European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00013.24D.0305.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Soweit für das Revisionsrekursverfahren von Interesse, lehnten die Vorinstanzen die Einbeziehung einer gemeinsamen Liegenschaft der Streitteile in die Aufteilung ab, weil diese vor der Eheschließung angeschafft und eine überwiegende Wertschöpfung während aufrechter ehelicher Gemeinschaft nicht bewirkt worden sei.
Rechtliche Beurteilung
[2] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Frau, der keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigt.
[3] 1. Der Aufteilung unterliegt die eheliche Errungenschaft, also das, was die Ehegatten während der Ehe erarbeitet oder erspart haben (RS0057486; RS0057287). Mündet eine Lebensgemeinschaft in eine Ehe, behalten die von den Lebensgefährten einzeln oder gemeinsam in die Ehe eingebrachten Sachen ihre bisherige rechtliche Zuordnung und gehören im Fall der Auflösung der Ehe nicht in die Aufteilungsmasse (RS0057386), weil es sich dabei eben um keine eheliche Errungenschaft handelt (zuletzt etwa 1 Ob 85/22i). Dann ist nur die durch Leistungen der Ehegatten während der Ehe herbeigeführte Wertsteigerung der betreffenden Sache in die Aufteilung einzubeziehen (RS0057308). Unter bestimmten Umständen kann auch eine in die Ehe eingebrachte Liegenschaft (die grundsätzlich nach § 82 Abs 1 Z 1 EheG davon ausgenommen ist) der Aufteilung in natura unterliegen, insbesondere dann, wenn die auf eheliche Beiträge zurückzuführende Wertschöpfung erheblich überwiegt (RS0057681). Wird etwa ein Haus vor der Eheschließung gebaut, „aber (fast) zur Gänze erst mit dem während der Ehe erwirtschafteten Einkommen abbezahlt“, handelt es sich um eine eheliche Errungenschaft, weil die wirtschaftliche Wertschöpfung erst dadurch eintritt. Dieser Gedanke gilt auch für einen sachenrechtlich durch Eigentumserwerb vor der Ehe in Gang gesetzten, aber in nicht vernachlässigbarem Maß mit Mitteln aus der ehelichen Gemeinschaft weitergeführten und so finanzierten Vermögensaufbau eines (oder beider) Ehegatten (1 Ob 262/15h). Dass hier mit den ehelichen Beiträgen zur Finanzierung der Liegenschaft eine überwiegende Wertschöpfung bewirkt worden wäre, ist aus den Feststellungen allerdings nicht abzuleiten.
[4] 2. Die 2017 und damit zwei Jahre vor der Eheschließung im Jahr 2019 von den späteren Ehegatten je zur Hälfte erworbene und zur Gänze mittels eines gemeinsam aufgenommenen (Abstattungs-)Kredits finanzierte Liegenschaft hatte zum Aufteilungsstichtag (März 2021) einen Verkehrswert von 384.000 EUR. Dem stand ein offener Kreditsaldo von 371.500 EUR gegenüber. Damit gehörte in wirtschaftlicher Hinsicht nur ein Liegenschaftsanteil von wenig mehr als 3 % zum Vermögen der Eheleute. Schon daraus folgt, dass in Ansehung der Liegenschaft auch während der ehelichen Gemeinschaft kein relevanter Vermögensaufbau stattgefunden haben kann (vgl 1 Ob 84/18m), der es im Sinn der Rechtsprechung rechtfertigen würde, die gesamte Sache in natura (und nicht nur eine allfällige Wertsteigerung) in die Aufteilung einzubeziehen.
[5] 3. Zwar ist die durch eine Reduktion der auf der Liegenschaft lastenden Schulden bewirkte Erhöhung des „Nettowerts“ der Liegenschaft eine aufzuteilende Wertsteigerung (RS0130671). Die ehelichen Ersparnisse, die zur Schuldtilgung verwendet wurden, sind den ehemaligen Ehepartnern allerdings bereits jeweils zur Hälfte (also im Ausmaß des [auch von der Frau herangezogenen] Aufteilungsschlüssels und der Miteigentumsverhältnisse) wertmäßig zugekommen (1 Ob 233/20a [Rz 20]). Ein Ausgleich hierfür hätte nur stattzufinden, wenn die Liegenschaft in natura in die Aufteilung einzubeziehen und die Miteigentumsanteile zu übertragen wären.
[6] 4. Soweit sich die Frau darauf beruft, dass dem Aufteilungsverfahren nach §§ 81 ff EheG Vorrang vor dem streitigen Verfahren zukomme (RS0111605), übersieht sie, dass hier ohnehin zuerst das Außerstreitgericht (wenn auch nicht in ihrem Sinne) entschieden und seine Rechtszuständigkeit für die Liegenschaft verneint hat. Ihrem Einwand, die Parteien hätten außer Streit gestellt, dass die Liegenschaft der Aufteilung unterliege, hat bereits das Rekursgericht erwidert, dass der Mann zuletzt der Einbeziehung der Liegenschaft in das Aufteilungsverfahren entgegengetreten ist. Im Übrigen könnte eine unter einen der Ausnahmetatbestände des § 82 Abs 1 EheG fallende Liegenschaft – abgesehen von einer vergleichsweisen Regelung – auch nicht durch Parteienvereinbarung in das außerstreitige Aufteilungsverfahren miteinbezogen werden (RS0106445; Deixler‑Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, Ehe- und Partnerschaftsrecht2 [2021] § 82 EheG Rz 4).
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