist jedoch bei gleichem Rechtsschutzeffekt subsidiär zur Leistungsklage (RS0038849; vgl auch RS0038817). Kann die Klägerin bereits Leistungsklage erheben, fehlt ihrem Feststellungsbegehren das rechtliche Interesse (RS0039021 [T5]). Das Feststellungsinteresse ist Voraussetzung für den Feststellungsanspruch (RS0039177). Es ist von der Klägerin durch Geltendmachung konkreter Umstände zu behaupten und (erforderlichenfalls) zu beweisen (RS0039239; RS0037977). Der Mangel rechtlichen Interesses an der Feststellung ist auch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen wahrzunehmen (RS0039123).

[37] 1.3. Das Feststellungsbegehren bezieht sich auf die Kosten „zur Behebung“ der Bauteile Haus A und Untergeschoss. Sollten unter Kosten „zur Behebung“ nur die Abbruchkosten zu verstehen sein, so steht fest, dass die Klägerin neben den eingeklagten 80.000 EUR keine weiteren Kosten für den Abbruch zu tragen hat.

[38] 1.4. Die Beklagte erhob im erstinstanzlichen Verfahren den Einwand, dass die Versicherungsleistung von der Klägerin bereits mit Leistungsklage geltend gemacht werden könne. Die Klägerin hat die aus den Häusern A und B sowie dem verbindenden Untergeschoss bestehende Wohnanlage bereits neu errichtet. Sie legt nicht dar, dass sie ihr im Zusammenhang mit der Neuerrichtung des Hauses A und des Untergeschosses allenfalls zustehende Versicherungsleistungen nicht bereits mit Leistungsklage geltend machen könnte. Damit fehlt ihrem Feststellungsbegehren das Feststellungsinteresse. Das fragliche Feststellungsinteresse und die allfällige Notwendigkeit zur Umstellung auf ein Leistungsbegehren müssen nicht erörtert werden, weil die Beklagte durch ausdrückliche Bestreitung des Feststellungsinteresses im erstgerichtlichen Verfahren bereits auf die Schwäche im Prozessvorbringen der Klägerin hingewiesen hat (7 Ob 187/20f [Punkt 2.4] mwN; vgl RS0122365).

[39] 2. Die Abweisung des Feststellungsbegehrens durch die Vorinstanzen ist daher als Teilurteil zu bestätigen.

Zu II.:

[40] 1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob die Klägerin aus dem Versicherungsvertrag einen Anspruch auf Ersatz der Kosten, die durch den Abbruch des Hauses A und der Tiefgarage entstanden sind, gegenüber der Beklagten hat.

[41] 2.1. Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) sind nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71]; RS0112256 [T10]; RS0017960). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insbesondere T5, T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RS0050063 [T3]).

[42] 2.2. Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikobegrenzung. Durch sie wird in grundsätzlicher Weise festgelegt, welche Interessen gegen welche Gefahren und für welchen Zweck versichert sind. Auf der zweiten Ebene (sekundäre Risikobegrenzung) kann durch einen Risikoausschluss ein Stück des von der primären Risikobegrenzung erfassten Deckungsumfangs ausgenommen und für nicht versichert erklärt werden. Der Zweck liegt darin, dass ein für den Versicherer nicht überschaubares und kalkulierbares Teilrisiko ausgenommen und eine sichere Kalkulation der Prämie ermöglicht werden soll. Mit dem Risikoausschluss begrenzt also der Versicherer von vornherein den Versicherungsschutz, ein bestimmter Gefahrenumstand wird von Anfang an von der versicherten Gefahr ausgenommen (RS0080166 [T10]; vgl RS0080068).

[43] 3. Die Bauwesenversicherung schützt als Sachversicherung (Art 1 BW 1/75) die im Rahmen eines Bauprojekts zu erbringenden Leistungen (Bauwerke) während ihrer Entstehung (7 Ob 111/21f [Punkt 2.] mwN; vgl RS0080911). Die Bauwesenversicherung wurde von der Klägerin als Versicherungsnehmerin für ihr Bauvorhaben abgeschlossen. Sie hat damit ihr eigenes Interesse als Bauherrin versichert (Art 6.1. lit a BW 1/75).

[44] 4.1. Nach Art 13.A.1. lit a BW 1/75 gilt als Versicherungsfall unter anderem der „für den Versicherungsnehmer (Versicherten) unvorhersehbare gem. Art. 4 versicherte Sachschaden“. Ein Sachschaden im Sinn dieser Bedingung liegt vor, wenn die versicherte Sache vernichtet oder beschädigt ist. Nicht als Sachschaden gilt insbesondere ein Mangel an einer versicherten Sache (Art 13.B.1. und 2. lit a BW 1/75). Demnach ist etwa nicht als ein versicherter unvorhersehbarer Sachschaden anzusehen, wenn eine versicherte Sache infolge mangelhafter oder vertragswidriger Konzeption oder Planung von vornherein nicht ordnungsgemäß erbracht ist (Art 13.C.1. lit a BW 1/75).

[45] 4.2. Baumängel zählen also nach der BW 1/75 nicht zu den versicherten Gefahren bauunternehmerischer Leistung. Die Bauwesenversicherung hat grundsätzlich nicht den Zweck, den Unternehmer vor den Folgen eines Leistungsmangels zu sichern. Demnach sind Leistungsmängel nicht Gegenstand der Bauwesenversicherung. Schäden, die über den Aufwand zur nachträglichen Beseitigung des Leistungsmangels hinausgehen, hat der Versicherer zu tragen (RS0080936).

[46] Der nicht versicherte Leistungsmangel steht im begrifflichen Gegensatz zum versicherten Sachschaden (Eckes/Günther in Langheid/Wandt, Münchener Kommentar zum VVG2 [2017] 220 Technische Versicherungen Rn 140). Die Abgrenzung zwischen diesen beiden Kategorien hat der Oberste Gerichtshof wie folgt vorgenommen (7 Ob 40, 41/86 = RS0080950): Haftet ein Mangel der Bauleistung unmittelbar an, dh ist er integraler Bestandteil der Leistung oder Teilleistung schon in ihrer Entstehung und fließt die Beeinträchtigung in die Herstellung der Leistung durch die Art, wie sie angelegt oder ausgeführt wird, unmittelbar ein, so liegt ein einen ersatzfähigen Schaden ausschließender Leistungsmangel vor. Dagegen handelt es sich um einen Sachschaden, wenn – vom Gegenstand der Leistung oder Teilleistung her betrachtet – von außen eine schädigende oder zerstörende Einwirkung erfolgt. Die Einwirkung kann auch von einer anderen Leistung oder Teilleistung ausgehen, die ihrerseits einen Mangel aufweist und über die eigene Fehlerhaftigkeit hinausgehende Ursache einer Beschädigung oder Zerstörung anderer Leistungen oder Teilleistungen wird. Es muss sich aber um Leistungen handeln, die vor dem Schadenseintritt bereits mängelfrei existiert haben. Hiebei kommt es nicht auf eine Teilbarkeit im Sinne des Gewährleistungsrechts an. Es muss sich aber um eine Teilleistung handeln, die man als selbständige Bauphase ansehen kann.

[47] 4.3. Nach Art 13 BW 1/75 liegt ein nicht versicherter Leistungsmangel vor, wenn ein Objekt die erwarteten Eigenschaften infolge eines Planungs‑, Entwicklungs‑, Konstruktions‑ oder Ausführungsfehlers oder infolge eines Materialmangels von vornherein nicht aufweist oder nicht voll einsatzfähig ist (Eckes/Günther in Langheid/Wandt, Münchener Kommentar zum VVG2 220 Technische Versicherungen Rn 142). Ein Deckeneinsturz wegen eines Berechnungs‑ und Planungsfehlers des Statikers wäre danach nicht versichert (Jagerhofer, Bauversicherungen richtig abschließen2 [2022] 248). Für den vorliegenden Fall würde dies bedeuten, dass eine fehlerhafte Tragwerkplanung durch den Statiker bei Haus A und der Tiefgarage einen nach Art 13 BW 1/75 nicht versicherten Leistungsmangel begründet.

5. Vereinbarte Zusatzdeckung im Beiblatt

[48] 5.1. In der Literatur zu Bauwesenversicherungen ist die Möglichkeit der Zusatzdeckung für Sachschäden durch Planungsfehler anerkannt (Jagerhofer, Bauversicherungen, Sachverständige 2017, 77 [82]; Schaflinger/Gingl in Straube/Aicher/Ratka/Rauter, Handbuch Bauvertrags‑ und Bauhaftungsrecht I Kap. 3.4.7 [Stand 1. 5. 2020, rdb.at]).

[49] 5.2. Eine solche vereinbarte Zusatzdeckung enthalten Art 3.20, 3.23 und 3.53 des Beiblatts. Dadurch werden Sachschäden infolge eines Fehlers bei der Planung und statischen Berechnung, die nach Art 13 BW 1/75 grundsätzlich als Leistungsmängel ausgeschlossen wären, wiederum in die Versicherung eingeschlossen. Dieser Einschluss kann sich aus der Perspektive eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers nur auf die mangelhafte Teilleistung selbst beziehen, wären doch Sachschäden an anderen (mangelfreien) Teilleistungen ohnehin von Art 13 BW 1/75 erfasst, sodass es insofern keines Einschlusses mehr bedürfte. Bei einem Einschluss von Sachschäden durch Planungsfehler ist auch eine mit einem Planungsfehler behaftete eingestürzte Decke versichert (Jagerhofer, Bauversicherungen richtig abschließen2 [2022] 248).

[50] Der an sich als Leistungsmangel nicht versicherte Schaden infolge eines Planungsfehlers wird damit aufgrund der Zusatzdeckung gemäß Art 3.20, 3.23 und 3.53 Beiblatt wieder als versicherter Sachschaden eingeschlossen. Für diesen vereinbarten Versicherungsfall kann es auch nicht erforderlich sein, dass eine schädigende Einwirkung „von außen“ erfolgt. Vielmehr hat Art 3.53 Beiblatt gerade den Fall vor Augen, dass der Planungsfehler zu einem Sachschaden an der fehlerhaft geplanten Sache führt.

[51] 5.3. Wenn das Berufungsgericht eine „Privilegierung“ von durch Planungsfehler verursachten Schäden gegenüber durch sonstige Bauleistungen verursachten Schäden ablehnt, übergeht es die vereinbarte Zusatzdeckung in Art 3.20, 3.23 und 3.53 des Beiblatts. Seinem Argument der Prämienhöhe ist einerseits entgegenzuhalten, dass die Klägerin für die „Zusatzdeckung versicherte Gefahren“ eine zusätzliche Prämie zahlte, und andererseits die Beklagte auch nicht behauptet, dass sie ihre Prämienkalkulation der Klägerin offengelegt hätte.

[52] 5.4. Die Beklagte hat in der Berufungsbeantwortung die Feststellung bekämpft, dass Grund für die Verformungen und die Haarrisse beim Haus A als auch der Tiefgarage gravierende Fehler in der Tragwerksplanung des Statikers waren. Damit steht die Kausalität der fehlerhaften Tragwerksplanung für die geltend gemachten Schäden nicht fest, hat doch das Berufungsgericht die diesbezügliche Beweisrüge nicht erledigt. Das Berufungsgericht wird dies im fortzusetzenden Verfahren nachzuholen haben.

6. „Unvorhersehbarkeit“ des Schadens

[53] 6.1. Nach Art 4 BW 1/75 besteht für Schäden an versicherten Sachen nur Versicherungsschutz, wenn sie „für den Versicherungsnehmer (Versicherten) unvorhersehbar sind“. Die Unvorhersehbarkeit wird in Art 3.35 Beiblatt näher definiert. Danach sind unvorhergesehen Schäden, die der Versicherungsnehmer weder rechtzeitig vorhersehen konnte, noch mit dem für die im Betrieb ausgeübte Tätigkeit erforderlichen Fachwissen vorhersehen musste. Nach den Feststellungen waren für andere am Bau Beteiligte – und daher auch für die Klägerin – die Fehler in der Tragwerksplanung ohne eine dazu erforderliche detaillierte Prüfung der statischen Berechnungen nicht erkennbar. Damit lag aber für sie ein unvorhersehbarer Schaden vor.

[54] 6.2. Das Berufungsgericht ging aber davon aus, die Schäden seien nur dann unvorhergesehen, wenn sie weder durch den Versicherungsnehmer „noch durch den von ihm beauftragten Unternehmer verursacht wurden“. Eine ähnliche Auffassung wird ohne nähere Begründung auch in der Literatur vertreten (Schaflinger/Gingl in Straube/Aicher/Ratka/Rauter, Handbuch Bauvertrags‑ und Bauhaftungsrecht I Kap. 3.4.3 [Stand 1. 5. 2020, rdb.at]).

[55] Dass der beauftragte Unternehmer der Versicherungsnehmerin zugerechnet wird, widerspricht aber den vereinbarten Versicherungsbedingungen. Diese stellen nur darauf ab, dass der Schaden für den Versicherungsnehmer (bzw bei gesellschaftsrechtlich organisierten Versicherungsnehmern für bestimmte Organe) unvorhersehbar ist. Das Berufungsgericht beruft sich dabei auf die Entscheidung des BGH zu IVa ZR 152/81 (VersR 83, 821 = NJW 1984, 47). Nach den dort zu beurteilenden Versicherungsbedingungen galten Schäden als unvorhergesehen, „die weder der Auftraggeber noch der beauftragte Unternehmer oder deren Repräsentanten rechtzeitig vorhergesehen haben oder mit dem jeweils erforderlichen Fachwissen hätten vorhersehen können“. Damit waren beauftragte Unternehmer – im Gegensatz zum vorliegenden Fall – also ausdrücklich dem Auftraggeber gleichgestellt. Die hier zu beurteilenden Versicherungsbedingungen weichen von dieser Bedingungslage ab.

[56] 7. Nach Art 3.49 Beiblatt sind Schäden an zusammengehörigen Sachen und Funktionseinheiten unter bestimmten Voraussetzungen mitversichert. Dabei handelt es sich um eine Deckungserweiterung für „Technologiefortschritt“.

[57] Das Berufungsgericht verneinte die Anwendung von Art 3.49 des Beiblatts, weil selbst bei einer Funktionseinheit zwischen Haus B und dem darunter liegenden Untergeschoß von einer mit den übrigen Bauteilen kompatiblen Wiedererrichtung des Hauses B auszugehen sei. In Bezug auf Haus A und den dort darunter liegenden Teil des Untergrundes liege bereits keine Funktionseinheit mit Haus B vor, weil diese Bauteile nach den Feststellungen erhalten werden hätten können, wenn nur beim Haus B die fehlerhafte Statikplanung vorgelegen wäre.

[58] Die Klägerin legt nicht näher dar, inwiefern ihr ausgehend vom unstrittig versicherten Schadenfall Haus B aufgrund dieser Klausel die Abbruchkosten von 80.000 EUR, die das benachbarte Haus A und das gesamte Untergeschoss betreffen, zustehen könnten. Mit ihren allgemein gehaltenen Ausführungen zur Einheitlichkeit des Objekts und eines „einheitlichen Schadens“ zeigt sie keine Argumente auf, aus denen die Voraussetzungen für die Deckungserweiterung nach Art 3.49 Beiblatt abgeleitet werden könnten und die Zahlungspflicht der Beklagten für die begehrten Abbruchkosten gegeben wäre.

8. Keine Obliegenheitsverletzung der Klägerin:

[59] 8.1. In Art 12.B.1. lit f BW 1/75 ist die Auskunftsobliegenheit des Versicherungsnehmers vereinbart. Danach hat die Versicherungsnehmerin dem Versicherer auf dessen Verlagen alle für die Feststellung der Versicherungsleistung erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Einsichtnahmen zu gewähren sowie Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Die Versicherungsnehmerin soll dadurch den Versicherer bei der Schadenserhebung unterstützen.

[60] 8.2. Die Beklagte warf der Klägerin als Obliegenheitsverletzung vor, diese habe ihr nur mitgeteilt, dass der Auftrag an den Statiker mündlich erteilt worden sei, wodurch der Inhalt des Auftrags nicht „determiniert“ sei. Eine konkrete Darstellung des Vertragsinhalts über die mündliche Auftragserteilung sei nicht erfolgt.

[61] Nach den Feststellungen hat ein Vertreter der Klägerin der Beklagten mitgeteilt, dass der Statiker mit der Tragwerksplanung mündlich beauftragt wurde. Eine solche mündliche Beauftragung ist (nach den Feststellungen) auch üblich. Damit war die Beklagte in Kenntnis über den Vertragsinhalt des mündlich erteilten Auftrags an den Statiker. Der Vertreter der Klägerin hielt überdies fest, sollten weitere Unterlagen von der Beklagten benötigt werden, würden diese zur Verfügung gestellt werden. Auf dieses Schreiben reagierte die Beklagte aber nicht mehr. Damit liegt die von der Beklagten behauptete Verletzung der Auskunftsobliegenheit nicht vor.

[62] 9. Die Entscheidung über den Zuspruch der Kosten für den Abbruch von 80.000 EUR hängt – wie zu Punkt 5.4. dargelegt – davon ab, ob diese Aufwendungen dadurch veranlasst wurden, dass infolge fehlerhafter Tragwerksplanung des Statikers der Sachmangel verursacht wurde. Die diesbezügliche Beweisrüge der Beklagten hat das Berufungsgericht nicht erledigt. Sollte die erstgerichtliche Feststellung Bestand haben, wäre dem Leistungsbegehren stattzugeben.

[63] Das Berufungsurteil ist insofern aufzuheben und diesem die neuerliche Entscheidung über die Berufung der Klägerin aufzutragen.

[64] III. Die Kostenentscheidung gründet sich für das Teilurteil auf § 52 Abs 4 ZPO und für den Aufhebungsbeschluss auf § 52 Abs 1 Satz 3 ZPO.

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