OGH 5Ob7/24a

OGH5Ob7/24a26.2.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtsache der klagenden Partei D*, vertreten durch Stolz & Weiglhofer‑Russegger Rechtsanwälte GmbH in Radstadt, gegen die beklagte Partei L* GmbH, *, vertreten durch Dr. Schartner und Mag. Kofler Rechtsanwälte GmbH in Altenmarkt, wegen Feststellung, Einverleibung und Unterlassung, hier: Anmerkung einer Klage, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 22. Juni 2023, GZ 6 R 95/23t‑11, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 8. Mai 2023, GZ 1 Cg 26/23z‑4 abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00007.24A.0226.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.261,40 EUR (darin 376,90 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses zu ersetzen.

Die Verständigung des Grundbuchsgerichts von diesem Beschluss wird dem Erstgericht übertragen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte ist Alleineigentümerin einer Liegenschaft mit dem Grundstück Nr 177/5, der Kläger ist Miteigentümer der Wegparzelle Nr 177/19, die mit einem bücherlichen Geh‑ und Fahrtrecht zugunsten dieses Grundstücks der Beklagten belastet ist.

[2] Der Kläger begehrt – soweit im Revisionsrekursverfahren wesentlich – die Feststellung, dass die Beklagte als Eigentümerin des herrschenden Grundstücks ihm gegenüber als Miteigentümer des dienenden Grundstücks Nr 177/19 nicht berechtigt sei, die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens zu erweitern, sodass diese Wegparzelle zu anderen als landwirtschaftlichen Zwecken genutzt wird, und die Beklagte schuldig zu erkennen, in die Einverleibung der Konkretisierung der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens auf Grundstück Nr 177/19 für Grundstück Nr 177/5 zu landwirtschaftlichen Zwecken ob der Liegenschaft einzuwilligen. Außerdem beantragte der Kläger die Anmerkung dieser Klage.

[3] Das Erstgericht wies den Antrag auf Streitanmerkung mit der Begründung ab, eine Verletzung in seinen bücherlichen Rechten behaupte der Kläger nicht.

[4] Das Rekursgericht gab dem Rekurs Folge und ordnete die Anmerkung der Klage ob der im Alleineigentum der Beklagten stehenden Liegenschaft bei dem unter A2‑LNr 2 eingetragenen Geh‑ und Fahrtrecht an Grundstück Nr 177/19 für Grundstück Nr 177/5 an.

[5] Das Klagebegehren sei auf Einverleibung der Konkretisierung der Dienstbarkeit zu landwirtschaftlichen Zwecken gerichtet, wobei aus der Klageerzählung aber abzuleiten sei, dass der Kläger nicht die Eintragung einer Rechtsänderung anstrebe, sondern den im Grundbuch nach seinen Behauptungen von Anfang an bestehenden Umfang des Rechts ersichtlich machen wolle. Es gehe daher um eine Anmerkung nach § 20 lit b GBG. Zwar bedürfe eine derartige Anmerkung einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage, sie sei aber auch dann zulässig, wenn sie ihrer Art nach auf Dispositionsbeschränkungen hinweise oder ihre Zulassung wegen des Prinzips der Grundbuchswahrheit geboten sei. Als Analogiebasis komme hier § 12 Abs 1 GBG in Betracht, wonach bei Dienstbarkeiten Inhalt und Umfang des einzutragenden Rechtsmittels bestimmt anzugeben seien. Da aus der Einräumung der Dienstbarkeit die Verpflichtung des Servitutsbestellers zur Einwilligung in die Einverleibung folge, sei aufgrund des behaupteten Anspruchs des Klägers eine Streitanmerkung analog § 61 GBG auch in der Einlage des herrschenden Guts zulässig. Die materielle Berechtigung der Begehren, so auch die Frage der Aktivlegitimation des Klägers als bloßem Miteigentümer am dienenden Gut sei noch nicht zu prüfen, weil die prozessuale Stellung als Kläger bereits zur Antragstellung nach § 61 GBG legitimiere. Eine Anmerkung müsste nur unterbleiben, wenn die Klage wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung zurückzuweisen wäre.

[6] Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil Rechtsprechung zur Analogiefähigkeit der Streitanmerkung nach § 61 GBG bei Verbücherung der Konkretisierung einer Dienstbarkeit fehle.

[7] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten, mit dem sie die Abänderung im Sinn einer Abweisung des Anmerkungsantrags anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

[8] Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht dem Kläger als bloßem Miteigentümer zu Unrecht die (alleinige) Antragslegitimation zuerkannt hat. Er ist auch berechtigt.

[9] 1. In ihrem Revisionsrekurs führt die Beklagte ins Treffen, eine Streitanmerkung müsse schon daran scheitern, dass der Kläger nur Miteigentümer des dienenden Grundstücks sei und ohne die weiteren Miteigentümer nicht klagen könne. Dem ist zu folgen.

[10] 1.1. Nach ständiger Rechtsprechung bilden Miteigentümer einer Liegenschaft bei Klagen auf Einräumung einer Grund‑ oder Hausservitut eine notwendige und einheitliche Streitgenossenschaft (RIS‑Justiz RS0012106). Auch die Klage auf Feststellung des Nichtbestehens einer Grunddienstbarkeit ist von allen Miteigentümern des dienenden Grundstücks einzubringen; wegen der Gefahr unlösbarer Verwicklungen bei isolierter Entscheidung über das Bestehen gegenüber nur einem von mehreren Miteigentümern liegt eine einheitliche Streitpartei vor (RS0012092 [T1, T2]).

[11] 1.2. Jeder Teilhaber einer Gemeinschaft hat das Recht, die zur Wahrung des Gesamtrechts erforderlichen Rechtsbehelfe zu ergreifen, derenes zur Wahrung seines Anteilsrechts bedarf, und kann alleine etwa Unterlassungsansprüche erheben. Der Gegner kann sich bei einer derartigen Klage nicht darauf berufen, dass der Kläger allein zur Geltendmachung dieser Ansprüche nicht befugt sei (RS0013417; RS0012106 [T28, T31]).

[12] 1.3 Verlangt der Kläger aber eine Entscheidung des Gerichts über den (Nicht‑)Bestand des vom Beklagten angemaßten Rechts, kann er nur einheitlich mit allen Miteigentümern des herrschenden Grundstücks und gegen alle Miteigentümer des dienenden Grundstücks gemeinsam vorgehen. Sie bilden jeweils eine einheitliche Streitpartei, sodass die Klage nur eines von mehreren Miteigentümern mangels Dispositionsbefugnis über den Streitgegenstand abzuweisen wäre; dies gilt auch bei einer Klage auf Feststellung des Nichtbestehens einer Grunddienstbarkeit. Die Nichtbeteiligung der übrigen Miteigentümer des dienenden Grundstücks am Verfahren könnte nämlich zum unhaltbaren Ergebnis führen, dass eine Grunddienstbarkeit einzelne ideelle Anteile des dienenden Grundstücks belastet, andere hingegen nicht. Dies gilt auch für eine auf Lastenfreistellung des dienenden Grundstücks abzielende Klage auf Feststellung der Freiheit von einer Dienstbarkeit; wegen der Gefahr unlösbarer Verwicklungen bei isolierter Entscheidung über das Begehren nur eines von mehreren Miteigentümern liegt eine einheitliche Streitpartei vor (6 Ob 84/05d; 5 Ob 2036/96i).

[13] 1.4 Hier begehrt der Kläger – soweit Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens – als bloßer Dritteleigentümer der dienenden Liegenschaft die Feststellung des Umfangs der Grunddienstbarkeit zugunsten der Liegenschaft der Beklagten dahin, dass diese nur zu landwirtschaftlichen Zwecken bestehen soll, und die Anmerkung der Einschränkung dieser Dienstbarkeit ob der Liegenschaft der Beklagten. Es geht ihm daher auch hier um die Feststellung der Freiheit des Eigentums über den von ihm zugestandenen Umfang der Dienstbarkeit hinaus. Auch dies bewirkt aber eine notwendige Streitgenossenschaft auf Klagsseite, würde doch die vom Kläger begehrte Einschränkung der Dienstbarkeit nur seinen ideellen Anteil betreffen, nicht aber jene Anteile der nicht klagenden Miteigentümer, was ebenfalls zur Gefahr unlösbarer Verwicklungen führt. Ohne Beteiligung der übrigen Miteigentümer kann der Kläger allein die Einschränkung der einverleibten Dienstbarkeit daher nicht mit Erfolg begehren. Im Umfang des Feststellungs‑ und „Einverleibungs“-begehrens fehlt ihm die aktive Klagelegitimation.

[14] 1.5 Ergänzend sei darauf verwiesen, dass die – im Übrigen nicht in der Klage und im Anmerkungsantrag, sondern erst nachträglich vorgetragene – Behauptung, die übrigen Miteigentümer hätten außergerichtlich der Klage zugestimmt, nicht ausreicht, um eine notwendige Streitgenossenschaft zu „sanieren“, zumal eine derartige Erklärung nie ausschließt, dass der Erklärende seinen Standpunkt in der Folge ändert und dann ein gesonderter Prozess gegen ihn nicht zu vermeiden wäre (RS0035698).

2. Die Beklagte meint weiters, dass eine Streitanmerkung nur die Person begehren könne, die zur Führung des Verfahrens berechtigt sei. Der Kläger allein könne zwar Unterlassung begehren, hierfür sei eine Streitanmerkung aber nicht zulässig. Auch dem ist zu folgen.

[15] 2.1. Das Rekursgericht ging davon aus, die Frage der Aktivlegitimation sei für die Berechtigung des Anmerkungsantrags nicht zu prüfen. Unter Verweis auf Kodek in Kodek Grundbuchsrecht2 § 61 GBG Rz 37, 41 vertrat es die Auffassung, die prozessuale Stellung des Klägers allein rechtfertige den Anmerkungsantrag. Die Anmerkung müsse nur dann unterbleiben, wenn die Klage wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung zurückzuweisen wäre.

[16] 2.2. Kodek aaO weist zwar darauf hin, dass eine Streitanmerkung voraussetzt, dass für die Klage alle Prozessvoraussetzungen erfüllt sind. Der vom Rekursgericht daraus offenbar gezogene Schluss, der Anmerkungsantrag dürfe nur dann abgewiesen werden, wenn eine Prozessvoraussetzung fehlt, ergibt sich daraus aber nicht.

[17] 2.3. Die Entscheidung über die Sachlegitimation ist keine Entscheidung über eine Prozessvoraussetzung, sondern die meritorische Entscheidung über den Klageanspruch im Hinblick auf seine subjektiven Voraussetzungen (RS0035170). Über den Antrag auf Streitanmerkung ist nach ständiger Rechtsprechung aufgrund des Klagevorbringens und des Urteilsantrags zu entscheiden (RS0074232) und die Klage auf ihre Schlüssigkeit dahin zu prüfen, ob im Fall des Zutreffens des Klagevorbringens eine stattgebende Entscheidung ergehen könnte. Die Schlüssigkeit der Klagebehauptung ist daher Voraussetzung für die Streitanmerkung (RS0074232 [T2]; 5 Ob 189/16d; 6 Ob 179/18v).

[18] 2.4. Aus dem Klagevorbringen und den Behauptungen im Anmerkungsantrag ist hier aber – wie bereits ausgeführt – nicht ableitbar, dass der Kläger allein zur Klage auf Feststellung des Bestehens einer nur eingeschränkten Dienstbarkeit und Anmerkung dieser Einschränkung im Grundbuch berechtigt wäre. Die Anmerkung der insoweit unschlüssigen Klage ist daher rechtlich nicht möglich.

[19] 3. Die vom Rekursgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage bedarf daher keiner näheren Erörterung, weil die Entscheidung davon nicht abhängt (vgl RS0088931). Zwar ist ein Antrag auf grundbücherliche Streitanmerkung nach den Verfahrensvorschriften des Grundbuchrechts zu behandeln, selbst wenn er beim Prozessgericht gestellt wird (RS0060701; RS0060516). Daraus folgt im Regelfall die im Grundbuchsverfahren gebotene Behandlung aller Abweisungsgründe (§ 95 Abs 3 GBG). Allerdings kommt die Wiederholung des Anmerkungsantrags aufgrund der vom Kläger allein erhobenen Klage hier nicht in Betracht, sodass die Prüfung weiterer Abweisungsgründe unterbleiben kann (RS0060544).

[20] 4. Damit war in Abänderung der Rekursentscheidung die erstinstanzliche Abweisungsentscheidung wiederherzustellen. Dem Erstgericht war die Verständigung des Grundbuchsgerichts zu übertragen.

[21] 5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 75 Abs 2 GBG iVm § 78 AußStrG. Nach der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommt in Fällen der Streitanmerkung ein Ersatz der Rechtsmittelkosten dann in Betracht, wenn im (einseitigen) Rechtsmittelverfahren entgegengesetzte Interessen verfolgt werden und sich der Beklagte gegen eine gerichtlich bewilligte Streitanmerkung im Rechtsmittelverfahren erfolgreich zur Wehr setzt (RS0126117; 3 Ob 223/22y). Da der Kläger sich hier mit seinem Rekurs gegen die abweisende Entscheidung des Erstgerichts zunächst durchgesetzt hatte, ist der von der Beklagten nun erfolgreich erhobene Revisionsrekurs als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen. Der Höhe nach war allerdings zu berücksichtigen, dass für diesen Revisionsrekurs keine gerichtliche Pauschalgebühr zu entrichten ist.

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