OGH 4Ob147/22d

OGH4Ob147/22d25.1.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher und die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., Mag. Fitz und Mag. Waldstätten als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*, vertreten durch die Wallner Jorthan Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei V* AG, *, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 33.723,15 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. November 2019, GZ 11 R 180/19z‑23, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00147.22D.0125.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Konsumentenschutz und Produkthaftung

 

Spruch:

I. Das mit Beschluss vom 30. März 2020 zu 4 Ob 19/20b bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über den vom Obersten Gerichtshof am 17. März 2020 zu 10 Ob 44/19x gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochene Verfahren wird fortgesetzt.

II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Zu I.

[1] Der Senat hat das vorliegende Revisionsverfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über den vom Obersten Gerichtshof zu 10 Ob 44/19x gestellten Antrag nach Art 267 AEUV unterbrochen und angeordnet, dass das Verfahren nach Einlangen der Vorabentscheidung von Amts wegen fortgesetzt wird.

[2] Nunmehr liegt die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 14. 7. 2022, C‑145/20 , Porsche Inter Auto und Volkswagen, vor.

[3] Das Revisionsverfahren ist daher fortzusetzen.

Zu II. 

[4] Der Kläger kaufte am 28. 12. 2011 von einem Autohändler einen Pkw der Marke Audi Q5 2.0 TDI quattro um 47.000 EUR. Die Beklagte ist zwar nicht Herstellerin des Fahrzeugs, es enthält aber einen von ihr entwickelten 2.0‑Liter-Dieselmoter der Type EA189. Als der Pkw ausgeliefert wurde, befand sich im Motorsteuergerät eine Software-Version, die zwei Modi aufwies. Der Modus 0 war der Standard-Modus, in dem das Fahrzeug grundsätzlich lief. Hingegen war der Modus 1 jener Modus, in den das Fahrzeug schaltete, wenn es erkannte, dass es einen Prüfzyklus durchlief. Es lag daher eine Abschaltvorrichtung vor, die dazu führte, dass im Modus 0 eine geringere Abgasrückführrate erfolgte. Das Fahrzeug wurde am 3. 4. 2017 auf Kosten der Beklagten durch Aufspielen eines Software‑Updates, welches das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt mit Bescheid vom 20. 12. 2016 freigegeben hatte, technisch überarbeitet, sodass es nun immer im Modus 1 mit deutlich erhöhter Abgasrückführrate fährt, auch im Realbetrieb auf der Straße. Wäre dem Kläger vor Vertragsabschluss gesagt worden, dass im Fahrzeug eine illegale Umschaltautomatik verbaut ist, die den Emissionsausstoß im Prüfstand positiv beeinflusst, hätte er den Vertrag nicht geschlossen. Wäre ihm aber überdies gesagt worden, dass die Umschaltautomatik durch ein Software-Update ausgeschaltet werden kann, sodass das Fahrzeug auch im Realbetrieb auf der Straße im Prüfstandmodus fährt, hätte er den Vertrag unter der Bedingung geschlossen, das das Software‑Update kostenlos aufgespielt wird.

[5] Der Kläger begehrte Schadenersatz in Höhe von 33.723,15 EUR sA (Kaufpreis für den Pkw samt Zubehör minus Benützungsentgelt), Zug um Zug gegen die Herausgabe des Fahrzeugs samt Zubehör, in eventu die Feststellung, dass ihm die Beklagte für jeden aus dem Kauf des genannten Fahrzeugs entstehenden Schaden hafte, und brachte vor, die Abschaltvorrichtung widerspreche den einschlägigen rechtlichen Regelungen. Es bestehe deshalb die Gefahr, dass dem gekauften Fahrzeug jederzeit die Zulassung entzogen werden könnte. Die Beklagte habe diese Abschaltvorrichtung vorsätzlich eingebaut und beim Vertrieb des Pkw arglistig verschwiegen. In Kenntnis der wahren Sachlage hätte der Kläger weder das Fahrzeug noch – in weiterer Folge – Winterreifen, Gummimatten und Schneeketten erworben. Durch das Software-Update seien die dem Kläger bereits davor erwachsenen Schäden nicht beseitigt worden. Diese Maßnahme sei nämlich nicht dazu geeignet, den NOx-Ausstoß zuverlässig unter die gesetzliche Höchstgrenze im Realbetrieb zu bringen. Darüber hinaus seien ein erhöhter Kraftstoffverbrauch, eine reduzierte Motorleistung sowie eine geringere Zuverlässigkeit und Haltbarkeit des Motors, des Dieselrußpartikelfilters, des Abgasrückführungsventils, des Abgasrückführungskühlers und des Fahrzeugs im Ganzen zu befürchten.

[6] Die Beklagte wendete ein, das Fahrzeug entspreche jedenfalls seit der Durchführung des Software-Updates dem vertraglich Geschuldeten. Der Kläger habe deshalb keinen Schaden erlitten, der seine Begehren rechtfertigen könnte. Im Übrigen sei die Beklagte nicht passiv klagslegitimiert, weil ihr die Handlungen der Herstellerin nicht zugerechnet werden könnten.

[7] Das Erstgericht wies sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren ab. Dem Kläger sei durch das Software-Update Naturalrestitution geleistet worden, weshalb seine Schadenersatzansprüche zum Scheitern verurteilt seien.

[8] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Die Abschalteinrichtung sei durch das Software-Update beseitigt worden. Es bestehe daher kein Anhaltspunkt für einen derzeitigen oder in Zukunft zu befürchtenden Schaden des Klägers iSd § 1295 ABGB. Zu einem „Thermofenster“ habe der Kläger im Prozess keine Behauptungen aufgestellt.

[9] Der Kläger beantragt mit seiner außerordentlichen Revision, der Klage stattzugeben; in eventu stellte er einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Revision ist in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen nicht zulässig und folglich zurückzuweisen.

[11] 1. Die Beklagte ist nicht Herstellerin des klagsgegenständlichen Fahrzeugs.

[12] Ein individueller Fahrzeugkäufer kann nur die Person oder Stelle für einen deliktischen Schadenersatzanspruch aus der (bloß schuldhaften) Verletzung des als Schutzgesetz zu qualifizierenden Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG in Anspruch nehmen, die im Typengenehmigungsverfahren als Herstellerin des Fahrzeugs auftrat und die Übereinstimmungsbescheinigung ausstellte (6 Ob 161/22b [ErwGr 3.4.] mwN). Eine Haftung des Motorenherstellers in Bezug auf Schäden durch die Abschaltvorrichtung wäre nur nach § 1295 Abs 2 und § 874 ABGB denkbar (vgl 3 Ob 40/23p [ErwGr 5.3]).

[13] 2. Der Kläger stützt seinen Anspruch auch auf diese Gesetzesstellen. Ein Anspruch daraus scheitert aber schon daran, dass der Kläger den Vertrag auch geschlossen hätte, wenn ihm die im Anlassfall eingetretenen Folgen des Software-Update bekannt gewesen wären. Es fehlt daher an der kausalen Täuschung des Klägers (RS0014765 [T1]), ebenso wie an einer (sittenwidrigen) Schädigung.

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