OGH 16Ok8/23x

OGH16Ok8/23x12.1.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Kartellobergericht durch den Hofrat Dr. Annerl als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher und den Hofrat Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragstellerin Bundeswettbewerbsbehörde, 1030 Wien, Radetzkystraße 2, gegen die Antragsgegnerinnen 1. P* AG, 2. P* GmbH, 3. * GmbH, 5. T* GmbH, jeweils *, und 6. G*gesellschaft m.b.H., *, alle vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wegen Verhängung einer Geldbuße gemäß § 29 KartG, über den Antrag der Einschreiterin G* registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, *, vertreten durch Hausberger Moritz Schmidt Rass, Rechtsanwälte in Wörgl, wegen Akteneinsicht, über den Rekurs der Einschreiterin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 19. September 2023, GZ 26 Kt 5/21m‑56, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0160OK00008.23X.0112.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

[1] Mit rechtskräftigem Beschluss vom 17. Februar 2022 verhängte das Erstgericht über die Antragsgegnerinnen wegen Zuwiderhandlungen gegen § 1 KartG und Art 101 AEUV durch Preisabsprachen, Marktaufteilungen sowie unzulässigen Informationsaustausch in Bezug auf öffentliche und private Ausschreibungen im Bereich Hoch‑ und Tiefbau im Zeitraum von Juli 2002 bis Oktober 2017 eine Geldbuße von 62,35 Mio EUR. Diese Entscheidung wurde am 25. Juli 2022 in der Ediktsdatei veröffentlicht. Von der Veröffentlichung wurden nur Angaben zu prognostizierten (Konzern‑)Umsätzen der Erstantragsgegnerin betreffend das Jahr 2021 sowie bestimmte Verweise auf Urkunden zu Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen ausgenommen.

[2] Mit Schriftsatz vom 1. August 2023 beantragte die Einschreiterin Akteneinsicht in den Akt des Kartellgerichts, hilfsweise in jene Aktenbestandteile, „welche die Antragstellerin betreffen und Aufschluss über die von kartellrechtswidrigen Handlungen betroffenen Bauprojekte geben“.

[3] Die Einschreiterin habe durch Veröffentlichung der Entscheidung des Kartellgerichts davon Kenntnis erlangt, dass sie von den kartellrechtswidrigen Handlungen der Antragsgegnerinnen betroffen sei. Sie beabsichtige, den ihr dadurch entstandenen Schaden geltend zu machen, weshalb ihr ein rechtliches Interesse an einer Einsicht in den Kartellakt zukomme.

[4] Aus der veröffentlichten Entscheidung ergebe sich zwar, dass die Einschreiterin von den wettbewerbswidrigen Handlungen betroffen gewesen sei. Allerdings werde sie lediglich „in der langen Liste der von den kartellrechtswidrigen Handlungen der Antragsgegnerinnen betroffenen AuftraggeberInnen erwähnt“. Dies lasse weder erkennen, ob sämtliche Bauprojekte, welche die Einschreiterin mit einzelnen Antragsgegnerinnen durchgeführt habe, von den Wettbewerbsverstößen betroffen gewesen seien, noch „in welcher Form“ (etwa durch Preisabsprachen, eine Marktaufteilung oder durch einen sonstigen Informationsaustausch) diese dabei wettbewerbswidrig gehandelt hätten.

[5] Ohne Akteneinsicht könne die Einschreiterin keine Beweismittel erlangen, die ihr eine Zuordnung bestimmter (von ihr beauftragter) Bauprojekte zu konkreten kartellrechtwidrigen Handlungen der Antragsgegnerinnen erlaubten. Demnach könne sie ohne Akteneinsicht auch keinen Schaden berechnen. Der Einschreiterin würden sämtliche Informationen für eine Substantiierung einer Schadenersatzklage fehlen. Sie liefe daher Gefahr, mit einer unschlüssigen Klage in einem zivilrechtlichen – auf Schadenersatz gerichteten – Verfahren zu unterliegen.

[6] Die Antragstellerin wies darauf hin, dass eine Einsicht in die privilegierten Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen jedenfalls unzulässig sei. Im Übrigen betreffe die Einschreiterin nur der verfahrenseinleitende Bußgeldantrag. Gegen eine Einsicht der Einschreiterin in diesen Antrag spreche sich die Antragstellerin nicht aus, sofern daran „ein hinreichend konkretes rechtliches Interesse“ bestehe.

[7] Der Bundeskartellanwalt stimmte der Akteneinsicht durch die Einschreiterin hinsichtlich jener Aktenbestandteile zu, die nicht als Kronzeugenerklärungen oder Vergleichsausfertigungen bezeichnet worden seien.

[8] Die Antragsgegnerinnen sprachen sich gegen die beantragte Akteneinsicht aus.

[9] Sie brachten zusammengefasst vor, dass § 39 Abs 2 KartG keine Rechtsgrundlage für eine „Pre‑Trial Discovery“ biete. Dass die veröffentlichte Bußgeldentscheidung für die Einbringung einer schlüssigen Klage der Einschreiterin nicht ausreiche, sei nicht nachvollziehbar, weil diese Entscheidung – bis auf wenige, für die behaupteten Ersatzansprüche der Einschreiterin nicht maßgebliche, anonymisierte Textstellen – dem unveröffentlichten Beschluss entsprochen habe. Aus der veröffentlichten Entscheidung ergäben sich daher sämtliche Informationen, die die Einschreiterin zur rechtlichen Prüfung ihrer Ansprüche benötige. Liege – wie hier – eine umfassende und detaillierte Veröffentlichung vor, müsse konkret dargelegt werden, warum die Verweigerung der Akteneinsicht die Geltendmachung eines Ersatzanspruchs übermäßig erschwere. Solche Umstände habe die Einschreiterin nicht konkret behauptet. Die angestrebte Einsichtnahme in den verfahrenseinleitenden Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde sei jedenfalls unzulässig, weil darin Dokumente der „Schwarzen Liste“ wörtlich zitiert worden seien.

[10] Das Erstgericht wies den Antrag der Einschreiterin auf Akteneinsicht ab.

[11] Es legte seiner Entscheidung die beiden in jüngerer Zeit zu Anträgen von Kartellgeschädigten auf Einsicht in den Kartellakt ergangenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zu 16 Ok 1/22s und 16 Ok 1/23t zugrunde. Demnach dürfe – stark zusammengefasst – der Zugang zu Beweismitteln nicht so ausgestaltet sein, dass dadurch die Erlangung von Schadenersatz durch den Kartellgeschädigten praktisch unmöglich gemacht oder erheblich erschwert werde. Es sei geboten, eine Gesamtbetrachtung der Möglichkeiten zur Informationsgewinnung vorzunehmen, die einem durch einen Wettbewerbsverstoß geschädigten Rechtsträger zur Verfügung stünden. Dabei komme vor allem auch der Veröffentlichung kartellgerichtlicher Entscheidungen in der Ediktsdatei gemäß § 37 KartG Bedeutung zu, weil diese wesentlich zur Informationsgewinnung des Kartellgeschädigten beitrage. Bei Vorliegen einer solchen Veröffentlichung bedürfe es daher konkret zu behauptender Umstände, aus denen sich ergebe, dass die Verweigerung der Akteneinsicht gemäß § 39 Abs 2 KartG die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs dennoch übermäßig erschwere, etwa, weil Kategorien von Dokumenten benötigt würden, die in die veröffentlichte Entscheidung keinen Eingang gefunden hätten oder typischerweise in eine zu veröffentlichende Entscheidung keinen Eingang finden würden. Dies sei von der die Akteneinsicht begehrenden Person darzulegen.

[12] Im Sinn des § 37k Abs 4 KartG privilegierte Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen seien gemäß § 39 Abs 2 KartG jedenfalls von der Akteneinsicht ausgenommen.

[13] Der Antrag der Einschreiterin genüge auch der Anforderung, die Dokumente oder Kategorien von Dokumenten, welche sie zur Verfolgung ihres Anspruchs benötige, näher zu bezeichnen, nicht. Die Einschreiterin habe nur ganz allgemein behauptet, über keine für eine schlüssige Klage erforderlichen Informationen zu verfügen. Tatsächliche Umstände, aus denen die Verweigerung der Akteneinsicht die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs trotz der Entscheidungsveröffentlichung übermäßig erschwert werde, habe sie nicht dargelegt. Sie habe auch die im KartG normierten Erleichterungen zur Substantiierung des Klagevorbringens sowie zum Beweismaß im Schadenersatzprozess außer Acht gelassen und nicht konkret behauptet, warum sie ungeachtet der Veröffentlichung des Geldbußenbeschlusses, in der nur bestimmte Umsatzzahlen der Antragsgegnerinnen sowie die Bezugnahme auf einzelne Urkunden anonymisiert worden seien, keine Schadenersatzansprüche gegen die Antragsgegnerinnen geltend machen könne.

[14] Die Wettbewerbsverstöße seien in der veröffentlichten Bußgeldentscheidung ihrer Art nach eingehend beschrieben und die Einschreiterin ausdrücklich als Geschädigte der Wettbewerbsverstöße genannt worden. Dass nicht festgestellt worden sei, durch welche konkreten Handlungen der Antragsgegnerinnen (etwa Gebiets- oder Preisabsprachen) sie geschädigt worden sei, lasse noch nicht erkennen, warum sie zur Erhebung einer den abgeschwächten Schlüssigkeitserfordernissen des § 37j Abs 1 KartG entsprechenden Klage nicht in der Lage wäre. Im Wege einer kumulierten Klagenhäufung könnten auch unterschiedliche und sogar einander widersprechende rechtserzeugende Tatsachen zur Begründung eines einheitlichen Urteilsbegehrens vorgetragen werden. Dass in der Bußgeldentscheidung keine konkreten Bauprojekte der Einschreiterin und keine konkreten Tathandlungen betreffend ihre Projekte genannt seien, begründe die Annahme einer übermäßigen Erschwerung der Rechtsverfolgung nicht.

[15] Dem Argument, die Einschreiterin könne den ihr durch die Wettbewerbsverstöße verursachten Schaden ohne Akteneinsicht nicht berechnen, sei entgegenzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs für die schlüssige Behauptung eines aus einem Kartellverstoß resultierenden Schadens nur ein Vorbringen zu den vom Geschädigten „historisch“ bezahlten Preisen erforderlich sei. Warum ihr ein solches Vorbringen aufgrund ihrer eigenen Ausschreibungsunterlagen nicht möglich wäre, habe die Einschreiterin nicht konkret ausgeführt. Sie habe weder dargelegt, wie viele Bauprojekte sie im „Tatzeitraum“ mit den Antragsgegnerinnen durchgeführt habe, noch dass bei der „Aufarbeitung“ ihrer eigenen Ausschreibungs‑ und Auftragsunterlagen konkrete Schwierigkeiten bestünden.

[16] Zusammengefasst habe die Einschreiterin der ihr obliegenden Darlegungspflicht zur Frage, warum ihr trotz umfangreicher Entscheidungsveröffentlichung und der Möglichkeit der Offenlegung nach §§ 37j und 37k KartG die Geltendmachung ihres Schadenersatzanspruchs praktisch verunmöglicht oder übermäßig erschwert würde, nicht entsprochen.

[17] Gegen diese Entscheidung richtet sich der – von den Antragsgegnerinnen beantwortete – Rekurs der Einschreiterin mit dem Antrag, ihr die Akteneinsicht „mit Ausnahme gemäß § 37k Abs 4 KartG“ zu bewilligen.

Rechtliche Beurteilung

[18] Dem Rechtsmittel kommt keine Berechtigung zu:

[19] 1. Der Oberste Gerichtshof fasste die maßgeblichen Grundsätze zur Akteneinsicht im Kartellverfahren zuletzt in seiner – ebenfalls das vorliegende Kartellverfahren betreffenden – Entscheidung zu 16 Ok 1/23t (Rz 20 ff) wie folgt zusammen:

„1.1. Die Akteneinsicht im Kartellverfahren richtet sich nach § 22 AußStrG iVm § 38 KartG und § 219 Abs 2 ZPO (16 Ok 9/14f; 16 Ok 10/14b; 16 Ok 1/22s). Über die darin festgelegten Voraussetzungen hinaus können am Verfahren nicht beteiligte Personen gemäß § 39 Abs 2 KartG nur mit Zustimmung der Parteien Akteneinsicht nehmen.

1.2. Der EuGH beurteilte eine Regelung wie jene des § 39 Abs 2 KartG, die den Aktenzugang eines Dritten, der die Erhebung einer Schadenersatzklage gegen einen Kartellteilnehmer erwägt, generell von der Zustimmung der Parteien abhängig macht, als mit dem Unionsrecht – insbesondere dem Effektivitätsgrundsatz – unvereinbar (EuGH 6. 6. 2013, C‑536/11 , Donau Chemie, Rn 49). Das nationale Gericht müsse vielmehr die Möglichkeit haben, jene Interessen, welche einerseits die Übermittlung von Informationen und andererseits den Schutz dieser Informationen rechtfertigen, im Einzelfall abzuwägen (Rn 29 und 34 mwN). Wesentlicher Gesichtspunkt sei dabei, ob dem Geschädigten im Fall der Verweigerung der Akteneinsicht andere Möglichkeiten zur Verfügung stünden, sich die für die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs erforderlichen Beweise zu beschaffen (Rn 32, 39).

1.3. Ausgehend von dieser Entscheidung des EuGH sowie davon, dass auch der österreichische Gesetzgeber mit dem KaWeRÄG 2012 (BGBl I 2013/13) die private Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen gezielt fördern wollte, erachtete der Oberste Gerichtshof die Wertung, wonach nationale Rechtsvorschriften die Erlangung von Schadenersatz für Wettbewerbsverstöße nicht praktisch unmöglich machen dürfen, als verallgemeinerungsfähig und auf Verstöße gegen das österreichische Kartellrecht übertragbar (16 Ok 9/14f; 16 Ok 10/14b; vgl 16 Ok 1/22s).“

[20] 2. Zum private enforcement im Kartellrecht führte der Senat in der genannten Entscheidung (16 Ok 1/23t Rn 23 ff) aus:

„2.1. Mit der Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. 11. 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadenersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union (SchadenersatzRL, ABl L 349 vom 5. 12. 2014) verfolgt der Unionsgesetzgeber unter anderem das Ziel, private zivilrechtliche Durchsetzungsmaßnahmen und die öffentliche Rechtsdurchsetzung des Wettbewerbsrechts durch die Wettbewerbsbehörden kohärent und mit dem Ziel der höchstmöglichen Wirkung unter anderem im Hinblick auf den Zugang zu Unterlagen, die sich im Besitz der Wettbewerbsbehörden befinden, zu koordinieren (ErwGr 6). Die SchadenersatzRL adressiert den strukturellen Konflikt zwischen dem Bestreben, Geschädigten den Zugang zu Informationen für eine erfolgversprechende Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aus Wettbewerbsrechtsverstößen zu ermöglichen und gleichzeitig zu verhindern, dass Unternehmen von einer Zusammenarbeit mit den Wettbewerbsbehörden Abstand nehmen, wenn Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen, in denen sie sich selbst belasten, offengelegt würden (ErwGr 26).

2.2. Der Richtliniengesetzgeber betont die große Bedeutung der Beweismittel für die Durchsetzung von Ersatzansprüchen wegen Kartellrechtsverstößen. Er leitet daraus ab, dass ein Kläger berechtigt sein müsse, die Offenlegung der für seinen Anspruch relevanten Beweismittel zu erwirken, ohne diese konkret benennen zu müssen (ErwGr 15). Um den wirksamen Schutz des Rechts auf Schadenersatz zu gewährleisten, sei es aufgrund einer geplanten Schadenersatzklage aber nicht erforderlich, dem Kläger jedes zu einem Kartellverfahren gehörende Schriftstück zu übermitteln. Es sei nämlich wenig wahrscheinlich, dass eine Schadenersatzklage auf sämtliche Bestandteile des Akts des Kartellverfahrens gestützt werden müsse (ErwGr 22; vgl auch EuGH C‑536/11 , Donau Chemie, Rn 33; C‑365 P, EnBW, Rn 106; 16 Ok 1/22s mwN). Offenlegungsanträge sollten daher nicht als verhältnismäßig angesehen werden, wenn sie sich ganz allgemein auf die Unterlagen in den Akten einer Wettbewerbsbehörde zu einem bestimmten Akt beziehen (ErwGr 23). Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen seien als besonders wichtige und sensible Instrumente der öffentlichen Rechtsdurchsetzung von der Offenlegung auszunehmen (ErwGr 26). Gleichzeitig solle bei Unterlagen, bei denen es sich nicht um Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen handelt, dafür gesorgt werden, dass Geschädigte ausreichend alternative Möglichkeiten des Zugangs zu relevanten Beweismitteln hätten, die für ihre Schadenersatzklagen erforderlich seien (ErwGr 27).

2.3. Entsprechend diesen Zielsetzungen umschreibt Art 1 Abs 1 der SchadenersatzRL ihren Gegenstand und Anwendungsbereich damit, Vorschriften festzulegen, die erforderlich sind, um zu gewährleisten, dass jeder, der einen durch eine Zuwiderhandlung […] gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schaden erlitten hat, das Recht, den vollständigen Ersatz dieses Schadens […] zu verlangen, wirksam geltend machen kann. Die Offenlegung von Beweismitteln ist in Kapitel II der SchadenersatzRL geregelt. Nach deren Art 5 Abs 1 gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die nationalen Gerichte in Verfahren über Schadenersatzklagen aufgrund eines substanziiert begründeten Antrags des Klägers unter bestimmten Voraussetzungen die Offenlegung von Beweismitteln durch den Beklagten oder einen Dritten anordnen können. Nach Abs 2 leg cit muss sich die Offenlegung auf bestimmte einzelne Beweismittel oder relevante Kategorien von Beweismitteln beziehen, die – soweit zumutbar – genau abzugrenzen sind; nach Abs 3 muss die Offenlegung verhältnismäßig sein. Art 6 SchadenersatzRL regelt die Offenlegung von Beweisen, die sich in Akten einer Wettbewerbsbehörde befinden. Die Offenlegung bestimmter Kategorien von Dokumenten darf nach Art 6 Abs 5 erst nach Beendigung des nationalen Kartellverfahrens oder nach Art 6 Abs 6 (Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen) für die Zwecke von Schadenersatzklagen gar nicht angeordnet werden.

2.4. In Umsetzung der SchadenersatzRL sieht der durch das KaWeRÄG 2017 (BGBl I 2017/56) neu eingefügte § 37j KartG die Offenlegung von Beweismitteln, die sich in der Verfügungsmacht der Gegenpartei oder eines Dritten befinden, und der ebenfalls neu eingefügte § 37k KartG die Offenlegung und Verwendung von Beweismitteln, die sich in den Akten von Gerichten oder Behörden befinden, vor. Beide Bestimmungen ermöglichen eine Offenlegung von Beweismitteln aber erst in einem anhängigen schadenersatzrechtlichen Verfahren. § 37k Abs 4 und Abs 5 KartG verbieten die Offenlegung von Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen. Durch das KaWeRÄG 2021 (BGBl I 2021/176) wurde deren Schutz erweitert (§ 37a Abs 3 KartG). § 39 Abs 2 KartG, wonach eine Akteneinsicht durch nicht am Verfahren beteiligte Dritte die Zustimmung der Parteien voraussetzt, blieb sowohl durch das KaWeRÄG 2017 als auch das KaWeRÄG 2021 unverändert.“

[21] 3. In seiner zu 16 Ok 1/22s ergangenen Entscheidung setzte sich der Oberste Gerichtshof erstmals grundlegend mit der Frage der Anwendbarkeit des § 39 Abs 2 KartG nach der geltenden – auch hier maßgeblichen – Rechtslage auseinander und führte dazu ua aus (vgl auch 16 Ok 1/23t Rn 28 ff):

„7.2. Die im Urteil Donau Chemie des EuGH aus dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz abgeleitete Wertung, der Zugang zu Beweismitteln dürfe nicht so ausgestaltet sein, dass dadurch die Erlangung von Schadenersatz durch den Kartellgeschädigten praktisch unmöglich gemacht oder erheblich erschwert werde, ist durch die Erlassung der SchadenersatzRL und deren Umsetzung keineswegs obsolet. Die SchadenersatzRL kann vielmehr als Konkretisierung des bei Beurteilung der Effektivität heranzuziehenden Maßstabs dienen. […]

7.4. Betrachtet man die Regelungen der SchadenersatzRL zur Offenlegung von Beweismitteln, so ist zunächst festzuhalten, dass die Richtlinie keine eindeutige Vorgabe dahin enthält, die Offenlegung von Beweismitteln erst und ausschließlich im Schadenersatzprozess zu ermöglichen (Hoffer/Barbist, Das neue Kartellrecht³ 149; vgl Weitbrecht, Kartellschadenersatz 2017, NZKart 2018, 106 [107, 109], der 'erhebliche Umsetzungsspielräume' ortet).

Die [...] Harmonisierung besteht […] nur im Hinblick auf den Schutz von Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen gemäß Art 6 Abs 6 SchadenersatzRL (vgl Mallmann/Lübbig in Fuchs/Weitbrecht, Handbuch Private Kartellrechtsdurchsetzung § 13 Rz 48; in diesem Sinn auch Fiedler/Huttenlauch, Der Schutz von Kronzeugen‑ und Settlementerklärungen vor der Einsichtnahme durch Dritte nach dem Richtlinien-Vorschlag der Kommission, NZKart 2013, 350 [354]). Im Übrigen wird kein einheitliches Schutzniveau festgelegt; Art 5 Abs 8 SchadenersatzRL gestattet vielmehr – unter Beachtung der Notwendigkeit geeigneter Schutzmaßnahmen für bestimmte Kategorien von offenzulegenden Beweismitteln – ausdrücklich die Beibehaltung oder Einführung nationaler Vorschriften, die zu einer umfassenderen Offenlegung von Beweismitteln führen.

7.5. Der Richtlinie kann […] nicht entnommen werden, dass eine Offenlegung erst und ausschließlich im Schadenersatzprozess für die Ermöglichung einer effektiven privaten Rechtsdurchsetzung jedenfalls und in allen denkbaren Fallkonstellationen ausreicht.

Art 5 Abs 1 SchadenersatzRL sieht zwar (bloß) vor, dass die nationalen Gerichte 'in Verfahren über Schadenersatzklagen' die Offenlegung von Beweismitteln anordnen könnten. Die Erwägungsgründe formulieren aber die Zielsetzung, durch Kartellverstöße geschädigten Rechtsträgern den 'für die Erstellung ihrer Schadenersatzklage' notwendigen Zugang zu Beweismitteln zu ermöglichen (ErwGr 27).

Ihrem Gesamtkonzept nach bezweckt die SchadenersatzRL eine möglichst effiziente öffentliche und private Rechtsdurchsetzung. In diesem Sinn ist es geboten, im Hinblick auf die private Durchsetzung des Kartellrechts mit Hilfe des Schadenersatzrechts eine Gesamtbetrachtung der Möglichkeiten zur Informationsgewinnung vorzunehmen, die einem durch einen Wettbewerbsverstoß geschädigten Rechtsträger zur Verfügung stehen.

Diese Möglichkeiten dürfen im Sinn des unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes nicht so ausgestaltet sein, dass dadurch die Geltendmachung von Schadenersatz aus Kartellverstößen praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird (vgl EuGH C‑360/09 , Pfleiderer, Rn 30 f; C‑536/11 , Donau Chemie, Rn 10).

7.6. Bei isolierter Betrachtung der durch das KaWeRÄG 2017 ins KartG eingeführten §§ 37j und 37k ist festzuhalten, dass ein Rechtsträger, der sich durch einen Kartellverstoß geschädigt erachtet, die Schadenersatzklage einbringen, daher insbesondere seinen Schaden beziffern und auf dieser Basis die Pauschalgebühr entrichten muss, bevor er Anträge auf Offenlegung nach §§ 37j oder 37k KartG stellen kann. Im Fall der Abweisung eines Antrags nach § 37j KartG ist die abweisende Entscheidung zudem erst mit der Endentscheidung im Schadenersatzprozess bekämpfbar (§ 37j Abs 8 KartG). Der Kläger kann daher im Fall einer unberechtigten Abweisung seines Offenlegungsantrags mit der Situation konfrontiert sein, erst nach Vorliegen der Sachentscheidung – sohin nach einem beträchtlichen Prozessaufwand – die zur Substanziierung und Schlüssigstellung seiner Ansprüche erforderlichen Urkundenvorlageanträge im Rechtsmittelverfahren erfolgreich verfolgen zu können. Meinungsverschiedenheiten im Zuge der Amtshilfe nach § 37k KartG können überhaupt nur vom ersuchenden Gericht an das übergeordnete Gericht herangetragen werden (8 Nc 40/21f).

Die Rechtsansicht [...], allein aus der Einführung der §§ 37j und 37k KartG sei abzuleiten, die in § 39 Abs 2 KartG vorgesehene Voraussetzung der Zustimmung aller Verfahrensparteien für die Einsicht in die Akten des Kartellgerichts sei unter keinen Umständen mehr als unionsrechtswidrig anzusehen, vermag daher nicht zu überzeugen.

7.7. Die isolierte Betrachtung der §§ 37j, 37k KartG greift aber zu kurz. Vielmehr kommt auch der Veröffentlichung kartellgerichtlicher Entscheidungen in der Ediktsdatei gemäß § 37 KartG (seit der Fassung KaWeRÄG 2012) – die […] in den Fällen Donau Chemie und 16 Ok 9/14f und 16 Ok 10/14b noch nicht zur Anwendung kam – Gewicht zu.

7.8. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass das Geldbußenverfahren zwar nicht primär den Zweck verfolgt, die Grundlagen für die Führung von Schadenersatzprozessen zu schaffen, dass aber bei Auslegung des § 37 KartG die gesetzgeberische Zielsetzung zu berücksichtigen ist, die Verfolgung privater Schadenersatzansprüche wegen Kartellverstößen zu erleichtern, sodass der zugrunde liegende Sachverhalt in der Geldbußenentscheidung möglichst deutlich wiederzugeben ist (16 Ok 14/13). Das Unterbleiben einer ausreichenden Veröffentlichung der Entscheidung würde für Geschädigte eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des durch Art 6 EMRK und Art 47 GRC garantierten Rechts auf Zugang zu einem Gericht bedeuten, wenn – wie nach dem Wortlaut des § 39 Abs 2 KartG – nur mit Zustimmung der Parteien Akteneinsicht in die Akten des Kartellverfahrens zusteht (16 Ok 14/13; 16 Ok 2/21m).

7.9. Die Veröffentlichung trägt wesentlich zur Informationsgewinnung des Kartellgeschädigten bei. Bei Vorliegen einer Veröffentlichung wird es daher konkret zu behauptender Umstände bedürfen, aus denen sich ergibt, dass die Verweigerung der Akteneinsicht gemäß § 39 Abs 2 KartG die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs dennoch übermäßig erschwert (sodass der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz verletzt wäre), etwa, weil Kategorien von Dokumenten benötigt werden, die in die veröffentlichte Entscheidung keinen Eingang gefunden haben oder typischer Weise in eine zu veröffentlichende Entscheidung keinen Eingang finden werden. […]

7.11. […] Der Effizienzgrundsatz verlangt […] (nur), dass die Geltendmachung von Schadenersatz aus Wettbewerbsrechtsverstößen nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird. […] Ob in einem konkreten Fall der Effektivitätsgrundsatz verletzt ist, kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden. […]

Es liegt daher an der Akteneinsicht begehrenden Person, darzutun, dass ihr unter Berücksichtigung aller ihr zu Gebote stehenden rechtlichen Möglichkeiten der Informationsgewinnung ohne die Gewährung einer von der Zustimmung der Parteien des Kartellverfahrens unabhängige Akteneinsicht die Geltendmachung ihres durch die Wettbewerbsrechtsverletzung verursachten (behaupteten) Schadenersatzanspruchs praktisch verunmöglichen oder übermäßig erschwert würde.“

[22] 4. Ausgehend von dieser Rechtslage, begegnet die Beurteilung des konkreten Falls durch das Erstgericht, wonach die Einschreiterin nicht ausreichend dargelegt habe, dass ihr die Einbringung einer Klage gegen die Antragsgegnerinnen ohne die angestrebte Akteneinsicht praktisch unmöglich oder zumindest übermäßig erschwert wäre, keinen Bedenken:

[23] 4.1. Die Einschreiterin nimmt in ihrem Rekurs zwar – anders als noch in erster Instanz – Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen von der angestrebten (gemäß § 37k Abs 4 KartG aber jedenfalls unzulässigen) Einsichtnahme aus. Ihr Begehren ist entgegen ErwGr 23 der SchadenersatzRL aber nach wie vor auf eine Einsicht in sämtliche anderen Unterlagen im Akt des Kartellgerichts (hilfsweise in jene „Aktenbestandteile, […], welche die Antragstellerin betreffen und Aufschluss über die von kartellrechtswidrigen Handlungen betroffenen Bauprojekte geben“) gerichtet. Damit bezeichnet sie jene Dokumente oder Kategorien von Dokumenten, die sie zur Verfolgung ihrer Ansprüche unbedingt benötige, aber auch in ihrem Rechtsmittel nicht hinreichend konkret. Warum die bereits in der zu 16 Ok 1/22s ergangenen Entscheidung dargelegten Anforderungen an eine (im Rahmen des Zumutbaren) möglichst konkrete Bezeichnung der von der Akteneinsicht umfassten Unterlagen (oder Kategorien von Unterlagen) hier „weniger streng“ zu beurteilen wären als im dortigen Verfahren, zeigt die Rekurswerberin nicht plausibel auf. Wenngleich die Akteneinsicht in dem der genannten Entscheidung zugrunde liegenden Fall bereits während des anhängigen Geldbußenverfahrens angestrebt wurde, kann dieser Entscheidung nicht entnommen werden, dass auf einen erst danach gestellten Antrag auf Akteneinsicht ein „weniger strenger Maßstab“ anzuwenden wäre.

[24] 4.2. Aber selbst wenn der Einschreiterin zuzugestehen wäre, dass sie jene Dokumente, auf die sich ihr Antrag auf Akteneinsicht bezog, nicht konkreter beschreiben konnte, käme ihrem Antrag keine Berechtigung zu.

[25] 4.3. In erster Instanz begründete sie ihr rechtliches Interesse an der Akteneinsicht einerseits damit, dass sich aus der veröffentlichten Bußgeldentscheidung nicht ergebe, ob sämtliche ihrer Bauprojekte von den Kartellverstößen der Antragsgegnerinnen betroffen wären. Andererseits lasse sich dieser Entscheidung auch nicht entnehmen, „in welcher Form“ die Antragsgegnerinnen bei Bauprojekten der Einschreiterin kartellrechtswidrig gehandelt hätten.

[26] 4.4. Dem letztgenannten Argument ist entgegenzuhalten, dass sich die wettbewerbswidrigen Handlungen der Antragsgegnerinnen für den Zeitraum 2002 bis 2017 aus der veröffentlichten Bußgeldentscheidung ergeben. Diese wurden dort ihrer Art nach eingehend beschrieben und die Einschreiterin ausdrücklich als Geschädigte der Wettbewerbsverstöße genannt. Dass nicht festgestellt wurde, durch welche konkreten wettbewerbswidrigen Handlungen der Antragsgegnerinnen (also etwa Gebiets‑ oder Preisabsprachen) die Einschreiterin geschädigt worden sei, lässt nicht erkennen, warum sie zu keiner Klageerhebung gegen diese in der Lage wäre. Einerseits kommen ihr die abgeschwächten Schlüssigkeitserfordernisse des § 37j Abs 1 KartG zugute, wonach es ausreicht, wenn die auf Schadenersatz wegen Kartellverstößen gerichtete Klage zumindest soweit substanziiert ist, als sie diejenigen Tatsachen und Beweismittel enthält, die dem Kläger mit zumutbarem Aufwand zugänglich sind und die die Plausibilität eines Schadenersatzanspruchs ausreichend stützen. Andererseits könnte die Einschreiterin ihr zivilrechtliches Ersatzbegehren im Wege einer kumulierten Klagenhäufung auch auf unterschiedliche – einander sogar widersprechende –rechtserzeugende Tatsachen (hier also auf unterschiedliche wettbewerbswidrige Handlungen) – stützen (RS0038130; siehe auch 16 Ok 1/23t). Warum die veröffentlichte Bußgeldentscheidung des Kartellgerichts dafür keine ausreichende Grundlage böte, ist nicht ersichtlich. Aus der von der Rekurswerberin ins Treffen geführten Entscheidung zu (richtig) 5 Ob 193/22a lässt sich für diese Beurteilung nichts Konkretes ableiten, weil dort kein Fall einer solchen kumulierten Klagenhäufung zu beurteilen war.

[27] 4.5. Dem Argument, die Einschreiterin bedürfe für eine effektive Geltendmachung von zivilrechtlichen Ersatzansprüchen aufgrund der Kartellverstöße der Antragsgegnerinnen konkreter Informationen dazu, welche von ihr durchgeführten Bauprojekte von diesen Verstößen betroffen waren, ist zunächst entgegenzuhalten, dass sie die mit den Antragsgegnerinnen abgewickelten Bauvorhaben ihren eigenen Geschäftsunterlagen entnehmen kann. Aus diesen müsste auch eine bloße Teilnahme der Antragsgegnerinnen an Ausschreibungen bzw Angebotsprozessen der Einschreiterin hervorgehen, auch wenn der Auftrag letztlich einem anderen Unternehmer erteilt wurde. Gegenteiliges behauptet die Einschreiterin auch in ihrem Rechtsmittel nicht. Damit legte sie aber nicht ausreichend dar, welche Möglichkeiten der Informationsgewinnung ihr – abgesehen von der veröffentlichten Bußgeldentscheidung – zur Verfügung standen und inwieweit sie diese tatsächlich ausschöpfte.

[28] 4.6. Der durch einen Verstoß gegen Kartellbestimmungen Geschädigte hat – da es sich bei diesen um Schutzgesetze handelt – auch nur die Verletzung des Schutzgesetzes und den Eintritt des Schadens zu behaupten und zu beweisen (RS0022474; vgl auch § 37c Abs 2 KartG; Gänser/Egger in Egger/Harsdorf‑Borsch, Kartellrecht [2022] § 37c KartG Rz 14). Die Verletzung von Wettbewerbsvorschriften durch die Antragsgegnerinnen ergibt sich aber – wie dargelegt – aus der veröffentlichten Bußgeldentscheidung. Für die schlüssige Behauptung eines aus einem Kartellverstoß resultierenden Schadens ist nach der Rechtsprechung nur ein Vorbringen zu den vom Geschädigten „historisch“ bezahlten Preisen erforderlich (5 Ob 193/22a mwN; 16 Ok 1/23t). Warum die Einschreiterin aufgrund ihrer eigenen Geschäftsunterlagen kein solches Vorbringen erstatten könnte, legt sie (auch in ihrem Rechtsmittel) nicht überzeugend dar.

[29] 4.7. Soweit im Rekurs behauptet wird, die Antragsgegnerinnen seien möglicherweise bei einzelnen Aufträgen (im Einvernehmen mit anderen Kartellbeteiligten) „zurückgestanden“, sodass diese Aufträge von der Einschreiterin an Personen vergeben worden wären, die in der Bußgeldentscheidung nicht namentlich genannt worden seien, hat sie ihren Antrag auf Akteneinsicht darauf in erster Instanz nicht gestützt. Dass und warum es sich bei der Verspätung (Unterlassung) dieses Vorbringens um eine entschuldbare Fehlleistung gehandelt hätte, legt die Rechtsmittelwerberin nicht dar (RS0120290; 16 Ok 9/14f; 16 Ok 10/14b; zum grundsätzlich auch im außerstreitigen Kartellverfahren geltenden Neuerungsverbot vgl auch RS0079200 [T5]).

[30] 4.8. Schließlich erwägt die Einschreiterin in ihrem Rekurs, nicht nur die Antragsgegnerinnen zivilrechtlich auf Schadenersatz in Anspruch nehmen zu wollen, sondern auch andere Beteiligte der wettbewerbswidrigen Absprachen, die nicht Partei des vorliegenden Verfahrens waren. Auch damit hat die Einschreiterin ihren Antrag auf Akteneinsicht in erster Instanz aber nicht begründet. Der Vollständigkeit halber ist der Einschreiterin in diesem Zusammenhang auch entgegenzuhalten, dass nicht ersichtlich ist, warum die Einsicht in den Kartellakt ein effektives und gebotenes Mittel zur privatrechtlichen Durchsetzung des Wettbewerbsrechts gegenüber Personen sein sollte, die von der Wettbewerbsbehörde im vorliegenden Verfahren, in dem der Antrag auf Akteneinsicht gestellt wurde, gar nicht „belangt“ wurden (16 Ok 1/23t).

[31] 4.9. Zusammengefasst legte die Einschreiterin keine ausreichend konkreten Umstände dar, die den Schluss zuließen, dass eine Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen die Antragsgegnerinnen trotz umfassender Veröffentlichung der Bußgeldentscheidung, der im Zivilprozess bestehenden Erleichterungen hinsichtlich der Schlüssigkeit der Klage sowie der im Haftungsprozess zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten ohne Akteneinsicht übermäßig erschwert und daher der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz verletzt wäre.

[32] 5. Ihrem Rekurs kommt daher kein Erfolg zu.

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