European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0140OS00092.23W.1024.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Suchtgiftdelikte
Spruch:
Das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 17. Jänner 2023, GZ 26 Hv 85/22m‑9, verletzt § 35 Abs 1 und § 37 SMG iVm § 270 Abs 4 Z 2 und § 488 Abs 1 StPO.
Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch, demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) ebenso aufgehoben wie der zugleich ergangene Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Entlassung und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.
Gründe:
[1] Mit (gemäß § 270 Abs 4 iVm § 488 Abs 1 StPO) gekürzt ausgefertigtem Urteil wurde – soweit hier relevant – * S* des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
[2] Nach dem Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) hat er von einem unbekannten Zeitpunkt bis zum 30. Juni 2022 in I* vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich 3,7 Gramm THC‑haltiges Cannabiskraut, erworben und besessen, wobei er die Tat ausschließlich zum persönlichen Gebrauch beging.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dieses Urteil steht – wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt – mit dem Gesetz nicht im Einklang:
[4] Gemäß § 37 SMG hat das Gericht nach Einbringen der Anklage die §§ 35 und 36 SMG sinngemäß anzuwenden und das Verfahren unter den für die Staatsanwaltschaft geltenden Voraussetzungen bis zum Schluss der Hauptverhandlung mit Beschluss einzustellen.
[5] Wird durch die Tat (wie hier) das Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 und 2 SMG begründet, ist demnach – bei Vorliegen auch der weiteren Voraussetzungen und Bedingungen (§ 35 Abs 3 bis 7 SMG) – Diversion nach § 35 Abs 1 (iVm § 37) SMG stets geboten (RIS‑Justiz RS0131952).
[6] Lehnt das Gericht diese gleichwohl ab, hat es Feststellungen zu treffen, welche die Nichtanwendung der genannten Diversionsbestimmungen tragen (RIS‑Justiz RS0119091 [T7 und T9]).
[7] Dies gilt auch für eine (wie hier) gekürzte Urteilsausfertigung, die nach § 270 Abs 4 Z 2 StPO (der gemäß § 488 Abs 1 erster Satz StPO im Verfahren vor dem Landesgericht als Einzelrichter Anwendung findet) im Fall einer Verurteilung unter anderem die vom Gericht als erwiesen angenommenen, entscheidenden Tatsachen in gedrängter Darstellung zu enthalten hat. In diesem Sinn entscheidend sind auch Tatsachen, die für die (Nicht-)Anwendung von Diversionsbestimmungen den Ausschlag geben (RIS‑Justiz RS0125764 [T3]; Danek/Mann, WK‑StPO § 270 Rz 30 ff; Ratz, ebd § 281 Rz 399 und 659).
[8] Das aufgezeigte Fehlen solcher Feststellungen macht das Unterbleiben diversionellen Vorgehens unschlüssig (RIS‑Justiz RS0122332 [T12]).
[9] Das angefochtene Urteil verletzt daher § 35 Abs 1 und § 37 SMG iVm § 270 Abs 4 Z 2 und § 488 Abs 1 StPO.
[10] Da diese Gesetzesverletzung geeignet ist, zum Nachteil des Verurteilten zu wirken, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, ihre Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO; zur Aufhebung des gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO gefassten Beschlusses vgl RIS‑Justiz RS0100194).
[11] Von der aufgehobenen Entscheidung rechtslogisch abhängige Entscheidungen und Verfügungen gelten damit gleichfalls als beseitigt (RIS‑Justiz RS0100444).
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