OGH 10ObS134/23p

OGH10ObS134/23p13.2.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Mag. Schober sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Birgit Riegler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei C-*,vertreten durch Mag. Niki Zaar, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15–19, wegen Rehabilitationsgeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Oktober 2023, GZ 9 Rs 71/23 m‑59, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:010OBS00134.23P.0213.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Sozialrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Höhe des dem Kläger zwischen 1. Dezember 2017 und 31. März 2021 gebührenden Rehabilitationsgeldes.

[2] Der Kläger war bis 30. September 2017 bei der Stadt Wien als Müllaufleger beschäftigt, wobei er bei einem tatsächlichen Einsatz als Belader eine Beladerzulage erhielt. In der Zeit von 15. Mai 2017 bis 30. September 2017 bezog er Krankengeld. Im Oktober 2017 erhielt er (für einen offenen Resturlaub von 204 Stunden) eine Urlaubsentschädigung, in der die Beladerzulage, die dem Kläger letztmalig für 2017 in Höhe von 1.481,66 EUR brutto ausbezahlt worden war, nicht berücksichtigt wurde.

[3] Die Vorinstanzen wiesen die auf Gewährung eines höheren Rehabilitationsgeldes als täglich 44,17 EUR brutto für den eingangs genannten Zeitraum gerichtete Klage ab.

Rechtliche Beurteilung

[4] In seiner außerordentlichen Revisionspricht der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO an.

[5] 1. Nach § 125 Abs 1 erster Halbsatz ASVG ist Bemessungsgrundlage für das Krankengeld der für die Beitragsermittlung heranzuziehende und auf einen Kalendertag entfallende Arbeitsverdienst (Bruttoentgelt), der dem Versicherten in jenem Beitragszeitraum (§ 44 Abs 2 ASVG) gebührte, der dem Ende des vollen Entgeltanspruchs voranging. Bemessungsgrundlage für das Krankengeld – und damit auch für das Rehabilitationsgeld (vgl § 143a Abs 2 ASVG) – ist daher die letzte volle, also nicht durch Krankengeldbezug geschmälerte, Beitragsgrundlage (10 ObS 159/21m Rz 12; 10 ObS 98/16h).

[6] 2. Bei einer Urlaubsersatzleistung handelt es sich um einen gesetzlichen Anspruch des Arbeitnehmers auf Abgeltung des bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht verbrauchten Urlaubs in Geld. Im sozialversicherungsrechtlichen Sinn wird sie als beitragspflichtiges Entgelt (§ 44 Abs 1 Z 1, § 49 Abs 1 ASVG) behandelt, das aufgrund unselbständiger Erwerbstätigkeit gebührt. Es stellt daher auch ein Erwerbseinkommen im Sinne des § 91 Abs 1 Z 1 ASVG dar (RS0107809; RS0110088). Vor diesem Hintergrundgilt eine Urlaubsersatzleistung nach ständiger Rechtsprechung auch als relevanter Arbeitsverdienst im Sinne des § 125 Abs 1 ASVG und der Zeitraum ihres Bezugs als letzte Erwerbstätigkeit nach § 143a Abs 2 ASVG (10 ObS 98/16h; 10 ObS 9/17x; 10 ObS 129/21z Rz 12).

[7] 3. Die Beurteilung der Vorinstanzen, die im Oktober 2017 bezogeneUrlaubsentschädigung sei der letzte volle Entgeltanspruch iSd § 125 Abs 1 erster Halbsatz ASVG und demgemäß auch die maßgebliche Bemessungsgrundlage für das Rehabilitationsgeld, entspricht diesen Grundsätzen.  Dass die im Oktober 2017 ausbezahlte Urlaubsentschädigung durch Krankengeld geschmälert worden sei, hat der Kläger schon in erster Instanz nicht behauptet. Er behauptet in der Revision auch nicht (mehr), dass die Urlaubsentschädigung unrichtig berechnet worden sei. Sie stellt somit auch nach seinem Standpunkt jenes Entgelt dar, das ihm für die Zeit des nicht verbrauchten Urlaubs gebührte.

[8] Für seineAnsicht, im Anlassfall sei dennoch nicht die Urlaubsentschädigung, sondern das zuletzt ausbezahlte Gehalt (samt Beladerzulage) als letzter voller Entgeltanspruch anzusehen, nennt der Kläger keine Rechtsgrundlage. Sie lässt sich auch aus der von ihm dafür ins Treffen geführten Entscheidung zu 10 ObS 159/21m nicht ableiten. Im Gegenteil erfolgte darin die Berechnung des Rehabilitationsgeldes auf der Grundlage einer nach Ende des Dienstverhältnisses bezogenen Urlaubsersatzleistung.

[9] 4. Dass eine Urlaubsersatzleistung das zuvor erzielte tatsächliche Erwerbseinkommen nicht in jedem Fall repräsentativ abbildet, ist im Gesetz angelegt, das nur für freie Dienstnehmer einen länger als einen Monat dauernden Durchrechnungszeitraum vorsieht (§ 125 Abs 1 Satz 1 zweiter Halbsatz ASVG). Die Argumentation des Klägers, das widerspreche der Funktion des Rehabilitationsgeldes, den tatsächlichen Einkommensausfall des Versicherten während der Dauer einer vorübergehenden Erwerbsunfähigkeit auszugleichen, ist zwar rechtspolitisch verständlich. Angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts zeigt er damit aber keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf (vgl RS0042656).

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