OGH 4Ob230/23m

OGH4Ob230/23m25.1.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M. und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, *, vertreten durch die Kosesnik‑Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei D* GmbH, *, Deutschland, vertreten durch die CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung (30.500 EUR) und Urteilsveröffentlichung (5.500 EUR) über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. November 2023, GZ 33 R 130/23i‑19, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00230.23M.0125.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Beklagte stellt unter anderem das Getränk „GRÖBI Waldbeere“ mit folgendem Flaschenetikett her:

 

Auf der Website der Beklagten wird das Getränk so beworben:

 

Ein Klick auf den grünen Link „MEHR ZU GRÖBI®WALDBEERE >“ führt zu folgender Ansicht:

[1] Tatsächlich enthält das Getränk weder Beeren noch Aromen dieser Früchte.

[2] Für sogenannte Erfrischungsgetränke schreibt das Lebensmittelrecht keinen Fruchtsaftanteil vor. Das vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz herausgegebene Österreichische Lebensmittelbuch (ÖLMB) sieht die Abbildung ganzer – nicht jedoch tropfender – Früchte auf dem Etikett eines Erfrischungsgetränks dennoch als zulässig an.

[3] Der Kläger will mit seiner Unterlassungsklage der Beklagten verbieten lassen, den unrichtigen Eindruck zu erwecken, das von ihr in Verkehr gebrachte Erfrischungsgetränk enthielte Fruchtsaftanteile von heimischen Früchten und Beeren, wenn tatsächlich kein Saft(‑konzentrat) dieser Früchte enthalten ist; sowie Urteilsveröffentlichung und Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung.

[4] Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Der Gesamteindruck von Durchschnittsverbrauchern werde durch blickfangartige Elemente geprägt, nämlich die naturgetreue Abbildung verschiedener Beeren und Werbeaussagen wie „Die beliebtesten Waldbeeren im herrlich‑schmackhaften Mix“ oder „Den Geschmack heimischer Früchte von Brombeere bis Erdbeere vereint GRÖBI mit herrlich spritzigem Wasser aus eigener Quelle ...“. Dadurch würden unrichtige Erwartungen über die Zutaten des Getränks geweckt. Diese Irreführung könne weder durch die richtige Zutatenliste noch durch die Bezeichnung als Erfrischungsgetränk verhindert werden, weil beide einen viel geringeren Auffälligkeitswert hätten. Die lebensmittelrechtliche Definition eines Erfrischungsgetränks sei Durchschnittsverbrauchern nicht geläufig und schließe die Beigabe von Fruchtsaftanteilen oder ‑aromen außerdem nicht aus. Eine lebensmittelrechtlich zulässige Kennzeichnung eines Getränks verhindere nicht automatisch jede Irreführung nach § 2 UWG.

Rechtliche Beurteilung

[5] Mit ihrer außerordentlichen Revision will die Beklagte die Klagsabweisung erreichen. Sie zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[6] 1. Die Beklagte rügt die Ausführung des Berufungsgerichts als aktenwidrig, „dass sich das Wort Erfrischungsgetränk auf ihrer Internetseite gar nicht [...] findet“.

[7] Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich dabei aber nicht um eine dislozierte Feststellung durch das Berufungsgericht, sondern um die Zusammenfassung der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zum Webauftritt der Beklagten. Dieses hatte die Screenshots aus Beilage ./C zum Urteilsbestandteil erklärt, auf denen das Wort „Erfrischungsgetränk“ tatsächlich nicht vorkommt.

[8] Richtig ist zwar, dass auf den von der Beklagten als Beilage ./6 vorgelegten Screenshots der Reiter „Zutaten“ geöffnet ist, wo unter anderem auch das Wort „Erfrischungsgetränk“ vorkommt. Das Fehlen dieses Aspekts des Webauftritts ist aber nicht einmal ein sekundärer Feststellungsmangel, weil ein aufklärender Hinweis, der erst nach zweimaligem Klicken auf scheinbar nicht einschlägige Links sichtbar wird, eine bereits durch Blickfangelemente hervorgerufene Irreführung ohnedies nicht verhindern kann (vgl RS0115866 [T3]; 4 Ob 80/23b [Rz 24]).

[9] 2. Die Beklagte sieht eine erhebliche Rechtsfrage darin, unter welchen Umständen ein Gericht von den Vorgaben des ÖLMB abweichen dürfe. Dieses stelle nämlich nach ständiger Rechtsprechung ein vorweggenommenes Sachverständigengutachten über die konkrete Verbrauchererwartung dar (RS0066294).

[10] Diese Frage stellt sich hier jedoch gar nicht. Die Vorinstanzen sind zwar auch davon ausgegangen, dass Durchschnittsverbrauchern der Unterschied zwischen Fruchtsaftgetränken und Erfrischungsgetränken nicht geläufig sei. Jedoch lag der Schwerpunkt der Entscheidung darauf, dass die Produktbezeichnung als „Erfrischungsgetränk“ zum einen von den blickfangartigen Bezugnahmen auf frische Beeren völlig in den Hintergrund gedrängt werde und zum anderen gar nicht ausschließe, dass ein so bezeichnetes Getränk auch Fruchtsaftanteile enthält.

[11] 3. Die Beklagte argumentiert unter Verweis auf EuGH C‑195/14 , Teekanne, dass die Abbildung von Früchten oder Pflanzen für sich allein noch nicht die Verbrauchererwartung wecke, dass diese im Produkt enthalten seien. Die Vermarktung des Früchtetees sei im Anlassfall nur aufgrund zusätzlicher Textangaben als unzulässig beurteilt worden. Eine korrekturbedürftige Fehleinschätzung der Irreführungseignung kann sie damit aber nicht aufzeigen.

[12] Vielmehr hat bereits das Berufungsgericht jedenfalls vertretbar darauf hingewiesen, dass etwa das Werbeversprechen der Beklagten: „Die beliebtesten Waldbeeren im herrlich‑schmackhaften Mix“ klar suggeriere, dass das Getränk tatsächlich Waldbeeren enthalte, weil nur gemischt werden könne, was tatsächlich vorhanden sei.

[13] Ein generelles Verbot, (nicht irreführende) Abbildungen von Beeren oder den Begriff „Waldbeergeschmack“ für die Bewerbung ihres Produkts einzusetzen, war dagegen nicht Gegenstand des Verfahrens.

[14] 4. Ein sekundärer Feststellungsmangel zur Präsentation des Getränks im Supermarkt liegt – wie schon das Berufungsgericht ausgeführt hat – nicht vor, weil die Parteien in erster Instanz dazu kein Tatsachenvorbringen erstattet haben (vgl RS0053317).

[15] 5. Weder die konkrete Formulierung eines Unterlassungsgebots (RS0037671) noch Art und Umfang einer Urteilsveröffentlichung (RS0042967) beinhalten in der Regel Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung. Die Revision kann auch keine im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht aufzeigen.

[16] Das Aufklärungsbedürfnis der betroffenen Verkehrskreise durch Urteilsveröffentlichung in einer auflagenstarken Tageszeitung ergibt sich hier auch daraus, dass die Beklagte das Produkt – wie sie selbst betont – seit über 20 Jahren in der vorliegenden und in vergleichbarer Form bewirbt.

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