OGH 3Ob180/23a

OGH3Ob180/23a13.11.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der der klagenden Partei Dr. A* P*, vertreten durch Dr. Catharina Grau, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. K* P*, vertreten durch preslmayr.legal Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen § 35 EO, über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 15. Februar 2023, GZ 23 R 41/22k‑46, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Purkersdorf vom 1. Dezember 2021, GZ 2 C 17/21b‑25, teilweise (hinsichtlich des Betrags von 16.126,30 EUR) abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0030OB00180.23A.1113.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Exekutionsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.410,90 EUR (darin enthalten 235,15 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Das Berufungsgericht wies das Oppositionsklagebegehren des früheren Ehegatten der Beklagten im Betrag von 16.126,30 EUR mit Teilurteil ab. In diesem Umfang sei die Exekutionsführung der Beklagten auf Hereinbringung offener Unterhaltsansprüche betragsmäßig auch nach der eigenen Berechnung des Klägers berechtigt, weshalb die Entscheidung allein von der Frage abhänge, ob sich die Beklagte in einer Lebensgemeinschaft befinde.

[2] Über Antrag des Klägers nach § 508 ZPO sprach das Berufungsgerichts nachträglich aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil der Festlegung der Kriterien, die bei einer Wirtschaftsgemeinschaft jedenfalls vorliegen müssten, und dem dafür notwendigen Ausmaß der Verflechtung der fraglichen Lebensgefährtin erhebliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zukomme.

Rechtliche Beurteilung

[3] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

[4] 1.1 Die Kriterien für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft sind in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geklärt. Danach wird unter einer Lebensgemeinschaft ein jederzeit lösbares familienrechtliches Verhältnis verstanden, das der Ehe nachgebildet, aber von geringerer Festigkeit ist (RS0021733 [T5]). Für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft spielen neben der Eheähnlichkeit auch eine gewisse Dauer, auf die sie eingerichtet ist (RS0047000 [T8]), und das Zusammenspiel der Elemente Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft eine Rolle, wobei anerkannt ist, dass im Sinn eines beweglichen Systems nicht stets alle drei Merkmale vorhanden sein müssen (RS0047000). Vielmehr kann das Fehlen eines Kriteriums durch das (verdichtete) Vorliegen der anderen Kriterien ausgeglichen werden (RS0047000; 3 Ob 35/20y).

[5] Wie die maßgebenden Kriterien für die Annahme einer Lebensgemeinschaft im konkreten Fall zu gewichten sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (1 Ob 98/22a).

[6] 1.2 Eine Wohngemeinschaft liegt grundsätzlich vor, wenn die Lebensgefährten tatsächlich in einer Wohnung leben, die ihr dauernder gemeinsamer Lebensmittelpunkt sein soll; sie muss über die bloßen „Nebenerscheinungen“ einer Geschlechtsgemeinschaft hinausgehen. Durch fallweise gemeinsame Übernachtungen in unregelmäßigen Abständen wird sie daher nicht begründet. Der Annahme eines gemeinsamen Lebensmittelpunkts steht aber nicht entgegen, dass einer der beiden Partner nicht jeden Tag in die gemeinsame Wohnung zurückkehrt, etwa weil er regelmäßig auswärtige Berufstätigkeiten verrichten muss (vgl 3 Ob 31/14a).

[7] Für das Vorliegen einer Wirtschaftsgemeinschaft ist wesentlich, dass die Partner einander an den zur Bestreitung des Unterhalts, der Zerstreuung und der Erholung dienenden gemeinsamen Gütern teilnehmen lassen (RS0047035). Der Begriff der Wirtschaftsgemeinschaft beschränkt sich aber nicht auf diese rein materielle Seite. Vielmehr wird zudem gefordert, dass die beiden Partner Freud und Leid miteinander teilen sowie einander Beistand und Dienste leisten. Neben dem Vorliegen einer seelischen Gemeinschaft ist – mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Bedeutung einer Ehe – allerdings ein Mindestmaß an einer wirtschaftlichen Gemeinschaft unverzichtbar (RS0047035 [T4]; RS0047130 [T5]; 3 Ob 241/13g).

[8] Diese Grundsätze gelten auch für eine „moderne“ Lebensgemeinschaft, bei der die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Partner den Regelfall bildet.

[9] 2.1 Im Anlassfall leben die Beklagte und ihr Partner nicht dauerhaft gemeinsam in einer Wohnung und haben keinen gemeinsamen Lebensmittelpunkt. Die bloß abwechselnden Wochenendbesuche reichen für die Annahme eines gemeinsamen Lebensmittelpunkts nicht aus. Wirtschaftliche Verflechtungen im Sinn einer gemeinsamen Haushaltsführung (zB einkaufen und kochen) und eines gemeinsamen Wirtschaftens (zB gemeinsame Konten und gegenseitige finanzielle Unterstützungen) fehlen vollkommen. Dass die Beklagte und ihr Partner wechselseitig an gemeinsamen Gütern teilhaben, wurde ebenfalls nicht festgestellt. Gelegentliche Arbeiten oder Unterstützungsleistungen bei der Kinderbetreuung reichen für die Annahme einer Wirtschaftsgemeinschaft nicht aus.

[10] 2.2 Bei der gebotenen Gesamtschau bewegt sich die Entscheidung des Berufungsgerichts, wonach im Anlassfall sowohl eine Wohn- als auch eine Wirtschaftsgemeinschaft zu verneinen sei, innerhalb des diesem zukommenden Beurteilungsspielraums.

[11] 3. Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage war die Revision zurückzuweisen.

[12] Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO; die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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