European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00210.23P.0131.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Exekutionsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen
Spruch:
I. Der Revisionsrekurs der verpflichteten Partei wird als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.
II. In Ansehung des Revisionsrekurses der betreibenden Partei wird der Akt dem Gericht zweiter Instanz zur Ergänzung des Bewertungsausspruchs betreffend die Exekution zur Hereinbringung der Geldforderungen („Überweisung der Einnahmen“) zurückgestellt.
Begründung:
[1] Nach dem zugrunde liegenden Exekutionstitel (Vergleich des Handelsgerichts Wien vom 20. 2. 2023) hat die Verpflichtete alle Einnahmen aus Kartenverkäufen, Sponsoring und Förderungen auf das Konto der Betreibenden weiterzuleiten und ist zudem verpflichtet, der Betreibenden immer zum Monatsende eine Abrechnung der Einnahmen aus den Kartenverkäufen zu übermitteln.
[2] Mit rechtskräftigem Beschluss vom (richtig) 30. 3. 2023 bewilligte das Erstgericht der Betreibenden gegen die Verpflichtete aufgrund dieses Vergleichs die Exekution nach § 354 EO antragsgemäß und trug der Verpflichteten auf, der Betreibenden binnen zwei Wochen eine Abrechnung über die Einnahmen im Zusammenhang mit einer bestimmten Theaterproduktion im Sommer 2023 zu übermitteln und dieser alle Einnahmen daraus auf deren Konto zu überweisen, widrigenfalls eine Geldstrafe von 2.000 EUR verhängt werde. Der zugrunde liegende Exekutionsantrag bezog sich auf Zuwiderhandlungen gegen die titelmäßigen Verpflichtungen hinsichtlich der Monate März und April 2023.
[3] Mit – hier gegenständlichem – Beschluss vom 14. 6. 2023 bewilligte das Erstgericht der Betreibenden gegen die Verpflichtete aufgrund des genannten Vergleichs die Exekution nach § 354 EO antragsgemäß und trug der Verpflichteten auf, der Betreibenden eine Abrechnung über sämtliche Einnahmen aus besagter Theaterproduktion im Sommer 2023 zu übermitteln und dieser alle Einnahmen daraus auf deren Konto zu überweisen. Gleichzeitig drohte es der Verpflichteten eine Geldstrafe von 2.000 EUR an, falls sie ihren Verpflichtungen zur Rechnungslegung für den Monat Mai 2023 und Überweisung der Einnahmen nicht binnen 14 Tagen nachkomme. Dieser Exekutionsantrag betraf die titelmäßigen Verpflichtungen für den Monat Mai 2023.
[4] Mit – ebenfalls gegenständlichem – Strafbeschluss vom 13. 7. 2023 verhängte das Erstgericht die angedrohte Geldstrafe von 2.000 EUR und drohte der Verpflichteten eine weitere Geldstrafe von 4.000 EUR an.
[5] Das Rekursgericht gab den Rekursen der Verpflichteten gegen die (zweite) Exekutionsbewilligung vom 14. 6. 2023 und den Strafbeschluss vom 13. 7. 2023 teilweise Folge und änderte die angefochtenen Entscheidungen dahin ab, dass der (zweite) Exekutionsantrag aus Juni 2023 und der Strafantrag aus Juli 2023, soweit sie die Erwirkung der Überweisung aller Einnahmen auf das Konto der Verpflichteten betrafen, abgewiesen wurden. Im Übrigen wurden die angefochtenen Beschlüsse bestätigt.
Rechtliche Beurteilung
[6] Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionsrekurse sowohl der betreibenden als auch der verpflichteten Partei. Beide Parteien stehen auf dem Standpunkt, dass es sich bei den titelmäßigen Verpflichtungen zur monatlichen Abrechnung und zur Weiterleitung der sich daraus ergebenden Einnahmen um einheitliche Dauerverpflichtungen handle. Die Betreibende leitet daraus die Zulässigkeit der hier (mit Beschluss vom 14. 6. 2023) bewilligten Exekution nach § 354 EO für beide Anspruchskategorien ab. Die Verpflichtete hält der neuerlichen (zweiten) Exekutionsbewilligung die Rechtskraft der ersten Exekutionsbewilligung vom 30. 3. 2023 entgegen, weil es sich um dieselben Dauerverpflichtungen handle.
Zu I.:
[7] 1.1 Vorab stellt sich die Frage, ob sowohl die Verpflichtung zur Übermittlung monatlicher Abrechnungen als auch jene zur Weiterleitung von Einnahmen nach § 354 EO zu vollstrecken sind.
[8] 1.2 Die Anordnungen der Exekutionsordnung sind, soweit sie eine bestimmte Exekutionsart vorschreiben, zwingendes Recht und unterliegen daher nicht der Parteienverfügung. Verstöße dagegen sind in jeder Instanz von Amts wegen zu beachten (RS0000006; RS0004781 [T3]).
[9] Die Exekution nach § 354 EO dient zur Durchsetzung von Handlungen, die in einem aktiven Tun, nicht aber in einem bloßen Dulden oder Unterlassen bestehen, die unvertretbar sind, also nur vom Verpflichteten persönlich und nicht von einem Dritten vorgenommen werden können, die keine Verpflichtung zur Geldleistung, zur bloßen Herausgabe von beweglichen Sachen, zur Überlassung oder Räumung unbeweglicher Sachen oder zur schlichten Abgabe einer Willenserklärung beinhalten und deren Vornahme ausschließlich vom Willen des Verpflichteten abhängt (Höllwerth in Burgstaller/Deixler‑Hübner, EO § 354 Rz 1). Durch die Exekution nach § 354 EO sind unter anderem Titel zu vollstrecken, die auf Rechnungslegung lauten (RS0004403 [T1]; 3 Ob 48/11x; Höllwerth in Deixler‑Hübner, EO § 354 Rz 18). Demgegenüber hat bei Verpflichtungen zur Leistung oder zum Erlag von Geldbeträgen die Exekution zur Hereinbringung von Geldforderungen zu erfolgen. Die §§ 353, 354 EO sind in diesen Fällen nicht anzuwenden (RS0003942).
[10] 1.3 Die zugrunde liegenden titelmäßigen Verpflichtungen in Form einer Kombination von Rechnungslegungs- und daraus resultierender Geldleistungspflichten lehnen sich an eine Stufenklage nach Art XLII Abs 3 iVm Abs 1 erster Fall EGZPO an. Bei der Stufenklage handelt es sich um die Möglichkeit, eine Klage auf Leistung mit einer Manifestationsklage zu verbinden, wobei die bestimmte Angabe der begehrten Leistung vorbehalten werden kann, bis die Rechnungslegung erfolgt ist. Das Gericht hat das Manifestationsverfahren vom Verfahren über den Leistungsanspruch getrennt zu führen und zuerst ausschließlich über die Rechnungslegung zu verhandeln und im Fall der Stattgebung darüber mit Teilurteil zu entscheiden. Erst nach dessen Rechtskraft hat der Kläger aufgrund der Ergebnisse der Rechnungslegung sein Leistungsbegehren durch zahlenmäßige Angabe des Klagsbetrags zu ergänzen. Im Rahmen der Stufenklage ist daher das rechtliche Schicksal des Manifestationsbegehrens grundsätzlich unabhängig von jenem des Zahlungsbegehrens zu beurteilen (9 ObA 20/21p; 9 ObA 70/21s; 4 Ob 97/22a jeweils mwN). Der Inhalt der Rechnungslegungspflicht bestimmt sich nach deren Zweck, der darin besteht, den Berechtigten in die Lage zu versetzen, zunächst die Grundlage für seine Zahlungsansprüche gegen den Beklagten zu ermitteln (3 Ob 29/23w mwN).
[11] 1.4 Aus diesen Grundsätzen folgt, dass es sich bei der Rechnungslegungspflicht und der daraus resultierenden Geldzahlungspflicht um unterschiedliche, voneinander unabhängige Leistungsverpflichtungen handelt, die verschiedenen Anspruchskategorien zuzuordnen sind. Während die Pflicht zur Rechnungslegung zu den unvertretbaren Handlungen zählt, bezieht sich die Zahlungspflicht nach erfolgter Bezifferung des Zahlungsbetrags auf Basis der Rechnungslegung auf eine Geldforderung.
[12] 2.1 Das Rekursgericht hat damit zutreffend zwischen der monatlichen Abrechnungspflicht und der Geldzahlungspflicht unterschieden.
[13] 2.2 Hinsichtlich der Exekution zur Erwirkung der monatlichen Abrechnungen liegen übereinstimmende Entscheidungen beider Vorinstanzen vor. Dazu entspricht es der Rechtsprechung, dass eine voll bestätigende Entscheidung im Sinn des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO im Umfang des bestätigenden Teils einer Rekursentscheidung auch dann vorliegt, wenn sie sich auf einen Antrag von mehreren Anträgen bezieht und diese Anträge nicht in einem derart engen Zusammenhang stehen, dass die Zulässigkeit der Anfechtung nur einheitlich beurteilt werden kann, sondern jeder Antrag ein eigenes rechtliches Schicksal haben kann (RS0119999; 3 Ob 120/15s). In einem solchen Fall ist die Anfechtbarkeit der rekursgerichtlichen Entscheidung für jeden Antrag gesondert zu beurteilen (3 Ob 135/19b; 3 Ob 156/21v).
[14] Da die in Rede stehenden titelmäßigen Verpflichtungen unterschiedlichen Anspruchskategorien zuzuordnen sind, besteht kein der gesonderten Anfechtbarkeit entgegenstehender enger Zusammenhang. Die voll bestätigende Entscheidung über die Exekution zur Erwirkung der monatlichen Abrechnungspflicht kann daher vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr angefochten werden. Der insofern absolut unzulässige Revisionsrekurs war zurückzuweisen.
Zu II.:
[15] 3.1 Zur abändernden Entscheidung des Rekursgerichts („Überweisung der Einnahmen“) und damit zum Rechtsmittel der Betreibenden ist dem Obersten Gerichtshof auf Grund des Bewertungsausspruchs der zweiten Instanz die Prüfung seiner Zuständigkeit nicht möglich.
[16] 3.2 Das Rekursgericht hat im Bewertungsausspruch zwischen den beiden gesonderten Anspruchskategorien nicht unterschieden, sondern eine einheitliche Bewertung vorgenommen und ausgesprochen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands „bei jedem angefochtenen Beschluss“ (Exekutionsbewilligung ON 2 und Strafbeschluss ON 9) 30.000 EUR übersteige. Nach der Begründung des Bewertungsausspruchs soll die Bewertung jener im Titelverfahren folgen. Im Titelverfahren wurden die geltend gemachten Ansprüche einheitlich mit 34.000 EUR bewertet.
[17] 3.3 Da sich der betriebene Geldzahlungsanspruch für Mai 2023 mangels Abrechnung noch nicht beziffern lässt, ist eine Bewertung dazu erforderlich. In dieser Hinsicht entspricht es der Rechtsprechung, dass die für die Frage der Vollbestätigung geltenden Grundsätze auch für die Frage der Zusammenrechnung beim Ausspruch nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO, für den § 500 Abs 3 ZPO auch auf § 55 Abs 1 bis 3 JN verweist, maßgebend sind (3 Ob 284/04t). Fehlt – wie hier – der für die nur einheitliche Anfechtbarkeit erforderliche enge Zusammenhang mehrerer Entscheidungsteile, so hat für jede gesonderte Entscheidung (hier zu den monatlichen Abrechnungen einerseits und zu den Überweisungen der Einnahmen andererseits) ein gesonderter Bewertungsausspruch zu erfolgen. Zur Exekution auf Hereinbringung der Geldforderungen wird das Rekursgericht den Bewertungsausspruch (hinsichtlich der Exekutionsbewilligung und des Strafbeschlusses) daher nachzuholen und – je nach dem Ergebnis der Bewertung – den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über das Rechtsmittel der Betreibenden wieder vorzulegen haben.
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