OGH 6Ob62/23w

OGH6Ob62/23w17.1.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Firmenbuchsache der zu FN * eingetragenen A*GmbH, *, über den Revisionsrekurs des Antragstellers G* N*, MBA, MAS, *, vertreten durch Stossier Oberndorfer & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wels, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 8. Februar 2023, GZ 6 R 11/23i‑9, womit der Beschluss des Landesgerichts Wels vom 29. Dezember 2022, 27 Fr 4621/22s‑4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00062.23W.0117.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden mit der Maßgabe bestätigt, dass die Anträge zurückgewiesen werden.

 

Begründung:

[1] Im Firmenbuch ist zu FN * die A*GmbH mit dem Sitz in W* eingetragen (in der Folge: Gesellschaft). Als Alleingesellschafterin und einzige Geschäftsführerin ist S* Z* eingetragen.

[2] Am 27. 9. 2022 wurde über das Vermögen der Alleingesellschafterin das Konkursverfahren eröffnet und Dr. M* S* zum Masseverwalter bestellt. Dieser fasste am 13. 12. 2022 die Beschlüsse auf Abberufung der bisherigen Geschäftsführerin und auf Bestellung des nunmehrigen Antragstellers und Rechtsmittelwerbers zum Geschäftsführer.

[3] Der Antragsteller meldete unter Hinweis auf diesen Sachverhalt die Löschung der bisherigen Geschäftsführerin, seine eigene Eintragung als neuer Geschäftsführer und die Änderung der Geschäftsanschrift der Gesellschaft zur Eintragung in das Firmenbuch an.

[4] In der Folge wurde am 27. 12. 2022 auch über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet und für diese Dr. H* O* zum Masseverwalter bestellt.

[5] Das Erstgericht wies die Anträge ab. Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern gehöre nicht zu den die Masse im Gesellschafterkonkurs betreffenden Rechtshandlungen, sodass sie nicht vom Masseverwalter, sondern weiterhin vom Schuldner vorzunehmen seien. Der vom Masseverwalter Dr. M* S* gefasste, jedoch unwirksame Beschluss eines Nichtgesellschafters könne keine Eintragungsgrundlage darstellen.

[6] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach der Entscheidung 6 Ob 188/99m zähle die Bestellung eines Geschäftsführers nicht zu den die Konkursmasse im Gesellschafterkonkurs betreffenden Rechtshandlungen. Schon gemäß § 83 IO sei der Insolvenzverwalter im Außenverhältnis lediglich befugt, alle Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, welche die Erfüllung der Obliegenheiten seines Amtes mit sich bringe. Daraus erhelle, dass die Befugnisse des Insolvenzverwalters zwar weit, aber nicht unbegrenzt seien.

[7] Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil ein Spannungsverhältnis zwischen der – wenngleich längere Zeit zurückliegenden – Entscheidung 1 Ob 255/36 (SZ 18/55) und der jüngeren Entscheidung 6 Ob 188/99m bestehe.

Rechtliche Beurteilung

[8] Der dagegen gerichtete Revisionsrekurs des Antragstellers ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig. Er ist aber nicht berechtigt.

[9] 1.1. Während eines anhängigen Insolvenzverfahrens ist der Schuldner gemäß § 3 Abs 1 IO von Rechtshandlungen ausgeschlossen, die die Insolvenzmasse betreffen. Die Insolvenzmasse ist nach § 2 Abs 2 IO das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen des Schuldners (8 Ob 12/19a [ErwGr 1.]; RS0101137).

[10] 1.2. Der übertragbare (§ 75 Abs 1 GmbHG) GmbH‑Geschäftsanteil – als Gesamtheit der mit der Mitgliedschaft verbundenen Rechte und Pflichten – des Schuldners gehört zur Insolvenzmasse (3 Ob 238/02z; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 75 Rz 4 mwN). Das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen des Schuldners wird zwar seiner freien Verfügung entzogen, die Insolvenzmasse bleibt aber – bis zu ihrer Verwertung – Vermögen des Schuldners (vgl RS0063919). Der Schuldner, der Gesellschafter einer GmbH ist, bleibt damit bis zur allfälligen Verwertung seines Geschäftsanteils auch Gesellschafter (3 Ob 238/02z).

[11] 1.3. Im Konkurs des Gesellschafters wird dessen Mitgliedschaftsrecht grundsätzlich vom Masseverwalter wahrgenommen. Auch das Stimmrecht wird im Konkurs des Gesellschafters einer GmbH durch den Masseverwalter ausgeübt, soweit es sich um die Masse betreffende Angelegenheiten handelt (Enzinger in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG[Stand 1.5.2023, rdb.at], § 39 Rz 17; Trenker, GmbH‑Geschäftsanteile in Exekution und Insolvenz, JBl 2012, 281 [294 f]; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 39 Rz 9).

[12] 1.4. Nach gefestigter Rechtsprechung bleibt die Organisation der durch die Konkurseröffnung gemäß § 84 Z 4 GmbHG aufgelösten GmbH auch im Konkurs gewahrt; die Organe nehmen weiterhin ihre Funktionen wahr, soweit diese nicht vom Masseverwalter verdrängt werden oder deren Ausübung dem Zweck des Konkurses zuwiderliefe. Dem Masseverwalter der Gesellschaft ist es daher auch verwehrt, Mitglieder der Organe abzuberufen bzw zu bestellen (RS0059995). Dies wird damit begründet, dass die Bestellung, aber auch die Abberufung des Geschäftsführers einer GmbH eine rein gesellschaftsinterne organisatorische Maßnahme ist, die für sich genommen auf die Vermögensverhältnisse der Gesellschaft keinen Einfluss nimmt (1 Ob 567/94; RS0059891). Eine Ausnahme wurde in der Rechtsprechung nur für jene Fälle anerkannt, in denen dies zu untrennbar mit der Geschäftsführerfunktion verbundenen Ansprüchen gegen die Gesellschaft führen würde (1 Ob 567/94; 4 Ob 11/10m [ErwGr 2.]).

[13] 1.5. Die auf den gesellschaftsvertraglichen Organisationsvorschriften beruhende Ausübung der Mitgliedschaftsrechte eines Gesellschafters der GmbH bei der Abberufung eines Geschäftsführers und Neubestellung eines anderen Geschäftsführers ist keine Verfügung über das Vermögen des Gesellschafters (6 Ob 188/99m). Da durch diese Beschlussfassung für sich genommen die Vermögensverhältnisse der Gesellschaft nicht verändert werden, nimmt sie für sich genommen auch keinen (mittelbaren) Einfluss auf das der Exekution unterworfene Vermögen, die Insolvenzmasse,eines Gesellschafters (Trenker, JBl 2012, 281 [294 f]). Dass sich künftige Geschäftsführungsmaßnahmen (auch) des neuen oder verbliebenen Geschäftsführers in der Folge auf das Vermögen der Gesellschaft auswirken können, ändert daran nichts. Dies gilt auch für mögliche praktische Auswirkungen der Person des Geschäftsführers auf die Kooperation mit dem Insolvenzverwalter (anders offenbar Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 39 Rz 9; die diesbezüglichen Ausführungen Bucheggers [in Bartsch/Pollak/Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht4, § 3 KO Rz 5 FN 19] beziehen sich jedoch auf die Insolvenz der Gesellschaft). Die Bestellung oder Abberufung eines Geschäftsführers gehört daher grundsätzlich nicht zu den die Konkursmasse im Konkurs des Gesellschafters betreffenden Rechtshandlungen. Das Stimmrecht ist folglich nicht vom Masseverwalter, sondern weiterhin vom Schuldner auszuüben (6 Ob 188/99m, 6 Ob 20/17k; idS auch 8 Ob 139/98v [zum Sachwalter des insolventen Alleingesellschafters im Liquidationsausgleich nach §§ 157a ff KO]; Enzinger in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG[Stand 1.5.2023, rdb.at], § 39 Rz 17; Trenker, JBl 2012, 281 [294 f]).

[14] 1.6. Entgegen der Auffassung des Revisionsrekurses steht dem auch die bisherige Judikatur zur exekutiven Pfändung von GmbH‑Anteilen (vor der GREx BGBl I 2021/86) nicht entgegen. Danach erfasste die Pfändung des GmbH‑Geschäftsanteiles nicht die im Geschäftsanteil enthaltenen Mitgliedschaftsrechte/Verwaltungsrechte (etwa das Stimmrecht in der Generalversammlung), sodass die Pfändung den betreibenden Gläubiger nicht zur Ausübung der – beim Verpflichteten bleibenden – Mitgliedschaftsrechte berechtigte (RS0087048).

[15] Dies gilt auch für die Auffassung Frauenbergers (in Deixler/Hübner, EO[36. Lfg Okt 2022] § 326 Rz 60), wonach – wie der Revisionsrekurs selbst einräumt – bei der Zwangsverwaltung von GmbH‑Anteilen (§ 332 Abs 1 Z 4 EO) die Befugnis des Verpflichteten dort enden soll, wo unter Berücksichtigung von Gesellschafterpflichten Beschlüsse gefasst werden sollen, die die Rechte des betreibenden Gläubigers beeinträchtigen (ähnlich zum Sachwalter im Liquidationsausgleich nach §§ 157a ff KO, 8 Ob 139/98v [Geschäftsführerbestellung durch den Schuldner wirksam]). Auch nach Trenker (JBl 2012, 281 [294 f]) soll das Stimmrecht bei Zwangsverwaltung eines Geschäftsanteils nur insoweit auf den Verwalter übergehen, als dadurch das Vermögen der GmbH und somit mittelbar auch das des Gesellschafters verändert wird, wozu die Abberufung und Neubestellung eines Geschäftsführers nicht zählt.

[16] 1.7. In einer älteren Entscheidung wurde die gegenteilige Ansicht damit begründet, dass im Konkurs des Gesellschafters jegliche Stimmrechtsausübung als Verwaltungsmaßnahme vomMasseverwalter wahrzunehmen sei (1 Ob 255/36 SZ 18/55; so auch Harrer in Gruber/Harrer, GmbHG² § 39 Rz 30 f). Diese Auffassung berücksichtigt nicht ausreichend, dass der Gesellschafter nur von Rechtshandlungen ausgeschlossen ist, die seine Insolvenzmasse betreffen. Daher wird das Stimmrecht durch den Masseverwalter nur ausgeübt, soweit es sich um die Masse betreffende Angelegenheiten handelt (Punkt 1.1. f). Weshalb diese Voraussetzung bei der Bestellung oder Abberufung des Geschäftsführers der GmbH vorliege, wird weder in der genannten Entscheidung noch von Harrer (aaO) begründet.

[17] 1.8. Auch allfällige faktische Erleichterungen bei Durchführung der Veräußerung des Geschäftsanteils durch den Insolvenzverwalter genügen dafür nicht. Der vom Revisionsrekurs für eine Veräußerung als notwendig angesehene „Zugriff“ des Masseverwalters auf den Geschäftsführer bestünde überdies in der Insolvenz eines Minderheitsgesellschafters ohnehin nicht.

[18] 2.1. Von einem Nicht‑Gesellschafter gefasste Beschlüsse sind als Scheinbeschlüsse wirkungslos. Sie können keine rechtlichen Wirkungen erzeugen, sodass auch ihre Beseitigung mit einer Klage nach § 41 GmbHG nicht erforderlich ist (6 Ob 33/20a [ErwGr 3.2.]; RS0111764). Derartige Beschlüsse stellen daher keine Grundlage für eine Eintragung im Firmenbuch dar (G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 15 Rz 33).

[19] 2.2. Auch der vom Masseverwalter gefasste „Gesellschafterbeschluss“ ist als Beschluss eines Nicht-Gesellschafters unwirksam, sodass er auch keine Grundlage für die Eintragung eines Geschäftsführerwechsels darstellen könnte.

[20] 3. Mangels wirksamer Bestellung zum Geschäftsführer war der Antragsteller zur Anmeldung der begehrten Eintragungen nicht befugt. Der Revisionsrekurs bleibt somit erfolglos. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind mit der Maßgabe zu bestätigen, dass die Anträge zurückgewiesen werden (vgl G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 15 Rz 33; OLG Wien NZ 2001, 235).

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