OGH 1Ob170/23s

OGH1Ob170/23s16.11.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Dr. Peter Ringhofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17–19, wegen 36.625,33 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision derklagenden Partei gegen dasUrteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. September 2023, GZ 14 R 109/23m‑137, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00170.23S.1116.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Amtshaftung inkl. StEG

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger war ab 1987 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis als Busfahrer beschäftigt. Seit 1. 12. 2016 ist er im Ruhestand. Er begehrt von der Beklagten aus dem Titel der Amtshaftung Schadenersatz und die Feststellung von deren Haftung für künftige Schäden. Die Beklagte habe als Dienstgeberin ihre arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht über viele Jahre verletzt, indem sie ihm schadhafte und harte Fahrersitze und Busse zur Verfügung gestellt habe, wodurch seine Wirbelsäule übermäßigen Stoßbelastungen ausgesetzt gewesen sei. Deswegen habe er krankheitsbedingt eine Bezugskürzung hinnehmen müssen und erhalte seit 1. 12. 2016 nur mehr einen Ruhebezug.

[2] Das Berufungsgericht bestätigte das die Klage abweisende Urteil des Erstgerichts und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der Kläger zeigt in seiner außerordentlichen Revision keine Rechtsfragen von der Bedeutung des § 502 Abs 1 ZPO auf:

[4] 1. Wie der private Arbeitgeber hat auch der öffentlich-rechtliche Dienstgeber verschiedene immaterielle und materielle Interessen des Arbeitnehmers zu wahren, insbesondere dessen Leben und Gesundheit (1 Ob 94/18g = RS0021267 [T9]).

[5] Der Fachsenat judiziert daher in ständiger Rechtsprechung, dass die nach § 1157 ABGB und den in sondergesetzlichen Vorschriften enthaltenen Normen zugunsten von Dienstnehmern bestehende Fürsorgepflicht den öffentlich-rechtlichen Dienstgeber nicht nur bei einer vertraglichen Gestaltung des Dienstverhältnisses trifft, sondern auch dann, wenn das Dienstverhältnis durch Ernennungsakt begründet wurde (RS0021507).

[6] Die Entscheidung des Berufungsgerichts entspricht diesen Grundsätzen. Das erkennt der Kläger letztlich selbst, wenn er einräumt, dass es auf die Fürsorgepflicht des öffentlich-rechtlichen Dienstgebers abstellte (vgl dazu RS0021544 [T2]). Soweit er dem Berufungsgericht dennoch anlastet, dass es seinen Aufgabenbereich als Buslenker als „vereinbarte Tätigkeit“ umschrieben hat, übersieht er, dass es damit lediglich auf den nach dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis definierten Leistungsinhalt abstellte. Keineswegs kann daraus abgeleitet werden, dass das Berufungsgericht von einem privat-rechtlichen Dienstverhältnis ausgegangen wäre, wie der Kläger offensichtlich meint. Inwieweit das Berufungsgericht insoweit einem grundlegenden Rechtsirrtum unterlegen sein soll, ist damit nicht zu erkennen.

[7] 2. Auch noch in dritter Instanz beruft sich der Kläger darauf, dass die Beklagte ihre Fürsorgepflicht verletzt habe, weil Vorgesetzte im Jahr 2005 einen von ihm mit einem Kollegen eigenmächtig vorgenommenen Tausch der jeweils zugewiesenen Busse rückgängig gemacht haben. Dieser Tausch wäre (weil der andere Bus mit einem ergonomisch günstigeren Fahrersitz ausgestattet war) zur Aufrechterhaltung seiner Dienstfähigkeit geboten und damit vom Dienstgeber zuzulassen gewesen.

[8] Das Berufungsgericht hat ausführlich dargelegt, warum ein solches eigenmächtiges Vorgehen den (berechtigten) Interessen des Arbeitgebers an der Planung und Aufrechterhaltung des Betriebs entgegenstand, und den vom Kläger aus der Untersagung eines solchen eigenmächtigen Handelns abgeleiteten Vorwurf einer Fürsorgepflichtverletzung unter Verweis auf die in weiterer Folge unter dessen Einbindung erfolgten Maßnahmen, die zum Einbau eines gesundheitsergonomischen Fahrersitzes in dem ihm zugewiesenen Bus führten, verneint. Mit dieser Begründung setzt sich der Kläger nicht auseinander, wenn er lediglich behauptet, dass die Aufrechterhaltung des Bustausches für den Dienstgeber zumutbar gewesen wäre. Er kann damit keine im Einzellfall (RS0103132) aufzugreifende Fehlbeurteilung dieser Frage durch das Berufungsgericht aufzeigen (vgl RS0043603 [T16]).

[9] 3. Soweit der Kläger eine Fürsorgepflichtverletzung des Dienstgebers darin erblickt, dass die von ihm im November 2009 angestrebte Verwendungsänderung nicht erfolgt ist, ignoriert er die Feststellung, dass Handlungen seiner Vorgesetzten sowie die Diensteinteilung ab dem Jahr 2009 ohne Einfluss auf seine Wirbelsäulenerkrankung waren, und geht damit nicht vom festgestellten Sachverhalt aus (RS0043312 [T3]).

[10] 4. Warum ein „sekundärer Mangel“ vorliegen soll, weil das Berufungsgericht „bezüglich Bustausch eine unrichtige rechtliche Beurteilung vorgenommen“ habe, ist nicht nachvollziehbar. Soweit der Kläger unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit darüber hinaus rügt, dass die von ihm „angestrebten Unterlassungen von Negativfeststellungen nicht als berechtigt angesehen wurden“, wendet er sich erkennbar gegen die Erledigung seiner Beweisrüge und greift damit die der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogene (RS0043371) Sachverhaltsgrundlage an, wie sie von den Vorinstanzen der Entscheidung zugrunde gelegt wurde.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte